Liechtensteiner VOLKSBLATT
INLAND
Donnerstag, 7. September 2000 3
«Verkehrspolitisch bringt die LSVA
unserem Land gar nichts»
Streitgespräch zwischen Regierungschef-Stellvertreter Michael Ritter und Hansjörg Goop, Präsident des Referendumskomitees, zur LSVA
In rund zwei Wochen
wird das Liechtensteiner
Stimmvolk darüber zu be
finden haben, ob die LS
VA eingeführt wird oder
nicht. Im Streitgespräch
zwischen Regierungschef-
Stellvertreter Michael Rit
ter und Hansjörg Goop,
dem Vorsitzenden des Re
ferendumskomitees, ka
men die unterschiedlichen
und sich widersprechen
den Argumente deutlich
zum Vorschein.
Das Streitgespräch leitete
Alexander Batliner
VOLKSBLATT: Herr Regle
rungschef-Stellvertreter, Sie
sind Innerhalb der Regierung
für die LSVA verantwortlich
und Sie haben auch den dies
bezüglichen Staatsvertrag
mit der Schweiz unterschrie
ben. Weshalb wollen Sie die
Liechtensteiner Bevölkerung
dazu verdonnern, die LSVA
einzuführen und dadurch ei
nen Preisanstieg in Kauf zu
nehmen?
Michael Ritter: Niemand will
die Bevölkerung zu etwas ver
donnern. Die Bevölkerung hat
die Gelegenheit zu entscheiden,
ob die LSVA gut oder schlecht
für Liechtenstein ist. Die Auf
gabe der Regierung ist, die Be
völkerung zu informieren. Wir
sind überzeugt, dass die Vortei
le ganz eindeutig die Nachteile
überwiegen. Die Liechtenstei
nerinnen und Liechtensteiner
werden gut informiert an die
Urne gehen, und das entschei
den, was sie überzeugt.
Wenn die LSVA eingeführt
wird, muss doch die Bevölke
rung mit einem Preisanstieg
rechnen oder etwa nicht?
Hansjörg Goop:
«Man muss sich
folgendes vor
stellen: Einige
wenige müssen
einer Steuer ei
ziehen und zw:
diejenigen, wel
che die Transport
te ausführen.
Diese Steuer wird'
an die Schweiz
abgeführt. Die
Schweiz schickt
dieses Geld dem
Staat Liechten
stein zurück. Der
Staat gibt dieses
Geld der AH^
und die AHV -
verteilt es \yieder
im Giesskai
prinzip.»
finden wird. Dies stimmt nicht.
Glauben Sie wirklich, dass bei
uns nachher ein Jogurt oder ei
ne Waschmaschine oder ein
Auto billiger zu haben ist als in
der Schweiz? Das sind doch
Preise des gemeinsamen Wirt-
schaftsraumes. Die Konsumen
tenpreise werden sich für den
Konsumenten im Verhältnis zur
Schweiz nicht spürbar verän
dern. Das liegt auf der Hand.
Die Preissteigerung ist doch
gerade ein Argument des
Referendumskomitees Herr
Goop, oder nicht?
Hansjörg Goop: Das stimmt
sicher nicht so, Herr Regierungs-
chef-Stellvertreter. Es ist sicher
Hausbau in Schaan durch einen
Baumeister von Bendern eben
falls teurer wird. Durch die LS
VA verteuert sich der Trans
portweg. Wir haben eine Be
rechnung gemacht. Angefanr
gen beim Aushub ...
Michael Ritter: . . . Das ist
richtig. Wenn wir nicht von
den allgemeinen Konsumgü
tern sprechen, sondern konkret
von einem Hausbau, bei wel
chem die Transportwege
hauptsächlich in Liechtenstein
stattfinden, gibt es einen Preis
anstieg.
Hansjörg Goop: Um das geht
es doch. !
Michael Ritter: Es geht nichi
nur um das. Es gibt bei einen!
