Liechtensteiner VOLKSBLATT
KULTUR
Montag, 25. September 2000 1 3
Europa ohne Trennungslinien
8. Europa-Tage des Denkmals im Fürstentum Liechtenstein
In 47 europäischen Staa
ten werden die Europa-
Tage des Denkmals veran
staltet. Die vom Europarat
ins Leben gerufene Kam 7
pagne «Europa, ein ge
meinsames Erbe» ist das
gemeinsame Motto aller
teilnehmender Länder.
Die diesjährigen «Europa-
Tage des Denkmals» in
Liechtenstein sind der
hiesigen Baukultur ge
widmet.
Gerolf Hauser
Bei der Eröffnung am Samstag
in der Aula des Gymnasiums
in Vaduz begrüsste Hansjörg
Frommelt, Leiter der Archäolo
gie, die dem von Walter Walch
geleiteten Hochbauamt ange
gliedert ist, die Gäste und er
läuterte die drei Beiträge Liech
tensteins zu den Europatagen:
Vorträge während der Exkursi
on auf dem Bodensee («Was ha
ben wir aus dem See gemacht»),
ein Film über Denkmalpflege
und das Buch «Bauen für Liech
tenstein, ausgewählte Beiträge
zur Gestaltung einer Kultur
landschaft».
Herzensangelegenheit
Regierungsrätin Andrea Willi
eröffnete die Europa-Tage. Die
Kampagne habe zum Ziel, das
Bewusstsein für die Schönheit
und den Erhalt der Baudenk
mäler zu schärfen, das Wissen
und die Wertschätzung der ei
genen Heimat zu mehren. Bot
schafter Josef Wolf äusserte in
seinem Referat Gedanken zu
den Europa-Tagen aus der
Sicht des Europarates. Mit dem
liechtensteinischen Denkmal
schutzgesetz und dem Europa
jahr von 1975 habe eine erste
Sensibilisierung stattgefunden
dafür, dass das kulturelle, also
architektonische, archäologi
sche und landschaftliche Erbe
einer umfassenden Pflege be
dürfe. Seit 1991 koordiniere der
Europarat diese Aktivitäten eu
ropaweit, die seit 1999 unter
dem gemeinsamen Motto «Eu
ropa, ein gemeinsames Erbe»
stehen. «Wir brauchen in jedem
Land Menschen, denen Kultur
und ihre Pflege eine Herzens
angelegenheit ist». Nur so kön-
Patrik Birrer präsentiert das Buch 'Bauen für Liechtenstein».
(Bild: Ingrid)
ne Europa zu einem Raum der
Begegnung und der gegenseiti
gen Akzeptanz werden. Europa
ohne Trennungslinien sei mehr
als eine Vision. Erreicht werden
könne dies aber nur mit inten
siver interkultureller, interethi
scher und interreligiöser Pflege.
Vielfalt der Architektur
Mach den musikalischen
Beiträgen des Vokalensembles
(Nadine Batliner, Ursula Däsch-
ler, Karl Marxer, Johannes Ut-
hoff und Ales Puhar am Kla
vier), sprach Christoph Allens-
pach aus Zürich zum Thema
■Vom dörflichen Bauen in die
Moderne». Anhand zahlreicher
Dias erläuterte er den Übergang
in Liechtenstein von der ländli
chen zur städtischen Struktur,
was sowohl gute wie schlechte
Spuren hinterlassen habe, z. B.
die Zersiedelung. Andererseits
gehe die Entwicklung der Bau
kultur, die eine starke Bewe
gung zum zeitgenössischen
Bauen zeige, Hand in Hand mit
einer Öffnung zu Europa hin.
Überrascht zeigte er sich über
die Vielfalt der Architektur in
Liechtenstein, die einen An-
schluss an internationale Ar
chitekturströmungen zeige. Das
Buch «Bauen für Liechten
stein», mit zahlreichen Abbil
dungen versehen (es ist in
Buchhandlungen und beim
Hochbauamt, Abteilung Denk
malpflege erhältlich), zeigt die
verschiedenen Facetten der ge
bauten Landschaft Liechten
steins auf. Dabei werden so
wohl historische als auch neue
re Gebäude vorgestellt. Auto
ren sind Rupert Quaderer, Peter
Geiger, Ulrike Mayr, Peter Al
bertin, Ursina Jakob, Hanspeter
Bärtschi, Lothar Beer, Elisabeth
Castellani Zahr, Florin Frick,
Michael Pattyn, Thomas Keller,
Eva-Maria Froschauer, Ursula
Riederer, Walter Walch und
Christoph Allenspach. Die
Eröffnung der «Europa-Tage»
fand ihren Ausklang mit einem
Ap£ro, musikalisch gestaltet
von Karl Marxer (Saxophon),
Johannes Uthoff (Keyboards)
und Christoph Becker (Bass).
