Liechtensteiner Volksblatt
Ausland
Freitag, 14. Juli 2000 29
Nachrichten
Militärparade ohne
Osterreich
PARIS: An der traditionellen Militärparade
zum französischen Nationalfeiertag nehmen an
diesem Freitag in Paris Soldaten aller EU-Mit
gliedsländer teil. Nur die österreichischen Sol
daten sind ausgeschlossen. Mit dieser Entschei
dung wolle Frankreich die seit Februar prakti
zierte politische Isolierung Wiens wegen der
Regierungsbeteiiigung der rechtsgerichteten
FPÖ durchsetzen, teilte das französische Aus-
senministerium am Donnerstag in Paris mit. Als
weitere Begründung für den Ausschluss Öster
reichs hiess es, man habe vermeiden wollen,
dass die Parade auf dem Pracht-Boulevard
Champs Elysdes durch Demonstrationen und
Proteste gegen Österreich gestört wird. Der
österreichische Botschafter in Paris wurde je
doch auf die Zuschauertribüne eingeladen.
Kämpfe und Anschläge
in Algerien
ALGIER: Bei neuen Kämpfen und Anschlä
gen sind in Algerien während der vergangenen
Tage 14 Menschen getötet worden. Vermutlich
islamische Extremisten erschossen einem Be
richt der Zeitung «El Watan» vom Donnerstag
zufolge tags zuvor sechs Menschen im Alter
zwischen 21 und 25 Jahren, die an einem Strand
zelteten. Der Angriff erfolgte nahe der Ort
schaft EI Bedj, etwa 70 Kilometer westlich von
Algier. Bei einem weiteren Angriff am Diens
tag errichteten Extremisten nach einem Be
richt der Zeitung «Libertd» eine Strassensper-
re in der Nähe der Stadt Boumerdes, SO Kilo
meter östlich der Hauptstadt, und töteten dort
vier Soldaten. Bei einem Bombenanschlag auf
einen Militärkonvoi wurden nahe der Stadt
Tigzirt ein Soldat getötet und mehrere weitere
verletzt, wie «Libertd» weiter berichtete. Dem
Bericht zufolge wurde ein am Sonntag in El
Tarf im Osten des Lands entführter Mann tot
aufgefunden. Wie die Zeitung «LalYibune» be
richtete, töteten Polizisten bei der Suche nach
islamischen Kämpfern zwei mutmassliche Ex
tremisten in Tizi-Ouzou, 90 Kilometer östlich
von Algier.
Ex-Finanzminister
Schleusser gestorben
DÜSSELDORF: Der
frühere nordrhein-
westfälische Finanz
minister Heinz
Schleusser ist im Alter
von 64 Jahren gestor
ben. Der SPD-Politi
ker, der es vom Schlos
ser' zum Finanzmini
ster des bevöikerungs-
reichsten Bundeslan
des brachte, erlag am
Mittwochabend in sei
ner Heimatstadt Oberhausen einem langjähri
gen Krebsleiden. Bundeskanzler Gerhard
Schröder würdigte in einem Beileidsschreiben
an die Witwe des Verstorbenen Schleussers le
benslanges Eintreten für mehr soziale Gerech
tigkeit und sein grosses Engagement für das Ge
meinwohl.
Ruhe nach Ende der
Oranier-Märsche
BELFAST: Nach dem Höhepunkt der traditio
nellen Siegesmärsche des protestantischen Ora-
nier-Ordens und einer vergleichsweise ruhigen
Nacht sind am Donnerstag die Hoffnungen auf
ein Ende der Gewalt in Nordirland gestiegen.
Nach den Strassenschlachten der vergangenen
Tage kam es in der Nacht kaum zu Zwi
schenfällen. Die Polizei erklärte, nach dem En
de der Märsche am Mittwochabend und dem
Einbruch der Dunkelheit seien aus den protes
tantischen Hochburgen keinerlei gewaltsame
Zwischenfälle gemeldet worden. Die Oranier in
Portadown wollten aber weiter gegen das
Marschverbot durch ein katholisches Wohn
viertel protestieren, wie die britische Inlands
nachrichtenagentur PA meldete.
Annäherung zwischen
USA und Vietnam
WASHINGTON: Mehr als 25 Jahre nach Ende
des Vietnamkrieges haben sich Washington und
Hanoi auf die Aufnahme normaler Handelsbe
ziehungen geeinigt. Dies sei ein historischer
Schritt auf dem Weg zur Aussöhnung der beiden
einstigen Feinde, sagte.US-Präsident Bill Clin
ton am Donnerstag nach Unterzeichnung des
Abkommens.
