Liechtensteiner VOLKSBLATT
AUSLAND
Donnerstag, 21. September 2000 33
«Ratten und Hyänen»
Milosevic beschimpft Opposition bei Wahlkampf in Montenegro
BERANE: Bei seinem ers
ten Besuch in Montenegro
seit drei Jahren hat der
jugoslawische Staatsprä
sident Slobodan Milosevic
die serbische Opposition
und die prowestliche
Führung Montenegros als
«Ratten und Hyänen» be
schimpft.
Milosevic sprach am Mittwoch
auf einem Armeestützpunkt bei
Berane, rund 70 Kilometer
nordöstlich der montenegrini
schen Hauptstadt Podgorica,
vor rund 10 000 Anhängern. Er
rief die Bevölkerung Montene
gros auf, am Sonntag zur Wahl
zu gehen und «im Interesse des
Überlebens von Serben und
Montenegrinern» in ihrem ge
meinsamen Staat «klug und
tapfer zu bleiben».
Dem Westen, der serbischen
Opposition und der montene
grinischen Regierung warf Mi
losevic vor, «eine gigantische
Nation in einen Pudel umwan
deln zu wollen, der den Launen
seiner ausländischen Herren
folgt.» Er titulierte sie zudem
als Hasen, Ratten und Hyänen.
Geschützt von 400 Soldaten
und Polizisten sagte Milosevic:
«Unser Land steht im Blick
punkt der stärksten Staaten der
Zick-Zack-Kurs
Israels
JERUSALEM: Nach eintägi- 1
ger Pause bei den Friedens
verhandlungen haben israeli
sche und palästinensische
Unterhändler. am Mittwoch
wieder Verbindung miteinan
der aufgenommen.
Der palästinensische Chef
unterhändler S^jeb Erakat
traf mit seinem israelischen
Kollegen Gilead Scher zu
sammen. Zunächst war je
doch unklar, ob bei diesem
Treffen Verhandlungen ge
führt oder lediglich die Mei
nungsverschiedenheiten der
vergangenen Tage bespro
chen wurden.
Der israelische Minister
präsident Ehud Barak -hatte
die Verhandlungen am
Dienstag vorübergehend aus-"
gesetzt. Justizminister Jossi
Beilin begründete dies am
Mittwoch mit einem Missver
ständnis innerhalb der Regie
rung- .
Milosevic sprach gestern auf einem Armeestützpunkt bei Berane, rund 70 Kilometer nordöstlich der
montenegrinischen Hauptstadt Podgorica, vor rund 10 000 Anhängern. Diq Opposition und die
Führung Montenegros bezeichnete er dabei als *Ratten und Hyänen»
Welt - als ob die Menschheit
keine anderen Sorgen hätte,
ausser der Frage, wie Serben
und Montenegriner ihren ge
meinsamen Staat regieren wer
den.» Es war der erste Besuch
Milosevics in Montenegro, seit
er 1997 zum jugoslawischen
Staatspräsidenten gewählt
wurde. Viele der jubelnden An
hänger wurden mit Bussen aus
serbischen Hochburgen nach
Berane gefahren. Sie trugen
Bilder des Staatspräsidenten
und skandierten «Slobo, Slo-
bo». Die Regierung Montene
gros, das gemeinsam mit Serbi
en die Bundesrepublik Jugosla
wien bildet, hat einen Boykott
der Wahlen angekündigt. Vor
der Wahl am Sonntag werden
weitere Spannungen zwischen
den beiden Republiken be
fürchtet.
Milosevic wollte noch am
Mittwoch in die jugoslawische
Hauptstadt Belgrad zurückkeh
ren, um zum Abschluss seiner
Wahlkampagne eine Sporthalle
zu eröffnen. Auch die serbische
Opposition wollte sich am Mitt
wochabend in der Innenstadt
von Belgrad versammeln, um
die Wähler zum Sturz Milose
vics aufzurufen. Für diesen Fall
hat die Europäische Union ein
Ende der Sanktionen in Aus
sicht gestellt.
In einer in London veröffent
lichten Erklärung unterstützte
auch der im Exil lebende jugos
lawische Kronprinz Aleksandar
Karadjordjevic offen die Oppo
sition.
Er warnte zugleich vor Wahl
betrug und Manipulationen
und nannte Milosevics Regie
rung antiserbisch. Obwohl die
Opposition in Umfragen weit
vorn liegt, fürchten viele Beob
achter, dass das Ergebnis zu
Gunsten Milosevics gefälscht
werden könnte.
