Liechtensteiner Volksblatt
Staatsfeiertag 2000
Donnerstag, 10. August 2(XX) 19
«Wachstum und neue Ideen ja, aber
natürlich und kalkulierbar»
Interview mit Benno Büchel, dem Präsidenten des Bankenverbandes, zur Zukunft des Finanzplatzes und des Landes allgemein
Benno Büchel:«Wir wollen eine stete Evolution und keine abrupte Revolution. Wir wollen langfristige Visionen haben und trotz
dem flexibel bleiben, damit wir auf nette Erscheinungen und auf Veränderungen sofort reagieren können."
rung. Der Vorteil der Kleinheit ist die
Flexibilität. Die Kehrseite ist, dass ge
wisse Entwicklungen sofort sichtbar
werden und dass man dadurch schnell
an den Pranger gestellt werden kann.
Das internationale Medieninteresse hat
enorm zugenommen. Auch das ist zwei
schneidig. Zum einen ist es unange
nehm. wenn es um negative Schlag/ei
len geht und zum anderen können posi
tive Botschaften durch die gleichen
Kanäle verbreitet werden.
Wollen Sie damit auch sagen, dass die
Krise des Finanzplatzes uns alle be
trifft?
Es stimmt, dass alle
direkt oder indirekt
vom Finanzplatz
profitieren.
Absolut. Iis stimmt, dass alle direkt
oder indirekt vom l-'inanzplatz profitie
ren. Dies betrifft nicht nur Liechten
stein, sondern die ganze Region. Der l-'i
nanzplatz trägt viel dazu hei, dass es uns
gut geht. Direkt durch attraktive, quali
tativ hochstellende Arbeitsplätze und
sichere Berufe. Indirekt kommen die
günstigen Rahmenbedingungen wie
zum Beispiel die niedrigen Steuern und
die günstigen l'inanzierungsniöglich-
keiten der gesamten Wirtschaft zugute.
Auch unsere Industrie geniesst welt
weit einen ausgezeichneten Ruf. Wenn
die Well schlecht über unseren Finanz-
platz spricht, ist das ganze Land betrof
fen. Dann wird es zu einem gesell
schaftlichen Problem, das jeden Liech
tensteiner und jede Liechtensteinerin
angeht. Es kann aber auch umgekehrt
jeder einzelne ein Botschafter unseres
Landes sein. Jeder positive Kontakt und
jede Handlung haben eine Wirkung auf
das Image. Es genügt, wenn alle einfach
das selber besser machen, was sie an
den anderen stört.
Regierungschef Mario Frick äusserte
schon mehrmals, dass sich der Finanz
platz mehr auf den On-Shore-Ilereich
konzentrieren und sich vom Off-Shore-
Bereich entfernen solle. Was denkt der
Banken verband über diesen Vorschlag
und ist dies einfach so machbar?
Es sind verschiedene Produkte und
Dienstleistungen vorhanden, die in den
On-Shore-Bcreich gehören. Die Gren
zen sind aber nicht einfach zu ziehen.
Zum Beispiel sind Fonds oder alternati
ve Investmentinstrumente wie Privat
Equity den On-Shore-Produkten zuzu
rechnen. Der Aufbau eines solchen Sek
tors braucht seine Zeit. Egal,ob on-sho-
re oder off-shore. was schlussendlich
zählt, sind Seriosität.Qualität, Innovati
on und Leistung!
Die Zukunft wird
zeigen, welche
Auswirkungen sich
durch die derzeitigen
Turbulenzen ergeben.
Ich möchte noch konkret auf die Krise
um den Finanzplatz eingehen. Spürt
der Finanzplatz schon Auswirkungen
durch die schwarzen Liste der FATF
und der OECD?
Wenn man nur die Bilanzzahlen be
trachtet, kann man keine negativen Aus
wirkungen erkennen. Man darf aber
auch sagen, dass ein Vertrauensverhält
nis zum Kunden weder in einem Tag
wächst noch in einem Tag zerstört wird.
