Liechtensteiner Volksblatt
Ausland
Samstag, 24. Juni 2000 39
Nachrichten
Gussiriksi verweigert
die Aussage
MOSKAU: Der russische Medienunternehmer
Wladimir Gussinski hat am Freitag vor der
Staatsanwaltschaft in Moskau die Aussage ver-,
weigert. Gussinski nannte die Vernehmung eine
«Farce», in der er keine weiteren Angaben zur
Sache gemacht habe. «Das ist alles völlig ab
surd. Ich habe keine Lust, mich daran zu betei
ligen», sagte Gussinski nach Angaben der Nach
richtenagentur Interfax nach seiner zweiein
halbstündigen Vernehmung. Der Chef der re
gierungskritischen Gruppe Media-Most war am
13. Juni wegen Betrugsvorwurfs inhaftiert wor
den. Nach heftigen Protesten und unter Aufla
gen war er einige läge später unter der Auflage
freigekommen, Moskau nicht zu verlassen.
Jugoslawien erhalt
«Anti-Terror»-Gesetz
BELGRAD: Jugoslawien soll ein Anti-Terror-
Gesetz erhalten. Die jugoslawische Regierung
habe am Freitag einen entsprechenden Gesetz
entwurf vorbereitet, berichtete das serbische
Staatsradio in Belgrad. Das Bundesparlament
werde am Freitag der kommenden Woche in ei
ner ausserordentlichen Sitzung über den Ent
wurf entscheiden, gab der Pressedienst des Par
laments bekannt. Der umstrittene Entwurf wur
de noch nicht veröffentlicht. Die demokratische
Opposition in Serbien befürchtet, dass das neue
Gesetz verstärkte Repression und Verfolgung
oppositioneller Parteien, unabhängiger Medien
und regimekritischer Gruppen und Personen le
galisieren und ermöglichen soll.
Weltbank-Kredit für
Bulgarien
SOFIA: Die Weltbank hat Bulgarien einen Kre
dit in Höhe von 63,3 Millionen US-Dollar ge
währt. Das Geld soll für die Reform des Ge
sundheitswesens eingesetzt werden. Das Ab
kommen wurde vom Direktor der Weltbank für
Bulgarien und Rumänien, Andrew Vorkink,
und dem bulgarischen Finanzminister Murawej
Radew unterzeichnet. Radew bezeichnete den
Kredit als «wichtig für die 1 Reform» in Bulgari
en. Vorkink verwies auf den Nutzen der Reform
für alle Bulgaren. Der erste Teilbetrag des Kre
dits soll noch in diesem Sommer überwiesen
werden. Am 1. Juli soll die um sechs Monate auf
geschobene Reform im heruntergekommenen,
bisher staatlich finanzierten Gesundheitswesen
Bulgariens beginnen. Die wichtigste Neuerung
sind die allgemein praktizierenden Hausärzte,
die das veraltete schwerfällige System der Poli
kliniken ablösen sollen.
Duma nimmt Putin-
Gesetz an
MOSKAU: Im Eilverfahren hat die russische
Duma einen Gesetzentwurf von Präsident Putin
über die Machtbeschneidung der Regionalgou
verneure gebilligt. Der Entwurf ist Teil einer
Reihe von Massnahmen, mit denen der Kreml
die Kontrolle über die 89 Regionen stärken will.
In der Schlussabstimmung im Unterhaus votier
ten am Freitag 308 von nominell 450 Abgeord
neten für das Gesetz über die Neuordnung der
Regionenvertretung, des Föderationsrates. 86
stimmten dagegen bei fünf Enthaltungen, mel
dete die Agentur Interfax. Damit wird in Mos
kau ein Tauziehen zwischen dem Föderationsrat
und dem Kreml erwartet. Die gewählten Gou
verneure und Präsidenten der 89 russischen Teil
gebiete, die bisher den Föderationsrat bilden,
können ein Veto gegen das Gesetz einlegen.
UNO: Protest gegen
Jugoslawien-Beschluss
NEW YORK: Die UNO-Botschafter Russlands
und Chinas haben am Freitag eine Debatte des
UNO-Sicherheitsrates aus Protest gegen die
Haltung der UNO-Mehrheit sowie der NATO
zu Jugoslawien verlassen. Moskaus Vertreter
Sergej Lawrow reagierte mit dem Schritt auf die
Niederlage Russlands bei einer Abstimmung, in
deren Folge der Vertreter Belgrads nicht an der
Debatte teilnehmen durfte. Der Rat folgte da
mit der Forderung des amerikanischen UNO-
Sonderbotschafters Richard Holbrooke, den ju
goslawischen Diplomaten Vladislav Jovanovic
auszuschliessen. Dieser vertrete eine Regie
rung, deren Führung unter der Anklage von
Kriegsverbrechen stehe, erklärte Holbrooke.
Chinas Missionschef Shen Guofang brachte mit
der Aktion den .Protest Pekings gegen einen
Auftritt des früheren NATO-Generalsekretärs
und heutigen aussenpolitischen EU-Repräsen
tanten Javier Solana zum Ausdruck.
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Albright in Seoul und in Peking - «US-Truppenpräsenz notwendig»
SEOUL/PEKING: Die USA und
Südkorea haben ihr Sicherheits
bündnis gegen das kommunistische
Nordkorea bekräftigt. Zuvor hatte
sich US-Aussenministerin Albright
in Peking ein Bild von der neuen
nordkoreanischen Politik gemacht.