800m 1 Haus eine Verteuerung
von 816 Franken. 210 Franken
hiervon wegen dem Aushub,
Wir sind der Meinung, wenn
man diese Zahlen betrachtet
und weiss, wie teuer ein Haus
bau ist, rechtfertigt dies nicht,
dass wir mit einem Nein zur
LSVA gravierende Schwierig
keiten in Kauf nehmen würden.
Diese Rechnung stimmt nicht.
Hansjörg Goop: Diese Zah
len stimmen so nicht Herr Rit
ter. Wir haben berechnet, dass
sich die Mehrkosten bis auf
2100 Franken belaufen können.
Hierbei sind die Ziegeltranspor
te noch nicht eingerechnet, da
diese aus der Schweiz geliefert
werden. Mit Ziegeltransport
wären dies nochmals 600 bis
700 Franken mehr.
Michael Ritter: Das ist ein
grosser Denkfehler. Die schwei
zerische LSVA führt zu einem
leichten Anstieg der Konsu
mentenpreise. Der Denkfehler
liegt darin, dass in Liechten
stein geglaubt wird, dass bei
uns bei einem Nein zur LSVA
dieser Preisanstieg nicht statt
richtig, dass bei uns wegen des
gemeinsamen Wirtschaftsrau
mes die Preise auch steigen
werden. Aber mit der LSVA
stfcigen auch jene Preise, die
nur mit Liechtenstein in Zu
sammenhang gebracht werden
können. Wir haben beispiels
weise ausgerechnet, dass ein
Die Konsumenten-
preise werden
sich für den
Konsumenten
im Verhältnis
zur Schweiz
nicht spürbar
verändern.
lastenden Lastwagen in die
Berechnungen miteinbezieht,
wird das ganze natürlich teurer.
Wir haben für unsere Berech
nungen ein normales Beispiel
herangezogen. Wir sind über
zeugt, dass unsere Berechnung
Iseriös und realistisch ist.
Hansjörg Goop: Grundsätz
lich gilt aber, dass ihr Argu
ment, dass es nicht teurer wird,
nicht richtig ist. Es wir bei uns
teurer und zwar zum Teil er
heblich.
Michael Ritter: Das allge
meine Konsumentenpreisni
veau wird sich nicht verändern.
Das ist völlig klar und wird von
der Gegenseite auch nicht be
stritten. Die Müllabfuhr wird teu
rer und zwar um 1,33 Franken
pro Jahr. Wenn man weiss, was
ein einzelner Abfallsack kostet,
weiss man, dass dies eine mini-
Franken herkommen und ir
gendjemand muss die auch be
zahlen. Die Schweiz bezahlt
uns doch nicht freiwillig 9,6
Millionen, nur weil wir ein ar
mes Land sind.
Bei uns sagt die
Industrie genau
das Gegenteil.
Dies nur, weil sie
die Gelder
zurückerhalten.
Michael Ritter: Die Belas
tung pro Haushalt kann doch
bei uns für die gleiche Abgabe
nicht grösser sein als in der
Schweiz. Der schweizerische
Bundesrat hat ausgerechnet,
Michael Ritter: Es komm
natürlich immer darauf an, vor
welchen Annahmen und Bei
spielen man ausgeht und viel
chen Lastwagen man nimmt!
Wenn man einen umweltbei
male Differenz ist. Tourismus
im Berggebiet wird um einen
Franken pro Jahr und pro Tou
rist und Bewohner teurer. Milch
wird 0,1 Rappen pro Kilo teurer.
Man muss sich einmal vorstel
len, von welchen Dimensionen
wir hier sprechen. Das sind
Preissteigerungen von einem
minimalen Ausmass. Deshalb
rechtfertigt dies nicht die mas
siven Schwierigkeiten, welche
wir durch ein Nein zur LSVA an
der Grenze zur Schweiz bekom
men würden. Und diese Proble
me wird es geben.
Hansjörg Goop: Tatsache ist
aber, dass wir von der Schweiz
jährlich 4,9 Millionen Franken
erhalten. Ab dem Jahr 2005 be- /
kommen wir 9,6 Millionen. Da
können wir diskutieren wie wir
wollen, die Schweiz schickt uns
nicht einfach Geld. Irgendwo
müssen diese 9,6 Millionen
dass es pro Haushalt im Jahr
zwischen 11 und 55 Franken
Mehrbelastung durch die LSVA
gibt. Dann kann man doch
nicht behaupten, dass es bei
uns bis 10-mal mehr sei.