Die Zukunft wird zeigen, welche Auswir
kungen sich durch die derzeitigen Turbu
lenzen ergeben. Wir nehmen die Situati
on sehr ernst und so lautet das Gebot der
Stunde, dass wir mithelfen, die Probleme
zu bereinigen und die international ge
forderten Standards umzusetzen. Ich bin
überzeugt, dass sich im Grunde nicht viel
ändern wird, denn auffällige Transaktio
nen wurden bisher schon mit einer er
höhten Sorgfalt behandelt.
Für Liechtenstein gibt
es keine Ausnahmen
mehr.
Wie beurteilt der Bankenverband die
Gesetzesänderungen beim Sorgfalts
pflichtgesetz, beim Rechtshilfegesetz
und beim Geldwäschereiartikel im
Strafgesetzbuch.
Den drei erwähnten Gesetzen
kommt eine zentrale Bedeutung vor al
lem wegen der FATF-Liste zu. Die Re
vision wurde unabhängig davon schon
vorher eingeleitet. Der Bankenverband
hat schon mehrmals kundgetan, dass er
diese Massnahmen der Regierung sehr
unterstützt. Mit der Bekanntgabe der
neuen «Know-your-customer»-Regel,
der verlangten Offenlegung des wirt
schaftlich Berechtigten bei juristischen
Personen, wurde dies nochmals ein
drücklich unterstrichen.
Unserer Gesetzgebung wird aber von
verschiedenen Seiten EU-Konformität
zugesprochen. Heisst das, dass man als
Finanzplatz eines Kleinstaates stärke
re Gesetze haben muss als die EU
selbst?
Das Problem liegt in der Dynamik
der organisierten Kriminalität. Diese
entwickelt sich sehr rasch und so
kommt es, dass ein Gesetz, das vor vier
Jahren noch alles abdeckte, heute nicht
mehr aktuell ist. Die vom Bankenver
band initiierte Regelung, dass die Ban
ken den Kunden direkt kennen wollen,
ist heute international anerkannt. Wir
betrachten dies als eine Umsetzung des
internationalen Standards. Für Liech
tenstein gibt es keine Ausnahmen mehr.
Ausnahmen wurden vielleicht noch vor
ein paar Jahren toleriert, jetzt aber nicht
mehr. Das müssen wir zur Kenntnis
nehmen und das Optimum aus dieser
Situation machen. Das ist das Beste,das
wir machen können.
Reichen die nun eingeleiteten und teil
weise schon umgesetzten Massnahmen,
um von der schwarzen Liste der FATF
wegzukommen?
Die Hauptkritikpunkte haben wir
substantiell entkräftet. Die Banken
kennen nun ihre Kunden und deren
wirtschaftlichen Hintergründe direkt.
Ferner unterstützen wir die Regierung
bei der Optimierung des Rechtshilfege
setzes.
Justizminister Heinz Frommelt schätzt
langfristig die schwarze Liste der
OECD als gefährlicher ein. Meines Er
achtens befindet sich Liechtenstein
dort in einem Manko. Zum einen ver
langt die OECD, dass unser Steuersys
tem angepasst wird und zum anderen
spricht sich die Regierung für den Steu-
erwettbewerb aus. Die EU hat an ihrem
Gipfel im Juni in Portugal die Zinsbe
steuerung beschlossen und sie möchte
mit uns Verhandlungen aufnehmen.
Wie beurteilt der Banken verband die
Entwicklung im internationalen Steu
erwesen?
Im Prozess des sich
ständig ändernden
Weltgeschehens ist es
lebensnotwendig,
dass wir ein
geeignetes
Frühwarnsystem
unterhalten.
