28 Donnerstag, 13. Juli 2000
Liechtensteinische Gitarrentage
Liechtensteiner Volksblatt
Gitarrenbau ist eine Lebenshaltung
Gespräch mit dem in Zürich arbeitenden Gitarrenbauer Ermanno Chiavi
Auch bei der achten Auflage der
LiGiTa gibt es neben den Konzer
ten, Kursen und der Notenausstel
lung einen Gitarrenbaukurs mit
Karl-Heinz Römmich und die Gi
tarrenateliers. Hier zeigen mehre
re Gitarrenbauer (u.a. Yuichi Imai
aus Japan, Karl-Heinz Rönunich
aus Deutschland, Pepe Toldo und
Ermanno Chiavi aus der Schweiz)
ihre Instrumente, die auch auspro
biert werden können.
Mit Ermanno Chiavi sprach
Gerolf Hauser
Ermanno Chiavi zeigt nicht nur seine
Instrumente, sondern wird am Freitag,
den 14. Juli um 16 Uhr im Vereinshaus
in Eschen einen öffentlichen Vortrag
halten (mit dem Titel «Ansichten und
Philosophie») Uber das Gitarrenbauen
von A bis Z, vom Baum, wie und wann
er gefällt werden muss bis zum letzten
Schliff am Instrument. Der Vortrag ist
vor allem für Gitarrespieler gedacht.
Da Chiavi aber auch praktische De
monstrationen vorführt und anhand
von Dias weitere Arbeitsgänge vor
stellt, ist der Vortrag für alle interessant,
die wissen wollen, wie ein Instrument
entsteht, das gut klingen soll.
Die Liebe zur Gitarre
«Zum Gitarrenbau gekommen bin
ich deshalb, weil ich die Gitarre schon
seit meiner Kindheit liebe. Mit etwa 30
Jahren habe ich mich entschlossen, die
se Liebe mit der Liebe des Handwerkli
chen zu verbinden - und das lässt mich
nicht mehr los. Ein Teil meiner Arbeit
ist die Beschaffung des Holzes. Seit ei
Der Schweizer Gitarrenbauer Ermanno Chiavi hält am Freitag um 16 Uhr im Vereinshaus Eschen einen Vortrag.
nigen Jahren hole ich die Stämme selbst
aus. dem Wald, also die Fichte für die
Decke der Gitarre. Für die Zargen und
den Boden braucht man dichteres, här
teres Holz. Das kann exotisches Holz
sein, aber auch z.B. Ahorn. Diese Höl
zer kaufe ich bei Händlern. Meine
.Hauptkundschaft, etwa 70 Prozent,
kommt aus dem Raum Zürich, der Rest
aus dem Ausland. Aber auch Jorge Luis
Zamora, der heute Abend in Gamprin
ein Konzert geben wird,spielt eine mei
ner Gitarren. Für die Fertigstellung ei
nes Spitzeninstrumentes brauche ich
mindestens drei Wochen. Übrigens ma
che ich das Holz für die Rundungen der
Zargen nicht mehr nass, wie früher, weil
ich finde, dass das dem Holz nicht gut
bekommt, sondern forme das Holz
durch Erwärmung. Holz bleibt immer
etwas Lebendiges, d.h. mit einem In
strument muss man immer arbeiten. Da
gibt es zu Beginn das Einspielen, das
Übertragen von Energie auf das Instru
ment, um die «Knoten», die Verhärtun
gen im Holz, in der Verleimung, ähnlich
wie bei einer Massage, zu verteilen. Und
das setzt sich immer weiter fort, da die
Verhärtungen, wenn man ein Instru
ment liegen lässt, sich wieder neu bil
den.»
Volksblatt; Von Ramlrez sagt man, er
brauchte nur am Holz zti riechen, um
zu wissen, ob es gut klingt. Andere Gi
tarrenbauer vermessen das Holz aitf Ih
re Klangqualltät hin mit dem Compu
ter. Wie machen Sie das?
