4 Montag, 31. Juli 2000
OSZE
Liechtensteiner Volksblatt
OSZE-Schlussakte von Helsinki:
25 Jahre im Dienste des Weltfriedens
Eine Feier in Wien, Lob für die Mitgliedstaaten und viel Optimismus für die Zukunft: Ein Gespräch mit Botschafterin I. D. Maria-Pia Kbthbauer
Die Organisation für Sicherheit
und Zusammenarbeit in Europa
(OSZE) ist eine gesamteuropä
ische Sicherheitsorganisation, de
ren 55 Teilnehmerstaaten einen
geographischen Bereich ab
decken, der sich von Vancouver
bis Wladiwostock erstreckt.
Erich Walter de Meijer
Das Gipfeltreffen von Lissabon 1996
baute die Schlüsselrolie der OSZE für
die Förderung von Sicherheit und Sta
bilität in all ihren Dimensionen weiter
aus. Es gab auch den Anstoss zur Ent
wicklung einer OSZE-Charta für eu
ropäische Sicherheit, die nunmehr, im
November 1999, auf dem Gipfeltreffen
von Istanbul verabschiedet wurde.
Die Charta bekräftigt die bisher ein
gegangenen OSZE-Verpflichtungen
und dokumentiert, welche Instrumen
tarien zur Verfügung stehen, wenn zwi-
o s c e
Im Juli besuchte eine Delegation der OSZE auch das ehemalige Krisengebiet in Aserbaidschan, wo Benita Ferrero-Waldner am
Denkmal ftlr die Gefallenen des Karabachkonfliktes einen Kranz niedergelegt hat.
schenstaatliche Probleme und vor al
lem auch innerstaatliche Konflikte und
Krisen - wie ungelöste Minderheiten
fragen oder Demokratiedefizite - ent
schärft werden sollen.
Man greift schnell ein
Der Wandel der OSZE von einem
reinen Diskussions- und Verhandlungs
forum hin zu einer aktionsorientierten
Organisation wird in der Charta durch
die Schaffung von REACT, einem OS
ZE-System «schneller ziviler Eingreif
truppen» sowie durch die «Plattform
für kooperative Sicherheit» unterstri
chen. Letztere zielt auf die bestmögli
che Koordination und Kooperation all
jener internationalen Organisationen
und Institutionen ab, die für mehr Si
cherheit und auch mehr Stabilität im
OSZE-Raum arbeiten.
Die OSZE geht umfassend und ko
operativ an die Sicherheit heran. Sie be-
fasst sich mit einer grossen Bandbreite
sicherheitsbezogener Fragen, etwa Rüs
tungskontrolle, vorbeugender Diplo
matie, Vertrauens- und sicherheitsbil
denden Massnahmen, den Menschen
rechten, Wahlüberwachung und Sicher
heit in Wirtschafts- und Umweltbelan
gen. Alle an den OSZE-Aktivitäten be
teiligten Staaten sind gleichberechtigt.
Beschlüsse werden nach dem bekann
ten Konsensprinzip gefasst.
Der Ständige Rat ist das reguläre
Gremium der OSZE für politische
Konsultation und Beschlussfassung.
Seine Mitglieder, die ständigen Vertre
ter der OSZE-Teilnehmerstaaten, tre
ten einmal wöchentlich im Wiener Kon
gresszentrum Hofburg zusammen, um
alle für die OSZE relevanten Themen
zu erörtern und Beschlüsse dazu zu fas
sen. Daneben finden in Wien auch häu
fig informelle Zusammenkünfte der
Delegationen statt. In der Hofburg tagt
ausserdem das Forum für Sicherheits
kooperation (das sich unter anderem
mit Fragen der Rüstungskontrolle so
wie Vertrauens- und sicherheitsbilden
den Massnahmen befasst).
