Liechtensteiner VOLKSBLATT
LAND UND LEUTE
Dienstag, 5. September 2000 1 1
«Ich verbiete nichts!»
Maxi Ospelt, Färb- und Stilberaterin: Serie «Tag für Tag» von Dagmar Oehri
Ich habe insgesamt vierzehn
Jahre als Krankenschwester
gearbeitet. Nach dem ersten
Kind merkte ich: mit diesem
Job geht es nicht mehr. Ich war
ausgebrannt, hatte soviel Elend
gesehen, dass ich es psychisch
nicht mehr ertragen konnte. In
der Zeitung habe ich von der
Ausbildung zur Färb- und Stil
beraterin für Damen und Her
ren in Zürich gelesen und bin
sofort hin marschiert. Farben
haben mich schon immer inte
ressiert und so machte ich die
Ausbildung in Blockkursen, re
duzierte im Krankenhaus auf
50 Prozent und hörte 1995
ganz auf, um sofort mit der
Färb- und Stilberatung anzu
fangen.
Ich richtete mir zu Hause ein
Studio ein und habe zu An
fang nur Frauen beraten. Da
mals war ich die Erste im Land;
die ersten Kundinnen waren
Bekannte. Das ist wie bei jedem
anderen Beruf auch, wo man
frisch ausgelernt ist. Die Si
cherheit bringt die Routine. Ein
halbes Jahr später fing ich mit
den Kursen in der Erwachse
nenbildung an. Natürlich habe
ich auch Inserate geschaltet.
Das Kundenpotential ist auf je
den Fall da. Zirka 200 Einzel
beratungen sind es bis heute si
cher. Ich gebe auch Finnen in
terne Seminare, zum Beispiel
auf Banken, die ja grossen Wert
auf das gute Auftreten ihrer
Mitarbeiter legen.
Die Frauen, die zu mir kom
men, wollen im Grunde al
le nur die Sicherheit, die opti
malen Farben zu tragen. Viele
merken selbst, dass sie sich in
bestimmten Farben wohl
fühlen, Komplimente bekom
men und möchten es genauer
wissen. Oder sie fühlen sich
von den teils verrückten Far
ben, die die Mode bringt, über
fahren; trauen sich zum Bei
spiel nicht, Pink zu kaufen. Die
Neugier führt sie dann zu mir.
Die Frau kommt unge
schminkt oder muss sich
erst mal abschminken. Im Spie
gel sieht sie sich dann mit allen
Pickelchen und so. Dabei
fühlen sich viele Frauen un
wohl. Hier hilft es, sich von ei
ner Freundin begleiten zu las
sen. Das schafft eine lockere
Atmosphäre. Meistens sage ich
aber, "es sieht uns eh niemand"
und sobald die Farbtücher um
gelegt sind, verliert sich die
Hemmschwelle. Manche haben
auch gar kein Problem, sich
gleich mit nacktem Gesicht
hinzusetzen.
Innerhalb von '/4 bis zu einer
'Ii-Stunde weiss ich welcher
Farbtyp die Frau ist.
Yon allen Farbpaletten wer
den Tücher ausprobiert.
Mit den Rottönen fange ich an.
Da kann man besonders gut se
hen, ob die Farbe mit dem
Hautton harmonisch ist oder
nicht. Bei den optimalen Tönen
sieht das Gesicht frisch aus, die
Augen strahlen.
Wenn ich den Farbtyp
weiss, zeige ich der Kun
din die ganze Farbpalette, die
gut wäre. Oft kommt dann der
Satz: "Das habe ich ja im
Schrank!" Sind es Farben, die
man noch gar nie gewagt hat,
hat man ein Problem. Dann
muss man sich überlegen, will
ich die alten Farben weitertra
gen oder stelle ich langsam
meine Garderobe um? Das geht
nicht von heute auf morgen.
Und die Frau muss überzeugt
sei, dass die neue Palette die
optimale für sie ist.
Nach zwei Monaten kom
men die Frauen zur kosten
losen Nachbesprechung. Wie
sie diese Zeit erlebt haben? Es
gibt alles. Manchen, die stur
nach dem Farbpass gehen und
von denen ich dann höre, sie
trauten sich gar nicht mehr
einzukaufen, rate ich: «werdet
Maxi Ospelt, 37, verhilft ihren Kundinnen zu einem sicheren Auf
treten: von der in Farbe und Stil optimalen Garderobe bis zu zeit-
gemässen Umgangsformen. (Bild: Ingrid)
lockerer!» Sonst gibt es wieder
Stress. Die Frau ist fremdbe
stimmt und das möchte ich
nicht. Ich möchte nichts ver
bieten; das sind alles Erwachse
ne. Man kann sich ruhig ein
bisschen über die Regeln hin
wegsetzen. Fühlt sich eine Frau
in einer Farbe, die nicht opti
mal ist, sehr wohl, liegt ihr die
se sehr am Herzen, soll sie die
se ruhig ab und zu weitertra
gen. Die Frauen können sich ja
auch schminken, dann sieht
das gleich wieder anders aus.
