Liechtensteiner VOLKSBLATT
LANDTAG
Freitag, 15. September 2000 3
«In Panik nachholen, was man in
der Vergangenheit verpasst hat!»
Die Bürgerpartei gab anläss
lich der Debatte zur Schaf
fung eines Sorgfaltspflicht
gesetzes eine Fraktionser
klärung ab. Nachfolgend
die Stellungnahme von
Fraktionssprecher Marco
Ospelt im Wortlaut:
Die Fraktion der Fortschrittli
chen Bürgerpartei hat anläss
lich der Eintretensdebatte be
treffend die Abänderung des
Sorgfaltspflichtsgesetzes, des
Rechtshilfegesetzes, des Straf
gesetzbuches und der Strafpro
zessordnung eine Grundsatzer
klärung abgegeben, die nach
wie vor Gültigkeit hat. Wir set
zen uns für einen sauberen Fi
nanzplatz ein und haben unse
re Mitarbeit angeboten zur Be
wältigung der aktuellen Pro
bleme.
Wir stellen fest, dass die Ge
setzgebung in diesem Bereich
unter enormem Druck stattfin
det. Bei der ersten Lesung der
Vorlagen im Juni dieses Jahres
haben Mitglieder unserer
Fraktion die Regierung danach
gefragt, ob die damals vorge
schlagenen Änderungen den
Anforderungen internationa
ler Standards genügten. Ob
wohl die Antwort der Regie
rung damals positiv war, er
fahren wir heute, dass dem
nicht so war und ist. Im Nach
hinein erfahren wir, dass
schon damals der Regierung
bewusst war, dass die vorge
schlagenen Änderungen nicht
genügen würden. Der Banken
verband hat das Heft in die
Hand genommen und eine
Ausweitung der Sorgfalts
pflichten zwischen Banken ei
nerseits und Rechtsanwälten
und Treuhändern andererseits
angekündigt. Die Regierung
hielt damals die Zeit für eine
solche Ausweitung als nicht
reif, obwohl sie wusste, dass es
sich hier um ein zentrales Kri
terium unserer Glaubwürdig
keit handelt. Das Vertrauen der
Opposition in ein zielgerichte
tes Vorgehen der Regierung ist
untergraben; auch deshalb,
weil ein adäquater Einbezug in
den Gesetzgebungsprozess
fehlt und weil lins Informatio
nen offensichtlich nicht um
fassend und nicht rechtzeitig
gegeben werden. Daher wissen
wir auch nicht, ob dieser Pro-
zess im wesentlichen abge
schlossen ist oder wie er weiter
gehen soll. Was werden die
nächsten Schritte sein?
Analysiert man die Kri
tikpunkte, die gegen Liechten
stein vorgebracht werden, so
sind dies vor allem die Umset
zung der rechtlichen Kontroll-
und Sanktionierungsmöglich
keiten sowie der mangelhafte
Vollzug durch die staatlichen
Organe. Dieser Vollzug ist Auf
gabe der Exekutive. Die Regie
rung hat vor Jahren Mahnun
gen und vorgeschlagene Ver
besserungen in den Wind ge
schlagen. Heute muss sie in
Panik nachholen, was sie
früher versäumt hat. Wir ha
ben wiederholt unsere Mitar
beit angeboten. Wir halten
aber auch die Verantwortlich
keit der Regierung fest. Bis
jetzt hielt es die Regierung
nicht für nötig, die Opposition
überhaupt in einer fiir die Pro
blematik angemessenen Weise
einzubezieheni Dafür trägt sie
die Verantwortung. Sie vertritt
heute die Auffassung, die vor
geschlagenen Gesetzesände
rungen und Massnahmen
genügten, um von der
«schwarzen Liste» wegzukom
men. Die Opposition wird sie
an ihrem Anspruch messen.
REKLAME
Sorgenfalten auf der Stirn des überforderten Regierungschefs: Der Landtag wurde als Spielball der Regierung missbraucht, welche Ge
setzesabänderungen im Stundentakt formulierte, (Bilder: bak)
«Regierung macht Gesetze
wie Metzger die Würste!»
Konfuser Regierungschef bei der Annahme des neuen Sorgfaltspflichtgesetzes
Desolate Vorstellung der
Regierung anlässlich der
Debatte um die Schaffung
eines neuen Sorgfalts
pflichtgesetzes: Fast im
Stundentakt änderte der
völlig überforderte Mario
Frick die gesetzlichen
Bestimmungen. Mit ei
nem sorgfältigen Gesetz
gebungsprozess hatte die
Vorgehensweise der Regie
rung nichts mehr zu tun.
Peter Kindle
«Man sollte nicht wissen, wie
Würste gemacht werden. Man
sollte aber auch nicht wissen,
wie Gesetze gemacht werden.
Sonst wird einem übel», stellte
FBPL-Fraktionssprecher Marco
Ospelt während der Debatte um
die Schaffung eines neuen *
Sorgfaltspflichtgesetzes fest.
Anlass dieser Aussage war
die desolate Vorstellung von
Regierungschef Mario Frick,
der im Stundentakt Änderun
gen der Gesetzesvorlage prä
sentierte. Zudem musste der in
argumentativen Notstand ver
setzte Regierungschef immtfr
wieder kleinlaut zugeben, dass
ihn «die Diskussion sehr verun
sichere».
