Liechtensteiner Voiksblatt
Ausland
Montag, 14. August 2000 19
Nachrichten
Haider übt heftige
Kritik
ROM: Der österreichische Rechtspopulist Jörg
Haider hat die Kritik des italienischen Aussen-
ministers Lamberto Dini an seinen Besuchen in
Italien am Sonntag als «tundemokratisch»
zurückgewiesen. Dini hatte in einem Brief an
seine österreichische Kollegin Benita Ferrero-
Waldner Massnahmen der Wiener Regierung
gegen weitere Haider-Besuche in Italien gefor
dert. Der Kärntner Ministerpräsident Haider
sagte in einem Interview mit der italienischen
«Corriere della Sera» (Sonntagsausgabe), Dinis
Brief sei grundsätzlich undemokratisch, weil er
dem Prinzip der Meinungsfreiheit widerspre
che. Haider, dessen jüngste Besuche in Nordita'
lien den Protest linksgerichteter Demonstran
ten hervorriefen, sagte dem Blatt weiter: «Ich
bin über Dini überrascht, einen der offensten
Politiker Europas. Es tut mir Leid, feststellen zu
müssen, dass er sich wie eine antidemokratische
Person verhält.» Hintergrund des Streits sind
offenbar Vorschläge Haiders zur Bildung einer
Grossregion aus seinem Bundesland Kärnten
und den norditalienischen Gebieten Friaul-Ju-
lisch-Venetien und Veneto. Von weiteren Besu
chen in Italien will sich der FPÖ-Politiker nicht
abhalten lassen. Er bestätigte, dass er im De
zember eine Delegation anführen wird, die dem
Vatikan den Christbaum für den Petersplatz
übergeben wird.
Paradensaison friedlich
beendet
DERRY: Ohne grössere Zwischenfälle ist am
Samstag die nordirische Paradensaison beendet
worden. Über 10000 Mitglieder der protestanti
schen «Apprentice Boys» marschierten durch
die vorwiegend von Katholiken bewohnte Stadt
Derry. Nur wenige katholische Zuschauer ent
lang der Route warfen Flaschen auf die Mar
schierenden oder riefen Beleidigungen. Vertre
ter der Religionsgruppen hatten sich zuvor erst
mals auf einen Kompromiss Uber den Verlauf
der Märsche in mehreren Städten geeinigt, wor
auf die Katholiken Gegendemonstrationen ab
sagten. An dem Umzug nahmen unter anderem
170 Musikkapellen teil. Hunderte mit dem Zug
anreisende Marschteilnehmer mussten aller
dings Verspätungen hinnehmen, weil die Polizei
die Bahnverbindung wegen des Bombenalarms
sperrte. Die «Apprentice Boys» (Lehrjungen)
erinnern mit ihrem Marsch an das Ende der mo
natelangen Belagerung der Stadt durch die Ka
tholiken im Jahre 1689.
Baskische Demonstran
ten fordern mehr Terror
BILBAO/MADRID: Rund 10000 ETA-An-
hänger haben am Samstagabend in Bilbao für
die baskische Untergrundorganisation demon
striert. Unter anderem forderten sie die ETA zu
einer Fortsetzung ihrer Terroroffensive auf. Zu
der Kundgebung hatte die ETA-nahe Partei
enallianz Euskal Herritarrok (EH/Baskische
Bürger), aufgerufen. Die Teilnehmer gedachten
der vier ETA-Terroristen, die am Montag beim
Transport von Sprengstoff durch eine unab
sichtliche Explosion getötet worden waren.
Zahlreiche Demonstranten forderten die ETA
in Sprechchören auf: «Weitermachen bis zum
Sieg!» Andere legten Blumen an Ubergrossen
Porträtfotos der Toten nieder. EH-Chef Arnal-
do Otegi sagte: «Diese junge Generation greift
nicht zu den Waffen, weil sie die Gewalt liebt, sie
greift zu den Waffen, weil die politische Klasse
unfähig ist, Lösungen für den Konflikt im Bas
kenland anzubieten.»
Neue Gewaltwelle in
Kaschmir
JAMMU/SR1NAGAR: Eine neue Welle der
Gewalt hat in der indischen Krisenregion
Kaschmir am Wochenende mindestens 15 Men
schenleben gefordert. Am Sonntag wurden
sechs Soldaten bei zwei Sprengstoffanschlägen
getötet, mindestens 40 erlitten zum Teil schwere
Verletzungen. Kämpfen zwischen Moslemre
bellen und Regierungstruppen fielen am Sams
tag mindestens neun Menschen zum Opfer. Vier
. Frauen, darunter eine Ungarin und ihre Toch
ter, wurden bei einem Granatanschlag verletzt.
