Liechtensteiner Volksblatt
Ausland
Freitag, 25. August 2000 35
Nachrichten
Stationierung von
UN-Truppen zu
KINSHASA: Die Regierung von Kongo hat
den Vereinten Nationen die Stationierung von
Blauhelmen erlaubt. Wie der UN-Gesandte in
dem mittelafrikanischen Land gestern in Kinsh
asa mitteilte, wurden die Friedenssoldaten nun
so bald wie möglich entsandt. Auch die Ankün
digung der kongolesischen Regierung vom
Mittwoch, dass sie den vor einem Jahr unter
zeichneten Friedensvertrag aller Bürgerkriegs
parteien einseitig aussetze, habe auf die Statio
nierung keinen Einfluss, sagte Kamel Moijane.
Kinshasa habe die Zustimmung in einem Brief
an UN-Generalsekretär Kofi Annan bekannt
gegeben.
Neue Vorwürfe gegen
Helmut Kohl
BERLIN: Der frühere CDU-Vorsitzende und
Bundeskanzler Helmut Kohl soll nach Informa
tionen der «Süddeutschen Zeitung» 1982 selbst
den Anstoss zur Einrichtung schwarzer Kassen
gegeben haben. Das Blatt berichtet in seiner
Freitagausgabe unter Berufung auf «zuverlässi
ge Quellen», nach der Wahl von Kohl zum Bun
deskanzler seien etwa sechs Millionen Mark
heimlich von der CDU-Bundestagsfraktion an
die CDU transferiert worden. Das Geld soll auf
Anweisung Kohls durch einen Mittelsmann der
Fraktion dem Generalbevollmächtigten der
CDU-Schatzmeisterei, Uwe Lüthje, übergeben
worden sein. Über den Finanzberater der Par
tei, Horst Weyrauch, sei das Geld auf Ti-euhand-
konten versteckt worden.
Schröder: Leben der
Geiseln nicht gefährden
MANILA: Bundeskanzler Gerhard Schröder
hat die philippinische Regierung aufgerufen,
das Leben der auf der Insel Jolo gefangenen
Geiseln nicht durch eine Militäraktion zu ge
fährden. In einem gemeinsamen Brief mit dem
französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac
und der finnischen Staatspräsidentin Tarja Ha-
lonen äusserte Schröder die Hoffnung auf ein
baldiges und friedliches Ende des Geiseldra
mas, wie am Donnerstag aus Regierungskreisen
in Manila verlautete.
Der philippinische Präsident Joseph Estrada
antwortete mit einer Erklärung, in der es hiess:
«Die militärische Option wird zurzeit nicht in
Erwägung gezogen.» Die Geiseln selbst forder
ten am Donnerstag schnelle Massnahmen, um
endlich aus dem Dschungel von Jolo freizu
kommen.
Anschlag auf KFOR-
Soldaten im Kosovo
PRISTINA: Bei einem Anschlag auf das Haupt
quartier arabischer Soldaten der Kosovo-Frie
denstruppe KFOR sind in der Nacht auf Don
nerstag zwei Soldaten verletzt worden. Unbe
kannte hätten zwei Gewehrgranaten auf das La
ger der KFOR- Truppe aus den Vereinten Ara
bischen Emiraten in Vucitrn abgefeuert, teilte
die KFOR in Pristina mit. Die Tat sei offenbar
eine Vergeltung für die tödlichen Schüsse auf
zwei Kosovo-Albaner an einem Kontrollpunkt
der Araber vor einigen Tagen, sagte KFOR-
Sprecher Major Scott Slaten am Donnerstag in
Pristina. Dabei hatte ein Soldat seinen Offizier
gegen die angreifenden Albaner schützen wol
len. Ein Albaner starb sofort, sein Sohn wenig
später, als er von Ärzten behandelt wurde.
Gemeinsamer Kandidat
DAKAR: Die afrikanischen Länder werden ei
nen gemeinsamen Kandidaten für die Nächfol
ge der UNO-Flücht)ingshochkommissarin Sa-
dako Ogata vorschlagen. Sie wollen so daran er
innern, dass Afrika weltweit die Hälfte aller
Flüchtlinge aufnimmt. Als Nachfolger der Japa
nerin Ogata sehen sie den Beniner Maxime
Leopold Zollner De Meideros.
Der 60-Jährige war während 15 Jahren hoher
Beamter der Vereinten Nationen. De Meideros
werden beste Kenntnisse des UNO-Systems be
scheinigt. Zudem habe er solide Kenntnisse im
Bereich der humanitären Hilfe für Flüchtlinge.
Während sieben Jahren war De Medeiros welt
weiter Direktor der Hilfsprogramme des UNO-
Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) in Gent Da
nach arbeite er als regionaler Delegierter acht
Jahre lang in Dakar.
