Liechtensteiner Volksblatt
Sport
Samstag, 29. Juli 2000 15.
«Wir
es
»
Volksblatt-Gespräch zum Erstliga-Saisonstart mit Uwe Wegmann, Spielertrainer des FC Vaduz
Voll motiviert und mit vielen neuen Gesichtern startet der FC Vaduz in die am kommenden Mittwoch beginnende Erstligasaison.
Bereits am kommenden Mittwoch
beginnt die l.-Liga-Meisterschaft
mit dem Rheintalderby in Wid-
nau. Und mit 30 Spielen wird es
die bislang längste Meisterschaft
in der l.-Liga-Geschichte. Ein län
ger Weg für den FC Vaduz, der
sich wiederum die Aufstiegsspiele
als Ziel gesetzt hat.
Mit Uwe Wegmann
sprach Rainer Ospelt
VOLKSBLATT: Nach dem Scheitern
in der I. Aufstiegsrunde gegen Zug
stand der Spielertrainer recht einsam
auf dem Platz, der Blick wirkte leer. Ist
der Frust raus aus dem Kopf, bereit für
einen neuen Anlauf?
Uwe Wegmann: Ja, eigentlich schon.
Das war zu jenem Zeitpunkt eine Rie
senenttäuschung für mich, dass wir auf
so eine Art und Weise ausgeschieden
sind. Aber das ist vorbei, vergessen und
jetzt müssen wir es auf ein Neues versu
chen und die Erfahrung mitnehmen.
Es war für den Ex-Bundesliga-Kicker
das erste (Spieler) Trainer Jahr. Was
sind die wichtigsten Erkenntnisse, die
wesentlichen Erfahrungen? Wie sieht
die Bilanz aus?
Man steht natürlich unter einer Dop
pelbelastung, aber das war mir bewusst
von vorneherein. Ich denke, ich hab das
recht gut in Griff bekommen. Leider
waren meine Einsätze reduziert wegen
der Rotsperre und den Verletzungen,
sodass ich der Mannschaft nicht die er
hofften Impulse geben konnte. Von der
Bilanz her: wir sind Meister geworden,
der Cup war für mich absolute Pflicht.
Das waren Erfolge und trotzdem, das
Ziel, der Aufstieg, das haben wir ver-
passt. Ich war also fast zufrieden, aber
das i-Tüpfchen hat eben gefehlt.
Es gibt ja Stimmen, die dem Spieler
trainer zu wenig Härte vorweifen, dass
er bei den Spielern zu viel voraussetzt.
Berechtigt?
Ich glaube, dass ich letzte Saison mit
meiner Linie recht gut gefahren bin und
möchte diese auch beibehalten. Ich ver
lange einfach von den Spielern, dass sie
Verantwortung übernehmen und eine
gewisse Selbstdisziplin mitbringen.
Ausserdem interessieren mich solche
Aussagen nicht.
Wie schon selbst erwähnt, als Spieler
hatte Wegmann eine schlechte Saison,
kam gerade mal gerade mal auf knapp
40 Prozent aller Meisterschaftseinsät
ze. Wird er in der kommenden Saison
seine Visitenkarte abgeben?
Man wird natürlich auch nicht jünger
und es ist für mich absolut notwendig,
dass ich von schwereren Verletzungen
verschont bleibe.
Im Kader des FCV gab es recht viele
Wechsel, war dies voraussehbar oder
war der ehemalige Profl vom Transfer
gehabe der Amateure überrascht?
