26 Samstag, 17. Juni 2000
Mehrzweckgebäude Eschen
Liechtensteiner Volksblatt
Klangfarben sollen die Sinne anregen
Einige Gedanken zum Neubau des Mehrzweckgebäudes Eschen von Markus Sprenger, dipl. Architekt,Triesen
Mit der Fertigstellung dieses Ge
bäudes konnte ein Bauwerk über
geben werden, dass seit der Be
dürfnisabklärung im Jahre 1987
verschiedene Entwicklungspha
sen und viele Entscheidungspro-
zesse durchlaufen hat. 10 Jahre
Vorbereitungs- und Planungszeit
zeigten, dass viele Überlegungen
und Abklärungen im Vorfeld er
folgten, bis dann Ende 1997 defl-
nitiv alle Nutzer, inklusive der
Liechtensteinischen Landesschu
le, bekannt waren und mit dem
Bau begonnen werden konnte.
Akustische Vorgaben waren ein ent
scheidender Faktor in der Projektie
rung und Ausführung. Mit diesen und
anderen wichtigen Anforderungen an
das Objekt, war der Rucksack für den
Architekten geschnürt.
Dreigeschossige Baukörper
Der Ost/West gerichtete, fast 100 Me
ter lange, dreigeschossige Baukörper,
bildet zusammen mit den nordseitigen
Bauten der Presta AG den östlichen,
ortsbaulichen Eingang zu der Gemein
de Eschen. Die günstige Lage zwischen
den Ortsteilen Eschen und Nendeln er
möglichte eine optimale infrastruktu
relle Anbindung. Die bestehende Bus
haltestelle liegt unmittelbar am Haupt-
erschliessungsbereich des Gebäudes.
Wichtige Zonen für die Feuerwehr wie
Vorplatz, Zu- und Wegfahrt wurden so
angelegt, dass Störungen durch andere
Nutzer bzw. ausgeschlossen werden
konnten.
Optimale Räumlichkeiten für die
Feuerwehr
Der sechsteilige Hallenbereich für
die Einsatzfahrzeuge und die rückwär
tigen Werkstatt- und Reinigungs- bzw.
Materialaufbereitungsräume (Atem
schutz und Retablierraum) sind ergo
nomisch im Erdgeschoss angeordnet.
Der Vorplatz für die Feuerwehr ist so
angelegt, dass dieser ausschliesslich für
Feuerwehreinsätze und deren Übungen
genutzt werden kann. Die Haupter-
schliessung der Räume erfolgt Uber den
gemeinsam mit der Musikschule ge
nutzten Haupteingang und über den
Hallenbereich bzw. rückwärtigen An
fahrtsbereich.
MehrzweckVaum: Der gemeinsam
mit der Feuerwehr genutzte Mehr
zweckraum im 1. Obergeschoss bietet
Platz für 100 Personen und ist für ver
schiedene Anlässe wie Schulungen,
Vorträge, Veranstaltungen und kleinere
Kongresse konzipiert.
Hallen beidseitig befahrbar!
Der Werkhof wird im Erdgeschoss di-
Ein Ort der Begegnung! Unter anderem finden 600 Musikschillerinnen und über 100 Schülerinnen der Kunstschule im Mehrzweckgebäude Platz.
rekt von der Nord- und Südseite er
schlossen. Die Hallen sind von beiden
Seiten befahrbar (Durchfahrt) und wei
sen zum Teil Raumhöhen von 6,50 Me
ter auf (Spezialfahrzeuge). Aufenthalts
raum, Büro und Werkstatt sind zusam-
mengefasst südseitig angeordnet. Im
ersten Obergeschoss befinden sich La
gerräume für Bau- und Absperrmat
erial.