Hansjörg Goop: Weshalb be
kommen wir dann 9,6 Millio
nen Franken?
Michael Ritter: Wir sollten
nicht die Wirtschaft mit ihrer
Wirtschaftskraft vergessen.
Diese wird einen erheblichen
Anteil dieser Last tragen. Wenn
beispielsweise die Presta eine
Tonne Stahl transportiert, gibt
dies natürlich eine erhebliche
Abgabe.
Hansjörg Goop: Wenn man
von Eschen in den Schaanwald
fährt, kann dies doch nicht eine
solche Steigerung ausmachen.
Tatsache ist aber Herr Goop,
dass sich die Industrie und
mit ihr die Industrie- und Han
delskammer für die Ein
führung der LSVA ausspre
chen. Weshalb ist die Indu
strie dafür und das Gewerbe
dagegen?
Es ist eine Tat
sache, dass die
Schweiz bemannte
Kontrollstationen
am Rhein errich
ten würde.
Hansjörg Goop: Die Regie
rung hat mit der Rückführung
der Mittel einen sehr geschick
ten Schachzug gemacht. Die
Gelder über die AHV zurückzu
geben, ist für die Industrie ein
Zückerchen. Damit hat es die
Regierung verstanden, die In
dustrie auf ihre Linie zu brin
gen. Man muss aber bedenken,
dass der Arbeitgeberverband
des Rheintals, der die Gelder
nicht zurückerstattet erhält, be
tonte, dass ihm die LSVA
Bauchweh bereite. Dieser Ver
band weiss, welche Kosten und
Probleme auf ihn zukommen
werden. Dies ist, man muss sich
dies vergegenwärtigen, der Ar
beitgeberverband des Rhein
tals. Bei uns sagt die Industrie
genau das Gegenteil. Dies nur,
weil sie die Gelder zurückerhal
ten. Das kann es doch nicht
sein.
Michael Ritter: Wir sollten
uns, so glaube ich, schon auf
unsere Verhältnisse beziehen.
Wir berücksichtigen doch nicht
nur die Arbeitgeber sondern
auch die Arbeitnehmer. Diese
werden doch ebenfalls entlas
tet. Das wird vom Komitee ver
schwiegen. Man tut immer so,
als ob sich der Staat durch die
LSVA Einnahmen verschaffen
würde. Das stimmt doch gar
nicht. Wir werden sämtliche
Einnahmen, die unsere Wirt
schaft und Haushalte belasten,
wieder zurückgeben. Wir kön
nen doch nicht jeden Franken
jedem einzelnen, der belastet
wurde, nachtragen. Wir müssen
dies doch in einer pauschalen
und vereinfachten Art und
Weise machen. Deshalb ist ja
die Idee, dass man es über die
AHV macht, so überzeugend.
Dort erreicht man wirklich
breite Kreise und man kann
Wirtschaft und Haushalte auf
eine gute Art entlasten und der
Staat behält das Geld nicht.
Hansjörg Goop: Deshalb ist
es ja ein volkswirtschaftlicher
Unsinn. Man muss sich folgen
des vorstellen: Einige wenige
müssen eine Steuer einziehen
und zwar diejenigen, welche
die Transporte ausführen. Diese
Steuer wird an die Schweiz ab
geführt. Die Schweiz schickt
dieses Geld dem Staat Liech
tenstein zurück. Der Staat gibt
dieses Geld der AHV und die
AHV verteilt es wieder im
Giesskannenprinzip.
Michael Ritter: Aber wir wis
sen doch, dass die schweizeri
sche LSVA in Liechtenstein zu
einer leichten Konsumenten
preiserhöhung führen wird.
Dies bei über 95 Prozent aller
Güter, die man kauft. Jetzt
stellt sich nur noch die Frage,
wollen wir eine Rückerstattung
Fortsetzung auf Seite 4
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