Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Ausland 
Montag, 26. Juni 2000 23 
Nachrichten 
Die Briten wollen das 
Pfund nicht opfern 
LONDON: Eine grosse Mehrheit der Briten 
will nach einer neuen Meinungsumfrage das 
Pfund Sterling nicht zu Gunsten des Euro auf 
geben. 72 Prozent der Briten wollen das Pfund 
behalten, während 20 Prozent zur Aufgabe der 
nationalen Währung bereit sind. Dies ergab ei 
ne in der Sonntagszeitung «News of the World» 
veröffentlichte Umfrage des Mori-Instituts. Von 
den knapp über 1000 befragten Bürgern gaben 
64 Prozent an, in dem von der Labour-Regie 
rung versprochenen Referendum gegen den 
Euro stimmen zu wollen, während sich 24 Pro 
zent für den Beitritt zur Einheitswährung aus 
sprachen. Zwölf Prozent hatten keine Meinung. 
Etwa 58 Prozent waren der Meinung, dass eine 
Entscheidung über den Euro erst nach einer 
gründlichen Debatte getroffen werden könne. 
Nach Ansicht von 62 Prozent der Befragten 
wflrde Grossbritannien durch einen Euro-Bei 
tritt seine nationale Identität verlieren. 
Ehrendoktorwürde für 
Madeleine Albright 
WARSCHAU: US- 
Aussenministerin Ma 
deleine Albright ist 
gestern mit der Eh 
rendoktorwürde der 
Universität Danzig 
(Gdansk) ausgezeich 
net worden: Die 
Hochschule begrün 
det die Verleihung der 
Ehrendoktorwürde 
unter anderem mit 
Albrights Engagement bei der Einbeziehung 
Polens in die politischen und militärischen 
Strukturen des Westens und der Aufklärung ge 
schichtlicher Lügen der kommunistischen Re 
gierungen in Osteuropa, meldete die polnische 
Nachrichtenagentur PAP. Albright erinnerte in 
ihrer Dankrede daran, dass mit der Entstehung 
der unabhängigen Gewerkschaft «Solidarität» 
vor 20 Jahren in Danzig die Demokratiebewe 
gung in Ostmitteleuropa ihren Anfang genom 
men habe. 
Wegen Korruption zu 
Haftstrafen verurteilt 
KAIRO: Im bislang grössten Korruptionsfall 
Ägyptens hat ein Gericht vier Parlamentsabge 
ordnete zu hohen Haftstrafen und Zwangsar 
beit verurteilt. Das Staatssicherheitsgericht in 
Kairo verhängte auch gegen die übrigen 28 An 
geklagten Strafen von einem bis zu 15 Jahren 
Gefängnis. Das Gericht sah es als erwiesen an, 
dass die Angeklagten ihre Beziehungen und fa 
miliäre Kontakte dazu benutzt haben, um von 
Banken Darlehen in Höhe von insgesamt um 
gerechnet etwa 800 Mio. Franken zu erhalten, 
ohne die dafür eigentlich notwendigen Sicher 
heiten vorzulegen. Zu den Drahtziehern gehör 
te auch eine prominente Geschäftsfrau, die 
nach Überzeugung des Gerichts Dokumente 
fälschte und Bankmanager bestach. Drei der 
Abgeordneten wurden zu je zehn Jahren Haft 
mit Zwangsarbeit verurteilt. Der vierte erhielt 
ein Jahr auf Bewährung. Alle vier gehören der 
regierenden Nationalen Demokratischen Partei 
(NDP) an. Gegen die Urteile ist noch Berufung 
möglich. 
Kriegsverbrecher in 
Bosnien gefasst 
SARAJEVO: SFOR-Soldaten haben gestern in 
der bosnischen Serben-Republik den 36-jähri 
gen Dusko Sikirica verhaftet. Bereits am Nach 
mittag wurde er an das UNO- Kriegsverbre 
chertribunal für Ex-Jugoslawien in Den Haag 
überstellt. Der serbische Kommandant wurde 
vom UNO-Kriegsverbrecher-Tribunal wegen 
Völkermordes während des Bosnienkriegs ge 
sucht. Ausserdem werden dem einstigen Leiter 
des serbischen «Todeslagers» Keraterm bei Pri- 
jedor in Bosnien Verbrechen gegen die Mensch 
lichkeit, Verletzungen des Kriegsvölkerrechts 
und schwere Verstösse gegen die Genfer Kon 
ventionen zur Last gelegt. Die Opfer waren bos 
nische Muslime und Kroaten. 
Die SFOR-Soldaten hätten Sikirica gegen 
03.00 Uhr in seiner Wohnung in Prijedor, im 
Nordwesten des Landes, gestellt. Der Einsatz 
habe nur wenige Minuten gedauert. Der Serbe 
hatte zu den öffentlich Angeklagten gehört, die 
auch mit Plakaten gesucht wurden. Sikirica wird 
laut Anklage aus dem Jahr 1995 der Tod von Tei 
len der Bevölkerung von Prijedor, ihre Mis 
shandlung und ihre beabsichtigte Vernichtung 
im Lager vorgeworfen. 
weiter stärkste Kraft 
Parlamentswahlen in Japan - LDP verliert jedoch voraussichtlich! absolute Mehrheit 
TOKIO: Beiden Parlamentswahlen 
in Japan hat die Regierungskoaliti- 
ou am Sonntag einen deutlichen 
Sieg errungen. Die Liberaldemo- 
kratlsche Partei verlor jedoch ihre 
absolute Mehrheit. 