Im ersten Moment war ich schon ein
bisschen überrascht, aber nachher hat
sich das schnell gegeben. Es war jetzt
doch ein grosser Umbruch in der Mann
schaft, aber sowas kann sich auch sehr
zum Positiven auswirken. Es sind hung-
einen oder anderen Position sogar stär
ker sind. Aber man muss die ersten Spie
le einfach mal abwarten, denn bei einem
solchen Umbruch dauert es eben eine ge
wisse Zeit, um sich einzuspielen, um sich
zu finden, dass die Ab^immung auf dem
Platz stimmt. Leider hat'man im Fussball
diese Zeit meist nicht, aber ich hoffe, dass
wir das möglichst rasch in den Griff be
kommen. Ich bin eigentlich recht zuver
sichtlich, dass wir im Laufe der Vorrunde
zu unserem Spiel finden werden
War die Vorbereitungsphase angesichts
dieses Umbruchs mit rund vier Wochen
nicht etwas knapp, lief es soweit pro-
grammgemäss?
Sicherlich war das relativ kurz, aber
wir haben eigentlich in den Vorberei-
(Bilder: Ingrid Delacher)
nicht gewinnen können. Es wird wohl
wesentlich schwieriger, dieses Ziel zu
erreichen?
Dieser Meinung bin ich auch, zumal
wir wie schon gesagt an der Abstim
mung innerhalb der Mannschaft noch
arbeiten müssen. Die Liga ist sicher et
was stärker geworden, vor allem in der
Spitze oben und ich glaübe, dass es in
der 1. Liga allgemein nicht mehr so sou
veräne Spitzenreiter geben wird. Die
Mannschaften im oberen Drittel wer
den näher zusammenrücken.
Die Liga ist sicher
etwas stärker
geworden
Welches werden die stärksten Konkur
renten sein?
Das ist zum jetzigen Zeitpunkt
schwer zu sagen. Ich denke mal, dass
Zug stark einzuschätzen ist, Chiasso auf
jeden Fall, Agno vielleicht mit ihrem
kleinen Platz, aber auch Mannschaften
wie Kreuzlingen und Gossau können
vorne dabei sein und dann die eine oder
andere Überraschungsmannschaft. Es
gilt, sich da durchzusetzen.
Im August gibt's ein happiges Programm
Vier Meisterschaftspiele und zwei Euro
pa-Cup-Spiele. Könnte da schon eine
kleine Vorentscheidung fallen?
Ich denke nicht. Die Meisterschaft
wird nicht in einem Spiel oder im ersten
Monat entschieden. Sicherlich haben
wir mit den Europacup-Spielen eine
höhere Belastung. Wichtig ist, dass wir
von Spiel zu Spiel denken und dass man
die Köpfe wieder frei bekommt. Da se
he ich aber keine Probleme.
Uwe Wegmann:«Wir sind letzte Saison Erstligameister und LFV-Cupsieger gewor
den, aber das i-Tüpfchen mit dem Nati-B-Aufstieg hat gefehlt.»
rige Spieler hinzugekommen, die was
erreichen wollen. Zum andern ist bei ei
ner Mannschaft, die schon zweimal in
den Aufstiegsspielen war, vielleicht mal
die Luft irgendwie raus. Deswegen
kann sich der Umbruch recht positiv
auswirken..
Wie ist das jetzige Kader einzustufen
im Vergleich zur letzten Saison, sind
die Abgänge kompensiert?
Im Grossen und Ganzen denke ich,
dass wir über eine ähnliche Substanz wie
letzte Saison verfügen, dass wir auf der
tungspielen uns kontinuierlich gestei
gert und auch die Ergebnisse zeigen,
dass; wir uns immer besser gefunden ha
ben. Und nicht zu unterschätzen, das
TVainingslager war aucti für die Kame
radschaft wichtig. r
Die offizielle Zielsetzung Ist wie letztes
Jahr ein Aufstiegsplatz, Aber mit der
neuen 16er-Liga ist die Spitze wohl
noch breiter, die Konkurrenz noch
grösser. Und der FCV hat letzte Saison
gerade gegen die drei Mitkonkurrenten
(Red Star, YFf Juventus, Altstetten)
Kommentar
Der FC Vaduz, nach dem Abstieg
des USV wieder einziger 1. Ligist in
unserem Fussball-Land, hat einen
Umbruch hinter sich. Zwölf Abgän
ge, darunter fünf Nationalspieler,
stehen elf Neuzugänge gegenüber.
