Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Staatsfeiertag 2000 
Donnerstag, 10. August 2000 5 
Uns kann man nicht zwingen, das 
Bankgeheimnis abzubauen» 
Interview mit S.D. Fürst Hans-Adam II. zur Zukunft Liechtensteins 
grundsätzlich hereinlassen wollen. Der 
Landtag hätte jedes Jahr diese Zahl neu 
festlegen sollen. Ein gewisser Prozent 
satz von ungefähr 20 Prozent dieser 
Zahl hätte man für Flüchtlinge und der 
gleichen reservieren sollen. Die restli 
chen rund 80 Prozent hätte man ver 
steigern können. Jedes Unternehmen 
hätte nur einen gewissen Prozentsatz 
ersteigern können. Aus dem Erlös soll 
te man die Integration von Flüchtlingen 
finanzieren. Es werden nämlich auch in 
Zukunft Flüchtlinge in unser Land 
kommen. Und wenn wir Flüchtlinge 
aufnehmen, können wir auch von ande 
ren Staaten verlangen, dass sie Flücht 
linge aufnehmen, falls hei uns wieder 
einmal eine grössere Gruppe auftau 
chen sollte. Auf diese Ar! hätte man den 
Flüchtlingen Ausbildungsmöglichkei 
ten gegeben und somit wären sie inte 
griert worden. Vielleicht ist dies ein et 
was utopisches Modell, das gebe ich zu. 
Es hätte jedoch den Vorteil besessen, 
dass die Zuteilung nach Gesichtspunk 
ten erfolgte, die für die Volkswirtschaft 
Sinn macht. Auf der anderen Seite hät 
te man die entsprechenden Einnahmen 
gehabt, die Ausbildung der Flüchtlinge 
zu finanzieren und damit die Integra 
tion zu erleichtern. 
Ich glaube, dass die 
Entwicklung des 
letzten Jahres eine 
EU-Mitgliedschaft der 
Schweiz um Jahre 
zurückgeworfen hat. 
In Zukunft wird sich Liechtenstein 
auch damit auseinandersetzen müssen, 
dass die Schweiz Mitglied der EU wird. 
Welche Auswirkungen hätte eine EU- 
Mitgliedschaft der Schweiz auf unser 
Land? 
Auf der einen Seile hätten wir mit 
der Schweiz jemand in der Iii), der Ver 
ständnis für unsere Probleme hätte. 
Dies wäre sicher ein Vorteil. Aul" der 
anderen Seite wäre dies eine Heraus 
forderung für unser Land, da wir dann 
eine Insel wären. Ich glaube nicht, dass 
eine Ell-Mitgliedschalt Liechtensteins 
auch bei einem EU-Beitritt der Schweiz 
für uns in Frage kommt. Wir müssen mit 
dem EWR oder einem ähnlichen Ver 
trag versuchen über die Runden zu 
kommen. Ich glaube, dass die Entwick 
lung des letzten Jahres eine EU-Mit 
gliedschaft der Schweiz um Jahre 
zurückgeworfen hat. Zum einen hat die 
Behandlung Österreichs durch die EU 
manchen Menschen in der Schweiz zu 
denken gegeben. Ich glaube auch, dass 
dieses Verhalten für die EU als solche 
grossen Schaden zugefügt hat. Vermut 
lich grösseren Schaden, als man heute 
wahrnimmt. Man muss berücksichti 
gen, dass eine grosse Mehrheit der Be 
völkerung der EU diese Massnahmen 
abgelehnt hat. Dies hat also nicht zur 
Popularität der EU in der EU beigetra 
gen. Zum anderen gibt der Druck der 
EU auf die Schweiz bezüglich Bankge 
heimnis und Steueroase bzw. Steuer- 
harmonisierung vielen Schweizerinnen 
und Sehweizern zu denken. Diese zwei 
Massnahmen haben der Bewegung, 
welche sieh für einen EU-Beitritt der 
Schweiz einsetzt, geschadet. Ich glaube 
nicht mehr, dass die Schweiz in diesem 
Jahrzehnt der EU beitreten wird. 
