Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

* ««An 
Liechtensteiner VOLKSBLATT 
ABSTIMMUNG LSVA 
Samstag, 16. September 2000 -7 
Dem Ziel einer verträglichen 
Mobilität näher kommen 
Interview mit der LGU-Präsidentin Silvy Frick-Tanner über die LSVA 
Die Liechtensteinische 
Gesellschaft für Umwelt 
schutz (LGU) spricht sich 
aus umweit- und ver 
kehrspolitischen Gründen 
für eine Einführung der 
LSVA auch in unserem 
Land aus. Aus dem nach 
folgenden Interview mit 
LGU-Präsidentin Silvy 
Frick-Tanner geht hervor, 
dass die LGU in der LSVA 
einen Schritt in Richtung 
einer nachhaltigen Ver 
kehrspolitik sieht. 
Mit Silvy Frick-Tanner 
sprach Günther Meier 
VOLKSBLATT: Frau Frlck, die 
LGU hat vor rund einem Jahr 
eine internationale Petition 
zur Einführung einer europa 
weiten LSVA unterzeichnet. 
Warum ist die LGU für eine 
leistungsabhängige Schwer- 
verkehreabgabe? 
Silvy Frick-Tanner: Die LS 
VA ist eine wirksame Massnah 
me, um unnötigen LKW-Ver- 
kehr, wie beispielsweise Leer 
fahrten, zu reduzieren, die Ver 
lagerung des Schwerverkehrs 
von der Strasse auf die Schiene 
zu fördern und die Kosten den 
jenigen anzulasten, die sie ver 
ursachen. Wir erreichen da 
durch eine Verminderung von 
Schadstoffemissionen, Lärm- 
imissionen und Unfallrisiken 
und leisten dadurch einen Bei 
trag zur Verminderung der Um 
weltverschmutzung. 
LSVA sorgt 
für gerechtere 
Kostenverteilung 
Gemäss Prognosen des Bun 
des wird der Schwerverkehr im 
Jahr 2010 die Hälfte der Stick 
oxid-Emissionen in der Schweiz 
verursachen. Bei den CCh-Emis- 
sionen wird der Ausstoss des 
Schwerverkehrs von 1990 bis 
2010 um 50 bis 64 % zunehmen. 
Der Schwerverkehr bezahlt aber 
nicht einmal die Hälfte der Kos 
ten, die er verursacht. 
Was zukünftig dem Stras- 
sengüterverkehr direkt angelas 
tet werden soll, sind bereits 
existierende Kosten, die bis 
jetzt über Steuern oder Kran 
kenkassenprämien von der All 
gemeinheit bezahlt werden, 
unabhängig davon, wie viel je 
de einzelne Person davon ver 
ursacht. Es sind dies die 'vom 
Strassengüterverkehr verur 
sachten Gesundheits-, Unfall-, 
Gebäude- und Lärmkosten oder 
auch Ernte-, Wald- oder Klima 
schäden, die nicht nur unsere 
Lebensqualität vermindern, 
sondern auch diejenige der 
kommenden Generationen. 
Wer Schäden verursacht, soll 
die Kosten dafür bezahlen. In 
diesem Sinne wird die LSVA für 
eine gerechtere Kostenverteilung 
sorgen und darüber hinaus hel 
fen, weitere Umwelt- und Ge 
sundheitsschäden zu reduzieren. 
Welche Vorteile sehen Sie für 
Liechtenstein, wenn die LSVA 
eingeführt wird? 
Ein zentraler Vorteil ist, dass 
wir dem Ziel einer verträgli 
chen Mobilität und damit einer 
guten Lebensqualität näher 
LGU-Präsidentin Silvy Frick-Tanner über die Einführung der LSVA: >Es geht um die Glaubwürdigkeit einer umweltverträglichen Ver 
kehrspolitik. Und dazu ist die Einßhrung der LSVA auch in Liechtenstein der richtige Weg.» (Bild: Brigitt Risch) 
kommen. Mit der gleichzeitigen 
Einführung der LSVA mit der 
Schweiz verhindern wir, dass 
Kurztransporte, die bisher über 
die N 13 in der Schweiz geführt 
wurden, einen Umweg durch 
unser Land machen, um so die 
Abgaben, die in der Schweiz 
erhoben werden, zu umgehen. 