Schäuble rechnet mit Kohl ab
«Stern» beginnt Vorabdruck des Schäuble-Buchs
BERLIN: Mit der Veröffentli
chung von Teilen seines Bu
ches «Mitten im Lebern* im
Hamburger Magazin «Stern»
hat der frühere CDU-Vorsit
zende Wolfgang Schäuble die
mit Spannung erwartete poli
tische Abrechnung mit Alt
kanzler Helmut Kohl begon
nen.
In dem Buch macht Schäuble
Kohl hauptverantwortlich für
die «existenzbedrohende Krise»,
in die die CDU durch Kohls
Verstösse gegen das Parteien
gesetz geraten ist. Es soll von
der CDU-Vorsitzenden Angela
Merkel am 5. Oktober offiziell
vorgestellt werden.
In dem am Mittwoch veröf
fentlichten Auszug schildert
Schäuble unter anderem sein
letztes Gespräch mit Kohl am
18. Januar in dessen Berliner
Büro, bei dem er den Altkanzler
vergeblich aufgefordert hatte,
die Namen der Spender zu nen
nen oder sein Bundestagsman
dat niederzulegen. Bei diesem
auf dem Höhepunkt der Spen
denaffäre geführten Gespräch
habe Kohl die Angelegenheit
als «eigentlich nicht so
schlimm» bewertet. Für seine
Handhabung der Spenden habe
ein Grossteil der Bevölkerung
Verständnis. Auch «die Ge
schichte in Hessen» - die dorti
ge CDU hatte Schwarzgelder als
Vermächtnisse verstorbener Ju
den deklariert - sei «nicht so
tragisch». Erst die Annahme der
100 000-Mark-Spende des
Waffenhändlers Karlheinz
Schreiber durch Schäuble habe
die Affäre zu einer so dramati
schen Krise werden lassen.
Kohl habe ihn zuvor bereits
«frohgemut» mit der Frage
«trittst du zurück?» zu dem Ge
spräch empfangen, schreibt
Schäuble. Er habe Kohl nach
dessen Erklärung, weder die
Spender zu nennen noch das
Mandat niederzulegen, darauf
hingewiesen, dass er dann
zurücktreten werde, «weil ich
die Partei aus der Krise, die er
mit der Zerstörung des Anse
hens seiner Regierungszeit ver
ursache, nicht herausführen
könne», schreibt Schäuble wei
ter.
Kohl «schien von dieser Mit
teilung nicht sonderlich betrof
fen zu sein». Schäuble beendete
dieses letzte Gespräch mit dem
Altkanzler nach eigener Dar
stellung mit des Bemerkung, er.
habe wohl schon zu viel seiner
knapp bemessenen Lebenszeit
mit Kohl verbracht.
Schäuble bestätigt in seiner
Schilderung, dass er unmittel
bar nach der Unterredung mit
Kohl dem CDU-Präsidium sei
nen Rücktritt angeboten hat.
Von dieser Absicht habe er die
damalige Generalsekretärin
Angela Merkel bereits am
Abend zuvor unterrichtet ge
habt. Deren Reaktion schildert
er so: «Die Generalsekretärin
war aufs Äusserste betroffen
und beschwor mich, meinen
Entschluss rückgängig zu ma
chen. Es könne nicht richtig
sein, dass für diese Krise ein
Parteivorsitzender geopfert
werde, der zwar vielleicht Feh
ler gemacht habe, der aber
letztlich für die prekäre Situati
on keinerlei Verantwortung ha
be.» Das Präsidium habe sich
ebenfalls gegen .seinen Rück
tritt ausgesprochen und in sei
ner Abwesenheit dann be
schlossen, Kohl aufzufordern,
die Spendernamen preiszuge
ben und seinen CDU-Ehrenvor
sitz ruhen zu lassen, solange er
die notwendigen Aufklärungs-
beiträge nicht leiste.
Geiseln flohen
Franzosen konnten Rebellen entwischen
ZAMBOANGA: Auf der philip
pinischen Insel Jolo haben sich
zwei französische Journalisten
unversehrt aus der Geiselhaft
befreit.
Die andauernden Angriffe der
philippinischen Armee hätten
ihnen die Möglichkeit zur
Flucht eröffnet, sagten Jean-
Jacques Le Garrec und Roland
Madura. Die Militäroffensive
war vom französischen Präsi
denten Jacques Chirac scharf
kritisiert worden. Am Mittwoch
reagierte Chirac «mit grosser
Freude und Dankbarkeit» auf
die Nachricht von der Befreiung
der beiden Franzosen. Le Garrec
und Madura, die fiirden franzö
sischen Fernsehsender France-2
arbeiten, befanden sich seit 9.
