Liechtensteiner VOLKSBLATT AUSLAND Donnerstag, 14. September 2000 37
nach
EU-Sanktionsende
USA und Israel bleiben auf Distanz zu Qsterreich - Haider jubelt
WIEN: Die europäischen
Staaten habep gestern
fast durchwegs mit Er
leichterung auf das Ende
der gegen Österreich ver
hängten Sanktionen rea
giert. Aus Paris kamen
kritische Reaktionen. Die
USA und Israel bleiben
auf Distanz zu Wien.
Frankreichs Europaminister
Pierre Moscovici warnte, für
den Rechtspopulisten Jörg Hai
der und seine «fremdenfeindli
che und rassistische» Partei ge
be es keinen Anlass zum Tri
umph. Die Strafmassnahmen
mussten laut Moscovici aufge
hoben werden, weil die 14 EU-
Partner sich einig gewesen
seien und die Regierung in
Wien sich nichts vorzuwerfen
habe. Haiders Freiheitliche Par
tei (FPÖ) werde jedoch «konti
nuierlich überwacht» werden.
Fran?ois Hollande, Vorsitzen
der der regierenden französi
schen Sozialisten (PS), bedau
erte die Aufhebung der Sank
tionen.
Nützliche Sanktionen
Haider selbst bezeichnete die
Sanktionen als nützlich füir
Österreich. Die Strafaktion der
Europäischen Union (EU) hätte
einen gewaltigen Solidarisie-
rungseffekt und eine Stärkung
der patriotischen Gesinnung in
Österreich hervorgerufen,
meinte Kärntens Landeshaupt
mann in Klagenfurt. Als beson
ders erfreulich habe sich die
grenzüberschreitende Solida
rität der Menschen mit Öster
reich und seinen Bürgern er
wiesen.
Die Sanktionen seien ohne
Wirkung geblieben. Die Koali
tion halte und sei heute fester
denn je, sagte der ehemalige
FPÖ-Chef weiter.
Frankreichs Präsident Jac
ques Chirac sei mit der Aufhe
bung der Sanktionen ;' ge
demütigt worden. Dass dijj FPÖ
weiterhin beobachtet werden
solle, sei «offensichtlich ein
kleines Trostpflaster» für Chi
rac. f
Der Präsident der EU-Kom
mission, Romano Prodi, be-
grüsste die Aufhebung der
Sanktionen. Die Kommission
habe niemals eine Isolierung
Österreichs gewünscht. Die
Union müsse aber in Sachen
«Extremismus und Fremden
feindlichkeit, wo auch immer in
Europa» weiterhin wachsam
bleiben.
Ähnlich äusserte sich die
spanische Regierung sowie die
Aussenminister Italiens und
Portugals, Lamberto Dini und
Jaime Gama. Auch Finnland,
Schweden und die Beitrittslän
der Tschechien und Ungarn
äusserten sich befriedigt über
die Entscheidung.
Bern sieht sich bestätigt
Die Schweizer Regierung
sieht sich durch das Sanktions
ende in ihrer. Politik gegenüber
Wien bestätigt und begrüsste
die Normalisierung der Bezie
hungen zwischen Österreich
und seinen Partnern. Bern hat
te sich den Sanktionen nicht
angeschlossen und empfing
mehrmals österreichische Re
gierungsmitglieder.
«Falsches Signal»
Israel und die USA bleiben
auf Distanz zu Wien. Israels
Regierungschef Ehud Barak
sprach sich für die Beibehal
tung der Strafmassnahmen aus,
solange eine Partei wie die FPÖ
«mit neofaschistischen Tenden
zen» an der Regierung bleibe.
Der Zentralrat der- Juden in
Deutschland sprach vor dem
Hintergrund des wachsenden
Rechtsradikalismus in Europa
von einem «falschen Signal».
Europaweite
Proteste
In Grossbritannien, Belgien,
den Niederlanden und
Deutschland sind die Proteste
gegen höhere Treibstoffpreise
fortgesetzt worden. In London
kams zu einem Verkehrschaos.