Bei den Sprengstoffanschlägen auf zwei Bus
se in der Ortschaft Kud, 80 Kilometer nördlich
von Jammu, wurden am Sonntag fünf Mitarbei
ter des Grenzschutzes getötet. Zehn der Ver
letzten befanden sich in kritischem Zustand, wie
Ärzte mitteilten. Wenig später kam bei einer
zweiten Explosion ein Soldat ums Leben. Die
Busse waren Teil eines Konvois auf dem Weg ins
300 Kilometer nördlich gelegene Srinagar.
Widerstand gegen Rechts
nimmt konkrete Formen an
3000 Menschen demonstrierten in München - Debatte um NPD-Verbot
FRANKFURT/MAIN: Der
Widerstand aus Gesellschaft
und Politik gegen Rechtsextre-
mismus in Deutschland nimmt
konkrete Formen an. In Mün
chen demonstrierten am Sams
tag rund 3000 Menschen gegen
rechte Gewalt. Die Bundesre
gierung betonte, wenn die Ex
pertenkommission ein Verbot
der NPD für hinreichend fun
diert halte, werde dies auch
umgesetzt.
In Sachsen-Anhalt wurde ein bun
desweit gesuchter Rechtsextremist
gefasst, der einen Obdachlosen er
schlagen haben soll. Doch wurden
auch am Wochenende wieder zahl
reiche neue Zwischenfälle bekannt.
Der 24-jährige Gunnar Doege
ging der Polizei in der Nacht zum
Samstag bei einem versuchten Ein
bruch in Kade in der Nähe von
Genthin ins Netz. Gegen Doege lag
ein Haftbefehl des Landeskriminal
amts Mecklenburg-Vorpommern
vor. Er soll am 23. Juli in Ahlbeck
auf der Ostseeinsel Usedom mit
drei rechtsorientierten Jugendli
chen den 51-jährigen Wohnsitzlosen
erschlagen haben. Die drei kurz
nach der Tat gefassten mutmassli
chen Mittäter im Alter von 19, 16
und 15 Jahren gestanden das Ver
brechen und gaben ein rechtsextre
mistisches Motiv an.
Ein Verbot wird Bestand
haben
Zu einem NPD-Verbot sagte
Regierungssprecher Uwe-Karsten
Heye der «Frankfurter Allgemei-
ln München demonstrierten am Samstag mehr als 3000 Menschen gegen den
Rechtsextremismus. (Bild: Keystone)
Raus aus Clintons Schatten
Heute beginnt der Parteikonvent der US-Demokraten in Los Angeles
Ti
LOS ANGELES: Zwei Wochen
nach dem Parteitag der Republika
ner treffen sich ab heute Montag die
Demokraten in Los Angeles zur
Kür ihres Präsidentschaftskandida
ten AI Gore und zur Verabschie
dung ihrer Wahlplattform.
Gore erhofft sich von dem 50 Mil
lionen Dollar teuren Politspektakel
einen Meinungsumschwung in der
Bevölkerung. Denn trotz seines
Schachzuges, erstmals einen jüdi
schen Politiker und harschen Kriti
ker von Präsident Bill Clinton in der
Lewinsky-Affäre zu seinem Vize-
Kandidaten zu machen, läuft Gore
dem Republikaner George Bush
weiter in der Wählergunst hinter
her.
Gore wird - wie auf den US-No-
minierungsparteitagen üblich - erst
am letzten Tag des Konvents, dem
Donnerstag, offiziell auf den Schild
gehoben. Aber schon am Eröff
nungstag werden die 5000 Delegier
ten, 15000 Journalisten und 15000
Gäste im Staples Center der West
küstenmetropole mit Clintons Auf
tritt einen. Höhepunkt erleben.
Clinton will am Montag vor dem
Parteivolk eine Bilanz seiner Regie
rungszeit ziehen- und den Anteil
herausstellen, den Gore daran hat.
Selten zuvor ist ein Stabwechsel
innerhalb einer Partei mit so grosser
Spannung erwartet worden wie der
von Clinton zu seinem Nachfolge-
Kandidaten. In Gores Lager hofft
man, dass der charismatische Clin
ton alles vermeidet, um mit seinem
Abschiedsauftritt vor den Delegier
ten dem derzeitigen Vize die Schau
zu stehlen.
Gore, darin stimmen alle Analyti
ker übereiri, muss den Parteitag da
zu nutzen, endgültig aus dem Schat
ten seines Chefs zu treten. Er muss
Eigenständigkeit beweisen, ohne
sich übermässig zu distanzieren,
sein Mitwirken an Erfolgen klar
machen, aber sich zugleich gegenü
ber Fehlern wie der Lewinsky-Affä-
re abgrenzen. Clinton hat ihm be
reits geholfen, indem er die Öffent
lichkeit nur wenige Tage vor dem
Kongress-Beginn bat, Gore nicht
für seinen eigenen Fehltritt verant
wortlich zu machen. Nun muss er
dies in seiner Parteitagsrede nicht
mehr erwähnen und kann sich vor
allem auf die wirtschaftlichen Erfol
ge seiner Regierungszeit konzent
rieren.