Regelmässige Treffen
Zusätzlich zu diesen Gremien wird
ein Hoher Rat - zu dem sich politische
Direktoren oder andere hochrangige
Amtsträger der Teilnehmerstaaten ver
sammeln -zu,regelmässigen politischen
Beratungen einberufen. Einmal im Jahr
tritt er ausserdem als Wirtschaftsforum
zusammen. Die amtierenden Aussen-
minister der OSZE halten immer regel
mässige Ministerratstreffen ab, und im
Abstand mehrerer Jahre treten die
Staats- und Regierungschefs zu einem
Gipfeltreffen zusammen.
Die Gesamtverantwortung für alle
Fragen der Durchführung liegt beim
Amtierenden Vorsitzenden der OSZE.
Der Vorsitz wechselt jährlich nach dem
Die amtierende OSZE-Vorsitzende, Österreichs Aussenministerin Benita Ferrero-
Waldner, besuchte die Krisenregion Tschetschenien. Im Bild die Aussenministerin in
der zerstörten Stadt Grosny Im Gespräch mit verbliebenen Einwohnern. Ferrero
Waldner: «Die OSZE setzt immer noch wichtige Massstäbe für SicherheitI»
Rotationsprinzip -1999 führte ihn Nor
wegen, 2000 ist er an Österreich über
gegangen. Die amtierende Vorsitzende,
die österreichische Aussenministerin
Benita Ferrero-Waldner, wird von
ihrem Vorgänger und Nachfolger in ih
rer Tätigkeit unterstützt; zu dritt bilden
sie die TYoika. Sie kann auch Ad-hoc-
Lenkungsgruppen einsetzen und per
sönliche Vertreter ernennen, die sich
mit bestimmten Krisen oder Konfliktsi
tuationen auseinandersetzen.
Generalsekretär der OSZE ist Bot
schafter Jän Kubis aus der Slowakei.
Seine dreijährige Amtszeit begann im
Juni 1999. Von seinem Sitz in Wien aus
fungiert er als Vertreter des amtieren
den Vorsitzenden, den er in allen seinen
Agenden in Verfolgung der Ziele der
OSZE unterstützt. Zu -den Aufgaben
des Generalsekretärs gehört auch die
Verwaltung der OSZE-Strukturen und
-Operationen.
Koordinationen
Die OSZE besteht aus mehreren In
stitutionen. Das für die operative Un
terstützung der Organisation zuständi
ge Sekretariat hat seinen Sitz in Wien.
Es besteht aus dem Büro des General
sekretärs, dem Konfliktverhütungszen
trum, der Abteilung für Verwaltung und
Einsätze und dem Koordinator für öko
nomische und ökologische Aktivitäten
der OSZE. Es wird durch das Prager
Büro unterstützt, das in erster Linie mit
Dokumentations- und Informations
aufgaben betraut ist.
Das Büro für demokratische Institu
tionen und Menschenrechte (BDIMR)
befasst sich mit der Überwachung von
Wahlen und der Entwicklung nationa
ler Wahl- und Menschenrechtsinstitu
tionen, der Bereitstellung von techni
scher Hilfe für nationale Rechtsinstitu
tionen, der Förderung der Entwicklung
von NGOs und der Zivilgesellschaft,
der Ausbildung von OSZE-Mitarbei
tern für die Überwachung der Men
schenrechte und die Beobachtung von
Wahlen und der Schulung von
Journalisten; es fungiert ferner als
OSZE-Kontaktstelle für Fragen der
Roma und Sinti und sorgt für die logi
stische Unterstützungen OSZE-Fach
seminaren. Das BDIMR hat seinen im
merwährenden Sitz in Warschau und
steht unter der Leitung von Botschafter
Görard Stoudmann aus der Schweiz.
