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Liechtensteiner VOLKSBLATT
AUSLAND
Mittwoch, 13. September 2000 25
Gegen Steuer-Ermässigung
Deutsche Budgetdebatte: Finanzminister Hans Eichel lehnt Reduktionen ab
BERLIN: Die deutsche Re
gierung lehnt Steuer-
Ermässigungen wegen
der hohen Benzin- und
Dieselpreise ab. Zum Auf
takt der Etat-Debatte im
Parlament sagte Finanz
minister Hans Eichel, dies
sei kein Mittel gegen die
«Preistreiberei der OPEC».
Vor allem der Streit um die
deutsche Öko-Steuer auf Treib
stoff prägte am Dienstag den
Beginn der viertägigen Bera
tungen, über den Etat für 2001.
Eichel unterstrich, alle EU-Fi
nanzminister hielten Steuer-Er-
leichterungen für ein untaugli
ches Mittel, um auf die hohen
Benzinpreise zu reagieren.
Der Minister verwies auf eine
bereits beschlossene allgemeine
Steuer-Ermässigung in
Deutschland um 45 Milliarden
Mark. Zur Kampagne von CDU,
CSU und FDP gegen die Öko-
Steuer erklärte Eichel: «Mit
Vernunft hat das, was Sie da im
Moment betreiben, nichts zu
tun.»
Sparpolitik
Die CDU/CSU-Fraktion hielt
der Regierung vor, sie profitiere
als «Trittbrett-Fahrer der OPEC»
von den hohen Preisen. Damit
Der deutsche Finanzminister Hans Eichel bei seiner Ankunft im Parlament. Er musste sich einer län
geren Budget-Debatte stellen. (Bild: Keystone)
bleibe von der Steuer-Reform
bei den Bürgern nichts mehr
übrig. Umstritten war in der
Debatte auch die generelle Fi
nanzpolitik. Eichel sagte, mit
dem Etat 2001 werde die Spar
politik fortgesetzt. Die Regie
rung betreibe weiter eine Fi
nanzpolitik raus aus der Schul
denfalle. Ziel bleibe es, bis zum
Jahr 2006 einen Etat ohne neue
Schulden zu erreichen.
CDU/CSU und FDP unter
stützten zwar grundsätzlich
den Abbau von Schulden, kriti
sierten aber Details. Die Re
form-Kommunisten der PDS
warfen der Regierung vor, an
der falschen Stelle zu sparen.
Eichel bekräftigte, die Erlöse
von fast 100 Milliarden Mark
aus der Versteigerung der UM-
TS-Mobilfunk-Lizenzen und
höhere Steuer-Einnahmen auf
Grund der Konjunktur-Bele
bung würden nur zum Abbau
der Staatsverschuldung von 1,5
Billionen Mark eingesetzt.
Wirtschaftswachstum
Der Finanzminister ging in
seiner Rede davon aus, dass
Deutschland in diesem Jahr ein
Wirtschaftswachstum von drei
Prozent erreicht. Für das
nächste Jahr nahm er einen Zu
wachs von 2,75 Prozent an,
auch wenn es bereits höhere
Vorhersagen gebe. Der Etat-
Entwurf sieht bislang Ausga
ben von 478,7 Milliarden Mark
vor, 100 Millionen weniger als
im laufenden Jahr. Für Investi
tionen sind 54,6 Milliarden
Mark eingeplant. Die Neuver
schuldung soll um 3,4 Milliar
den auf 46,1 Milliarden Mark
sinken.
Letzte Korrekturen sollen
nach dieser Runde der parla
mentarischen Beratungen in
den Ausschüssen vorgenom
men werden.
Proteste weiten sich aus
LONDON: Die Proteste gegen
die gestiegenen Treibstoffprei
se haben sich«in? Europa ges
tern weiter ausgedehnt In
Grossbritannien kam es zu den
folgenschwersten Boykottak
tionen seit über zehn Jahren.