Gore hat seine am Donnerstag
abend anstehende Antrittsrede
selbst geschrieben. Der Parteitag
der Republikaner hat ihm die Auf
gabe nicht leichter gemacht. Die
Konservativen haben in Philadel
phia mehrere Ziele wie eine Bil-
nen Sonntagszeitung»: «Wenn die
Arbeitsgruppe die Beweislage ein
deutig positiv sieht, dann ist das
auch für die Bundesregierung ohne
Handlungsalternative.»
Ein Ergebnis der Arbeitsgruppe
aus Bund und Ländern wird bis Ok
tober erwartet. Geheimdienstkoor
dinator Ernst Uhrlau äusserte sich
in der «Welt am Sonntag» optimis
tisch, dass ein Verbot vor dem Bun
desverfassungsgericht Bestand ha
ben werde.
Der ' niedersächsische Verfas
sungsschutz-Präsident Rolf Peter
Minnier, sagte «Focus»,der NPD sei
«eine aktiv-kämpferische Haltung
gegenüber dem Grundgesetz»
nachzuweisen.
Der zunächst geplante und mitt
lerweile wieder abgesagte NPD-
Aufmarsch vor dem Brandenburger
Tor am Holocaust-Gedenktag ent
fachte unterdessen eine Debatte
über die Ausweitung der Bannmei
le. Heye warnte vor Ubereilten Ent
scheidungen: «Wir dürfen die Frei
heitsrechte dieses demokratischen
Gemeinwesens nicht einschränken,
nur weil eine Hand voll Extremisten
diese ständig missbraucht. Da bewe
gen wir uns auf einem sehr schma
len Grat.»
Der Präsident des Zentralrats der
Juden in Deutschland, Paul Spiegel,
sprach sich für ein Verbot von De
monstrationen vor dem Branden
burger Tor aus.
In Frankfurt am Main warf Spie
gel Politik und Gesellschaft am
Sonntag Versäumnisse im Kampf
Rechts vor. «Was bisher war, war zu
wenig», sagte er am ersten Todestag
seines Vorgängers Ignatz Bubis.
dungsreform und Verbesserung der
Gesundheitsfürsorge für die Alte
ren definiert und damit Felder be
setzt, die bisher den Demokraten
gehörten. Hier steht Gore vor der
Herausforderung zu zeigen, dass
seine Partei und die Republikaner
nicht «austauschbar» sind. Ein gros
ses Handicap bleibt Gores Hölzern
heit. Trotz seines Bemühens um
mehr Lockerheit ist es ihm bisher
nicht gelungen, sein Image als intel
ligenter, aber langweiliger Politiker
abzulegen.
Redner wie Tochter Karenna und
Ehefrau Tipper sollen mit Auftrit
ten auf dem Parteitag dazu beitra
gen, dem Kandidaten ein menschli
ches und humorvolles Gesicht zu
verleihen. Zu den Hauptrednern
gehört bereits am Montag auch
First Lady und Senatoren- Kandida
tin Hillary Clinton.
Das Duo AI Gore/Joseph Lieberman steht im Mittelpunkt des heute begin
nenden Partei-Konventes der Demokraten in Los Angeles.
ikrk
Entführte
freigelassen
GENF: Nach mehr als einer Wo
che Geiselhaft in Georgien sind
drei Mitarbeiter des Internatio
nalen Komitees vom Roten
Kreuz (IKRK) freigelassen wor
den. Nach Angaben des IKRK
sind sie wohlauf. Lösegeld an die
Entführer sei nicht bezahlt wor
den. Die beiden Delegierten, die
Französin Sophie Prokofieff und
die Italienerin Natascia Zulli-
no(unser Bild), kehrten noch am
Sonntag mit einer Sonderma
schine aus der georgischen
Hauptstadt Tiflis nach Genf
zurück, wo sie von ihren Fami
lien empfangen wurden. Nach
Angaben des IKRK sollen sie in
den kommenden zwei Tagen von
Spezialisten betreut werden. Die
beiden Frauen waren gemein
sam mit ihrem georgischen
Chauffeur am 4. August im Nor
den Georgiens nahe der Grenze
zu Tschetschenien entführt wor
den. Nach Angaben örtlicher
Behörden handelte es sich bei
den Entführern um eine Gruppe
Männer aus dem Ort Duissi in
der Pankisi-Schlucht.