Juli in der Hand der Moslem
gruppe Abu Sayyaf. «Wir fühlen
uns sehr gut», sagte Le Garrec
auf einer Pressekonferenz in
Manila. Sie hätten die Dunkel
heit genutzt, um den Kidnap
pern zu entkommen, während
die Gruppe auf der Flucht vor
den Angriffen der Armee in
grosser Eile eine Strasse über
queren wollte. «Wir versteckten
uns einige Minuten, und dann
rannten wir auf die Strasse», er
zählte Le Garrec. Die Nacht ver
brachten die beiden Franzosen
im Dschungel, aus Angst, dass
ihre Entführer sich auf die Su
che nach ihnen machen wür
den. Im Morgengrauen hielten
sie dann einen Lastwagen der
Armee an, der sie zu einem Mi
litärlager brachte.
Gaddafis Sohn auf der Expo
Seif el Islam Gaddafi eröffnete Nationentag Libyens
Der Sohn des libyschen Staats
chefs Muammar el Gaddaß,
Seif el Islam Gaddaß, hat am
Mittwoch die Weltausstellung
Expo 2000 in Hannover be
sucht. Am Morgen eröffnete er
den Nationentag der Volksre
publik Libyen, anschliessend
besuchte er den deutschen und
den libyschen Pavillon. Gadda
fi bedankte sich in einer Rede
für den herzlichen Empfang
und die Gastfreundschaft, ging
aber nicht auf den von Libyen
bewerkstelligten Freikauf deut
scher und anderer Geiseln auf
der philippinischen Insel Jolo
ei«. Die Deutschen - das Göt
tinger Ehepaar Werner und Re
nate Wallert sowie sein Sohn
Dirk - waren als Ehrengäste
zugegen. (Bild: Keystone)
NACHRICHTEN
Russische
Luftabwehrrakete
abgestürzt
MOSKAU: Eine russische
Luftabwehrrakete vom Typ
S-300 ist während eines
Manövers abgestürzt. Die
Tageszeitung «Moskowski
Komsomolets» berichtete
gestern, die Rakete sei kurz
nach dem Start zurück in
ihr Silo gestürzt, glückli
cherweise sei der Spreng
kopf nicht explodiert.
Irak bezichtigt
Kuwait erneut
des Öldiebstahls
BAGDAD: Irak hat Kuwait
gestern erneut Diebstahl
von Erdöl vorgeworfen. In
der Zeitung «AI Thaura» der
regierenden Baath-Partei
hiess es in einem Kommen
tar, Mitglieder der kuwaiti
schen Regierung hätten in
direkt zugegeben, Ölvor
kommen im Grenzgebiet
anzubohren und so iraki
sches Öl zu stehlen.
Fujlmori de
monstriert Starke
LIMA: Der peruanische Prä
sident Alberto Fujimori ist
zum ersten Mal seit der
Ankündigung seines Rück
tritts wieder öffentlich auf
getreten. Fujimori stieg am
Dienstagabend während ei
ner Kundgebung seiner An
hänger in Lima auf das Tor
des Eingangs zum Präsiden
tenpalast. Unterdessen strit
ten Regierung und Oppositi
on über den Termin für die
vorgezogenen Neuwahlen.
Der Abgeordnete, der die
Affäre ausgelöst hatte, sag
te, Geheimdienstchef Vladi
mire Montesinos habe mit
einem Militärputsch ge
droht. Fujimori erstieg in
Anzug und Krawatte das ei
serne Tor aus eigener Kraft,
offenbar um Stärke zu de
monstrieren. Tausende sei
ner Anhänger forderten ihn
in Sprechchören auf, an der
Macht zu bleiben. Später
stieg Fujimoris Tochter mit
einer Leiter zu ihm hinauf.
Schnelle Justiz
EISENACH: Sieben Wochen
nach dem rechtsextremisti
schen Überfall auf zwei
Afrikaner in Eisenach sind
die vier Angeklagten ges
tern zu Jugendstrafen zwi
schen sieben und 18 Mona
ten verurteilt worden. Das
Amtsgericht Eisenach sah es
als erwiesen an, dass die be
reits mehrfach vorbestraften
Rechtsextremisten am 29.
Juli die Asylbewerber aus
Togo und dem Sudan im
Bahnhofsgebäude von Ei
senach körperlich misshan
delt und später durch die
Stadt gehetzt haben. Als
Haupttäter erhielt der
19-jährige Stefan W. wegen
Beleidigung und gefährli
cher Körperverletzung 18
Monate; der ebenfalls
19-jährige Karl-Heinz S.
bekam 14 Monate.