Schmink-, Frisuren- und
Brillenberatung gehören
bei mir dazu. Manche Frau er
kenne ich nach den zwei Mo
naten kaum wieder. Sie haben
viele Komplimente bekom
men, was aber nicht heisst,
■j,^ejin ich'Farb- und Stilbera-
' l!ung mache, gfefalle ich allen.
Die Leute sind vielleicht nicht
so flexibel, wenn sie sich
schon an etwas gewöhnt ha
ben. Man muss seinen eige
nen Weg finden, sich selber
gefallen, dann passt das
schon. Die Färb- und Stilbera
tung kann 50 Prozent Erfolg
mit auf den Weg geben, der
Rest ist Arbeit.
Manche schliessen an die
Färb- noch die Stilbera
tung an. Die Figur wird nach
Längsproportionen und den
«kritischen» Stellen ausgemes
sen. Im Stilpass werden die für
die individuelle Figur günsti
gen Kragenformen, Jackenlän
gen, Rocklängen, Schnittfor
men, usw. festgehalten. Aber
auch hier gilt: bei mir gibt es
die Tipps, welche Kleidungs
form bestimmte Stellen, die zu
breit oder kurz geraten sind,
kaschiert. Ob die Frau sich
klassisch, flippig, sportlich
oder romantisch kleiden will,
muss sie selbst entscheiden.
Für Männer ist das Angebot
gleich. Meist kommen sie
nicht von selbst, sondern weil
es ihnen vom Geschäft aufs
Auge gedrückt wurde oder sie
sich beruflich verändern wol
len. Hauptsächlich sind es Leu
te mit Kundenkontakt. Die
Männer sind nicht ganz so kri
tisch, weniger unsicher und
werden von mir vielfach nur in
dem bestätigt, was sie schon
wussten. Sie lassen sich auch
nicht so durch die Mode beein
flussen, wie wir Frauen.
Seit 1997 biete ich Kurse in
Auftreten und Umgangsfor
men an. Tischmanieren, Gäste,
beziehungsweise Kunden emp
fangen, Kondolenzbriefe, Faxe
schreiben, Alles was zum guten
Benehmen gehört. Die Um
gangsformen sind heute sicher
etwas lockerer, zeitgemässer,
der Knigge ist etwas überholt,
aber mit Schlürfen, Schmatzen,
Ellbogen auf den Tisch stellen,
kann man sich immer noch to
tal daneben benehmen. Sehe
ich zum Beispiel jemanden, der
beim Kaffee trinken den Löffel
in der Tasse behält, schäme ich
mich für ihn in Grund und Bo
den. Stippen? Doch, man darf
zum Beispiel mit etwas Brot in
die Sauce tunken, aber natür
lich nicht den ganzen Teller da
mit leer wischen! Wenn man
die neuen Regeln kennt, kann
man sich von Zeit zu Zeit sou
verän drUber hinweg setzen,
hat aber auch die totale Sicher
heit, sich bei Geschäftsessen
ganz aufs Gespräch konzentrie
ren zu können und nicht dar
auf, ob man jetzt die Suppe
austrinken darf oder nicht.
Mein Tag dauert von mor
gens um viertel vor sieben
bis abends um halb elf. Wenn
ich keine Beratungen mache,
bereite ich meine verschiede
nen Kurse und Vorträge vor,
oder erledige Schreibarbeit am
Computer. Mehr als zwei Ein
zelberatungen am Tag liegen
nicht drin. Das bedeutet hoch
konzentriertes, anstrengendes
Arbeiten. Bleibt mir freie Zeit,
unternehme ich etwas mit den
Kindern und mache wenn ir
gend möglich etwas Aerobic
oder Steppertraining.
Am Abend lese ich sehr viele
Sachbücher: Über Kommu
nikation, ich mache gerade die
Ausbildung in NLP, oder Er
folgstraining. Ob ich je wieder
in meinen alten Beruf zurück
will? Nein. Ich habe mein Hel-
fersyndrom ausgelebt. Und mit
meiner jetzigen Tätigkeit helfe
ich den Leuten auch, wenn auch
auf andere Weise. Die Farbbera
tung macht Freude und man
kriegt gleich Energie zurück.
Was ich-zusätzlich mache,
ist ausbaufähig. Mit NLP
könnte ich Lebensberatung
machen, könnte Kindern bei
Lernschwierigkeiten helfen,
Raucherentwöhnung oder Hilfe
beim Abnehmen anbieten, die
Seminartätigkeit ausbauen. Ich
weiss noch nicht, in welche
Richtung es geht.