An 3000 der insgesamt 8000
Tankstellen war kein Benzin
mehr erhältlich. Laut briti
schen Zeitungen würde am
Donnerstag im ganzen Land
der Treibstoff ausgehen, soll
ten die Zufahrten zu Öllagern
und Raffinerien weiter ver
sperrt bleiben. Die Regierung
kündigte hartes Durchgreifen
an. Von Königin Elizabeth er
teilte Sondervollmachten er
lauben ihr sogar den Einsatz
des Militärs. Premier Tony
Blair kam in London zu einer
Krisensitzung mit der Polizei
zusammen, die in der Graf
schaft Norfolk den Zugang zu
einem blockierten Benzindepot
erzwang. Beraten wurde, ob
Notmassnahmen ergriffen
werden sollten. Eine Senkung
der Mineralölsteuer lehnt die
britische Regierung strikt ab.
Er werde seine Politik nicht
aufgrund von Protesten und
Streiks ändern, sagte Blair.
Gewerkschafter leben gefährlich
Im letzten Jahr wurden 140 aktive Gewerkschafter getötet
BRÜSSEL: Mindestens 140
Menschen sind im vergange
nen Jahr getötet und rund
3000 verhaftet worden, weil
sie in Gewerkschaften aktiv
waren. Das geht aus einem in
Brüssel vorgelegten Bericht
hervor.
Der «gefährlichste Ort der Welt
für Gewerkschafter» sei Süd
amerika, heisst es in dem Be
richt des Internationalen Bun
des Freier Gewerkschaften
(IBFG) über Verletzungen von
Arbeitnehmerrechten in den 113
Ländern. In Südamerika seien
1999 etwa 90 Gewerkschafter
ums Leben gekommen. In Asien
gebe es in allen von der Studie
erfassten Ländern Gesetze, die
das Recht auf gewerkschaftliche
Organisation einschränkten. In
Ländern wie Nordkorea, Birma
und China seien freie Gewerk
schaften immer noch verboten.
In Europa seien sieben Men
schen wegen ihrer gewerk
schaftlichen Aktivitäten getötet
worden, davon vier in Russ
land. Die Schweiz ist in dem Be
richt wegen des Streikverbots für
Angestellte in gewissen Berei
chen des öffentlichen Dienstes
erwähnt. Der IBFG ist eigenen
Angaben zufolge mit 123 Mil
lionen Mitgliedern in 145 Län
dern die grösste internationale
Gewerkschaftsorganisation.
Wenig Zuversicht
Friedensprozess im Nahen Osten
JERUSALEM: Israels Minister
präsident Ehud Barak geht
ohne grosse Erwartungen in
die Friedensverhandlungen
mit den Palästinensern. Er be
werte die Chancen für eine Ei
nigung nicht höher als 50 zu
50, sagte er am Dienstag.
Der Entscheid des Palästinensi
schen Zentralrats, auf die Aus
rufung eines eigenen Staats
vorläufig zu verzichten, be
zeichnete Barak zwar als posi
tiv. Palästinenserpräsident Jas
sir Arafat müsse bei den Ver
handlungen aber mehr Flexibi
lität zeigen, sagte er.
Gleichzeitig bekräftige in
Ägypten Präsident Husni Mu
barak nach einem Treffen mit
Arafat, dass eine Lösung der
Jerusalem-Frage nur im Ein
klang mit den UNO-Resolutio-
nen möglich sei. Die UNO for
dert den israelischen Abzug aus
dem Ostteii der Stadt, den Isra
el im Krieg von 1967 besetzt
hatte, was völkerrechtlich je
doch nicht anerkannt ist.
Der Streit um Jerusalem war
einer der Hauptgründe für das
Scheitern des Nahost-Gipfels
im Juli im amerikanischen
Camp David. Israel besteht auf
Jerusalem als ungeteilte Haupt
stadt; die Palästinenser bean
spruchen indes den Ostteil als
Hauptstadt ihres eigenen Staats
Palästina.
Sowohl israelische als auch
palästinensische Regierungs
vertreter dementierten Presse
berichte, wonach Arafat seine
Verhandlungsposition zu Jeru
salem geändert habe. Es sei
falsch, dass Arafat bereit sei, die
von den Palästinensern gefor
derte volle Souveränität über
den Tempelberg in der Altstadt
Jerusalems unter «islamische
Souveränität» zu stellen. Die
Tageszeitung «Haaretz» hatte
ihrerseits berichtet, die israeli
sche Regierung sei bereit, die
Heiligen Stätten in Jerusalem
einem Gremium von Mitglie
dern des UNO-Sicherheitsrats
und der Organisation der Isla
mischen Konferenz zu unter
stellen. Die Palästinenser sollten
demnach die El-Aksa-Moschee
kontrollieren, das drittwichtigs
te Heiligtum des Islam, und Is
rael die Klagemauer. Die Paläs
tinenser kündigten unterdessen
Verhandlungen mit Ägypten
und Jordanien über den Grenz
verlauf ihres künftigen palästi
nensischen Staates an.