Erstes Gespräch unter vier Augen
Barak und Arafat trafen sich in Arafats Unterkunft - Bericht über Einigung auf Landtausch
THURMONT/USA: Zum ers
ten Mal sind der israelische Mi
nisterpräsident Ehud Barak
und der palästinensische Präsi
dent Jassir Arafat in Camp Da
vid zu einem Gespräch unter
vier Augen zusammengekom
men. Beide trafen sich bereits
am Mittwochabend in Arafats
Unterkunft, wie US-Aussen-
amtssprecher Richard Bou-
cher am Donnerstag mitteilte.
Nach israelischen Regierungsinfor
mationen kamen sich beide Seiten
inzwischen in einem zentralen Ver
handlungspunkt näher und einigten
sich prinzipiell auf einen Land
tausch.
Barak und Arafat waren in Camp
David vor dem Treffen in Arafats
Blockhaus am Mittwochabend nur
in Gegenwart von US-Präsident Bill
Clinton zusammengekommen.
Über den Inhalt ihrer Unterredung
wurde nichts bekannt. Boucher sag
te lediglich, sie hätten «harte The
men» Uber vitale Interessen beider
Seiten erörtert. Am Donnerstag
verliess Clinton vorübergehend
Camp David und liess sich von Aus-
senminister Madeleine Albright
vertreten. Der israelische Kabi
nettsminister Chaim Ramon erklär
te unterdessen in Jerusalem, Barak
und Arafat hätten sich im Prinzip
auf einen Landtausch geeinigt. Ra-
Nach seinem Treffen mit Palästinenserpräsident Arafat (kleines Bild) informierte Ehud Barak die US-Aussenmi-
nisterin Madeleine Albright über den Stand der Verhandlungen. (Bild: Keystone)
mon zufolge akzeptierten die paläs
tinensischen Unterhändler einen
Plan, wonach grosse jüdische Sied
lungen im Westjordanland von Isra
el annektiert und die Palästinenser
dafür mit kleineren Gebieten inner
halb Israels abgefunden werden, die
nicht von Juden besiedelt sind.
Nach Auskunft eines arabischen
Abgeordneten des israelischen Par
laments soll Israel ausserdem zuge
stimmt haben, alle jüdischen Sied
lungen aus dem Gazastreifen zu
entfernen. Der Abgeordnete Ah
med Tibi erklärte, es herrsche Eini
gung darüber, dass «keine einzige
Siedlung im Gazastreifen ver
bleibt». Eine Quelle für seine Infor
mationen nannte Tibi nicht. Von of
fizieller Seite wurde seine Darstel
lung dementiert. «Barak möchte si
cherstellen, dass die Mehrheit der
Siedler in ihren Siedlungen unter is
raelischer Souveränität bleibt», sag
te David Sisso, ein Medienberater
Baraks.
Clintons Sprecher Joe Lockhart
warnte vor übereilten Spekulatio
nen über den Stand der Friedensge
spräche. Clinton, Barak und Arafat
hatten sich auf eine Nachrichten
sperre geeinigt und diese bisher
auch eingehalten.
Auch Stoiber geht offenbar auf Distanz zu Kohl
Angst vor Verlust der Wählergunst - Merz fordert von CDU mehr Gelassenheit
BERLIN: Angesichts der öffentli
chen Auseinandersetzung um den
Umgang mit dem früheren CDU-
Vorsitzenden Helmut Kohl ist jetzt
offenbar auch der CSU-Vorsitzende
und bayerische Ministerpräsident
Edmund Stoiber auf Distanz zum
Altkanzler gegangen.
Nach Informationen der Berliner
Zeitung «BZ» (Donnerstagausga
be) hat Stoiber auf der Klausurta
gung der CSU-Landesgruppe • im
Kloster Banz die Debatte als schäd
lich bezeichnet. Die CSU solle sich
da heraushalten und sich darauf
beschränken, die gemeinsamen
Leistungen der 16 Regierungsjahre
herauszustellen. Offenkundiger
Hintergrund der Stoiber-Äusserun-
gen ist laut «BZ» die Feststellung
des AUensbacher Meinungsfor
schungsinstituts, dass die CSU im
Sog der CDU-Spendenaffäre in der
Wählergunst von 61 auf 44 Prozent
abgestürzt sei. Allensbach-Chefin
Renate Koecher habe in Kloster
Banz berichtet, dass die CSU von
der Öffentlichkeit für die Spenden
affäre in Sippenhaft genommen
werde. Unionsfraktionschef Fried
rich Merz rief seine Partei unterdes
sen zu mehr Gelassenheit im Streit
über den Umgang mit Kohl auf. Im
Berliner «Tagesspiegel» (Donners
tagausgabe) bekräftigte Merz zu
gleich seine Kritik daran, dass Kohl
durch das Verschweigen der illega
len Spender «gewissen Spekulatio
nen Tür und Tor» öffne. Auch habe
Kohl, wie viele Leute, die lange im
Amt gewesen seien, «gewisse
Schwierigkeiten damit, dass er nicht
mehr im Amt ist».