Wenn ich vor dem Ein
schlafen in Gedanken den
Tag vorbeiziehen lasse - was
war gut, was weniger - so den
ke ich: «Eigentlich hast du ein
schönes Leben!»
LESERBRIEFE
Mobilfunk-Informa-
tion der Regierung
Kürzlich haben wir eine Bro
schüre der Regierung zum The
ma Mobilfunk erhalten. Wie
leider zu erwarten war, ist die
Broschüre sehr einseitig und
schönßrberiseh. Als Gegenar
gumente zitieren wir die ARD-
Sendung «Report» von letzter
Woche:
«... Doch die Grenzwerte, an
denen sich das Bundesamt für
Strahlenschutz orientiert, tau
gen nichts, das sagen immer
mehr Fachleute, wie auch
Messtechnik-Experte Prof.
Günther Käs. Unsere gegenwär
tigen Grenzwerte sind deshalb
völlig unzureichend, weil sie
sich nur an Wärmewirkungen
orientieren d.h. es wird ver
sucht, eine Überhitzung des Ge
webes zu vermeiden. Alle ande
ren biologischen Effekte, die
mit Wärmewirkungen nichts zu
tun haben und bei sehr, sehr
viel geringeren Intensitäten
stattfinden, werden dabei aus
ser Acht gelassen.
Eine gerade fertig gestellte
Studie birgt Brisantes: Zwei
Jahre lang untersuchten Tier
mediziner Bauernhöfe in
Bayern und Hessen. Höfe mit
und ohne Mobilfunkbelastung.
Mit erschreckendem Ergebnis!
Auf den Höfen mit
Mobilfunkbelastung eindeutig
mehr Missbildungen, und die
Tiere verhalten sich anders.
Sie zeigen Störungen im
Weide-, Fress- und Liegever
halten. Es wird vermutet, dass
die Strahlenwirkungen einer
chronischen Stressbelastung
ähneln.
An einem Kongress in Salz
burg geben über 40 Studien
Hinweise. Mobilfunkstrahlung
kann auch weit unterhalb der
bestehenden Grenzwerte wir
ken. In Versuchen kam es zu
Hirnschäden bei Tieren. DNA,
also Erbgutveränderungen in
den menschlichen Zellen, Tu
morwachstum und Krebs bei
Mäusen. Risiko Mobilfunk ab
gehakt - besser nicht! Die neue
Studie spricht für dringenden
Klärungsbedarß...» Soweit das
Zitat. Walter und Berti
Brunhart, Balzers
Typisch? - TypischI
Die vom Amt für Kommuni
kation in alle Liechtensteiner
Haushalte verschickte «Infor
mation der Regierung +437-
mobil» strotzt nur so vor ein
seitiger Darstellung und unbe
denklicher Werbung für die
Mobiltelefonie. Wer das aktu
elle Werbeblatt der Regierung
liest, stellt fest, dass hier je
mand informieren will, der
überhaupt nicht informiert
ist.
Dass der Mobilfunk eine tolle
Erfindung ist, muss man nun
wirklich niemanden mehr er
klären. Darüber sind wir uns
wohl alle einig. In einem einzi
gen, dem wichtigsten und ent
scheidendsten Punkt, nämlich
bei der Gesundheitsverträglich
keit von Mobilfunkstrahlen,
liegt das Amt für Kommunika
tion aber leider total daneben.
Die athermischen Wirkungen
sind erwiesenermassen kata
strophal. Das wird in der Bro
schüre einfach totgeschwiegen!
Wenn wir im nächsten Landtag
am 13. September 2000 bei der
Diskussion betreffend das Pos
tulat Mobilfunk-Grenzwerte
diese nicht drastisch senken
und uns so bestrahlen lassen,
wie das die heute geltende NIS-
Verordnung vorsieht, dann
handeln unsere Landtagsabge
ordneten und unsere Regierung
absolut verantwortungslos. Da
von bin ich mittlerweile über
zeugter denn je.
Den Vogel abgeschossen hat
das Amt für Kommunikation,
wie es sich selber nennt, aber
mit dem Zitat von Paul Watzla-
wick auf Seite 14 unten: «Man
kann nicht kommunizieren»,
schreibt unser *Amt für Kom
munikation»! Das ist einer der
wenigen wahren Sätze in der
Regierungsbroschüre. Treffen
der wäre es noch gewesen: Das
Amt ßr Kommunikation kann
nicht kommunizieren!