Die afrikanischen Staatschefs oder ihre Ver
treter verabschiedeten die Resolution, in der sie
die Kandidatur von De Meideros unterstützen,
beim TVeffen der Organisation der Afrikani
schen Einheit (OUA) im Juli in Lom6.
na
Familien nahmen Abschied
Staatsanwaltschaft nahm inzwischen die Ermittlungen auf
MOSKAU: Zwölf Tage nach
dem Untergang des russischen
Atom-U-Bootes «Kursk» ha
ben 150 Angehörige gestern an
der Unglücksstelie Abschied
von den toten Seeleuten ge
nommen. Der Chef des norwe
gischen Rettungseinsatzes er
hob derweil schwere Vorwürfe
gegen die russische Marine.
Bei derTirauerfeier warfen die Hin
terbliebenen Kränze und Blumen
zum Gedenken an die 118 Seeleute
in die Barentssee, meldete die russi
schen Nachrichtenagentur Interfax.
Mehr als die Hälfte der insgesamt
400 Familienangehörigen, die sich
seit Tagen in der Marinebasis Widja-
jewo aufhielten, fuhr jedoch nicht
mit auf See.
Witwen der getöteten Seeleute
hatten zuvor erklärt, sie wollten
nicht trauern, bis die Leichen aus
dem in 100 Meter Hefe liegenden
Wrack geborgen seien. Die «Kursk»
war am 12. August etwa 100 Kilo
meter vor der Küste der Halbinsel
Kola untergegangen.
Russische Stellen hätten die west
liche Rettungsaktion am vergange
nen Wochenende durch Fehlinfor
mationen behindert und dadurch
das Leben der zwölf Tieftaucher aus
Norwegen und Grossbritannien ge
fährdet, sagte Admiral Einar Skor-
gen, der Oberstkommandierende
der norwegischen Nordstreitkräfte
in Bodö. Er habe deswegen mehr
fach mit dem Abbruch der Hilfsak
tion gedroht, bestätigte er im Radio.
Die norwegischen Taucher berich-
Angehörige der toten Kursk-Seeleute haben gestern am Unglücksort in der Barentssee Abschied genommen.
teten nach ihrer Abreise, russische
Offiziere hätten ihnen verboten, zu
anderen als der neunten Sektion des
U-Bootes zu schwimmen. Dahinter
habe offensichtlich der Wunsch ge
standen, etwas zu verbergen. Unter
dessen nahmen der russische Gene
ralstaatsanwalt Wladimir Ustinow
und ( d'er Chef des Inlandsgeheim
dienstes FSB, Nikolai Patruschew,
Ermittlungen auf. Dabei verfolgten
sie unterschiedliche Theorien zum
Untergang der. «Kursk». Verteidi
gungsminister Igor Sergejew kün
digte erste Untersuchungsergebnis
se zur Ursache der Havarie in zwei
bis drei Tagen an. Das Ministerium
erhoffte sich Aufschluss durch die
Auswertung von Satellitenbildern.
Das Verteidigungsministerium ver
mutet eine Kollision des Bootes mit
einem Schiff oder einem anderen
U-Boot als wahrscheinlichste Ursa-
che.per Geheimdienst wartete am
Donnerstag mit einer neuen Theo
rie zum Untergang der «Kursk» auf.
Demnach ist erstmals von Sabotage
und einem möglichen Anschlag an
Bandenkrieg in Nordirland
Protestantischer Bandenkrieg in Belfast fordert weiteres Todesopfer
BELFAST Der Bandenkrieg zwi
schen protestantischen parami
litärischen Gruppen ist in der Nacht
zum Donnerstag mit der Ermor
dung eines Mannes in der nordiri
schen Hauptstadt Belfast fortge
setzt worden.
Nach Angaben der Polizei wurde
ein 21-jähriger Mann erschossen,
dessen Familie starke Bindungen
zur protestantischen Terrorgruppe
Ulster Volunteer Force (UVF) hat.
Es werde angenommen, dass die Tä
ter Mitglieder einer rivalisierenden
protestantischen Gruppe, der Ul
ster Freedom Fighters (UFF), seien,
hiess es.
Nach der Tat nahm die Polizei
sechs Männer fest. Ein Polizeispre
cher teilte mit, in der Gegend um
die überwiegend von Protestanten
bewohnten Shankill Road seien
ausserdem Waffen und Munition si
chergestellt worden.
Die Polizei hatte eine Vergel
tungs-Bluttat erwartet, weil Mitglie
der der UVF am Montag zwei Män
ner erschossen hatten, darunter ein
führendes Mitglied der UFF. Nach
Unruhen im Anschluss an dieses
Verbrechen hatte die nordirische
Polizei den prominenten Chef der
Ulster Freedom Fighter (UFF),
Johnny Adair, eingesperrt.