Scharfe Kritik übte Merz an dem
Bericht des FDP-Politikers Burk
hard Hirsch über Aktenschwund
und Datenvernichtung im Kanzler
amt, der «zunehmend ins Zwielicht»
gerate. «Mein Eindruck verdichtet
sich, dass Herr Hirsch seinen letzten
politischen Kampf gegen Helmut
Kohl ausgetobt hat», sagte Merz.
Hirsch wies das im Bonner «Ge
neralanzeiger» zurück. Er habe
nach den Vorschriften der Bundes
disziplinarordnung Voruntersu
chungen durchgeführt. Kohl unter
liege nicht der Bundesdisziplinar
ordnung und sei nicht Gegenstand
der Ermittlungen gewesen.
Inzwischen ist der CDU-Obmann
im Parteispenden-Untersuchungs-
ausschuss, Andreas Schmidt, wegen
seiner regelmässigen Treffen mit
Kohl auch aus der eigenen Partei
kritisiert worden. Der CDU-Politi
ker Horst Eylmann, früher Vorsit
zender des Bundestags-Rechtsaus-
schusses, sagte im Inforadio Berlin-
Brandenburg, es könne nicht ange
hen, dass Ausschussmitglieder im
mer wieder mit dem wichtigsten
Zeugen zusammentreffen. Es wäre
gut gewesen, wenn Schmidt von sich
aus die Konsequenz gezogen hätte.
Besonders erstaunt aber habe ihn
Schmidts Ankündigung, dass er sich
auch künftig mit Kohl treffen wer
de.
G-8: Kritik an Stärkung von Milosevics Macht
US-Raketenpläne stossen auf Kritik
MIYAZAKI: Die USA sind mit
ihren Plänen zur Errichtung eines
nationalen Raketenabwehrsystems
(NMD) auch bei den Partnern in
der Gruppe der G-8-Staaten in die
Kritik geraten.
Der kanadische Aussenminister
Lloyd Axworthy erteilte am Don
nerstag auf dem Treffen mit seinen
Kollegen aus den sieben führenden
Industrienationen und Russland
(G-8) im japanischen Miyazaki den
US-Plänen eine Absage.
Axworthy sagte, es werde alles
abgelehnt, was zu einem Ausbau des
Atomwaffen- und Raketenarsenals
führen könne. Er verwies darauf,
dass Russland und China nach eige
nen Angaben auf eine Umsetzung
der US-Pläne mit der Aufrüstung
ihres Arsenals reagieren würden.'
US-Vize-Aussenminister Strobe
Talbott bekräftigte, dass die Ent
scheidung Uber eine Umsetzung der
NMD-Pläne bei Präsident Bill Clin
ton liege. Clinton werde diese unter
anderem von den Kosten des Pro
gramms und dessen technischer
Realisierbarkeit abhängig machen..
Bei ihrem TVeffen in Japan haben
die Aussenminister der G-8- Staa
ten zudem die Verfassungsänderung
kritisiert, die Jugoslawiens Präsi
dent Slobodan Milosevic eine wei
tere Amtsperiode ermöglicht.
Die möglichen Folgen dieser Par
lamentsentscheidung seien sehr be
sorgniserregend, hiess es im Ab
schlussdokument, das nach zweitä
gigen Gesprächen am Donnerstag
im japanischen Miyazaki verab
schiedet wurde.
Die sieben grössten westlichen
Industriestaaten und Russland rie
fen Jugoslawien dazu auf, keine
neue Eskalation der Gewalt zu pro
vozieren. Das jugoslawische Parla
ment hatte vergangene Woche eine
Verfassungsänderung beschlossen.
Die Aussenminister bereiteten
den Gipfel der Staats- und Regie
rungschefs der G-8 vor, der kom
mende Woche im japanischen
Okinawa beginnt. Am TVeffen wird
zum ersten Mal auch Russlands
Präsident Wladimir Putin teilneh
men.
Der japanische Aussenminister Yohei Kono begrüsste gestern b,eim G-8-Treffen in Japan seinen deutschen Amtskol
legen Joschka Fischer. (Bild: Keystone)