Mein Namensvetter Nikiaus
A. Thaller, Beauftragter der Re
gierung für Mobilfunk, schreibt
im neuesten Magazin der Ge
werbe- und Wirtschaftskammer
genau das Gegenteil und zitiert
denselben Watzlawiek: «Man
kann nicht kommunizieren»,
steht auf Seite 33 der GWK. Da
behaupten doch zwei vom glei
chen Amt das Gegenteil, ob
wohl es nur ein Zitat desselben
Watzlawiek ist.
Nicli einmal zitieren kann al
so das Amt für Kommunikati
on, geschweige denn kommuni
zieren. Und diese Leute wollen
uns informieren! Eine Frechheit
ist das. Klaus Schädler,
Triesenberg
Krankheit als
Ausrede?
■ \
Liebe Polizei, Hilfspolizei und
*gesunde» Bevölkerung des
Landes!
Leider gibt es auch Kranke,
chronisch kranke Mitmen
schen unter uns, welche auf
die Hilfe und das Vertrauen
anderer angewiesen sind. All
zu oft wird auf krank gespielt,
um sich daraus Vorteile zu
verschaffen. Wenn Sie erst
einmal krank sind, haben sie
keine Vorteile mehr. Kann man
es auf den ersten Blick erken
nen, dass Sie krank sind, so
haben Sie noch die Chance,
dass man Ihnen mit Freund
lichkeit und Hilfsbereitschaft
entgegentritt. Sollten Sie je
doch noch auf zwei Beinen 'al
leine» stehen können und nicht
gekennzeichnet sein mit einer
Tafel um den Hals oder in ir
gend einer Farbe auffallend
leuchten, werden Sie als »Hy
pochonder» bezeichnet.
Meine Frau hat seit 10 Jah
ren Multiple Sklerose, und wer
die Krankheit kennt und weiss,
was sie anrichten kann, wird es
als Wunder bezeichnen, dass
sie noch keine Krücken braucht
oder schon längst im Rollstuhl
sitzt. Auf einer öffentlichen
Veranstaltung (LIHGA) wurde
ich einer Ausrede bezichtigt,
um an den Parkplatzwächtern
vorbeizukommen, bis vor den
Eingang!
Liebe Mitmenschen, stellen
Sie sich einmal vor, dass Sie
ihre Beine nur noch ca. 700 -
800 Meter weit tragen können
ohne eine Pause einzuschalten,
da frage ich mich, wie würden
Sie als Betroffene handeln? Ich
finde die Anschuldigung er
schütternd, meine Frau als
Ausrede benutzt zu haben, um
nicht weit» laufen zu müssen.
Liebe Freunde, ich sagen Ih
nen, es gibt noch sehr, sehr vie
le Menschen unter uns, die
freundlich und ehrlich sind.
Ich appelliere an alle Gesun
den, dass sie nie eine Krankheit
als Ausrede benutzen und hoffe
zugleich, dass sie nie ernsthaft
krank werden. Denn erst ein
wirklich Kranker weiss, was es
heisst, krank zu sein.
Dietmar Corradini, Eschen
Oberschule Eschen
Gewalt unter Kindern und Ju
gendlichen an Schulen ist ein
Thema, das uns alle innerlich
trifft, Eltern und Lehrerschaft.
Die unangenehmen Seiten des
Menschen möchten wir allzu
gerne aus der Schule aus
grenzen und verbannen. Die
Erfahrungen zeigen aber, dass
Gewalt und Aggressionen im
Schulalltag vorhanden sind.
Leider erweckten verschiede
ne Berichterstattungen in letz
ter Zeit den Eindruck, dass alle
unsere Schüler und Schülerin
nen gewalttätig, aggressiv und
zerstörerisch handeln. Verallge
meinerungen betreffen alle,
auch den wirklich grossen Teil
der Schüler und Schülerinnen,
die sich korrekt verhalten. Es
ist bedauerlich, dass ein solches
Bild entsteht und die positiven
Ereignisse des Schulalltags ver
drängt und nicht genannt wer
den. Der Artikel vom 30. Au
gust im Liechtensteiner Volks
blatt ist nicht in Absprache mit
dem Lehrerteam der Oberschule
Eschen entstanden und somit
auch nicht die Meinung der
Oberschule Eschen.
Im Schulzentrum Unterland
werden Gewalt, Zerstörung und
aggressives Handeln von der
ganzen Lehrerschaft ernst ge
nommen und es wird darauf
entsprechend reagiert.
Wir bemühen uns, die Schule
als Lern- und Begegnungsstätte
zu gestalten, die Schüler dort
abzuholen wo sie stehen, auf
ihre Bedürfnisse einzugehen
und sie möglichst optimal aufs
Berufsleben vorzubereiten. Die
Schule ist ein wesentlicher Le
bensbereich unserer Jugendli
chen. Gemeinsam mit allen Be
teiligten setzen wir unsßlr die
se Gemeinschaft ein.
Lehrerteam der
Oberschule Eschen
i. >