Liechtensteiner Volksblatt
Ausland
Samstag, 22. Januar 2000 3ül
Nachrichten
Wieder Atomenergie-
Kontrolleure im Irak
BAGDAD: Erstmals seit 13 Monaten ist wieder
ein Team der Internationalen Atomenergie-
Agentur (IAEA) im Irak. Die fünf Inspekteure
trafen am Freitag in der Hauptstadt Bagdad ein.
Sie wollen den Zustand der irakischen Uran-
Lagerstätten begutachten. Der Leiter des
Teams, der Ägypter Ahmed Abu Zahra, sagte
vor Journalisten in Bagdad, es handle sich um
eine Routineinspektion von drei bis fünf Tagen,
mit der frühere Arbeiten abgeschlossen wür
den. Einen Zusammenhang mit der Rüstungs
kontrolle der Vereinten Nationen (UNO) in
Irak gebe es nicht. Der Irak hatte die Zusam
menarbeit mit den UNO-Rüstungsinspektoren
im Dezember 1998 eingestellt. Die USA flogen
daraufhin viertägige Luftangriffe gegen mi
litärische Ziele im Irak. Damals mussten auch
die Inspekteure der IAEA das Land verlassen.
Der Weltsicherheitsrat sucht momentan einen
für alle Seiten akzeptablen Chef der UNO-Kon-
trollkommission UNMOVIC im Irak. Die UNO
streben eine Wiederaufnahme der Waffenkon
trollen im Irak an. Die Regierungen in Wa
shington und London wollen die UNO- Sank
tionen gegen den Irak nur dann lockern oder
ganz aufheben, wenn Bagdad solchen Kontrol
len zustimmt. Die Sanktionen wurden 1990 we
gen des irakischen Überfalls auf Kuwait ver
hängt.
Gegenseitig neun Diplo
maten ausgewiesen
WARSCHAU/MOSKAU: Die angekündigte
Ausweisung von neun russischen Diplomaten
aus Polen wegen Spionage hat zu schweren
Spannungen zwischen Warschau und Moskau
geführt. Die russische Regierung erklärte am
Freitag ihrerseits neun polnische Gesandte zu
unerwünschten Personen. Sie müssten das Land
bis zum 28. Januar verlassen, teilte das russische
Aussenministerium in Moskau dem polnischen
Botschafter Andrzej Zalucki mit. Am Tag zuvor
hatte die polnische Regierung neun der 60 Di
plomaten an der russischen Botschaft in War
schau der Spionage beschuldigt und aufgefor
dert, das Land zu verlassen. Ein Termin für die
Ausweisung wurde bisher nicht genannt. Die
russischen Abgesandten in Warschau hätten po
litische und Wirtschaftsspionage betrieben, sag
te der Vorsitzende einer Sonderkommission des
polnischen Parlaments, Jozef Gruszka, am Frei
tag. Auch Russland nannte als Grund der Aus
weisung, die Polen seien «Tätigkeiten nachge
gangen, die mit ihrem Status und der Wiener
Konvention unvereinbar sind». Das ist eine
Umschreibung für Spionage. An der polnischen
Botschaft in Moskau arbeiten etwa 50 Diplo
maten.
EU-Projekt zur Messung
der Ozonschicht
BRÜSSEL: Die bisher grössten wissenschaftli
chen Untersuchungen zum Ozon-Loch sind am
Freitag im schwedischen Kiruna am Polarkreis
gestartet worden. Am Projekt unter EU-
Führung nimmt auch die Schweiz teil. Neben
der Europäischen Union (EU) und der Schweiz
sind zudem die USA, Japan, Russland, Norwe
gen und Polen am Forschungsvorhaben «The-
seo 2000/Solve» beteiligt, wie die EU-Kommis
sion in Brüssel am Freitag bekanntgab. Ziel des
Projekts ist es, genauere Daten zur Verringe
rung der Ozon-Schicht zu gewinnen. Eingesetzt
werden dazu in den kommenden Wochen vier
Forschungsflugzeuge und Uber 20 Ballone, die
in rund 20 Kilometern Höhe in der Stratosphä
re entsprechende Messdaten sammeln. Die Er
gebnisse der Untersuchungen sollen laut der
EU-Kommission im kommenden März vorlie
gen. Gegen Ende November hatte ein Satellit
der europäischen Raumfahrtorganisation ESA
extrem geringe Ozon-Werte über Grossbritan
nien, Belgien, den Niederlanden, Norddeutsch
land, Dänemark, dem baltischen Meer und der
gesamten Arktis festgestellt. Forscher aus aller
Welt versuchen, die Ursachen herauszufinden.