«Landtag wurde als
Spielball missbraucht!»
FBPL-Fraktionssprecher Mar-
. co Ospelt brachte die Debatte
kurz vor der Schlussabstim
mung auf den Punkt: «Die.
FBPL setzt sich fiir einen sau
beren Finanzplätz ein. Wir ha
ben unsere Mitarbeit immer an
geboten und diese heute auch
bewiesen. Bemängelt werden
muss aber, dass eine umfasset^
de Information seitens der Re
gierung gefehlt hat». Tragi
scherweise sei aber nicht nur
die Opposition in einem Inforr
mationsnotstand gewesen, son
dern auch die Regierung selbst.
Marco Ospelt sprach damit
auch die '•nicht-öffentliche
Landtagssitzung an, welche
den ganzen gestrigen Vormit
tag in Anspruch nahm'. «Die
Regierung ändert im Stunden
takt die Gesetze. So darf ein
Gesetzgebungsprozess nicht
ablaufen». Der FBPL-Fraktions
sprecher betonte, dass die Re
gierung über die Geschehnisse
selbst nicht im Bilde sei und
den Landtag als Spielball miss
brauche. «Die Regierung
kommt ihrer Verantwortung
nicht nach». Während der De
batte wurde auch der Anschein
wach, dass Regierungschef Ma
rio Frick nach der Pfeife «aus
ländischer Magistraten» tanzt,
wuj-de doch die Tatsache be
kannt, dass sich gestern zwei
hochkarätige Vertreter der
FATF in unserem Land befan
den und dem Regierungschef
wohl mächtig einheizten. Bes
tes jBeispiel für die stündlichen
Gesetzesänderungen war Art. 9
Abs. 6 des gestern verabschie
deten Gesetzes, welcher Regie-
rurigschef Mario Frick im nicht
öffentlichen Landtag präsen
tierte, sich aber noch innerhalb
der Mittagspause des Parla
mentes veranlasst sah, diesen
erneut umzuformulieren.
Regierung stochert im
Nebel
Marco Ospelt bezeichnete die
Vorgehensweise des Regierungs
chefs treffend als «Stochern im
Nebel», konnte dieser nicht ein
mal die Auswirkungen dervorge
schlagenen Anträge abschätzen.
Zudem kritisierte der FBPL-Ab-
geordnete, dass eine Dokumenta
tion über die Standards fehle.
Auch Christian Brunhart war
schockiert über die Vorgehens
weise in der Debatte: «Ich habe
mir das anders vorgestellt! Ich
bin heute zum ersten Mal im
Landtag. Ich möchte sehr gerne
mitarbeiten, aber sorgfaltig. So
geht es wirklich nicht!»
Gabriel Marxer stellte tref
fend fest, dass die zweite Geset
zeslesung eigentlich eine End
redaktion sein sollte: «Ich wün
sche mir klarere Aussagen, für
was ich zustimme. Und ich will
zustimmen». Johannes Matt
sah sich im Laufe der Debatte
für einen kurzen Moment bei
nahe genötigt, einen Verschie
bungsantrag einzureichen, um
in der nächsten Landtagssit
zung nach sorgfältigen Ab
klärungen wieder vernünftig
debattieren zu können. VU-
Fraktionssprecher Peter Spren
ger, der selbst um konstruktive
Vorschläge bemüht war und für
das rasante Abänderungstempo
des Regierungschef keine Un
terstützung aussprechen konn
te, warf der. Bürgerpartei sogar
parteipolitisches Taktieren vor.
Johannes Matt erinnerte in der
Hitze der Debatte den VU-Frak-
tionssprecher daran, dass so
wohl Alois Beck, als auch sein
FBPL-Fraktionskollege Werner
Ospelt immer wieder mit kon
struktiven Ideen versuchten,
ein praktikables Gesetz verab
schieden zu können.
Frist verlängert
. Im Zentrum der Diskussion
stand vor allem die Abände
rung von Fristen. Jedoch auch
diese Diskussionen gingen nicht
den ordentlich organisierten
parlamentraischen Weg. «Um
nachdenken zu können, muss
ich reden», versuchte sich Mario
Frick aus der Patsche zu helfen
und rechnete dem' Parlament
vor, dass eine Verdoppelung
von zehn Tagen zwanzig Tage
sei. Johannes Matt kommen
tierte die Rechenbeispiele des
Regierungschefs: «Es kann
nicht angehen, dass ein Parla
ment Fristen regelt, wie bei ei
ner öffentlichen Versteigerung».
Zu guter Letzt, nachdem nach
der Schlussabstimmung noch
ein Rückkommensantrag des
Regierungschefs zu verhandeln
war, beschloss der Landtag das
neue Sorgfaltspflichtgesetz ein
hellig. Wichtigster Punkt dabei
ist, dass die Übergangsfristen
von 18 Monaten auf zwei Jahre
angehoben werden konnten.
Zudem wurde die sogenannte
«Know-your-Customer-Regel»
verabschiedet, nach welcher
auch bei den Banken die wirt
schaftlich berechtigte Person
bekannt gegeben werden muss.
Angeregte Diskussionen und intensives Aktenstudium im Landtag bei der Schaffung eines neuen
Sorgfaltspflichtgesetzes.
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