Sie haben zuvor gesagt, dass die 
Schweiz sehr viel Verständnis für unser 
Land aufbringen würde. Wie beurteilen 
Sie grundsätzlich das Verhältnis Liech 
tenstein - Schweiz? 
Meines Erachtens ist es ein gutes Ver 
hältnis. Man versteht sich gut und man 
hat während Jahrzehnten gut und eng 
zusammen gelebt. Dies tut man auch 
heute noch. Das Verhältnis ist so gut, dass 
man sehr offen miteinander sprechen 
Hans-Adam II.:«Solange wir unser eigenes Haus nicht in Ordnung bringen, stehen wir vor einem Problem und schaffen für 
unsere /•'rcuiuh• im Ausland ein Problem. Deshalb müssen wir so rasch als möglich unser eigenes Haus in Ordnung bringen." 
kann und auch kritisiert, wenn Kritik 
notwendig ist. Dieses Verhältnis leidet 
auch nicht, wenn man Kritik übt. 
Man kann aber nicht 
den Fünfer und das 
Weggli haben. 
Tatsache ist aber, dass die Schweiz so 
wohl bei der FATF als auch bei der 
OECD mitgestimmt hat, als es darum 
ging, Liechtenstein auf die schwarze 
Liste zu setzen. Weshalb hat uns die 
Schweiz diesbezüglich nicht geholfen, 
sondern sich gegen uns ausgesprochen? 
Man muss hierbei berücksichtigen, 
dass die Schweiz selbst unter Druck ge 
kommen ist. Die Schweiz ist deshalb 
selber in einer schwierigen Situation. 
Zudem muss man auch sehen, dass die 
Schweiz nicht mehr jene starke Position 
hat, welche sie noch vor ein paar Jahr 
zehnten hatte. Des Weiteren muss 
berücksichtigt werden, dass wir in 
Liechtenstein Fehler gemacht haben. 
Es hat bei der Zusammenarbeit bezüg 
lich der Bekämpfung des organisierten 
Verbrechens und bei der Zusammenar 
beit bezüglich Geldwäsche bei der 
Rechtshilfe nicht geklappt. Das hat uns 
natürlich geschadet und erschwert un 
seren Freunden im Ausland uns voll zu 
unterstützen. Solange wir unser eigenes 
Haus nicht in Ordnung bringen, stehen 
wir vor einem Problem und schaffen für 
unsere Freunde im Ausland ein Prob 
lem. Deshalb müssen wir so rasch als 
möglich unser eigenes Haus in Ord 
nung bringen. 
Das Verhältnis zur Schweiz wird schon 
bald wegen der Abstimmung zurLSVA 
im Mittelpunkt der öffentlichen Dis 
kussion stehen. Hätte ein Nein zur LS- 
VA wirklich jene negativen Folgen in 
Bezug auf das Verhältnis zur Schweiz 
wie da und dort betont wird? 
Wenn wir Nein zur LSVA sagen, wird 
dies vermutlich bedeuten.dass wir Kon 
trollstellen an der Grenze zur Schweiz 
haben werden. Damit kann man leben. 
Ob wir diese Abgabe beim Zollamt 
Schaanwald oder an den Rheinbrücken 
erheben, ist für die Schweiz wahr 
scheinlich auch nicht entscheidend. Für 
uns ist die Frage, ob es eine sinnvolle 
Lösung sein wird, von entscheidender 
Bedeutung. Hierzu kann man beide 
Meinungen vertreten. 
Ich persönlich bin 
der Meinung, dass es 
für die absehbare Zeit 
vernünftiger ist, eine 
offene Grenze und 
den Zollvertrag mit 
der Schweiz zu haben. 
Es stellt sich meines Erachtens diesbe 
züglich eine Grundsatzfrage. Die 
Schweiz braucht die LSVA wegen den 
bilateralen Verträgen und wegen der 
NE AT und wir sollen mitbezahlen. Die 
Schweiz erhöht regelmässig die Mehr 
wertsteuer und wir müssen diese Er 
höhung ebenfalls immer vornehmen, 
obwohl wir es von der Finanzsituation 
des Staates her nicht nötig hätten, in 
wiefern müssen wir in Zukunft Schulter 
an Schulter mit der Schweiz gehen oder 
dürfen wir in Zukunft eine selbstbe- 
wusste eigenständige Politik betreiben, 
wie es eigentlich für einen souveränen 
Staat üblich wäre? 
