Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt EXTRA Samstag, 19. August 2000 25 
Umwelt 
i Forscher stellen Murmeltieren nach 
Naturschau wird zur Erlebniswelt 
Bald Schweineorgane für Menseben? 
Nachrichten 
«Dolly» war nur der 
Anfang 
«Dolly» war hur der Anfang: Nach dem 
berühmten Schaf, Kühen, Ziegen und Mäusen 
sind jetzt auch Schweine geklont worden. Zwei 
internationale Wissenschaftlerteams feierten 
ihre Forschungsergebnisse als einen wichtigen 
Schritt auf dem Weg zur Transplantation von 
Schweineorganen auf den Menschen. «Schwei 
ne haben ein grosses Potenzial für die Trans 
plantation von einer Art zur anderen», erklärt 
der Wissenschaftler Tony Perry, der zusammen 
mit japanischen Kollegen ein Ferkel klonte. Das 
Unternehmen PPL Therapeutic aus Schottland 
klonte fünf Schweine. An der Arbeit waren die 
Wissenschaftler beteiligt, die als erste Zellen ei 
nes erwachsenen Tieres verwendeten, um 1997 
das Schaf «Dolly» zu klonen. PPL gab seine Er 
gebnisse bereits im März bekannt, der For 
schungsbericht soll in der kommenden Woche 
in dem britischen Magazin «Nature» erschei 
nen. Das Team um Perry erklärte der US-Zeit 
schrift «Science», das Ferkel «Xena» sei aus 
Stammzellen eines Schweinefötus entstanden. 
Aus den Hautzellen wurde der Zellkern ent 
fernt und dann in eine leere Eizelle injiziert. 
Elektrische Impulse stimulierten das Wachstum 
der Zelle; der Fötus wurde dann einer Leihmut 
ter übertragen. Insgesamt seien vier Säuen 110 
Embryonen eingepflanzt worden, doch nur 
«Xena» habe sich zu einem gesunden Tier ent 
wickelt, hiess es in «Science». 
«GEO-Tag der 
Artenvielfalt» 
Am 3. Juni 2000 trafen sich auf Einladung des 
Reportagemagazins GEO und der Schweizer 
Naturmuseen auf der Alp Flix in Graubünden 
74 Spezialisten zu einer spektakulären Aktion: 
Innerhalb von 24 Stunden konnten sie 2092 ver 
schiedene Tier- und Pflanzenarten identifizie 
ren - darunter einige Novitäten für die Schweiz 
und einen bis dato noch völlig unbekannten Be 
wohner des Planeten Erde. Das überraschende 
Ergebnis des zweiten «GEO-Tages der Arten 
vielfalt» wird in einem 44-seitigen Bericht zur 
Lage der Natur in den Alpen in der September 
ausgabe von GEO präsentiert. (GEO) 
Schimpansen machen 
Obst zu Mus 
Eine zahnlose Schimpansin im Zoo von Madrid 
hat Verhaltensforscher in Erstaunen versetzt: 
Die Affendame macht aus ihrer Nahrung Mus. 
Linda habe nach ihrer Einlieferung in den Zoo 
ihre Nahrung - Äpfel, Möhren, Orangen - not 
gedrungen vor dem Verspeisen an einer schar 
fen Ecke des Geheges zerkleinert und so ihre 
Gruppe zur Nachahmung verleitet, berichtete 
jetzt das Wissenschaftsmagazin «New Scien- 
tist». Mittlerweile zermatschten fast alle der im 
Gehege mit Linda lebenden Schimpansen ihre 
Früchte vor dem Essen genüsslich zu Mus, be 
richtete der Verhaltensforscher Samuel Fernan- 
dez-Carriba. Die Wissenschaft habe keine Be 
weise, dass Primaten in freier Natur ihre Nah 
rung bearbeiteten. Normalerweise hätten sie 
dazu keine Zeit. 

Bekannte unbekannte 
Alpenbewohner 
Im Bündner Hochtal Avers stellen Forscher Murmeltieren nach 
Die Gewohnheiten der Murmeltiere werden im Bündner Hochtal Avers wis 
senschaftlich untersucht. (Archivbild) 
JUF: Murmeltiere zählen zu 
den populärsten Alpenbewoh 
nern, sind aber im Allgemei 
nen unbekannte Wesen. For 
scher kennen die Tiere zwar 
gut, wollen aber im Rahmen ei 
nes wissenschaftlichen Pro 
jekts im Bündnerland noch 
mehr erfahren. 