Die von der Regierung Blair er
hoffte Entspannung blieb aus.
Im Zentrum der britischen
Hauptstadt London sorgten
Spediteure mit ihren Lastwa
gen für ein.^erkehrschßos v
Strassensperren der Poliiei
hinderten die Lastwagenfahrer
daran, den Protest bis vor das
Parlamentsgebäude zu tragen.
Das Regierungsviertel und der
Amtssitz von Premierminister
Tony Blair wurden als Sperrzo
ne für Fahrzeuge eingerichtet.
Auch an anderen Stellen wur
den demonstrierende Chauffeu
re an der Weiterfahrt gehin
dert. Dennoch kam es zu lan
gen Staus. In Oxford,
Manchester, dem schottischen
Invtrness und der südengli
schen Provinz Devon behinder
ten im Schneckentempo fah
rende Camions nach Angaben
der Automobilclubs den Ver
kehr. Am Morgen hatten in
Grossbritannien nach tagelan
gen Blockaden erstmals wieder
beladene Tanklaster die Raffi
nerien verlassen.
Russland und China wollen
Freundschaftsvertrag schliessen
MOSKAU: Russland und China wollen im kommenden Jahr ei
gnen Freundschaftsvertrag schliessen. Das kündigte.der russiscfc
^-Präsident WladimirPutin am Mitlwoch beimBesuch des <
fischen Partetbentspräsidenten Ii Peng in Moskau an/
chinesischen Präsidenten Jlang Zemin: Im Gesprach mit Ii hob '
Putin die Bedeutung regelmässiger Kontakte zwischen Russland;
und China hervor. Wie Putins Berater Sergej Prichodkomitteil-
te, stehen Wirtschäftsfrageri und eine militärische Zusammenar
beit im Mittelpunkt der Beratungen.. Putin und Li sprachen auch
über die gemeinsame Ablehnung des geplanten amerikanischen
Raketenabwehrsystems. US-Präsident Bill Clinton hat kürzlich
. Sie Entscheidung über den Bau der umstrittenen nationalen Ra
ketenabwehr (NMD) Vertagt. Nach der Unterredung mit Putin
> traf sich Li mit Putins Vorgänger Boris Jelzin. Li hält sich seit
Montag zu einem neuntägigen Besuch in Russland auf.
Koreanisches Gipfeltreffen
SEOUL: Der nordkoreanische
Staatschef Kim Jong II wird
im Frühjahr kommenden Jah
res zu einem Gipfeltreffen
nach Südkorea reisen.
Wie die amtliche südkoreani
sche Nachrichtenagentur Yon-
hap am Mittwoch berichtete,
einigten sich ranghohe Vertre
ter beider Seiten am Dienstag
abend in Seoul auf diesen Zeit- •
punkt.
Illach einem historischen Be
such des südkoreanischen Prä
sidenten Kim Dae Jung in
Pjöngjang im Juni hatte der
nordkoreanische Staatschef ei
nen Gegenbesuch angekündigt.
Auf dem ersten Gipfeltreffen
zwischen den beiden geteilten
Staaten seit 1945 hatten die
Präsidenten sich darauf ver
ständigt, eine Aussöhnung und
Wiedervereinigung beider Sei
ten anzustreben. Im Zuge des
sen waren Anfang des Monats
63 ehemalige Spione Nord
koreas nach Jahrzehnten in
südkoreanischen Gefängnissen
freigelassen worden und in ihre
Heimat zurückgekehrt.
Hillary Clinton für
Senat nominiert
First Lady ist Kandidatin der Demokraten
NEW YORK: Hillary Rodham
Clinton ist am Dienstag offi
ziell von den Demokraten als
Kandidatin für den Senatssitz
von New York nominiert wor
den. Mit der Ehefrau von US-
Präsident Bill Clinton tritt
erstmals eine First Lady bei
nationalen Wahlen in den USA
an. .
