Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksbiatt 
Land und Leute 
Donnerstag, 13. Juli 2000 11 
«In manchen ländern gehts 
ums blosse Überleben» 
UNOWeltfrauenkonferenz «Women 2000» in New York 
Fünf Jalire nach der Weltfrauenkonferenz in Peking trafen sich an die 2000 NGOs zum «Women 2000»-Kongress in New York. 
Fünf Jahre nach der UNO-Welt- 
frauenkonferenz in Peking trafen 
sich die Frauen aus aller Welt er 
neut. Anfang Juni fand der Kon- 
gress unter dem Motto «Women 
2000» in New York statt. Unter 
den NGOs (No Gouvernmental 
Organisation^ / nicht-Regierungs- 
organisationen) waren zwei Frau 
en aus Liechtenstein dabei: Maja 
Marxer-Schädler und Marianne 
Graf. Der Bericht von Maja Mar- 
xer-Schädler zeigt, wie wichtig 
länderübergreifende Frauennetz 
werke sind. 
Mit Maja Marxer-Schädler 
sprach Iris Frick-Ott 
Die Teilname an der UNO-Weltfrauen 
konferenz in New York war alles ande 
re als ein gemütlicher Spaziergang. Vor 
träge, Work Shops, Erlebnisberichte etc. 
reihten sich aneinander. Und das erst 
noch auf die ganze Stadt verteilt. Aus 
Liechtenstein haben zwei Frauen an der 
UNO-Weltfrauenkonferenz «Women 
2000» teilgenommen, Maja Marxer- 
Schädler, Geschäftsführer^ des Eltern 
Kind Forum, und Marianne Graf, Vor 
standsfrau des Vereins Bildungsarbeit 
für Frauen. Wir haben mit Maja Mar- 
xer-Schädler über die erlebnisreichen 
und informativen Tage in New York ge 
sprochen. 
Volksblatt: Welches waren die aus 
schlaggebenden Punkte, um am Frau- 
enkongress NGOs in New York teilzu 
nehmen? 
Maja Marxer-Schädler: Erst mal 
Uberhaupt diese Möglichkeit, die 
Chance zu haben, an einer UNO-Kon- 
ferenz in New York teilzunehmen. Man 
kennt das UNO-Gebäude vielleicht aus 
den TV-Nachrichten und hier gab es die 
Möglichkeit, das Geschehen, Abläufe, 
Zusammenhänge und Hintergründe 
vor Ort mit zu verfolgen. 
Was waren ßr Sie die inhaltlich wich 
tigsten Themen? 
Das Nord-Süd-Gefälle unserer Welt 
kam auch an dieser Weltfrauenkonfe 
renz «Women 2000» deutlich zum Aus 
druck: Auf der südlichen Hälfte der Welt 
geht es oft noch um das blosse Überle 
ben, während z.B. die skandinavischen 
Länder in Sachen Gleichberechtigung 
allen anderen weit voraus sind. «Frauen 
tragen die halbe Welt», sagten schon die 
alten Griechen. Es gibt aber immer noch 
Länder, in denen es Menschen weibli 
chen Geschlechts nicht erlaubt ist, Land 
zu besitzen, um die Familie ernähren zu 
können oder Schulbildung in Anspruch 
zu nehmen. Im Gegensatz dazu wird 
beispielsweise in Schweden nicht mehr 
Uber Frauenrechte wie bisher diskutiert, 
weil das Frauen in einer Art Opferrolle 
ßxiert, sondern es geht vielmehr um die 
«gender equality», um die Gleichstel 
lung beider Geschlechter. Darum laufen 
in Schweden Projekte, bei denen dieses 
Thema nur von Männern diskutiert und 
so die Gleichstellung zu ihrem Thema 
wird. 
Was hat Sie am meisten beeindruckt? 
Neben den inhaltlichen Themen ha 
ben mich die Reden der verschiedenen 
politischen Persönlichkeiten wie einer 
Hillary Clinton, Kofi Annan, Königin 
Nur von Jordanien, Madeleine Albright 
usw. am meisten beeindruckt. Oder von 
ganz engagierte Frauen aus der 3. Welt, 
die kaum Englisch konnten und es 
trotzdem verstanden, sich Gehör zu 
verschaffen und ihre Situation darzu 
stellen. Da konnte der Eindruck entste 
hen, alle Anwesenden wollen die 
Gleichberechtigung in ihrem Land, an 
ihrem Platz weiterbringen - ein ge 
meinsames Anliegen, weltweit. 
Welche persönlichen Erlebnisse mit 
Frauen haben Sie am meisten beschäf 
tigt? 
In der Regel sind das die Erlebnisse, 
die einem am meisten bewegen - auf 
der erfreulichen wie auch auf der uner 
freulichen Seite. Auf der erfreulichen 
Seite sind Ideen oder Errungenschaften 
z. B. der skandinavischen Länder oder 
die Arbeit von UNICEF und auch die 
packenden Reden, z.B. von Hillary 
Clinton, wo ich mir noch lange Gedan 
ken über die Art ihrer Rede gemacht 
habe. 
Auf der unerfreulichen Seite stehen 
dann Erlebnisberichte wie die einer 
heute 18-jährigeh Afrikanerin, die als 
Mädchen mit vielen anderen in ein Mi 
litärcamp verschleppt, als Sexsklavin 
missbraucht und ;zur Killermaschine 
ausgebildet wurde. Oder die Diskussio 
nen zum Thema Blutschande oder geni 
tale Verstümmelung von Mädchen. 