Ruedi Lämmler, SDA 
Im Hochtal Avers, wo sich über 5000 
«Munggen» tummeln dürften, sind 
Forscher aus Wien daran, weitere 
Geheimnisse um die possierlichen 
Nager zu lüften. Geforscht wird so 
zusagen auf höherem Niveau. Die 
Resultate könnten vielleicht einmal 
der bemannten Raumfahrt dienen, 
wenn dereinst zum Mars geflogen 
wird. 
«Aber das ist natürlich Science- 
fiction», sagt Forschungsleiter Fre- 
dy Frey-Roos. Der promovierte 
Schweizer Zoologe, der seit sieben 
Jahren Murmeltiere erforscht, hält 
sich mit einem Team seit Uber zwei 
Jahren sporadisch im Avers auf und 
geht den Tieren nahe ans Fell bezie 
hungsweise darunter. 
Sender implantiert 
Die «Murmeli» werden zunächst 
gefangen. Danach wird ihnen in ei 
nem kleinen operativen Eingriff ein 
Sender implantiert. Die erfassten 
Daten gehen nach Wien, ans For 
schungsinstitut für Wildtierkunde 
und Ökologie der veterinärmedizi 
nischen Universität. 
Im Avers fanden die Wissenschaf 
ter auf 2100 Metern über Meer ein 
Umfeld vor, das im ganzen Alpen- 
bogen einmalig ist. Am Projekt be 
teiligt sind Zoologen, Tierärzte, Bo 
taniker, Chemiker, Funktechniker 
und Inftjrrrfätlker. 
Untersucht wird der Einfluss der 
Nahrung auf die Fettspeicherung 
und den Winterschlaf, der bei den 
Murmeltieren von September bis 
April dauert. Im Avers fressen die 
«Munggen» vor allem Klee. 
Ob sie die Pflanze nur im Avers 
und wegen der für den langen Schlaf 
wichtigen essenziellen Fettsäuren 
aufnehmen oder bloss wegen des 
süsslichen Geschmacks, ist noch un 
klar. Bevor die Forschungsergebnis 
se der Raumfahrt von praktischen 
Nutzen sein könnten, dürften sie al 
lenfalls für die Medizin von Wert 
sein. 
Denn während des Winterschlafs 
sinkt die Körpertemperatur bis auf 
drei Grad ab. Die Tiere werden sehr 
ruhig, was auch beim Menschen et 
wa bei schweren Operationen not 
wendig ist. «Die Auswirkungen der 
essenziellen Fettsäuren sind für den 
Menschen ebenfalls wichtig, im Be 
reich der Human-Forschung wird 
derzeit viel auf diesem Gebiet ge 
macht», sagt Frey. 
Die Alpenmurmeltiere, die bis 13 
Jahre alt werden können, sind 
streng hierarchisch in Familien or 
ganisiert. Zuoberst in der Hackord 
nung stehen das älteste Weibchen, 
die Katze, und das älteste Männ 
chen, der Bär, die auch für Nach 
wuchs sorgen. 
Der Berggängern bekannte 
scharfe Pfiff ist eigentlich ein Schrei 
und wird ausgestossen, wenn Ge 
fahr in Verzug ist. Dabei wird unter 
schieden zwischen Gefahr aus der 
Luft und am Boden. 
Vor dem Adler, dem Hauptfeind 
aus der Luft, wird mit einem Pfiff 
gewarnt. Schleicht sich ein Fuchs an, 
der Erzfeind am Boden, pfeifen die 
Murmeltiere mehrmals hinterein 
ander und verschwinden pfeil 
schnell unter den Boden in die weit 
verzweigten Bauten. 
Tausende landen in der 
Pfanne 
Wieviele «Munggen» im Schwei 
zer Alpenraum leben, weiss nie 
mand. Den Jagdstatistiken ist zu 
entnehmen, dass jährlich zwischen 
6000 und 7000 Stück geschossen 
werden. Das reichlich vorhandene 
Fett wird zu öl verarbeitet und 
kann als Rheumamittel für Mensch 
und Tier gebraucht werden; die 
Zähne werden zu Schmuck verar 
beitet. Das Fleisch landet in der 
Pfanne, wenn es nach mühsamer 
Arbeit vom Fett befreit ist. Wie es 
schmeckt? «Man merkt, es ist Wild, 
es hat aber einen ganz eigenen Ge 
schmack», sagt Zoologe Frey, der im 
Avers ein weiteres Projekt in Pla 
nung hat: einen Murmeltier-Lehr 
pfad. 