Ermanno Chiavi: «Eine Kombination
von beidem. Einerseits stütze ich mich
auf meine taktilen Fähigkeiten, d.h. ich
fühle das Holz. Das sind subjektive Kri
terien, die nicht immer stimmen müs
sen. Um sie zu schulen und zu überprü
fen, braucht es objektive, also statische
und dynamische Prüfungen. Ttotzdem
kann es passieren, dass ich nach Fertig
stellung nicht zufrieden bin mit dem In
strument, weil es meine Klangvorstel
lung nicht erfüllt. Diese Gitarre ist dann
nicht schlecht, aber eben nicht optimal
für mich. Natürlich baue ich auch Gi
tarren auf Bestellung hin, d.h. ich versu
che die Vorlieben und Bedürfnisse des
Gitarristen umzusetzen, was allerdings
nur bis zu einem gewissen Grad mög
lich ist. Ich denke, es ist immer schwie
rig und mit viel Arbeit verbunden für ei
nen Gitarristen, sich mit einer neuen
Gitarre zu befreunden. Beim Konzert
von Alvaro Pierri konnte man gut mit
verfolgen, wie er im Laufe des Konzerts
immer mehr zusammengewachsen ist
mit seinem neuen Instrument. Dass er
ein Konzert auf einer neuen Gitarre
gibt, zeugt von seinem Mut und vor al
lem von seiner höchsten Professiona
lität.»
i sffoi Kurl A'
I •/ ,
«Die LiGiTa sind grossartig»
Juri Clormann spricht über Unterricht, die LiGiTa und die Konzerte
Juri Gormann, international anerkann
ter Gitarrist, Hauptfachlehrer für klas
sische Gitarre, Kammermusik und
Facbdidaktik am Konservatorium Win-
terthur, ist das vierte Mal bei den LiGi
Ta dabei. In diesem Jahr gibt er kein
Konzert, unterrichtet aber und gibt für
alle Studierenden der LiGiTa ein Tech
nikseminar.
Gerolf Hauser
Als wir in einer Unterrichtsstunde bei
Juri Clormann dabei waren, war ein
junger Mann aus Österreich «dran»,
der, wie er selbst sagte, Studiomusiker
im Populärmusik- und Jazzbereich ist
und deshalb bei der klassischen Gitarre,
die er als Herausforderung empfindet,
Probleme mit der rechten Hand hat.
Da gibt es was zu tun
Juri Gormann lässt den Studenten
ein Stück vorspielen, lauscht aufmerk
sam, schaut sich die Bewegungsabläu
fe beider Hände genau an. Dann: «Da
gibt es einiges zu tun. Strukturieren wir
das. Fangen wir mit dem Arpeggio an.
Hast Du die Carlevaro-Studien dabei?
Nein! Die muss man immer dabei ha
ben, wie eine Zahnbürste.» Clormann
erläutert die verschiedenen Techniken,
führt vor, lässt nachspielen, korrigiert,
lässt «Trockenübungen» mit Akzent
verschiebungen ohne die linke Hand
machen. «Schreib Dir die Problemstel
lungen aus dem Stück heraus, variiere
sie, übe sie immer wieder und arbeite
mit Metronom, um alle Bewegungen
zu kontrollieren.» Für die Zusammen
arbeit von Daumen und Fingern der
rechten Hand sagt er: «Stell Dir ein
Krokodil vor, oder ein Schattenspiel.
Wenn das Krokodil das Maul auf
macht, wie macht das die Hand beim
Schattenspiel? So, dass sich Daumen
und Zeigefinger begegnen..» Der Stu
Der Winterthurer Gitarrist Juri Clormann (rechts) unterrichtet im Rahmen der
LigiTa. (Bilder: Gerolf Hauser)
dent äusserte sich nach der Unter
richtsstunde sehr zufrieden über die
Arbeit mit Juri Clormann: «Ich habe
viel gelernt, vor allem sehr gute und
weiterführende technische Hinweise
bekommen.» ! '
Zeit und Geduld
Zum Techniksefninar, an dem 40 Stu
dierende teilnehmen, sagt Juri Clor
mann: «Die Leute sind sehr aufmerk
sam, so dass man. auch mit 40 Studie
renden imTechnikseminar konzentriert
arbeiten kann. Sie möchten viel erfah
ren und lernen. Bei dem Einzelschüler,
dem ich das Bild vom Krokodil sagte, ist
das Problem, dass er mit der Elektro-
Gitarre gross geworden ist, d.h. die
rechte Hand arbeitet dort ganz anders
als bei der klassischen Gitarre. Die
muss man hier ganz neu aufbauen. Das
braucht Zeit und Geduld.»