Wie können die Fmuenreckte auf inter 
nationaler Ebenegtfördert werden, re 
spektive, welche^ Aufgaben fallen 
Liechtenstein zu? • 
Liechtenstein ist ja ein' Mitgliedstaat 
der UNO. Die UNO wiederum hat ei 
nen wichtigen, positiven Einfiuss auf 
die Verwirklichung der Frauenrechte, 
respektive der Menschenrechte. Natür 
lich geht das oft nicht so schnell, wie wir 
das manchmal gerife hä|ten, aber «es 
bewegt sich doch». JederfMitgliedstaat 
hat an dieser Konferenzleinen Bericht 
darüber abgeliefert, welche Mittel und 
Möglichkeiten ergriffen vyurden, um die 
Situation der Frauen zu verbessern. Für 
Liechtenstein hat Regierungsrätin 
Andrea Willi gesprochen und die Zu 
sammenarbeit der NGOs mit der Re 
gierung lobend erwähnt, Wie die ande 
ren Länder muss Liechtenstein bemüht 
sein, die Gleichberechtigung im eige 
nen Land voranzutreiben, was bei uns 
auch auf verschiedenen Ebenen ge 
schieht. Andrea Willi hat in diesem Zu 
sammenhang die Wichtigkeit der priva 
ten Organisationen unterstrichen. Im 
Vergleich mit anderen Ländern ist die 
Zusammenarbeit von Regierung und 
NGOs in Liechtenstein ausserordent 
lich gut. 
Eine andere Möglichkeit, Frauen auf 
internationaler Ebene zu unterstützen, 
wäre die Förderung spezieller Projekte 
in Entwicklungsländern. Es gibt eine 
Organisation der Vereinten Nationen, 
die UNIFEM, die solche Projekte erar 
beitet. Dazu gab es einige interessante 
Beispiele auch von UNICEF. Um 
Mädchen die Schulbildung zu ermögli 
chen, bekommen sie Ende Schulwoche 
ein Essenspaket für die ganze Familie. 
Auf diese Weise wird die Zustimmung 
der Väter für die Ausbildung ihrer 
Töchter erreicht. So geht es nicht nur 
um eine kurzfristige Hilfe, sondern ver 
bessert langfristig die Lebensbedingun 
gen der Bevölkerung. 
Welchen Stellenwert hat ein solcher in 
ternationaler Frauenkongress der 
NGOs und was kann er bewirken? 
Kurzfristig kann es darum gehen, 
Kontakte zu knüpfen und sich für Pro 
jekte, die für Liechtenstein wertvoll 
sein können, zu interessieren. Auch 
Kontakte zu skandinavischen Ländern 
scheinen mir diesbezüglich wichtig und 
teilweise ist es mir gelungen, Verbin 
dungen herzustellen. Langfristig ist es 
wichtig, sich solidarisch zu zeigen, dabei 
zu sein und damit zum Ausdruck zu 
bringen: Frauen-/Menschenrechte sind 
uns wichtig. 
Was empfehlen Sie Frauen, die künftig 
am internationalen Frauenkongress 
teilnehmen wollen? 
Aus Japan allein sind 800 bis 1000 
Frauen nach New York gereist. Für das 
nächste Mal würde ich mir wünschen, 
dass mehr Frauen aus Liechtenstein 
teilnehmen und so die Erfahrungen und 
Ergebnisse der Konferenz breiter 
zurückkommen könnten und ein Aus 
tausch im Land selber noch besser mög 
lich wäre. Dann wäre es von Vorteil, 
wenn eine allfällige Teilnahme frühzei 
tig bekannt wäre, damit man sich bes 
ser, gründlicher vorbereiten könnte, 
besser als es uns diesmal möglich war. 
Eine Empfehlung wäre auch, mit den 
eigenen Kräften haushälterisch umzu 
gehen. Oft will man zuviel, an möglichst 
vielen Sitzungen teilnehmen, die ja ver 
teilt in ganz New York stattgefunden 
haben, dann von der Stadt noch etwas 
sehen usw., und das braucht wirklich ei 
ne gute Kondition. 
Am letzten Weltfrauenkongress in Pe 
king (1995) wurde ein umfangreicher 
Massnahmenkatalog erstellt. Welche 
damals formulierten Ziele konnten in 
den letzten fünf Jahren umgesetzt wer 
den? 
In dieser Aktionsplattform von Pe 
king ging es um vier Schwerpunkte: 1. 
Frauenrechte sind Menschenrechte, 2. 
Schutz vor Gewalt als Grundrecht der 
Frauen, 3. Volle Mitwirkung der Frauen 
in öffentlichen und privaten Entschei- 
dungsprozessen in allen Lebensberei 
chen und 4. Auflösung der starren Rol 
lenverteilung zwischen Frau und Mann. 
Die Regierung hat die Massnahmen 
und Umsetzung auch in zwei Publika 
tionen von 1998 und 1999 veröffent 
licht. Speziell hervorzuheben sind das 
Gleichstellungsgesetz, die Einrichtung 
eines Gleichstellungsbüros oder das re 
vidierte Trennungs- und Scheidungs 
recht, das Wegweisungsrecht und Be- 
tretungsverbot bei Gewalt in Wohnun 
gen oder auch Bestrebungen in Rich 
tung ausgewogenere Vertretung von 
Frauen in politischen Gremien usw. Ak 
tuell zu erwähnen ist das laufende «Be 
rufsimpulsjahr», das die Chancen 
gleichheit an Schulen und im Beruf the 
matisiert. Ich habe den Eindruck, dass 
Regierungsrätin Andrea Willi die Um 
setzung der Aktionsplattform sehr 
ernst nimmt und in relativ kurzer Zeit 
sehr viel erreicht hat. 
Maja Marxer-Schädler in luftiger Höhe auf dem Empire State Building während der UNO-Weltfrauenkonferenz in New York.
	        

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