Christiane Brunner vor Gericht
Teilnahme an einer unbewilligten Kundgebung in Bern
BERN: Der Prozess gegen die
Genfer SP-Ständerätin und
designierte Präsidentin der SP
Schweiz, Christiane Brunner,
hat am Dienstagnachmittag
vor dem Strafeinzelgericht
Bern-Laupen begonnen. Zur
Diskussion steht, ob Brunner
am 14. Juni 1999 nach der
Ablehung der Mutterschafts
versicherung «unbewilligt»
demonstrierte.
Einen Tag nach Ablehnung der
Mutterschaftsversicherung de
monstrierten 500 Personen in
Bern. Unter ihnen war auch
Brunner. Sie wurde als eine von
ingesamt zwei Personen von
der Stadtpolizei wegen Teilnah
me an einer unbewilligten
Kundgebung angezeigt. In der
Folge sollte sie eine Busse von
300 Franken bezahlen.
Demonstration war Spon
tankundgebung
Für den Berner Gemeinderat
ist die Busse aber nicht rech
tens. Die Demonstration sei ei
ne Spontankundgebung gewe
sen, schrieb die Exekutive auf
eine entsprechende Interpella
tion aus dem Stadtparlament.
Spontankundgebungen sind
Zusammen mit ihrem Anwalt Fredy Henny (rechts), schreitet die
SP-Ständerätin und SMUV-Präsidentin Christiane Brunner in
Richtung Amtshaus in Bern. (Bild: Keystone)
NACHRICHTEN
UNO-General-
debatte
NEW YORK: US-Aussenmi-
nisterin Albright hat an der
UNO- Generaldebatte eine
deutliche Senkung des US-
Mitgliedsbeitrages verlangt.
Sie machte dies zur Voraus
setzung für die Begleichung
der Milliardenschulden Wa
shingtons bei den Vereinten
Nationen. Die UNO müssten
sowohl bei den Friedensmis
sionen als auch bei allen
anderen Programmen für
ein «gerechteres System der
Finanzierung» sorgen, sagte
Madeleine Albright am
Dienstag bei der Eröffnung
der Generaldebatte der 55.
UNO-Vollversammlung. Nur
dann könne ihre Regierung
einen weiteren Scheck über
600 Millionen Dollar zur
Begleichung älterer Ver
pflichtungen ausstellen.
Helmkehr von
Marc Wallert
TRIPOLIS: Drei Tage nach
seiner Freilassung aus der
Geiselhaft im Dschungel
von Jolo kehrt Marc Wallert
nach Deutschland zurück.
Im Anschluss an einen offi
ziellen Empfang in Tripolis
verliess er am Dienstag
nachmittag die libysche
Hauptstadt mit einem Flug
zeug in Richtung Hannover.
Bundesaussenminister
Joschka Fischer wollte noch
am Abend nach Libyen flie
gen, um der Regierung für
ihre Vermittlung im Gei
seldrama auf den Philippi
nen zu danken. Verwirrung
herrschte unterdessen um
ein Interview, das der mit
Wallert freigelassene Finne
Risto Vahanen dem finni
schen Femsehen gegeben
hatte. Seine Aussage, die
Entführer hätten weibliche
Geiseln vergewaltigt, nahm
Vahanen gestern zurück.
Vahanen sagte Reportern in
Tripolis, er sei missverstan
den worden. Im Interview
mit dem finnischen Fern
sehsender MTV3 erzählte
Vahanen am Montag, einige
Frauen seien in einer un
gehörigen Art und Weise
behandelt worden.
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senkt die Luft-
verschmutzung
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gemäss dem Reglement über
Kundgebungen auf öffentli
chem Grund melde-, aber nicht
bewilligungspflichtig. Die Initi-
anten hatten die Demonstration
gemeldet.
3xJa für Umwelt, Gesundheit, |
Arbeit jplitie am Z4» Septem!*!