Die Mannschaft hat für die kom
mende Saison ein neues Gesicht er
halten.
Trotz dieser zahlreichen Transfers
hat sich der FCV dasselbe Ziel wie
schon in der vergangenen Saison ge
setzt: man will wieder in die Auf
stiegsspiele. Doch diesmal sind die
Vaduzer nicht mehr der grosse Fa
vorit, nicht mehr der von allen Ge
jagte, sondern einer von mehreren
Titelaspiranten. Die Spitze ist breiter
geworden und mit 30 Spielen (bis
her 26) dauert die Meisterschaft so
lange wie noch nie.
Neue Gesichter -
dasselbe Ziel
Nach dem ersten Eindruck sind
die Abgänge kompensiert, die not
wendige fussballerische Substanz
scheint nach dem Umbruch erneut
gegeben zu sein.
Das Kader mit 20 Spielern hat die
erforderliche Quantität und auch
die altersmässige Mischung stimmt,
zumindest auf dem Papier. Ob die
letztjährige Leistung wiederholt
werden kann, hängt jedoch von
mehreren Faktoren ab.
Der entscheidende Punkt ist wohl
die Frage, wie lange die neuformier
te Mannschaft braucht, bis sie
sich gefunden hat, bis die Abstim
mung zwischen den einzelnen Spie
lern und den Mannschafisteilen
fimktioniert, bis die Automatismen
greifen.
Dies betrifft insbesonders die
Defensive, wo mit Hefti, Ospelt und
Hasler gleich drei Eigengewächse
und Natispieler wegfallen, die sich
seit Jahren kannten. Nach einer al
ten Fussball-Weisheit setzt sich letzt
lich jene Mannschaft durch, die am
wenigsten Tore kassiert.
In der Offensiv-Abteilung ist le
diglich der Abgang von Thomas
Beck zu beklagen, der mit Ronny
Büchel und dem Brasilianer Cabral
ausgeglichen werden soll.
Nach vorne scheint der FCV nach
wie vor gut bestückt zu sein, die er
folgreichsten Torschützen Fischer,
Polverino und Moitzi (zusammen
26 Tore) sind immer noch dabei und
das Rotationsprinzip hat hier recht
gut funktioniert.
Mitentscheidend dürfte auch sein,
ob Spielertrainer Uwe Wegmann
eine bessere Saison ohne grössere
Verletzungen erwischt. Der Ehrgeiz
ist intakt, sein ganzes Potential
konnte er bis jetzt nur andeutungs
weise zeigen. Er und Slekys hinter
den Spitzen sind zwei spielentschei
dende Figuren auf dem FCV-
Schachbrett.
Ein anderer, wichtiger Faktor ist
immer auch der Start. Siege und
Punkte zu Beginn einer Meister
schaft fördern bekanntlich das
Selbstvertrauen und verschaffen
gleichzeitig Respekt bei der Kon
kurrenz. Letzte Saison legte der
FCV in der Herbstrunde den
Grundstein filr den Meistertitel und
konnte sich so das «Loch* im Früh
jahr leisten.
Ein letzter Punkt: Nach der Redu
zierung der 1. Liga-Teams gibt es
noch weniger sogenannte schwache
Gegner.
Hingegen wird es vermehrt Parti
en geben, die ausgeglichen verlau
fen, bei denen einzelne Szenen und
Chancen spielentscheidend sein
werden, bei denen volle Konzentra
tion über neunzig Minuten gefragt
ist. Und in dieser Hinsicht war der
FCV letzte Saison trotz Meistertitel
kein Meister. Er gewann kein
einziges Spiel gegen die stärksten
Mitkonkurrenten.
Rainer Ospelt