Liechtensteiner VOLKSBLATT
WIRTSCHAFT
Donnerstag, 21. September 2000 1 3
Ein Plädoyer für die Zukunft
Die Swissca Holding AG lud Prof. Franz Josef Rademacher zum Referat
Zu einem überaus interes
santen Vortrag lud ges
tern die Swissca Holding
AG in das Gasthaus
Löwen in Vaduz: Mit Prof.
Dr. Franz Josef Radema
cher kam ein hochkaräti
ger Spezialist zu Worte -
und sein Vortrag regte
zum Nachdenken an.
Begrüsst wurde der Gast
aus Deutschland von Reto
Rothenberger, dem Swiss-
ca-Länderverantwortlichen
für Liechtenstein und
Österreich.
Erich Walter de Meijer
Das Thema von Prof. Dr. Franz
Josef Rademacher ist komplex.
Es geht um die Zukunft. Um die
Zukunft der Menschen und der
Gesellschaft, die heute durch
sprunghafte Entwicklungen in
der Informationstechnologie
vor völlig neuen Herausforde
rangen steht. «Wir leben in ei
ner Zeit, in der entweder über
haupt keine, oder wenn, dann
nur sehr schwer Prognosen
über die Zukunft gestellt wer
den können. Im Grossen und
Ganzen sind zwei Entwicklun
gen möglich: Es kann gut ge
hen - oder es kommen Katas
trophen auf uns zu. Ich will
mich in meinem Vortrag Erste-
rem widmen, weil ich über
Letzteres gar nicht nachdenken
möchte...»
Dr. Franz Josef Rademacher
ist unter anderem Professor für
Datenbank und Künstliche In
telligenz an der Uni Ulm, ist
vielseitig engagiert und Autor
von über 200 Publikationen. Er
weiss, wovon er spricht, wenn
er über die Zukunft referiert. So
bewegte er sich beim gestrigen
Thema «Muldimedia und Sy
stemdevelopment des 21. Jahr
hunderts» auf ureigenstem Ter
rain. Und er eröffnete dem Be
Sicher einer der interessantesten Vorträge, die im »Löwen» je gehalten wurden: Prof. Dr. Franz Josef
Rademacher sprach zum Thema Multimedia und Systemdevelopment im 21. Jahrhundert.»
sucher gestern im Gasthaus
Löwen völlig neue Perspektiven
von Zukunft. Prof. Franz Josef
Rademacher hielt im Grunde
genommen ein Plädoyer für
Menschlichkeit, Umsicht, so
ziale Gerechtigkeit und ver
nünftige Ökologie.
«Wir müssen uns bewusst
sein, dass unser Globus bald 9
bis 10 Milliarden Menschen be
herbergt - und alle wollen im
Grande genommen nichts ande
res als wir hier auch: in Wohl
stand und Sicherheit leben.» Der
Mensch bediente sich, um dies'
zu erreichen, unter anderem der
modernen Technik - und dort in
erster Linie der Informations-
technologie. «Sie werden nicht
glauben, was da für Entwick
lungen auf uns zukommen: Wir
werden Maschinen bauen, die
sehen, hören, denken und
fühlen. Und die Maschinen wer
den den Menschen in vielen Be
reichen ersetzen. Denn die Ma
schine hat Vorteile: Sie funktio
niert immer, arbeitet Tag und
Nacht, wird nicht krank und
man kann sie problemlos um
programmieren. Da kommen
Arbeitskräfte unter die Räder.
Den einzigen, den man nicht
wegzaubern kann, ist der End
verbraucher. Und um ihn dreht
sich ja alles. Dass Maschinen
dumm sind, ist eine Illusion.»
Der Mensch verfügte hier
über ein unglaubliches Innova
tionspotenzial - und die Welt
wird wahrlich zum globalen
Dorf. Zumindest in ökonomi
schen Angelegenheiten spiele
das nationale Moment keine
bedeutende Rolle mehr - viel r
mehr müsse man sich auf em
umsichtiges globales Manage
ment einstellen. Globalisierung
sei eine unmittelbare Folge der
Informationstechnologie. «Eu
ropa tut sich mit der Globalisie
rung noch schwer - dass muss
sich früher oder später ändern»,
weiss der Professor.
«Alles, was geschieht, muss
verträglich sein», fordert Franz
Josef Rademacher - «für die
Umwelt, für die Natur und für
den Menschen. Derzeit werden
alle Recourcen hemmungslos
geplündert - und das wird bald
nicht mehr tragbar sein.»
Über den Tellerrand hinaus
denken, sei das Gebot der Stun
de. Im Jahr 2050 leben auf un
serer Erde vermutlich neun bis
zehn Milliarden Menschen. Das
sei unvermeidbar. Das heisse
auch, dass wir den globalen
Wertschöpfungsprozess ver
zehnfachen müssen - «wenn
wir eine friedliche Zukunft
wollen. Für die Wirtschaft ist
das eine prima Sache, nur:
Können wir das schaffen?»
Prbf. 1 Rademacher ist davon
überzeugt, dass das nur geht,
wenn die Wirtschaft über libe
rale Systeme verfügt. Die mo
derne Informationstechnologie
sei eine Chance, keine Lösung.
Seine Forderung: «Wir müssen
auf globaler Ebene eine ver
nünftige regierende Ordnung
entwickeln, damit die ganze
Angelegenheit mit dem Men
schen, der Natur und der Um
welt verträglich ist. Und das
muss ein Gesamtkonzept sein.
Auch alle Finanzaktivitäten
müssen in diesen Entwick-
lungsprozess miteinbezogen
werden.» Wenn alle Länder der
Erde mitmachen würden, dann
bräuchte man in die globale so
ziale Gerechtigkeit lediglich 2
Prozent des Weltbruttosozial
produktes investieren - Dritt-
und Viertländer könnten dann
optimal in das System einge
bunden werden.
«Was für eine Rolle spielen
dabei die Religionen?» - eine
Frage aus dem Publikum. «Eine
überaus wichtiger Aspekt»,
meint Prof. Rademacher: «Reli
gion hat ethische Kraft. Alle
Religionen basieren auf zwei
Grandprinzipien: dem Schutz
der Umwelt und der Würde des
Menschen. Diese Prinzipien bil
den eine perfekte Grundlage für
eine ethisch akzeptable Ent
wicklung.» Wenn es nach ihm
gehen würde, dann sollte auch
der Kontakt zu islamischen
Ländern forciert werden -
denn: «Früher oder später müs
sen wir das ohnehin tun. Die
Einbindung der Türkei in die
EU wäre ein guter Probelauf.»
Der Vortrag von Prof. Franz
Josef Rademacher wurde mit
reichlich Applaus bedacht. Der
anschliessende Apero gab
reichlich Gelegenheit, unge
zwungen über die angerissene
Thematik zu diskutieren.
NACHRICHTEN
Geldbusse gegen
Opel
BRÜSSEL: Schwere Zeiten
für Opel. Die EU-Kömmissi
on hat gegen die niederlän
dische Opel-Tochter ein
Bussgeld verhängt. Hinter
grund sei, dass Opel Neder-
land BV zwischen Septem
ber 1996 und Januar 1998
die Ausfuhr von Opel-Mo-
dellen an Kunden aus ande
ren Staaten des EU-Binnen-
marktes verhindert habe,
entschied die Kommission
am Mittwoch in Brüssel.
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lichste: Swissca-FL-Chef Reto
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