Nach Auszählung aller Wahlkreise 
konnte das Bündnis aus Liberalde 
mokraten (LDP), buddhistischer 
Komeito und Konservativer Partei 
mit 271 Sitzen ihr Ziel einer stabilen 
Mehrheit im 480 Sitze zählenden 
Unterhaus klar erreichen. 
Die LDP verlor jedoch ihre abso 
lute Mehrheit und kam nur noch auf 
233 (271) Sitze. Sie ist künftig auf ih 
re Partner angewiesen. Die grösste 
Partei der zersplitterten Oppositi 
on, die Demokraten (DPJ), konnte 
dagegen deutlich auf 127 (95) Sitze 
zulegen. Die Wahlbeteiligung lag 
knapp über dem Rekordtief von 
59,65 Prozent bei der vorherigen 
Wahl vor knapp vier Jahren. 
Rückendeckung für Mori 
Trotz der massiven Verluste sei 
ner LDP stellten sich führende Par- 
Noch ist offen, ob Yoshiro Mori weiter Japans Regierungschef bleibt. 
teikollegen noch in der Wahlnacht 
hinter Partei- und Regierungschef 
Yoshiro Mori. Mori war Anfang 
April unerwartet als Nachfolger des 
gestorbenen Keizo Obuchi ins 
höchste Staatsamt gekommen. Mit 
umstrittenen Äusserungen machte 
er sich schnell zu einem der unpo 
pulärsten Spitzenpolitiker des Lan 
des. Dennoch wird erwartet, dass 
Mori in Kürze wieder zum Minister 
präsidenten gewählt wird. Er würde 
damit Ende Juli Japan auf dem G-8- 
Gipfel auf Okinawa vertreten. 
Der Generalsekretär der LDP, 
Hiromu Nonaka, räumte ein, die 
Regierungspartei habe das Vertrau 
en der Stimmberechtigten nicht ge 
winnen können. Vor allem die Städ 
te seien hart umkämpft gewesen. 
Die Demokratische Partei wertete 
ihren Wahlerfolg als «einen grossen 
Schritt vorwärts». Vor allem in den 
Grossstädten Tokio, Osaka und Kobe 
lag die Oppositionspartei klar vorne. 
Massive Kritik 
Experten hatten vor der Wahl 
prophezeit, dass die LDP Mori ab 
setzen werde, falls sie ihre absolute 
Mehrheit verliere. Die LDP war seit 
dem Ende des Zweiten Weltkrieges 
praktisch ununterbrochen an der 
Macht. Der 62-jährige Regierungs 
chef war in den vergangenen Wo 
chen massiv kritisiert worden, nach 
dem er Japan als «göttliches Land 
mit dem Kaiser in seinem Zentrum» 
bezeichnet hatte. 
ETA schlug erneut zu 
Autobombe in Villen-Siedlung gezündet - Sieben Verletzte 
BILBAO: Die baskische Separatis 
tenorganisation ETA hat in der 
Nacht zum Sonntag in einer vorneh 
men Villen-Siedlung in Nordspani 
en eine Autobombe gezündet. Sie 
ben Menschen erlitten Verletzun 
gen. 
Die Explosion des mit Sprengstoff 
vollbeladenen Personenwagens 
verursachte in der Kleinstadt Getxo 
schwere Schäden an Wohnhäusern 
und parkenden Fahrzeugen. Ein 
Anrufer hatte kurz nach Mitter 
nacht im Namen der ETA 15 Minu 
ten vor der Detonation telefonisch 
vor dem Anschlag gewarnt. Die Po 
lizei verhinderte ein Blutbad, indem 
sie die Gegend rechtzeitig absper 
ren und nahe gelegene Wohnhäuser 
evakuieren liess. In dem Viertel, das 
überwiegend aus Villen und Luxus 
appartements besteht, wohnen zahl 
reiche prominente baskische Unter 
nehmer un,d Bankiers. 
Mächtige Explosion 
Dazu gehört auch die Industriel 
lenfamilie Declaux, deren Mitglied 
Cosme sich mehrere Monate als 
Geisel in der Gewalt der ETA be 
funden hatte. Der Anrufer sagte 
nach Angaben der Polizei, der An 
schlag richtete sich nicht gegen eine 
bestimmte Person, sondern gegen 
die «Finanz-Oligarchie» insgesamt. 
