Liechtensteiner Volksblatt
Ausland
Mittwoch, 28. Juni 2000 23
Nachrichten
Kohl ist empört...
BERLIN:Die Anschuldigungen haben den ehe
maligen 'deutschen Bundeskanzler und CDU-
Vorsitzenden Helmut Kohl empört. Allein der
Verdacht, dass seine frühere Mitte-Rechts-Re
gierung in ihren politischen Entscheidungen
«käuflich» gewesen sei, regt den 70-Jährigen
auf. An diesem Donnerstag muss er nun vor
dem Untersuchungs-Ausschuss des deutschen
Parlaments zum CDU-Finanzskandal aussagen.
Dies wird ein weiterer Höhepunkt in der seit
Monaten andauernden Affäre sein. Deren Ende
ist nicht absehbar.
Auch neue Vorladungen Kohls sind zu erwar
ten. Die rot-grüne Mehrheit im Ausschuss will
ihn noch mehrfach hören - immer dann, wenn es
um das Zustandekommen einzelner Entschei
dungen geht, wie etwa die Privatisierung der
ostdeutschen Leuna-Raffinerie in den 90er Jah
ren oder der Verkauf von Spürpanzern an Sau
di-Arabien im Zuge des Golfkriegs1991.
Es besteht der Verdacht, dass hier und bei
anderen Geschäften Schmiergelder geflossen
sind, zumal Akten aus jenen Zeiten im Kanzler
amt verschwunden oder nicht vollständig sind.
Doch für Kohl steht fest, dass es Sozial
demokraten und Grünen nur um eines geht:
«Um die Kriminalisierung eines angesehenen
Bürgers in Deutschland und in Europa», wie er
vor kurzem in einem Fernseh- Interview noch
einmal schimpfte. Schon früher hatte er betont,
dass den Linken nicht an Aufklärung gelegen
sei, sondern an der «Zerstörung meines
Lebenswerks».
Wieder grausamer Tod
in Algerien
ALGIER: In Algerien sind neun Menschen bei
mehreren Anschlägen ermordet worden. Drei
Menschen, darunter ein sechsjähriger Junge,
wurden in der Nacht zum Montag an einer
Strassensperre im Regierungsbezirk Blida (SO
Kilometer südlich von Algier) vermutlich von
islamistischen Extremisten erschossen. Das be
richtete die algerische Presse am Dienstag. Die
Mörder hätten Armeeuniformen getragen, be
richtete die Zeitung «El Watan». In der gleichen
Region waren am Montag noch zwei Leichen
gefunden worden.
Ebenfalls in der Nacht zum Montag waren
drei Personen im westalgerischen Regierungs
bezirk Oran ebenfalls an einer Strassensperre
erschossen worden. Zudem war am Sonntag
abend dem Wächter einer Baustelle in der 540
Kilometer östlich von Algier gelegenen Stadt
Azzaba die Kehle durchgeschnitten worden, be
richtete die Zeitung «Liberte».
Japan beginnt
Regierungsbildung
TOKYO: In Japan hat Ministerpräsident Yos-
hiro Mori nach den Parlamentswahlen vom ver
gangenen Wochenende am Dienstag mit der
Bildung seines neuen Kabinetts begonnen. Bei
der Parlamentswahl hatte die Koalition aus Mo-
ris Liberaldemokratischen Partei (LDP), der
Neuen Konservativen Partei (NKP) und der
Neuen Komeito wieder die Mehrheit erlangt.
Die LDP selbst verlor aber die absolute Mehr
heit.
Sie ist daher mehr denn je auf die Koalitions
partner angewiesen. Nach Einschätzung japani
scher Medien dürfte vor allem die Komeito ei
nen zweiten Ministerposten fordern. Die NKP
wird voraussichtlich einen Minister stellen. Eine
Bestätigung Moris durch das Parlament ist für
den 4. Juli geplant. Danach erst wird Mori seine
Kabinettsliste vorstellen: Am Montag hatte er
mitgeteilt, Finanzminister Kiichi Miyazawa und
Aussenminister Yohei Kono würden im Amt
bleiben. Handelsminister Takashi Fukaya und
Landwirtschaftsminister Tokuichiro Tamazawa
wurden nicht wieder gewählt.