Erneute Inhaftierung
Der britische Nordirland-Mi-
nister Peter Mandelson hatte mit
der Verhaftung Adairs erstmals von
einer gesetzlichen Regelung Ge
brauch gemacht. Danach können
Terroristen, die im Rahmen des
Friedensprozesses fUr Nordirland
im vergangenen Jahr freigelassen
wurden, wieder in Haft genommen
werden, falls sie erneut Gewalttaten
organisieren oder verUben.
Nach dem neuen Mord im Ban
denkrieg zwischen protestantischen
paramilitärischen Gruppen ist in
Nordirland die Sorge um die Zu
kunft des Friedensprozesses ge
wachsen;
Chris McGimpsey, ein einflussrei
cher Politiker der nicht am Banden
krieg beteiligten wichtigsten Prote
stanten-Partei UUP (Ulster Unio
nist Party), sagte, der Vorfall könnte
den gesamten Friedensprozess de
stabilisieren.
Feige Tat
Mandelson verurteilte den Mord
am Donnerstag jedoch lediglich als
feige Tat, die einen neuen Tiefpunkt
im Streit innerhalb der Loyalisten
darstellt. Mandelson bekräftigte in
Interviews seine Auffassung, die
Gewalt innerhalb des protestanti
schen Lagere stelle keine Abkehr
vom Waffenstillstand dar, der im
Friedensabkommen von 1998 ver
einbart worden war.
Besorgt zeigte sich aber auch der
Vorsitzende der republikanischen
Sinn-Fein-Partei, Mitchel McLaugh-
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Bord des U-Bootes die Rede, wie
der private Fernsehsender NTW
unter Berufung auf Patruschew be
richtete. Der Ex-KGB ermittele
derzeit gegen zwei Dagestaner, die
sich an Bord befanden, aber nicht
zur Mannschaft der «Kursk» gehör
ten. Die beiden Männer hätten für
eine Militärfabrik am Kaspischen
Meer gearbeitet. Derzeit würden
Informationen gesammelt,sagte Pa
truschew. Bisher gebe es aber keine
Erkenntnisse, dass sie in das Un
glück verwickelt seien.
lin: «Die Geschichte zeigt, dass im
mer dann, wenn in Nordirland sol
che Ereignisse innerhalb des protes
tantischen Lagers passieren, letzt
lich die katholische Gemeinschaft
die Folgen zu tragen hat.»
Machtkampf
In Nordirland, und ganz beson
ders in der Metropole Belfast, tobt
ein blutiger Machtkampf, bei dem
es im Gegensatz zu früher nicht um
den Konflikt zwischen pro-briti-
schen Protestanten und republika
nischen Katholiken geht.
Die nordirische Polizei spricht
von einem Bandenkrieg, bei dem in
nerhalb der protestantischen Seite
um die Führungsrolle im organisier
ten Verbrechen gekämpft werde.
UFF und UVF finanzieren ihre
Tätigkeit und den im Untergrund
lebenden' harten Kern von Anhän
gern vor allem durch Schutzgelder
pressung und Drogenhandel.
Nach den jüngsten blutigen Zwischenfällen ist in Nordirland die Sorge um
die Zukunft des Friedensprozesses gewachsen.
Skinheap-Pwozess
Höchststrafen
gefordert
Im Prozess um den gewaltsamen
Tod eines Mosambikaners in
Ostdeutschland hat die Bundes
anwaltschaft am Donnerstag in
Halle für die drei angeklagten
Skinheads die Höchststrafen für
Mord gefordert. Der 24-jährige
Neonazi Enrico. H. (unser Bild)
soll lebenslang ins Gefängnis.
Für die beiden 16-Jährigen for
derte die Anklage jeweils eine
Jugendstrafe von zehn Jahren
Haft. Die Beweisaufnahme habe
die Schuld der Angeklagten
zweifelsfrei ergeben, erklärte
der Bundesanwalt zur Begrün
dung. Die Angeklagten hatten
den Afrikaner am 11. Juni in der
Stadt Dessau überfallen und
brutal misshandelt. Das Opfer
starb drei Tage später im Kran
kenhaus. Die drei Skinheads
hatten nach ihrer Festnahme
Fremdenhass als Tatmotiv ge
nannt. Zum Prozess-Auftakt am
Dienstag hatten die Angeklag
ten den Überfall zugegeben. Sie
bestritten aber, dass sie den Mo-
sambikaner töten wollten. An
den ersten beiden Prozesstagen
zeigten die Skinheads nach Ein
schätzung von Prozess-Beteilig-
ten keine Reue. Vor dem Plä
doyer des Anklägers waren am
Donnerstag Gutachter gehört
worden. Sie sollten sich zur Fra
ge der Schuldfähigkeit der
Skinheads äussern. Über das Er
gebnis wurde Stillschweigen be
wahrt.