Die Unternehmer werden durch 
effiziente Auslastung der LKW- 
Leerfahrten vermehrt vermei 
den, so dass mit einer Vermin 
derung von schädlichen Um 
weltbelastungen gerechnet 
werden, kann. 
Die Einführung der LSVA mit 
der Schweiz ist ein wichtiger 
Schritt in Richtung nachhalti 
ger Verkehrspolitik. Weitere 
Massnahmen, wie etwa die Ab 
lehnung von neuen Transit 
strassen durch das Unterland 
und ein verbindlicher Mass- 
nahmenplan zur Reduktion 
der Belastungen aus dem moto 
risierten Strassenverkehr für 
Liechtenstein, müssen folgen. 
Weitere Mass 
nahmen müssen 
verstehen Sie darunter? Wird 
Liechtenstein davon auch be 
troffen? 
Wenn es billiger ist, in Italien 
WC-Papier herzustellen, wofür 
Holz aus Skandinavien und 
Nordamerika eingeführt wer 
den muss oder die Milch von 
Basel in Zürich oder Bern abge 
füllt und wieder zurücktrans 
portiert wird, dann ist das ab 
surd oder eben wahnwitzig. Der 
spielsweise Pünktlichkeit, Zu 
verlässigkeit, Service, Organi 
sation im Unternehmen usw. 
von Bedeutung. Die Infrastruk 
tur jst dabei ein erster Schritt, 
aber noch keine Garantie für. 
die Verlagerung. 
Liechtenstein muss in einem 
weiträumigeren Rahmen be 
trachtet werden, als Kleinstaat 
im Rheintal und im Alpenge 
biet gelegen. Es geht hier um 
folgen 
Das heutige Verkehrsauf 
kommen als naturgegebenes 
Wachstum und freien Markt an 
zuerkennen und zu fördern, ist 
nichts anderes als die Unterstüt 
zung eines Wirtschaftszweiges 
zu Laoten der Gesundheit und 
der Lebensqualität der heutigen 
und zukünftigen Bevölkerung. 
Die LGU hat In ihrem Mittei 
lungsblatt von einem «Trans 
port-Wahn» geschrieben. Was 
Gütertransport ist also zu billig 
und beinhaltet keine «Kosten 
wahrheit». Und das hat nur be 
dingt mit freiem Markt zu tun 
(Billiglöhne), sondern viel m^hr 
mit offenen oder verdeckten 
Subventionen für den Strassen- 
transport. Auch in Liechtenstein 
sind solche Güter im Handel. 
Die Schweiz will die Schwer-^ 
transporte mit Lenkungsmass-* 
nahmen von der Strasse auf. 
die Schiene bringen/Sehen 
Sie Möglichkelten In unse-i 
rem Land, eine solche Verla 
gerung ebenfalls durchzu 
führen? ; 
Die Verlagerung auf dift 
Schiene hängt von vielen Fäk-, 
toren ab und ist keine kurzfris 
tige Sache. Insbesondere sind; 
«weiche» Faktoren, wie bei-j 
eine gute Koordination und vor 
allem darum, Leerfahrten und 
unnötige Transporte auf Kurz 
strecken zu vermeiden und auf 
längeren Strecken auch die Gü 
ter, welche in Liechtenstein 
hergestellt werden, bei : den 
nächstgelegenen Verladestatio 
nen auf die Schiene zu verla 
gern. 
Eine Studie des Büros Trans- 
Care von 1999 spricht von ei 
nem kurz- bis mittelfristigen 
Transport-Verlagerungspotenz 
ial auf den kombinierten Ver 
kehr von 5 % im nationalen 
und von 8 % im grenzüber 
schreitenden Verkehr. Aus der 
Untemehmensbefragung schliesst 
TransCare, dass grundsätzlich 
ejne Bereitschaft zur Nutzung 
alternativer Schienenverkehrs 
angebote bestehe. 
Die LSVA wird auch für Leer 
fahrten erhoben. Glauben 
Sie, dass In unserem Land 
der Lastwagen-Verkehr zu 
rückgeht, wenn die LSVA ein 
geführt wird? 