Nach der festlichen Ertiffimfflg"
am Samstag, wurden am Sonn-
tagTinige interessante Bauwer
ke und Denkmalschutzobjekt in
Liechtenstein besichtigt.
Ein besonderer Hörgenuss
Heiteres Bläserkonzert mit den Werdenberger Kammermusikern
Auf Schloss Werdenberg prä
sentierten sich am Samstag
abend die Werdenberger
Kammermusiker in ihrer neu
en Besetzung im herrlichen
Ambiente des Rittersaals mit
einem heiteren Bläserkonzert.
Gerolf Hauser
Für die langjährigen Mitglieder
des Ensembles Hidefumi Iwaha-
na (Flöte), der zurück in seine
Heimat Japan gegangen ist, und
Klaus Beck (Klarinette), der sich
seinen neuen Verpflichtungen
als Musikschuldirektor in Vaduz
widmet, spielen nun Helen
Braun (Flöte) und Sabrina
Bäbler (Klarinette), zusammen
mit den «altbewährten» Musi
kern Robert Wenger (Oboe),
Gaston Oehri (Horn) und Wer
ner Gloor (Fagott) bei den Wer
denberger Kammermusikern.
Klangkombinationen
Aus ihrem Repertoire präsen
tierten sie Musik von Haydn,
Milhaud, Ligeti, Wenger,
Strauss Vater und Sohn und
vier Altwiener Tänze. Zeigten
sich zu Beginn im 1. Satz des
«Divertimento» von Joseph
Haydn (1732-1809) noch rhyth
mische Ungenauigkeiten und
ungleiche Einsätze, steigerten
sie sich zunehmend zu einer
grossen Spielfreude und sehr
schönen klanglichen Homoge
nität. Oboist Robert Wenger
kündigte das zweite Stück, «La
Cheminie du roi Ren£» von
Darius Milhaud (1892-1974) so
an, dass er das Publikum auf
forderte, die im Programm auf
gelisteten Sätze zu lesen, die
nur dort stünden, damit man
wisse, wann man klatschen
darf. Milhaud habe das Stück
so komponiert, wie man sich in
den 30er. Jahren mittelalterli
che Musik vorstellte. Tatsäch
lich ist das Werk weder modern
noch alt, es dominieren «leere»
Klänge mit tanzenden Flöten
passagen, wie man sie eher von
Jacques Ibert kennt, einigen
schwierigen Hornpassagen,
von Gaston Oehri bravourös
gemeistert. «Mit der heiteren
Musik wird es immer ernster»,
sagte Robert Wenger, «denn mit
György Ligetis «Six Bagatelles»
kommen wir in die Gegenwart.»
Ursprünglich waren es 12
In einer sehr eindrücklichen Kulisse konnten die Zuschauer das
Konzert gemessen.. (Bild: Ingrid)
Stücke für zwei Klaviere, sechs
davon transkribierte Ligeti
selbst für Bläserquintett. Bril
lant und hochspannend spiel
ten die «Werdenberger» diese
kurzen Stücke, beladen mit
rhythmisch komplizierten und
synkopenreichen, immer wie
der aus unisono gespielten Pas
sagen zu clusterähnlichen auf
gefächerten sehr dichten Klän
gen, dazwischen und darüber
von Instrument zu Instrument
wechselnden Klangkombina
tionen.
Grosse Gemeinsamkeit
Nach der Pause dann die
«Sieben schweizerischen Tän
ze» des Oboisten Robert Wen
ger (1944). Musik müsse bo
denständig sein, meinte der
Komponist, verwurzelt in der
Region. Und so erklang durch
gehend alpenländische Drei
klangseligkeit, vom harmoni
schen Material her Bewegung
in konventionellem Rahmen,
durchzogen von «kleinen Aus
flügen» in etwas modernere
Klänge. Wunderbar allerdings,
wie er geschickt Soloparts den
einzelnen Instrumenten zu
schiebt, z. B. dem Fagott, das
sonst, was das Solistische an
betrifft, in vielen Kompositio
nen zu kurz kommt. Den Ab-
schluss des Abends bildeten
«Vier Altwiener Tänze» (ano
nym), die «Wiener Kreuzer-
Polka» von Johann Strauss Va
ter und «Vergnügungszug» von
Strauss Sohn. Dass die «Wer
denberger Kammermusiker»,
gerade zurückgekehrt von ih
rer Japan-Tournee, dort in
Sälen mit über 1000 Zuhöre-
rlnnen grosse Erfolge feierten,
glaubt man ihnen nach diesem
Abend sofort. Und dass die
glänzende Harmonie des Zu
sammenspiels auch auf der
Kanada-Tournee, die Anfang
Oktober beginnt, begeisterte
Zustimmung finden wird, ist
wohl sicher.
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