Qualität und Beliebtheit
Zum Gitarrenfestival äusserte sich
Juri Clormann ebenfalls: «Die LiGilb
brauchen keinenJ Vefjgleich zu anderen
Festivals scheuen! Ich'bin an mehreren
Gitarrenfestivals als Dozent, kann also
vergleichen. Was die Liechtensteiner
auf die Beine stellen; ist grossartig. Dass
sie es weiterziehen erst recht. Denn im
Moment ist das grosse Kursesterben, da
es zu viele gibt. Man ^konkurrenziert
sich gegenseitig, nimmt sich die Studen
ten weg. D^fyer&ei den LiGiTa so
viele Studierende sind, zeigt die hohe
Qualität und Beliebtheit des Festivals.»
Zu den beiden Ktftzerten von David
Russell und Alvpröpierri meint Clor
mann: «Das sind zwei verschiedene
Welten. Russell ist Schotte, Pierri Süd
amerikaner. Dai kknn man nicht tau
schen und nicht vergleichen. Jeder ist
für sich fantastisch {in seiner Spielart.
Beide strahlen eine grosse Souveränität
aus. Russell verhaltener, Alvaro ist viel
lockerer. Es ist für mich jedes Mal wie
der begeisternd, solche grossartigen
Konzerte zu hören.»
«Iniaginieren Sie die
Bewegung»
Weltklasse-Gitarristen unterrichten an LiGiTa
Wie in seinem hervorragenden Kon
zert in der ScheDenberger Kirche, lässt
der Gitarrist Alvaro Pierri auch im
Unterricht Bilder entstehen, «malt»
durch Erklärungen und Demonstra
tionen plastische Bilder in allen Far
ben und Schattierungen.
Gerolf Hauser
Nach dem Vorspielen eines Stückes
von Barrios fragt Alvaro Pierri den
Studenten: «Was denken Sie?» Als
wenig Antwort kommt, sagt er: «Ima-
ginieren Sie zuerst die Bewegung,
spüren Sie sie. Und wenn Sie spielen,
fangen Sie wie aus dem Nichts heraus
an, steigern Sie bis zur Klimax des
Crescendo und lassen Sie sich zurück
fallen. Stellen Sie sich dabei diese ein
samen Kirchen aus dem 17. oder 18.
Jahrhundert z.B. in Mexiko vor, die
Weite und Ruhe der Landschaft, den
Klang der Glocken. Spielen Sie.» Al
varo Pierri nimmt seine Gitarre, spielt
die Basstöne des Stückes dazu, lässt
dabei seine Gitarre wie eine Glocke
hin- und herschwingen. «Es geht nicht
nur darum, schön zu spielen, sondern
die Zusammenhänge, die Komple
xität eines Stückes zu spüren. Hören
Sie sich zu beim Spielen? Wo ist die
Artikulation? Suchen Sie die Archi
tektur des Stückes.» Immer wieder
lässt Pierri den Studenten spielen,
verschiedene Akzente ausprobieren,
gibt Hinweise, spielt Variationen, bis
der Student, sowohl technisch-wie
musikalisch, den Anfang seines eige
nen Weges entdeckt. «Wenn Sie dieses
Stück in den USA oder im Osten spie
len, spielen Sie es so schnell Sie kön
nen, mit viel Agitation. Dann gewin
nen Sie den Wettbewerb. Sonst aber
lassen Sie die Ruhe, die Weite, die
Schönheit einer Kathedrale erklin
gen.»
Unterrichtsstunde bei dem aus Uruguay stammenden Gitarristen Alvaro Pierri
(rechts).