Vom Vitrinenmuseum zum «Wissen ist Spass» 
Vorarlberger Naturschau wird zur Erlebniswelt - Name noch geheim 
DORNBIRN: «Die Natur wird uns 
immer schlagen!» Die Konzeption 
der neuen Vorarlberger Natur 
schau, so deren Leiterin Margit 
Schmid, ziele deshalb auf das «öff 
nen von Fenstern in die Natur» ab. 
Der neue Museumsbau in Dornbirn 
soll im Frühling 2002 eröffnet wer 
den und jährlich 100 000 Besuche 
rinnen und Besucher anlocken. Ge 
rade einmal ein Fünftel davon wer 
den im alten Haus im Stadtzentrum 
gezählt. 
Die Einrichtung und die Ausstel 
lungsgegenstände - Tierpräparate, 
Gesteinsproben, Schaubilder - sind 
in der Regel seit 40 Jahren unverän 
dert. Die Vorarlberger Naturschau 
ist damit fast auch ein Museum Uber 
den Museumsbau der sechziger 
Jahre. 
Präparate auf den Sondermüll 
Am neuen Standort auf einem 
ehemaligen Industrieareal, aber 
ebenfalls im Stadtkern, wird mit 
praktisch allem gebrochen, wofür 
diese landeskundliche Sammlung 
steht. Tierpräparate werden ent 
weder über den Köpfen der Besu 
cher schweben oder zum Anfassen 
sein. 
«Ein Wolfsrudel etwa», sagt 
Schmid, «das die Kinder streicheln 
können, weil die neuen Präparate 
völlig ungiftig sind.» Früher war zur 
Konservierung Arsen notwendig. 
«Viele unserer Präparate müssen 
deshalb auf den Sondermüll», be 
dauert Schmid, die sie lieber als Fi 
nanzquelle versteigert hätte. 
In einem multimedialen Spekta 
kel werden die Besucherinnen und 
Besucher an einem «Abhang» 
durch die Geologie Vorarlbergs ge 
führt. Sie werden auf einer vibrie 
renden Plattform erleben, wenn ei 
ne Lawine scheinbar an ihnen vor 
bei donnert. 
Nie solle der Besucher, der viel 
leicht mehrmals pro Jahr kommen 
werde, wissen, was ihn erwarte, 
meint Schmid. In der neunköpfigen 
Expertengruppe wurde das Kon 
zept des völlig neuen Museumstyps 
erarbeitet. Auch eine Psychologin 
gehörte dazu, «damit die Leute un 
sere verrückten Ideen auch verste 
hen». Nicht «Wissen ist Macht» lau 
tet der museale Grundgedanke, 
sondern «Wissen ist Spass». 
Die Besucherinnen und Besucher 
der neuen Naturschau werden Uber 
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Vorailberger 
Naturschau 
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Die Vorarlberger Naturschau ist unter httpJ/www.naturschau.at auch im In 
ternet zu finden. 
ein gläsernes Flussbett gehen oder 
auch unter Wasser die Lebenswelt 
des Bodensees beobachten können. 
Ein Sonnenaufgang wird nicht zu 
sehen sein, sondern der damit ver 
bundene Wechsel in der Natur als 
akustisches Ereignis erlebbar wer 
den. 
Modernste Kameratechnik wird 
live aus dem Ameisenstaat berich 
ten, hinter eine reale Feldspitzmaus 
ihr täglicher Übertebenskampf in 
Nahaufnahmen projeziert - auch 
wenn das Tier vielleicht gerade 
schläft. Video und die Präsentation 
von lebenden Tieren und Pflanzen 
sollen miteinander verschmelzen. 
Multimedialer Vorgeschmack 
Noch wird der neue Name für die 
Vorarlberger Naturschau gehütet 
wie ein Staatsgeheimnis. Die Be 
kanntgabe wird der modernen Kon 
zeption entsprechend Mitte Sep 
tember «elektronisch» im Rahmen 
eines ungewöhnlichen Spatensti 
ches erfolgen: Der neue Begriff 
wird am Ende einer Präsentation 
auf der Kuppel einer Ausstellungs 
halle erscheinen. 
Die zweitägige Präsentation, in 
deren Rahmen irgendwann und 
eher beiläufig der Landeshaupt 
mann und der Bürgermeister die 
Schaufel in die Erde stechen wer 
den, soll zum multimedialen Vorge 
schmack auf die «Naturschau neu» 
geraten. 
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