£U soll bei Sturm- und
Olpestschäden helfen
PARIS: Die französische Regierung hat offiziell
bei der Europäischen Union (EU) um finanzi
elle Unterstützung für die Beseitigung von
Schäden der beiden Weihnachtsstürme und der
Ölpest im Atlantik gebeten. Die Regierung bit
te besonders um die Zusicherung von Geldern
aus Strukturfonds zum Wiederaufbau der
beschädigten Gebiete und Geschäftsbereiche,
teilte das Amt des Ministerpräsidenten Lionel
Jospin am Freitag mit.
Koalition gescheitert
SPÖ will Minderheitsregierung bilden
WIEN: Österreichs Bundes*
kanzler Viktor Klima hat nach
dem Scheitern der Koalitions
verhandlungen die Bildung ei
ner Minderheitsregierung an
gekündigt. Es werde keinen
Pakt und keine Koalitionsver
einbarung geben, sagte Klima
am Freitag.
Er werde eine von der SPÖ geführ
te Regierung bilden, die Uber keine
Mehrheit im Parlament verfüge. In
der neuen Regierung sollten auch
unabhängige Experten vertreten
sein, sagte Klima.
Die Sozialdemokratische Partei
(SPÖ) hatte nach einem Streit um
die Ressortverteilung und die Ren
tenreform mit der konservativen
Volkspartei (ÖVP) die Verhandlun
gen abgebrochen.
Gespräche angeordnet
Präsident Thomas Klestil ordnete
nach dem Platzen der SPÖ-ÖVP-
Koalition an, dass Klima innerhalb
einer Woche Gespräche mit Vertre
tern aller Parteien führen solle. Das
war zunächst nicht als Auftrag für
eine Minderheitsregierung verstan
den worden, sondern als letzter Ver
such, doch noch Partner für eine
Regierung mit breiter Parlaments
mehrheit zu finden.
Klima erklärte dazu, er we/de die
Gespräche führen, um eine Vor
gangsweise zu finden, wie im Parla
ment künftig Gesetze verhandelt
und beschlossen werden könnten.
Chancenlos
Ein Minderheitskabinett gilt je
doch als politisch wenig überle
bensfähig. Die SPÖ kann zurzeit
weder auf Unterstützung durch die
ÖVP noch durch die FPÖ von Jörg
Wolfgang Schüssel (ganz rechts) verlässt mit den ÖVP-Leuten das Parlament.
Haider zählen. «Das bringt Desta-
bilität und den Menschen nichts»,
sagte der Generalsekretär der rech
ten Freiheitlichen Partei (FPÖ),
Peter Westenthaler, zu einer
Regierung ohne Mehrheit. Die
SPÖ hat im Parlament 65 von 183
Mandaten.
Dem steht ein mögliches Mitte-
Rechts-Bllndnis von ÖVP und FPÖ
gegenüber, das mit insgesamt 104
Sitzen über eine breite Mehrheit
verfügen würde. Die FPÖ hatte der
ÖVP wiederholt eine Zusammenar
beit angeboten. Die SPÖ braucht
für eine Mehrheit die Stimmen der
FPÖ oder öVP. Nur die 14 Manda
te der Grünen reichen dafür nicht.
Folgten auf eine Minderheitsre
gierung in kurzer Zeit vorgezogene
Parlamentswahlen, hätte die FPÖ
Meinungsforschern zufolge gute
Chancen, zur stärksten Partei zu
werden. SPÖ und ÖVP müssten
hingegen mit weiteren Verlusten
rechnen.
Lachender Dritter
Haider ginge aus der Regierungs
krise vermutlich als lachender Drit
ter hervor. «Haider braucht gar
nichts zu tun: bei Neuwahlen würde
er zulegen, die ÖVP dramatisch ab
stürzen», so ein Meinungsforscher.
Der ÖVP-Chef und Aussenminis-
ter Wolfgang Schüssel sagte, seine
Partei sei für eine Koalition mit der
SPÖ weiter verhandlungsbereit.
«Unser Angebot steht, wir werden
die Brücken nicht abbrechen», sag
te Schüssel.
SPÖ und ÖVP, die in den vergan
genen 13 Jahren die Regierung bil
deten, hatten sich am Dienstag in
haltlich auf ein neues Koalitions
programm geeinigt. Das Abkom
men dürfte aber daran gescheitert
sein, dass die ÖVP Anspruch auf
das seit Jahren von der SPQ besetz
te Finanzministerium erhoben hat.
Zwischen der SPÖ und der ÖVP
habe es letztlich an Vertrauen und
Respekt gefehlt, sagten Vertreter
beider Parteien.