Trotz Notstands Weiter Kämpfe auf indonesischen Moukken-Inseln
JAKARTA: Ungeachtet eines
ausgerufenen Notstands gehen
die Unruhen auf den ostindo*
nesischen Molukken-Inseln
weiter. Nach Augenzeugenbe
richten lieferten sich Moslems
und Christen auch am Diens
tag in der Provinzhauptstadt
Ambon Kämpfe.
Über neue Opfer wurde zunächst
nichts bekannt. Sprecher beider Re
ligionen beschuldigten sich gegen
seitig, für die Ausschreitungen ver
antwortlich zu sein.
Der am Montag ausgerufene Not
stand berechtigt das Militär, Brenn
punkte des Konfliktes zu isolieren,
Verdächtige festzunehmen, Aus
gangssperren auszurufen und bei
Razzien nach Waffen zu suchen.
«Ich sehe hier keine grosse Verän
derung», sagte ein Kirchensprecher.
Brandstiftung und Schiessereien
gingen überall in der Stadt
weiter.
Nach wie vor seien vereinzelte
Explosionen und Gewehrfeuer in
verschiedenen Stadtteilen zu hören,
berichtete die staatliche indonesi
sche Nachrichtenagentur Antara
am Dienstag. Seit dem Ausbruch
der neuen Kämpfe am vergangenen
Mittwoch sind mindestens 70 Men-
Es bleibt unruhig in Indonesien. Das Land wird nicht nur von Unruhen ge
beutelt, sondern auch von zahlreichen Demonstrationen. (Bild: Keystone)
sehen getötet und mehrere Dutzend
verletzt worden. Die Organisation
Ärzte ohne Grenzen forderte die
Einrichtung von «humanitären Kor
ridoren», um die Versorgung mit
Medikamenten und Nahrungsmit
teln für Familien zu sichern, die vor
den Kämpfen geflohen waren. Viele
der Flüchtlinge seien seit Tagen von
jeglicher Versorgung abgeschnitten.
Zwei mit Wasser beladene Tank
laster der Hilfsorganisation waren
vorige Woche angezündet worden.
Das indonesische Militär bereitet
unterdessen die Ablösung zweier
Bataillone von den als Gewürz
inseln bekannten Molukken vor.
Die Truppenteile der ost-javanesi-
schen Brawijaya-Einheit sollten «so
schnell wie möglich» ausgetauscht
werden, sagte ein Militärsprecher
am Dienstag. Moslems und Christen
hatten sich gegenseitig vorgewor
fen, von Soldaten dieser Einheit un
terstützt zu werden.
Anlass der Unruhen war ein
Massaker von Moslems an Christen
auf den Nord-Molukken am Mon
tag vor einer Woche. Dabei hatte es
mehr als 200Tote und über 500Ver
letzte gegeben. Nach Ausbruch der
Ausschreitungen in Ambon ver
hängte der indonesische Präsident
Abdurrahman Wahid vor wenigen
Tagen ein Einreiseverbot für die
Inselgruppe, um «bezahlte Provo
kateure» fernzuhalten.
Die Unruhen waren erstmals im
Januar 1999 ausgebrochen. Die
Zahl der Todesopfer in dem Kon
flikt wurde damals auf mehr als
3000 geschätzt. Hunderte von Häu
sern, aber auch viele Kirchen und
einige der Moscheen wurden nie
dergebrannt.
Irak: Aufforderung an Annan
Saadun Hammadi fordert von UNO Ende der Überwachungsflüge
GENF: Iraks Saadtin Hammadi hat
Generalsekretär Kofi Annan bei ei
nem Treffen in Genf aufgefordert,
sich für ein Ende der Überwa
chungsflüge und Bombardierungen
im Norden und Süden des Landes
einzusetzen.
Der UNO-Sicherheitsrat sei nicht
zuständig, Flugüberwachungszonen
einzurichten sowie ein Verbot zivi
ler Flüge zu verhängen, erklärte
Hammadi am Dienstag vor der
Presse. Annan habe ihm versichert,
für die Flüge der britischen und der
US- Luftwaffe gebe es keine recht
liche Grundlage.