Eine OSZE-Institution von grosser
Bedeutung für die Bereiche Frühwar
nung und Konfliktverhütung ist der Ho
he Kommissar für nationale Minderhei
ten, Der mit diesem Amt betraute Nie
derländer Max van der Stoel nimmt ei
ne Einschätzung von Situationen mit
Bezug zu Fragen nationaler Minderhei
ten vor und ist bemüht, diese so früh wie
möglich zu entschärfen. Durch Bera
tung und Empfehlungen ermutigt er die
Parteien zu einem konfrontationsfreien
politischen Kurs.
Medienfreiheit ist wichtig
Seit 1997 gibt es einen Beauftragten
für Medienfreiheit, der die Aufgabe hat,
massgebliche Entwicklungen im Me
dienbereich zu beobachten und bei
schweren Verstössen von Teilnehmer
staaten gegen OSZE-Prinzipien und
Verpflichtungen in Bezug auf freie Mei
nungsäusserung und Medienfreiheit
rasch zu reagieren. Der Beauftragte, der
deutsche Staatsbürger Freimut Duve,
hat sein Büro in Wien.
Die OSZE hat Missionen in Bosnien
und Herzegowina, Kroatien, Estland,
Georgien, Lettland, Moldau, Tad
schikistan, der ehemaligen jugoslawi
schen Republik Mazedonien und dem
Kosovo. Die OSZE hat ferner eine Un-
terstützungsgruppe nach Tschetscheni
en (Russische Föderation) entsandt
und verfügt über eine andauernde Prä
senz in Albanien sowie Uber eine Bera-
tungs- und Überwachungsgruppe in
Belarus, einen Projektkoordinator in
der Ukraine, ein Verbindungsbüro in
Zentralasien und OSZE-Zentren in
Almaty, Aschgabad und Bischkek. Im
Jahr 2000 sollen OSZE-Büros in Jer
ewan und Baku eröffnet werden.
Viel Transparenz
Die OSZE dient auch als Rahmen für
konventionelle Rüstungskontrolle und
Vertrauensbildende Massnahmen. Im
Wiener Dokument 1999 haben sich die
Staaten zu Transparenz und Vorherseh
barkeit in ihren militärischen Aktivitä
ten verpflichtet. Die Teilnehmerstaaten
haben ferner einen militärischen Ver
haltenskodex verabschiedet, in dem die
Grundsätze festgelegt sind, nach denen
sich die Streitkräfte in demokratischen
Gesellschaften richten sollen. Die
OSZE hat ausserdem mehrere interes
sante Mechanismen zur Beilegung von
Streitigkeiten entwickelt.
Die aus mehr als 300 Parlamentariern
aus allen OSZE-Staaten zusammenge
setzte Parlamentarische Versammlung
der OSZE tritt jeweils im Juli zu ihrer
Jahrestagung zusammen und führt im
Laufe des Jahres verschiedene andere
Tagungen und Seminare durch. Sie
erörtert Fragen und verabschiedet Ent-
schliessungen und Empfehlungen mit
Bezug zur Arbeit der OSZE. Sie spielt
auch eine wichtige Rolle bei der Wahl
überwachung. Das Sekretariat der Ver
sammlung befindet sich in Kopenha
gen. Die Organisation hat einen Ver
gleichs- und Schiedsgerichtshof in Genf
eingerichtet.
Die Teilnehmerstaaten, die das Über
einkommen über Vergleichs- und
Schiedsverfahren unterzeichnet haben,
können den Gerichtshof mit einem
Streitfall zur Beilegung durch das
Schiedsgericht oder die Vergleichskom
mission befassen. Die OSZE ist auch
Sammelstelle für Verträge, die im Rah
men des auf Initiative der Europäi
schen Union zustandegekommenen
Stabilitätspakts geschlossen werden.
Die OSZE inmitten der Trümmer der zerstörten Stadt Grosny. Ferrero-Waldner plä
diert; «Sicherheit ist unteilbarI» Es dürfe keinen Kalten Frieden geben und keinen
eingefrorenen Konflikt, Die amtierende Vorsitzende begrdsste in Wien auch einen
ihrer Vorgänger, Hans Dietrich Genscher.
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