Der Innenminister der autono 
men baskischen Regierung, Javier 
Balza, wertete den Anschlag als ei 
nen Teil der ETA-Kampagne zur 
Erpressung von Schutzgeldern. Die 
ETA habe in letzter Zeit nicht nur 
Grossunternehmern, sondern auch 
Inhabern kleinerer Firmen Erpres 
serbriefe geschickt mit der Auffor 
derung, den Separatisten eine «Re 
volutionssteuer» zu entrichten. Mit 
dem Anschlag sollten die Opfer der 
Kampagne weiter eingeschüchtert 
werden. 
Die mächtige Explosion der Au 
tobombe war in der gesamten Stadt 
zu hören. Im Umkreis von etwa 70 
Metern gingen Fensterscheiben zu 
Bruch, Dächer wurden beschäftigt 
und Teile von Gebäudefassaden 
weggerissen. Die meisten Verletz 
ten, darunter ein Kind, erlitten 
Schnittwunden durch umherflie 
gende Glassplitter. Dies war die 
vierte Autobombe, die die ETA seit 
dem Ende ihrer «Waffenruhe» im 
Dezember 1999 gezündet hatte. 
Der Anschlag war insofern unge 
wöhnlich, als die ETA in letzter Zeit 
keine Warnungen vor Bombenex 
plosionen abgegeben und es gezielt 
darauf abgesehen hatte, bestimmte 
Personen zu töten. In diesem Jahr 
wurden bei Attentaten der Separa 
tisten fünf Menschen getötet. 
Die ETA kämpft für die Unab 
hängigkeit des Baskenlandes. Bei 
Anschlägen, der Organisation ka 
men seit 1968 mehr als 800 Men 
schen ums Leben. 
Deutsche Grüne machen mit 
neuer Führung mobil 
Harte Debatte zum Atom-Konsens 
MÜNSTER: Die deutschen Grünen 
wollen nach einer Reihe Wahlnie 
derlagen wieder Tritt fassen und ih 
re Programm erneuern. Das machte 
die neue Führung der kleinen Re 
gierungspartei klar, die am Samstag 
beim Parteitag in Münster mit über 
wältigender Mehrheit gewählt wor 
den war. 
Zuvor hatten die Grünen am Frei 
tag mit einem eindeutigen Votum 
den Kompromiss zum Atom-Aus 
stieg zwischen rot-grüner Regie 
rung und den Elektrizitäts-Konzer 
nen gebilligt. Damit wurde ein 
Bruch der Koalition vermieden. 
«Die Devise von Bündnis 90/Die 
Grünen heisst: «Jetzt geht es los», 
sagte die neue Partei-Chefin Rena 
te Künast zum Schluss des zweitägi 
gen Partei-Kongresses. Ihr Amts 
kollege Fritz Kuhn betonte nach sei 
ner Wahl: «Der Neuanfang kann 
wirklich werden». 
Die Berlinerin Künast wurde mit 
82,6 Prozent (541 von 655 gültigen 
Stimmen) gewählt, der Baden- 
Württemberger Kuhn kam auf 73,7 
Prozent (483 Stimmen). Beide kün 
digten an, dass die Grünen auch 
künftig ihre ökologischen Prinzipi 
en offensiv durchsetzen und sich da 
bei in der Koalition profilieren woll 
ten. «Die Bundesrepublik Deutsch- • 
land braucht eine Erneuerung, eine 
Modernisierung», sagte Künast. 
Dies könne nicht alles Bundeskanz 
ler Gerhard Schröder als dem 
«Kanzler aller Autos» überlassen 
werden, ergänzte Kuhn. Die Partei 
müsse im Regierungsbündnis «Re 
formmotor»'fsein und Visionen für 
Die neuen phefs der Grünen: Rena 
te Künast und Fritz Kuhn. 
Deutschland und Europa ent 
wickeln. Beobachter werteten die 
Wahl der beiden und der anderen 
neuen Vorstandsmitglieder als Er 
folg des «realpolitischen Flügels» 
der Grünen, auch wenn auf dem 
Parteitag betont wurde, dass die 
Zeit der Flügelkämpfe vorbei sei. 
Unterstützt werden soll die neue 
Doppelspitze vom Parteirat. Dies 
ist eine Art Präsidium, in das erst 
mals alle Spitzenpolitiker ein 
schliesslich Aussenminister Joschka 
Fischer eingebunden sind. 
Nach engagierter Debatte hatten 
433 der 660 Delegierten am Freitag 
abend die Vereinbarung zwischen 
der Regierung und den Stromkon 
zernen über den Ausstieg aus der 
Atomenergie unterstützt. 
Bedauert worden war, dass der 
Konsens für die 19 Atomkraftwerke 
eine Betriebsdauer von maximal 32 
Jahren und damit länger als von den 
Grünen gefordert vorsieht. Zudem 
gibt es keine festen Termine für die 
Abschaltung des ersten und des 
letzten Atom-Meilers. 
Die Pragmatiker setzten sich je 
doch klar durch. Umweltminister 
Jürgen Ttittin bestritt entschieden, 
dass die^e Vereinbarung gar keinen 
Ausstieg bedeute. «Dieses Ergebnis 
stellt eine historische Zäsur dar,»
	        

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