Es wird den Transporteuren 
sicher ein Anliegen sein, Leer 
fahrten und unausgelastete 
Fahrten zu reduzieren. Die LS 
VA ist ein erster wesentlicher 
Schritt in die richtige Richtung 
und wird dann richtig wirksam, 
wenn sie in ganz Europa einge 
führt ist. Europa befindet sich 
auf gutem Weg dazu. Zudem 
wird die LSVA mit weiteren 
Massnahmen, wie mehr 
Schwerverkehrskontrollen, Kon 
trolle der Arbeitsbedingun 
gen und Höchstgeschwindig 
keiten oder der finanziellen Be 
teiligung an Terminals und am 
Aufbau des Kombiverkehrs im 
Ausland, ergänzt werden müs 
sen. 
Die Regierung schlägt vor, 
dass ein Teil der LSVA-Elnnah- 
men für verkehrspolitische 
und Umweltmassnahmen ver 
wendet wird. Haben Sie be 
reits konkrete Vorstellungen 
über den Einsatz dieser Gel 
der? 
Die LSVA ist keine Steuer, 
sondern eine Lenkungsabgabe, 
die dazu dient, die erhobenen 
Abgaben zweckgebunden, in 
Massnahmen zu investieren, 
die der Verminderung der Um 
weltbelastungen durch den 
motorisierten Verkehr dienen. 
Deshalb würden wir es von der 
LGU begrüssen, wenn der volle 
Einsatz der Gelder für einen 
möglichst verträglichen Güter 
transport oder die Förderung 
des öffentlichen Verkehrs ver 
wendet würde. Auch wenn 
dies beim aktuellen Konzept 
nur teilweise vorgesehen ist, 
begrüssen und unterstützen 
wir den Entscheid der Regie 
rung, die LSVA jetzt einzu 
führen. 
Viele Möglichkei 
ten für Verwen 
dung der Gelder 
Möglichkeiten für die Ver 
wendung der Gelder gibt es 
viele, wie beispielsweise beim 
Schienenverkehr die Verbesse 
rung der Infrastruktur, unter 
anderem durch die finanzielle 
Beteiligung beim Ausbau von 
Verladebahnhöfen, aber vor al 
lem auch Investitionen in die 
Planung und Entwicklung von 
Logistikkonzepten, die die 
ganzen Transportwege von der 
Produktion über die Lagerung 
bis zur Endverteilung einbezie 
hen und einfachere Transport 
möglichkeiten mit der Bahn er 
möglichen. 
Oder um noch einige zu nen 
nen: Unterstützung beim Auf 
bau von Mobilitätszentralen, 
Carsharing, Mitfahrzentralen 
und Nachttaxi oder die Förde 
rung von neuen Antriebssyste 
men wie Elektröfahrzeuge, So- 
lar- und Erdgasautos etc., Unter 
stützung von Lärmschutzmass- 
nahmen.wie Lärmschutzwände, 
Schallschutzfenster, schallopti 
mierte Strassenbeläge. 
Es geht um die 
Glaubwürdigkeit 
einer umweltver 
träglichen Ver 
kehrspolitik 
Aber auch Investitionen in 
die regionale Entwicklung sind 
denkbar. Diese beinhalten die 
Förderung regionaler Produkte 
mit dem Ziel der Reduktion der 
Transportwege oder auch eine 
stärkere Subventioniening von 
regionalen Brennstoffen wie 
Holz, Biomasse oder Biogas 
und vieles mehr. 
Nicht bei allen Leuten stösst 
das Argument auf Gegenlie 
be: Wenn die Schweiz die LS 
VA einführt, dann muss Liech 
tenstein diese Lenkungsab 
gabe auch einführen. Wie se 
hen Sie den Aspekt der Soli 
darität mit dem Wirt- 
schaftspartner Schweiz? 
Es steht nicht die Frage der 
Solidarität mit dem Wirt 
schaftspartner Schweiz im 
Vordergrund, sondern der So 
lidarität mit der Bevölkerung 
der Schweiz und auch mit der 
Bevölkerung von ganz Europa 
oder der ganzen Welt. Es geht 
um die kommenden Genera 
tionen, die die von uns verur 
sachten Kosten und Schäden 
übernehmen werden müssen, 
abgesehen von der sich ver 
schlechternden Lebensqualität, 
und es geht auch um die Tier 
und Pflanzenwelt. Kurz, es 
geht um die Glaubwürdigkeit 
einer umweltverträglichen 
Verkehrspolitik. Und dazu ist 
die Einführung der LSVA auch 
in Liechtenstein der richtige 
Weg.
	        

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