Obwohl der Ausgang des als «histo
risch» zu bewertenden Gipfeltref-.
fens zwischen Süd- und Nordkorea
in der Vorwoche hoffnungsvoll sei,
seien damit noch nicht alle Proble
me gelöst, sagte US-Aussenministe
rin Madeleine Albright am Freitag
vor der Presse in Seoul. Albright
betonte erneut, zusammen mit
ihrem südkoreanischen Amtskolle
gen Lee Joung Binn, die Notwen
digkeit der US-lhippenpräsenz im
Süden der Halbinsel. Bei ihren
TVeffen mit Lee und dem südkorea
nischen Präsident Kim Dae Jung
(Bild) informierte sich Albright
über die Ergebnisse des ersten in
nerkoreanischen Gipfeltreffens in
Pjöngjang. (Bild: Keystone)
Kidnapper drohen mit Ermordung der Geiseln
Jolo: Warnung vor militärischem Befreiungsversuch
JOLO: Die Moslemrebellen auf der
philippinischen Insel Jolo haben er
neut mit der Ermordung ihrer 21
Geiseln gedroht. Ein Rebellenspre
cher warnte die Regierung vor ei
nem militärischen Befreiungsver
such wie auf der Insel Basilan.
Ohne militärisches Eingreifen wer
de den Geiseln kein Schaden zuge
fügt, sagte er in einem am Freitag
gesendeten Radiointerview. Auf der
Nachbarinsel Basilan hatte das Mi
litär vor zwei Monaten versucht,
entführte Schulkinder und Lehrer
zu befreien. Bei dem Rettungsver
such waren mehrere Menschen ums
Leben gekommen.
Die philippinische Regierung ge
riet in den vergangenen Tagen zu
nehmend unter Druck durch aus
ländische Regierungen aus den Hei
matländern der Geiseln, darunter
aus Deutschland. Die Geiseln wer
den seit übe# zwei Monaten von der
Rebellengruppe Abu Sayyaf festge
halten. Eine Delegation des malay
sischen Roten Halbmondes erhielt
die Genehmigung, am Sonntag das
Geiselcamp im Dschungel auf Jolo
zu besuchen. Die Helfer wollen Le
bensmittel und Medikamente ins
Lager bringen. Ein Ärzteteam soll
die Gruppe begleiten.
Unklar ist einem Rot-Halbmond-
Sprecher zufolge jedoch, ob sie auch
die zehn westlichen Geiseln sehen
dürften, die aus Angst vor einem
militärischen Befreiungsversuch vor
zwei Wochen von den asiatischen
Entführten getrennt wurden.
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auf Molukken-Inseln
Kriegszustand zwischen Moslems und Christen
JAKARTA: Die blutigen Unruhen
zwischen Moslems und Christen auf
den ostindonesischen Molukken-
Inseln fordern immer mehr Tote.
Am Freitag kamen bei den anhal
tenden Kämpfen in der Provinz
hauptstadt Ambon mindestens 15
Menschen ums Leben.
Damit stieg seit Mittwoch die Zahl
der Toten in Ambon auf 26, wie die
staatliche indonesische Nachrichten
agentur Antara berichtete. Unter
den Toten sind nach Armeeangaben
auch mehrere Polizisten und Solda
ten. Die meisten der Opfer vom
Freitag seien durch Schüsse ums Le
ben gekommen. Die Ausschreitun
gen breiteten sich laut Militär inzwi
schen über weitere Viertel der Pro
vinzhauptstadt aus. Auch am Freitag
sei es in den Strassen des zu einem
grossen Teil zerstörten Ambon zu
sporadischen Kämpfen gekommen.
Angaben von Antara zufolge stieg
an mehreren Stellen der Stadt
schwarzer Rauch auf.
Grünen-Parteitag: Zustimmung für Realpolitiker nach hitziger Debatte
MÜNSTER: Der Parteitag der
deutschen Grünen hat nach hitziger
Debatte den Atomkompromiss zwi
schen der deutschen Regierung und
der Stromwirtschaft grundsätzlich
gebilligt. Die Entscheidung fiel am
späten Freitagabend in Münster mit
grosser Mehrheit gegen den Wider
stand des linken Parteiflügels. Für
den Kompromiss stimmten 433 De-
Iegierte, 227 waren dagegen.
Umweltminister Urittin, Aussenmi-
nister Fischer und Parteichefin Rös-
tel hatten vor der Abstimmung ein
dringlich vor einer Ablehnung der
Vereinbarung gewarnt. Der Atom
ausstieg sei eine «historische Zä
sur», rief Trittin am Freitagabend
den etwa 750 Delegierten zu. Josch
ka Fischer betonte, die Verhand-
lungsführerder Grünen hätten «das
Äusserste rausgeholt». Wie TVittin
warnte er davor, sich die eigenen
Erfolge klein zu reden. Die Grünen
dürften sich nicht lächerlich ma
chen. Parteichefin Antje Radelte
und andere Linke lehnten den
Kompromiss dagegen kategorisch
ab. Die Grünen würden bei einem
«Ja» zu der Vereinbarung ihre
Glaubwürdigkeit verlieren, warnte
Radcke. Der Parteitag stimmte am •
späten Abend dem Atomkompro-
miss schliesslich zu. Radcke hatte
zuvor damit gedroht, ihre Kandida
tur für die Neuwahl der Doppelspit
ze der Partei von heute Samstag
zurückzuziehen, falls die Delegier
ten den Kompromiss billigen. Dage
gen hatten sich die anderen beiden
Bewerber für die Parteispitze, Re
nate Künast und Fritz Kuhn, hinter
die ausgehandelte Vereinbarung ge
stellt.
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Heftige Debatten um
(Bild: Key)