Die FATF-Liste zielt auf die Ethik
und die Stigmatisierung. Der Verbleib
auf ihr ist gesellschaftlich auf die Dauer
unerträglich. Das Bild, dass wir mit
dubiosen Geldern in Verbindung
gebracht werden, tut sehr weh und muss
unbedingt korrigiert werden. Deshalb
hat es absolute Priorität, dass wir von
der Liste der FATF wegkommen. Ich
bin überzeugt, dass die entscheidenden
Leute wissen, dass wir einen sauberen,
qualitativ hochstehenden Finanzplatz,
haben und auch in Zukunft haben wol
len, der keinen Vergleich mit dem Aus
land zu scheuen braucht. Bei der
OECD-Liste «Gefährlicher Steuer
wettbewerb» gibt es verschiedene
Aspekte. Wir halten fest, dass wir in Sa
chen Steuern eine andere Philosophie
vertreten. Die Erfahrung bestätigt nicht
nur uns, dass man mit tiefen Steuern
viel Positives bewirken kann. Wenn es
dem Bürger gut geht, geht es auch dem
Land gut. Die Wirtschaft insgesamt hat
von den tiefen Steuern und den günsti
gen Zinsen profitiert. In Sachen Steuer
wettbewerb haben wir mit anderen
Ländern gute Mitstreiter. Hierzu
gehören sicher die Schweiz und andere
Länder wie Luxemburg oder sogar die
USA. Ich habe das Gefühl, dass der
Entscheid des EU-Gipfels nicht der
Weisheit letzter Schluss ist. Es macht
Sinn, eine Zinsbesteuerung - ein Ko
existenzmodell - wie es die EU ur
sprünglich vorhatte, anzustreben. Dies
würde bedeuten, dass wir unser Steuer
system sanft entwickeln könnten, und
dass wir sicher nicht in Richtung Hoch
steuerland marschieren müssten. Trotz
der OECD-Steuer-Liste sollten wir uns
die Zeit nehmen, mit Gleichgesinnten
zusammen zu einer tragbaren Lösung
zu kommen, welche unsere Bedürfnis
se. insbesondere die Aufrechterhaltung
des Bankkundengeheimnisses und der
verschiedenen Gesellschaftsformen ab
deckt.
Wir haben als Land
wie auch als
Finanzplatz sehr viel
zu bieten. Das ist
nicht einfach so von
der Welt zu schaffen.
Wenn ich Ihre Ausführungen erläutere,
kann ich sagen, dass Sie davon ausge
hen, dass der Finanzplatz Liechten
stein eine Zukunft besitzt.
Aber sicher! Wenn wir einig und soli
darisch vorangehen, haben wir eine
enorme Kraft und können zusammen
auch etwas bewegen. Wir haben als
Land wie auch als Finanzplatz sehr viel
zu bieten. Das ist nicht einfach so von
der Welt zu schaffen. Man darf auch
nicht alles, was in der Presse steht, als
bare Münze nehmen. Es gibt auch sehr
viele Meinungen, die uns wohl gesinnt
sind und uns eine Chance geben. Diese
Chance müssen wir nutzen, und zwar
mit den Regeln, die heute gelten und
nicht mit denjenigen vor fünf Jahren.
Dann hat Liechtenstein und sein Fi
nanzplatz eine sichere Zukunft.
Und was ist, wenn die heutigen Regeln
in fünf Jahren nicht mehr gelten?
Eine der Stärken des Kleinstaates
Liechtenstein ist seine Flexibilität. Im
Prozess des sich ständig ändernden
Weltgeschehens ist es lebensnotwendig,
dass wir ein geeignetes Frühwarnsys
tem unterhalten, welches uns frühzei
tig avisiert, inwieweit das Weltgesche
hen uns tangiert und wo wir Hand
lungsbedarf haben. Wir können so viel
leicht verhindern, dass wir je wieder in
eine so prekäre Situation kommen. Wir
wollen eine stete Evolution und keine
abrupte Revolution. Wir wollen langfris
tige Visionen haben und trotzdem flexi
bel bleiben, damit wir auf neue Erschei
nungen und auf Veränderungen sofort
reagieren können. Die grossen Ziele,
die Strategien, müssen langfristig fest
gelegt werden; über die Aktionen, die
Taktik, müssen wir unter Umständen
sehr kurzfristig bestimmen können, je
nach Handlungsbedarf.
Welche Visionen hat der Bankenver
bandspräsident Benno Büchel?
Auf der Basis unseres dualen Wirt
schaftssystems erkennen wir ehrlich
und clever unsere Chancen, setzen sie
fleissig und mit einer «neuen Beschei
denheit» um und verdienen uns so ei
nen angesehenen Platz in der Staaten
gemeinschaft!