Liechtensteiner Volksblatt
Ausland
Dienstag, 8. August 2000 19
Nachrichten
Sprengsatz entschärft
BAMBERG: Die Polizei hat an dem Wohnhaus
einer jüdischen Familie in Bamberg einen
Sprengsatz entschärft. Ein rechtsextremisti
scher Hintergrund werde nicht ausgeschlossen,
sagte ein Sprecher des Bayerischen Landeskri
minalamts am Montag. «Wir ermitteln aber in
alle Richtungen.» Der Sprengsatz sei am Hoftor
des Hauses der Familie gefunden worden. Der
zeit sei noch unklar, ob er funktionstüchtig ge
wesen sei. Die Familie habe in Bamberg eine
Gaststätte betrieben. Zur Klärung des Delikts
sei eine Sonderkommission gebildet worden.
KFOR-Soldat gesteht
tödliche Schüsse
GNJILANE: Ein US-Soldat der Friedenstrup
pe KFOR hat sich am Montag vor einem Ge
richt im Kosovo zu tödlichen Schüssen auf einen
Albaner bekannt. Drei Serben werden wegen
Mordes seit etwa einem Jahr festgehalten. Der
US-Unteroffizier räumte gestern im Gnjilane
im Osten der jugoslawischen Provinz vor einem
französischen Richter ein, geschossen zu haben,
«um seine Soldaten zu schützen». Das Gerichts
verfahren, bei dem 37 Soldaten als Zeugen aus
sagten, war öffentlich. Für einen Mord an dem
Albaner waren drei Serben von der KFOR fest
genommen worden. Die Männer wurden seit
mehr als einem Jahr im US-Camp Bondsteel
festgehalten. Ein im April begonnenes Verfah
ren vor einem albanischen Richter war ausge
setzt worden.
Rückzug der «Ärzte
ohne Grenzen»
PRISTINA: Die Organisation «Ärzte ohne
Grenzen» stellt ihre Hilfsaktionen im Norden
des Kosovo ein, um gegen die Verfolgung von
Minderheiten in der Provinz und das mangel
hafte Engagement der internationalen Gemein
schaft zu protestieren. «Die Minderheiten wer
den weiterhin terrorisiert. Dies ähnelt einer eth
nischen Säuberung, zumindest einer ethnischen
Gleichmachung», sagte der Leiter der Mission
im Nordkosovo, Philippe Rosen, der Nachrich
tenagentur AFP am Montag. Die Mediziner
wollten nicht zu stillen Komplizen des Gesche
hens werden und hätten sich angesichts der
kontinuierlichen Verschlechterung der Lage zur
Einstellung ihrer Arbeit entschlossen, sagte Ro
sen, der der belgischen Mission im Nordkosovo
vorsteht. Von der Massnahme betroffen seien
die zwischen Serben und Kosovo- Albanern ge
teilte Stadt Kosovska Mitrovica sowie die serbi
schen Enklaven um Srbica und Vucitrn. Die
häusliche Betreuung und die Gesundheitsver
sorgung in mobilen Krankenhäusern würden
eingestellt, sagte Rosen.
Putin unterzeichnet
Steuerreform-Paket
MOSKAU: Mit'der Unterzeichnung einer Reihe
von Steuergesetzen hat der russische Präsident
Wladimir Putin am Montag eine tief greifende
Steuerreform eingeleitet. Die Steuerreform gilt
als Kernstück der von Putin geplanten markt
wirtschaftlichen Reformen. Seit die Steuergeset
ze im vergangenen Monat vom russischen Parla
ment verabschiedet wurden, hat die russische
Börse Kursgewinne erzielt. Die Steuerreform
sieht unter anderem die Einführung eines ein
heitlichen Einkommenssteuersatzes von 13 Pro
zent vor. Zudem soll die Umsatzsteuer reduziert
werden, die die Unternehmen bisher unabhängig
von einem Gewinn abführen mussten.
Schlechte Voraussetzungen
Serbische Opposition tritt mit zwei Kandidaten gegen Milosevic an
BELGRAD: Die jugoslawi
sche Opposition geht zerstrit
ten in die Präsidentschaftswahl
vom 24. September. Das Par
teienbündnis Vereinte Demo
kratische Opposition nomi
nierte am Montag in Belgrad
Vojislav Kostunica, den Chef
der Demokratischen Partei
Serbiens (DSS), zu ihrem Kan
didaten.