Wir haben alle Optionen offen. Wir 
können uns entscheiden, eine eigen 
ständige Politik zu betreiben,dafür hät 
ten wir den Zollvertrag nicht mehr. Die 
offene Grenze mit der Schweiz wäre 
dann nicht mehr aufrecht zu erhalten. 
Wenn wir die offene Grenze mit der 
Schweiz aufrecht erhalten wollen, dann 
wird man natürlich in gewissen Punkten 
mit der Schweiz mitziehen müssen und 
somit Eingeständnisse machen. Es geht 
nur um die Frage: Was will man? Beide 
Wege wären möglich. Man kann aber 
nicht den Fünfer und das Weggli haben. 
Man muss sich entscheiden. Vorstellbar 
wären beide Wege. Ich persönlich bin 
der Meinung, dass es für die absehbare 
Zeit vernünftiger ist, eine offene Gren 
ze und den Zollvertrag mit der Schweiz 
zu haben und mit den steuerlichen Ab 
gaben mitzuziehen. Dies zumindest so 
lange die Schweiz nicht in der EU ist. 
Wir müssen dann aber unsere anderen 
Steuern reduzieren. Ich glaube, wir soll 
ten uns überlegen, wo wir Steuern sen 
ken oder abschaffen können. 
Wir müssen jetzt aber 
zuerst die 
Massnahmen treffen, 
die von uns verlangt 
werden, damit wir in 
der Lage sind, 
unseren Finanzplatz 
sauber zu halten. 
Welche Steuer würden Sie senken und 
welche abschaffen? 
Ich vertrete grundsätzlich die Mei 
nung. die indirekten Steuern beim Staat 
zu haben und die direkten bei den Ge 
meinden. Dann kann den Gemeinden 
überlassen werden, was sie einheben und 
was nicht. Damit wäre natürlich eine ge 
wisse Neuaufteilung der Aufgaben ver 
bunden. Dies würde der Gemeindeauto 
nomie sicher entsprechen und schluss 
endlich die Gemeinden stärken. Ich 
könnte mir aber auch vorstellen, dass 
man von staatlicher Seite her die Erb 
schaftssteuer und die Grundstücksge- 
winnsteuer.die in manchen Bereichen ei 
nen Aufwand mit sich bringen, abschafft. 
Man müsste im einzelnen untersuchen, 
was sinnvoll ist. Wir müssten vielleicht 
überlegen, ob wir unser Steuersystem, so 
wie es heute ist. ändern müssten. 
Die OECD hat sich mit ihrer schwar 
zen Liste ebenfalls mit den Steuern be- 
fasst. Die OECD sagte, dass wir mit 
Sanktionen zu rechnen hätten, falls wir 
unser Steuersystem nicht grundlegend 
ändern. Sowohl die Regierung als auch 
Sie sprechen genau vom Gegenteil, als 
das was die OECD möchte. Wie kom 
men wir aus dieser Sackgasse heraus? 
Im Moment ist es noch undurchsich 
tig, was die OECD selber will. Wenn 
man sich dieses Papier durchliest, ist 
dies recht unklar. Ein wichtiger Punkt 
ist für die OECD die kriminellen Gel 
der bzw. die Steuerfluchtgelder. Dies ist 
für die OECD ein wichtiger Punkt. Der 
andere Punkt ist, und da ist bei uns si 
cher einiges zu tun, dass man ein Steu 
ersystem nicht darauf ausrichten kann, 
dass es in erster Linie nur für die Aus 
länder gedacht ist. Man muss den In- 
und den Ausländer gleichstellen. Das 
haben wir nicht gemacht. Abgesehen 
von der Aufsicht und derTransparenz in 
Sachen Rechtshilfe ist dies ein Punkt, 
wo Handlungsbedarf besteht. 
Die EU hat vor einigen Wochen an 
ihrem Gipfel in Portugal die Steuer- 
Fortsetzung auf Seite 7
	        

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