Gemäss Hammadi sollen Kampf
flugzeuge der beiden Länder seit
Dezember 1997 insgesamt mehr als
22 000 Mal irakisches Territorium
überflogen haben. Bei Bombardie-
Kofi Annan in Genf: Klare Aufforderung von Saadun Hammadi
rungen sollen fast 300 Zivilperso
nen getötet worden sein. Hammadi
hält sich derzeit als Chef der iraki
schen Delegation an der Folgekon-
ferenz zum Weltsozialgipfel in Genf
aut Die UNO- Sanktionen waren
im August 1990 nach dem iraki
schen Überfall auf das Nachbarland
Kuwait verhängt worden. Seither
dauern sie an.
Stasi-Mann
sagt aus
KAMP ZEIST: Neue Entwick
lungen im Lockerbie-Prozess:
Ein früherer Mitarbeiter des
DDR- Staatssicherheitsdienstes
ist am Dienstag im Prozess um
den Flugzeugabsturz von
Lockerbie im niederländischen
Kamp Zeist als Zeuge gehört
worden. Der 53 Jahre alte Mann,
der im Prozess «Herr Wenzel»
genannt wird, hatte mit der Be
schaffung von Technik und Elek
tronik aus der Bundesrepublik
Deutschland und der Schweiz zu
tun. Von seiner Aussage erhofft
der Staatsanwalt vor allem An
gaben Uber Zeitzünder für Bom
ben, wie sie nach Darstellung der
Anklage bei dem Anschlag am
21. Dezember 1988 auf das
PanAm-Flugzeug über der
schottischen Stadt Lockerbie
verwendet worden sein sollen.
Zimbabwe: «Die Situation ist positiv»
Schweizer Botschafter ist optimistisch: Opposition verfügt über eine starke Stimme
HARARE: Der Schweizer Bot
schafter in Simbabwe schätzt das
Wahlresultat vom vergangenen Wo
chenende als «ziemlich positiv» ein:
«Die Opposition verfügt nun über
eine stärkere Stimme, was im Parla
ment konstruktivere Diskussionen
auslösen dürfte»
Die bisherige Regierungspartei, die
ZANU-PF von Präsident Mugabe,
bleibe an der Macht. Daher habe
diese keinen Grund, sich in Gewalt
tätigkeiten zu verstricken, sagte
Botschafter Jean-Marc Boillat am
Dienstag gegenüber der Nachrich
tenagentur sda.
Die Opposition habe zudem eine
beträchtliche Zahl von Abgeordne
ten verbuchen können. Deshalb
rechne er auch von dieser Seite her
nicht mit Gewalttaten auf Grund
von Frustrationen, sagte Boillat
weiter.
Zurück zur Normalität
Er erwarte eine zunehmende Ent
spannung der Lage in Simbabwe und
rechne damit, dass in den nächsten
Tagen oder Wochen im Land wieder
der Alltag einkehre, sagte der Bot
schafter, der dieses Amt seit vier Mo
naten bekleidet. Die Lage in Harare
Mit dem Wahlresultat sind viele nicht einverstanden - die Opposition ist nach Insider-Berichten gewaltbereit.
sei zur Zeit ruhig. Zum Verlauf der
Wahlen wollt? sich Boillat nicht
näher äussem^Er kenne die Details
zu wenig, sagtp er.und verwies auf
den Bericht von Piene Schori, Chef
der EU-Wahlbeobachter, der die
Gewalt der ZANU-PF aufs Schärfs
te verurteilt hatte. Die Wahl sei we
der fair noch frei gewesen, hatte
Schori erklärt - vor allem unter Hin
weis auf die Gewalt während des
Wahlkampfs. Einige Schweizer hat
ten Simbabwe vor den Wahlen aus
Angst vor Gewaltakten verlassen.
«Sie wollten nachher wieder zurück
kehren», sagte Boillat. Insgesamt le
ben 494 Schweizer in Simbabwe, da
von sind 217 Doppelbarger. g<