Die Entscheidung sei von den 15 be
teiligten Parteien einstimmig ge
troffen worden, teilte die Neue De
mokratische Partei mit. Die stärkste
Oppositionspartei, die Serbische
Erneuerungsbewegung von Vuk
Draskovic, hatte am Sonntag mit
dem Belgrader Bürgermeister
Vojislav Mihajlovic einen eigenen
Kandidaten benannt.
Von zwei konkurrierenden Op
positionskandidaten würde nach
Ansicht von politischen Beobach
tern vor allem der amtierende Prä
sident Slobodan Milosevic profitie
ren, der dank einer Verfassungsän
derung erneut antreten kann.
Nach der offiziellen Nominierung
sagte Kostunica, er sei überrascht
über die grosse Unterstützung ge
wesen. Dies sei «ohne Zweifel das
Ergebnis meiner Politik». Er habe
sich nicht aufstellen lassen, weil er
Angespannte Situation in Jugoslawien: Amerikanische Soldaten sorgen in den Strassen filr Ruhe.
dies gewünscht habe, sondern «weil
dies meine Pflicht ist».
Zuvor hatte er noch gesagt, er
wolle nur gegen Milosevic antreten,
wenn der Streit mit der SPO beige
legt werden könne. Der Chef der
Demokratischen Partei, Zoran
Djindjic, kündigte den Beginn des
Wahlkampfs für Dienstag an.
Der 56-Jährige Kostunica gilt als
integer, aber nationalistisch. Im al
ten Jugoslawien gehörte er zum an
tikommunistischen Dissidenten
kreis. 1974 wurde er von der Juristi
schen Fakultät in Belgrad entlassen,
weil er gegen damalige Verfassungs
änderungen protestierte, die angeb
lich Serbien benachteiligten.
1990 war er Mitbegründer und
Chef der Demokratischen Partei,
die er aber verliess, als sie den streng
nationalen Kurs aufgab. 1992 grün
dete er seine DSS. Ein Parteiziel ist
die Bildung eines «serbischen Na
tionalstaates», inklusive der frühe
ren Serbengebiete in Kroatien und
Bosnien.
Deutsche sollen «Gesicht» zeigen
Stärkerer Kampf gegen Rechtsextremismus - Serie der Gewalttaten geht weiter
DÜSSELDORF: Im Kampf gegen
den Rechtsextremismus sollen jetzt
alle Deutschen «Gesicht zeigen».
Vertreter der Regierung und des
Zentralrats der Juden stellten am
Montag eine Initiative unter diesem
Arbeitstitel vor. Die Serie rechtsex
tremistischer Zwischenfalle riss
auch gestern nicht ab.
Der Präsident des Zentralrates,
Paul Spiegel, sprach von einer «un
erträglichen Situation, von der wir
geglaubt haben, dass sie nie in
Deutschland wieder so sein würde».
Eine «Hand voll verbohrter Verbre
cher» dürfe nicht kaputt machen,
was in 55 Jahren aufgebaut wurde.
Sein Stellvertreter Michel Fried
man beklagte, in den letzten Jahren
habe sich ein «Bodensatz von geisti
ger Brandstiftung» entwickelt. Da
durch werde besonders für Heran
wachsende «der Weg zum Schlagen
kurz». Ihnen müsse klar gemacht
werden, dass ausländerfeindliche
Gewalttaten nicht Jugendsünde
oder Bagatellsache, sondern schwe
re Kriminalität seien.
Widerstand»
Gemeinsam mit Regierungsspre
cher Uwe-Karsten Heye präsentier
ten Spiegel und Friedman in Düs
seldorf die geplante Initiative gegen
rechte Gewalt. Demnach soll ein ge
meinnütziger Verein mit Hilfe von
Prominenten ein «flächendecken
des Schneeballsystem» in Gang set
zen, um auf breiter Front den
«selbstverständlichen Widerstand
der Demokraten» gegen Rechts zu
organisieren. Zahlreiche Prominen
te hätten sich zur Mitarbeit bereit
erklärt, darunter Kanzlergattin Do
ris Schröder-Köpf, die Schauspiele
rin Veronica Ferres, der TV-Mode
rator Günther Jauch und zahlreiche
Sportler und Vertreter der Wirt
schaft, hiess es.
Zuvor waren bereits der Rock
musiker Marius Müller-Westernha-
gen, das Folklore-Duo «Wildecker-
Herzbuben» sowie das Ensemble
der RTL- Serie «Gute Zeiten,
schlechte Zeiten» genannt worden.
Das Bündnis solle aber «keine Pro
minenten-Show» werden, sagte
Spiegel. «Wir wollen, dass Men
schen, die eine Vorbildfunktion ha
ben, sich melden.»