Bombenexplosion in Madrid
Toter und mehrere Verletzte - Polizei geht von ETA-Anschlag aus
MADRID: Zwei vermutlich von
der ETA gezündete Autobomben
sind am Freitag im Zentrum Mad
rids explodiert. Ein Offizier der Ar
mee wurde getötet. Vier Personen,
darunter ein 13-jähriges Mädchen,
erlitten Verletzungen.
Die Bomben detonierten gut an
derthalb Monate nach der Aufkün
digung des Waffenstillstands durch
die ETA. Sie gingen in der Nähe ei
nes Kindergartens in einem Wohn
gebiet hoch, in dem viele Armeean
gehörige leben.
Sämtliche Parteien bis auf
die ETA-nahe Herri Batasuna
(HB/Volksunion) verurteilten den
Anschlag. Die baskische Regional
regierung kam zu einer Krisensit
zung zusammen.
Tödlicher Spaziergang
Die Explosionen ereigneten sich
im Abstand von etwa 40 Minuten
während des morgendlichen Be
rufsverkehrs. Der getötete Offizier,
ein 47-jähriger Oberstleutnant, war
den Angaben zufolge bei einem
Morgenspaziergang, als die Bombe
in einem geparkten Auto neben ihm
explodierte.
Die Bombenexplosion in Madrid forderte ein Menschenleben.
Die Wucht der Detonation be
schädigte zahlreiche Autos und liess
die Fensterscheiben umliegender
Gebäude zerbersten. Bei der zwei
ten Explosion habe es keine Opfer
gegeben. Die Ermittler gehen da
von aus, dass die Terroristen ihr
Fluchtauto in die Luft gejagt haben.
Die Polizei riegelte das Gebiet so
fort ab und leitete eine Grossfahn
dung ein. Auf den Autobahnen um
Madrid wurden Polizeisperren er
richtet und Autos kontrolliert. Den
Polizeiangaben zufolge besteht kein
Zweifel, dass die Aktion auf das
Konto der ETA geht. Friedensgrup
pen riefen zu einer Protestdemon
stration in Madrid auf.
Anschläge befürchtet
Nachdem die ETA Ende Novem
ber ein Ende ihres 14-monatigen
Waffenstillstands erklärt hatte, wa
ren in Spanien neue Anschläge der
Untergrundorganisation erwartet
worden. «Das ist es, was wir be
fürchtet haben», sagte Madrids Bür
germeister Jose Maria Alvarez nach
dem Anschlag am Freitag.
Die Polizei hatte kurz vor Weih
nachten bereits zwei Kleinbusse
entdeckt, die mit zwei Tonnen
Sprengstoff auf dem Weg nach
Madrid waren. Den letzten grösse
ren Bombenanschlag verübte die
ETA vor dem Waffenstillstand im
Juni 1998.
Dem Beispiel der nordirischen
IRA folgend hatte die ETA nach
drei Jahrzehnten des Kampfes für
die Unabhängigkeit des Baskenlan
des im September 1998 einseitig eine
Waffenruhe verkündet, um damit die
Voraussetzung für Gespräche mit
der spanischen Regierung zu schaf
fen. Der Widerruf des Gewaltver
zichts begründete die ETA mit der
starren Haltung der Regierung.
200 Kindersoldaten entführt
300 Kindersoldaten an die Caritas übergeben
NAIROBI: Im westafiikanischen
Sierra Leone haben Rebellen 200 Kin
dersoldaten entführt, die von einer
Hilfsorganisation in ein Rehabilitati
onszentrum gebracht werden sollten.
Die Kinder seien auf ihrem Weg in
die Hauptstadt Freetown von Auf
ständischen der Revolutionären
Vereinigten Front (RUF) gekid
nappt worden, meldete das staatli
che Radio am Freitag. Fünf Mitar
beiter der katholischen Hilfsorgani
sation «Kinder im Kriege» (CAW)
sowie vier Soldaten der westafrika
nischen Eingreiftruppe ECOMOG
seien ebenfalls unter den Gefange
nen. Die ECOMOG-Soldaten hat
ten die Kinder den Helfern in der
nördlichen Stadt Kabala überge
ben. 300 weitere Kindersoldaten
sollen Berichten zufolge im Norden
des Landes an die Mitarbeiter der
Caritas übergeben worden seien.
Von den rund 200 000 Kindersolda
ten in Afrika werden.nach Schät
zungen internationaler Hilfsorgani
sationen mehr als 10 000 im Biirger-
kriegsland Sierra Leone eingesetzt.
Zwar haben die Regierung von Prä
sident Ahmad Tejan Kabbah und
die RUF-Rebellen im Juli 1999 ein
Friedensabkommen geschlossen,
doch noch immer ziehen Zehntau
sende Rebellen schwer bewaffnet
durch das Landesinnere.