Hillary Clinton setzte sich prob
lemlos gegen ihren innerpartei
lichen Konkurrenten Marc Mc-
Mahon durch. Bei den Wahlen
zum Senat im November tritt sie
gegen den Republikaner Rick
Lazio an. Jüngsten Umfragen
zufolge hat Clinton einen leich
ten Vorsprung von zwei bis fünf
Prozent vor Lazio. Am Mitt
woch treffen die beiden zu ei
nem ersten Schlagabtausch auf
einander. Der bisherige Senator
von New York, der Demokrat
Daniel Patrick Moynihan, kan
didiert nicht mehr. Der Senat ist
neben dem Repräsentantenhaus
die zweite Kammer des ameri
kanischen Parlamentes, des
Kongresses.
Der Senat hat 100 Mitglieder,
die für sechs Jahre gewählt wer
den. Dabei stellt sich alle zwei
Jahre je ein Drittel der Senato-
,ren zur Wahl. Ebenfalls im No
vember wird der neue US- Prä
sident gewählt. Um das Amt be
werben sich der Republikaner
George W. Bush und Vize-Präsi
dent AI Gore von den Demokra
ten. Bill Clinton kann laut Ver
fassung nicht für eine weitere
Amtszeit gewählt werden.
Grossrazzien gegen ETA
Spanische Polizei jdimmt ETA-Führungsmitglieder fest
BILBAO: In Spanien hat die
Polizei bei Razzien im Basken-
land, in der Nachbarregion Na-
varra und in Madrid 19 Perso- !
nen festgenommen. Es handelt I
sich nach Behördenängaben
um mutmassliche Führungs
kräfte der Untergrundorganisa
tion ETA. Wie das spanische j"!
Innenministerium am Mitt- |
woch mitteilte, durchsuchten
die Beamten in mehreren Städ-:,
tendie Wohnungen von Ver
dächtigen und die Büros der
ETA-nahen Partei Herri Bata- l
suna (HB/Volksunion). Die '{
Festgenommenen stünden im
Verdacht, die Anßhrer der se- '
paratistischen Dachorganisath ■
onEKIN zu sein. Diese Organi
satlon habe den Neuaufbau des
Terrornetzes der ETA betrieben,
die Finanzierung der ETA or
ganisiert und Sabotage-Akte
im Baskenland koordiniert.
tt
NACHRICHTEN
Bauernfuhrer
Bovis verurteilt
MILLAU: Wegen des An
griffs auf eine Baustelle für
ein McDonald's-Lokal ist
der französische Bauernfüh
rer Jos£ Bov£ zu drei Mona
ten Gefängnis verurteilt
worden. Das Gericht in Mil-
lau ging damit über das von
der Staatsanwaltschaft ge
forderte Strafmass hinaus.
Acht Mitstreiter Bovfc wur
den zu Bewährungs- oder
Geldstrafen verurteilt. Sie
hatten vor gut einem Jahr
bei einer Protestaktion ge
gen US-Handelssanktionen
mit ihren Traktoren eine
Baustelle der US-fast-Food-
Kette McDonald's im süd
französischen Miilau ver- •
wüstet.
Bauern-Proteste
beendet
RIO DE JANEIRO: Nach ei
ner Drohung von Staatsprä
sident Fernando Henrique
Cardoso haben in Brasilien
zehntausende von landlosen
Bauern ihre landesweiten
Demonstrationen beendet.
Die Mitglieder der «Bewe
gung der Landlosen» seien
aus den seit Montag in elf
von 27 Bundesstaaten be
setzten öffentlichen Gebäu
den abgezogen, sagte MST-
Sprecher Giiberto Portes.
Wenige Stunden zuvor hatte
Cardoso damit gedroht, die
i Kundgebungen gewaltsam
| auflösen und die 15 wich-
tigsten MST-Führer festneh-
1 men zu lassen.
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