Grossaktion im September
Erstmals soll das Bündnis mit ei
ner Grossveranstaltung Ende Sep
tember in Berlin die breite Öffent
lichkeit mobilisieren. Alle Men
schen sollten ermutigt werden, et
was gegen Ausländerfeindlichkeit
und Antisemitismus zu tun.
Die Aktion unter dem Arbeitsti
tel «Gesicht zeigen» knüpft an die
Initiativen gegen Rechts an, die sich
Anfang der 90er Jahre in Deutsch
land nach den schweren rechtsex
tremistischen Anschlägen von
Mölln und Solingen gebildet hatten.
Damals protestierten Hunderttau
sende mit Lichterketten gegen die
rechte Gewalt.
Neue Zwischenfälle
Gestern wurden in Deutschland
fünf neue rechtsextreme Zwi
schenfälle gemeldet. Im ostdeut
schen Gotha wurde ein 17-Jähriger
von drei rechten Jugendlichen
grundlos schwer verletzt. In Bam
berg (Bayern) entschärfte die Poli
zei einen Sprengsatz vor dem Haus
einer jüdischen Familie.
In Dielkirchen im Bundesland
Rheinland-Pfalz wurde ein jüdischer
Friedhof geschändet. Mehrere Grä
ber wurden mit Hakenkreuzen und
SS- Runen beschmiert Zuvor war
bereits die Schändung des jüdischen
Friedhofs im nahe gelegenen
Rockenhausen gemeldet worden. Im
niederbayerischen Arnbruck und im
sächsischen Delitzsch ging die Polizei
gegen zumeist jugendliche Randalie
rer vor, die Personen anpöbelten und
rechtsextreme Parolen riefen.
Eindringlinge aus Tadschikistan
Usbekische Armee kämpft gegen Bewaffnete im Süden
MOSKAU: Die Armee von Usbeki
stan kämpft im bergigen Süden des
Landes gegen etwa 100 Bewaffnete,
die aus Tadschikistan eingedrungen
sind. Die «Terroristengruppe» soll
laut Angaben aus Usbekistan be
reits anfangs August eingedrungen
sein. Der russische Präsident droht
mit Massnahmen gegen die Ausbil
dungslager.
Die angeblich in Afghanistan ausge
bildeten Männer hätten versucht,
mehrere Bergdörfer zu besetzen,er
klärte die usbekische Regierung in
Taschkent am Montag nach Anga
ben der Agentur Interfax. Die Ar
mee habe bei den Kämpfen Verluste
erlitten. Diese wurden aber nicht
näher beziffert.
Über die bis zu 4000 Meter
hohen Pässe gekommen
Die Gefechte fanden den Anga
ben nach im Gebiet Surchandaija
statt, das teils an Tadschikistan, teils
direkt an Afghanistan grenzt. Die
tadschikische Armee blockiere von
ihrer Seite die gut ausgerüstete Re
bellengruppe, die Uber bis zu 4000
Meter hohe Gebirgspässe nach Us
bekistan gekommen sei.
Usbekistan erklärte gestern, seit
Anfang August seien «die Terroris
tengruppen eingesickert mit dem
Ziel, sich in den unzugänglichen
Berggebieten festzusetzen». Sie sei
en gut ausgerüstet mit Scharfschüt
zengewehren, Granatwerfern und
Nachtsichtgeräten.
Instabile Region in
Zentralasien
Schwer bewaffnete Gruppen isla
mistischer Rebellen halten die in
stabile Region Zentralasien immer
wieder in Atem. Im August 1999
drang eine 500 Mann starke Streit
macht, geführt von dem Usbeken
Namangoni, von Tadschikistan in
den Süden Kirgisiens ein. Sie nah
men dort Geiseln, besetzten
mehrere Dörfer und wurden von
der kirgisischen Armee erst nach
wochenlangen Kämpfen vertrieben.
Unterstützt und ausgebildet werden
die Gruppen angeblich von den
in Afghanistan herrschenden Tali
ban-Milizen und dem Terroristen-
Chef Osama bin Laden. Russland
wirft den Taliban vor, auch die Re
bellen in Tschetschenien zu unter
stützen.
Drohgebärde von Vladimir
Putin
Präsident Wladimir Putin drohte
mit Präventiv-Schlägen gegen af
ghanische Ausbildungslager für Ter
roristen. Der jüngste Krieg im russi
schen Nordkaukasus hatte vor ge
nau einem Jahr mit dem Einmarsch
islamistischer Rebellen aus Tschet
schenien in Dörfer der Teilrepublik
Dagestan begonnen.
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