Liechtensteiner Volksblatt
Land und Leute
Montag, 24. Januar 2000 3
Alles drehte sich um das Bett -
und sogar das drehte sich bei Of
fenbachs Operette «Die schöne
Helena», die am Samstag in Bal
zers eine erfolgreiche Premiere
hatte. In der Inszenierung von
Ranz Lindauer, dem sowohl farb
lich wie spieltechnisch perfekten
Bühnenbild von Werner Gstöhl
sangen und spielten in den traum
haft schönen Kostümen von Jo
hanna Weise die Darsteller die al
te und ewig neue Geschichte um
Liebe, freue, Fremd- und Be
kanntgehen.
Gerolf Hauser
Franz Lindauer hat das Libretto in
Versform umschreiben lassen und ein
rasant-witzig-frivol-ironisches Gesche
hen auf die Bühne gezaubert, voller
«Anzüglichkeiten» und, aller griechi
schen Antike zum Trotz, mit vielen
Zeitbezügen.
Da jagen sich Gags und Bewegungen
(verstärkt durch die Tanzarena Liech
tenstein, Barbara Kindle) in einem
Mass, dass der Atem stockt und der
Wunsch nach ruhigeren Passagen auf
kommt. Wenn ein, die Zeiten mi
schender Vergleich erlaubt ist: Die
Operette zeigt griechische Asterixe und
Obtlixe, «tumbe» Griechen und bild
hübsche Griechinnen, wie man sie, nur
anders gekleidet, in vielen, noch «tum-
beren» TV-Shows und Quizsendungen
sehen kann.
Aus dem Opfer «Meneläuschen» (An
ton Biirzle) macht das «Bums-Orakel»
einen Täter.
«Mit Paris und Gatte,
zu dritt auf der Matte»
«Die schöne Helena» der Operette Balzers - grosser Spass und grosse Leistung
Die Gegensätze
In einem interessanten Gegenüber
stehen die beiden Hauptdarsteller, Do
rfen Wijn als Helena und Branko Ro-
binsak als Paris. Reich an Spielbewe
gungen (was auch zu «Kämpfen» mit
dem langen Kleid führt), fast ein wenig'
zickig, singt Dorien Wijn ihre Arien;
überwältigend ist z.B. die «Apfelmann-
Szene» oder die Arie am «Sparta Beach
Club», wo sie überirdisch schön (kein
Wunder, ist Zeus doch Helenas Vater)
die Koloraturen hinzaubert, dabei wun
derbar immer ein wenig die Töne aus
dem Takt hinaus verzögernd oder be
schleunigend. Branko Robinsak bleibt
mit seinem bei Forte-Stellen leicht me
tallisch klingenden Heldentenor stets
im Metrum und bewegt sich ein wenig
zu statisch. Einmalig schön ist sein Solo,
bevor er Helena entführt, mühelos die
höchsten Höhen erreichend und bei
zurückgenommener Lautstärke wun
derbar sanft.
Grosse Spielfreude
Neben diesen beiden Hauptrollen
gibt es eine Reihe weiterer Solisten, die
alle grossartig agieren, aber hörbaren
Abstand zu den beiden Profis zeigen.
Anton Bürzle als Menelaus, der Ehe
mann Helenas, spielt überzeugend den,
trotz Helm auf dem Kopf, Gehörnten;
Hans Nigg als Agamemnon erscheint
stimmlich manchmal zu kräftig im Ver
gleich zu Jürg Peter (Orestes), Richard
Nachbauer (Achilles), Daniel Wolfin
ger (Ajax I.) und Mathias Fuchs (Ajax
II.). Ausgezeichnet in Sprache und Ges
tik spielt Roberto Türri den nimmersat-
ten Erzintriganten Kalchas und eine
spielerische Entdeckung ist Carmine
Gallico als Philokomus, der nicht eine
Sekunde aus seiner Nebenrolle fällt
und stets jedem griechischen Rock
nachläuft - erfolglos, denn Leaena (Su
sanne Fodor) und Parthenis (Rita
Möhr), das prächtige Duo, halten ihn
zurück.
Der Chor (verstärkter Singkreis Gu
tenberg und Männergesangverein Bal
zers) meistert die nicht einfache Aufga
be mit grosser Spielfreude, Kapellmeis
ter Josef Heinzle hält ihn, die Sängerin
nen und das Symphonische Orchester
Liechtenstein (ein besonderes Lob den
stets im Graben Unsichtbaren) mit
ganzem Körpereinsatz zusammen. Oh
ne Frage, die Operettenbühne Balzers
hat mit der «Schönen Helena» und
Franz Lindauer als Regisseur etwas ge
wagt - und gewonnen.
Vorstellungen vom 29. Januar bis 4.
März 2000. Vorverkauf: Tel: 384 38 38
(von 9 bis 11 und von 14 bis 17 Uhr);
Fax: 384 38 39.
„Uli/ 8
• 1 * v 1 ~s
Der vermeintliche Gross-Augur der Venus (Branko Robinsak), der mit List und Tiicke seine geliebte Helena (Doris Wijn) ihrem
Gatten Menelaus abspenstig machen konnte, entführt Helena auf einem Schiff. (Bilder: close up)
1 1 "fH-S'
'ffP-
'• ~ U:> '• •' ^-fV
Kalchas (Roberto Turri), Menelaus (Anton Bürzle), Ajax II. (Mathias Fuchs), Agamemnon (Hans Nigg),Helena (Doris Wijn),
Ajaxl, (Daniel Wolfinger) und Achilles (Richard Nachbauer) beim Fest des Adonis in Sparta (v.l.n.r.).
Entsetzen entsteht bei Ajax II., König von Lokrien (Mathias Fuchs, links) und-bei Menelaus, König von
Sparta (Anton Biirzle) als der als Schäfer verkleidete Paris beim Fest des Adonis die Rätselfragen löst.
Die schöne Helena (Doris Wijn), gelangweilt von der «Alltagskost», sprich ihrem Mann, verdreht allen
Männern in Sparta den Kopf, vor allem «Apfelmann» Paris (Branko Robinsak).
' I 'IT i - "I I