Musikschule mit Jazz-Pop-Rock-
Raum
Die Erschliessung der Liechtenstei
nischen Musikschule erfolgt über das
mittige Haupttreppenhaus. Im 1. Ober
geschoss ist der Jazz-Pop-Rock-Raum,
als eigenständige Einheit über einen
Schleusenbereich zugänglich. Dieser
wird auch als Aufnahme- bzw. Tontech
nikraum genutzt. Über den Schalter
und Sekretariatsbereich im 2. Oberge
schoss sind 8 Einzelunterrichtszimmer
nordseitig, 8 Gruppenunterrichtszim
mer sowie ein Grossgruppenraum süd
seitig erreichbar. Der akustisch an
spruchsvollste Schlagzeug-Unterrichts-
raum ist autonom und peripher am
nordwestlichen Ende der Räumlichkei
ten angeordnet. Dieser ist ebenfalls
Uber einen Schleusenbereich zugäng
lich. Der Vortragssaal im südöstlichen
Bereich ist akustisch für 96 Personen
ausgelegt. Alle notwendigen Nebenräu
me sind im mittigen Bereich des Ge
bäudes angeordnet.
Variable Wäritle in der
Landesschuld )' -
Über das westseitig gelegene Trep
penhaus mit Warenlift werden die La
gerräume der Werkbetriebe im Erd-
und 1. Obergeschoss sowie die Räum
lichkeiten der Landeschule im 2. Ober
geschoss erschlossen. 3 Unterrichtszim
mer sowie einem Lehrerzimmer und
ein Aufenthaltsbereich bilden die Ein
heit Liechtensteinische Landesschule.
Die Wände sind nichttragend und da
durch auch variabel in ihrer Einteilung.
Gemeinsam mit der Musikschule wird
die grosszügige Loggia für Aktionen im
Freien genutzt. 1
Treppenturm mit mehreren
Funktionen
An der Nord- und Südseite wurde ei
ne hinterlüftete Vorhangfassade aus Fa
serzementplatten in den Obergeschos
sen angebracht. Die sichtbare Untertei
lung der Fassade durch geschossige
Vorsprünge dokumentiert, neben dem
Fassadenschutz, die unterschiedlich ge
forderte Stärke der Wärme- und
Schalldämmung in den einzelnen Ge
schossen. Die Gliederung der Fassade
in der Länge zeigt die Rasterung des
Gebäudes. Die Fenster sind fassaden
bündig eingebaut. Grossflächige Tor
fronten mit Glaseinsätzen bilden den
Sockelabschluss der Längsfassaden
Nord und Süd. Die Stirnseiten
(Ost/West) als hinterlüftete Fassaden,
sind mit einer Faserzement-Stulpscha-
lung verkleidet. Der ostseitig angefügte
Treppenturm hat mehrere Funktionen.
Zum einen dient er als Fluchtweg für
die Musikschule, zum zweiten als
Übungsturm der Feuerwehr und zum
dritten zur Erschliessung bzw. Wartung
des Gründaches.
Das Dach ist ein intensiv begrüntes
Flachdach mit umlaufendem Vordach
als Fassadenschutz. Es wurde eine
Schaumglas-Wärmedämmung in Heiss-
bitumen und darüber liegend bitu
minöse Schutzfolien verlegt. Der auf
cler Wasserdrainage eingebrachte Hu
mus, der mit Ziegelschrott aufbereitet
wurde, stellt das Wachstum der explizit
darauf abgestimmten Bepflanzung si
cher.
Holz, die erneuerbare Energie
Das Gebäude wird über die sich im
Untergeschoss befindende Holz-Hack
schnitzelheizung beheizt und mit Warm
wasser versorgt. Dadurch wird ein CO 2
neutraler und erneuerbarer Brennstoff
verwendet. Dies trägt auch zur Wert
schöpfung in der Gemeinde bei (forst
wirtschaftliche Produktion). Regenwas
ser-Retention: Ein Grossteil des Ober
flächenwassers wird durch die Dachbe
grünung (Verdunstung) und den bekies-
ten Hof (Versickerung) zurückbehalten.
Die Werkhof-Fahrzeuge werden mit ge
speichertem Regenwasser gereinigt.
Die Solarzellenanlage unterstützt
Warmwasseraufbereitung.
die
Materialisierung und
Konstruktionsdetails
Traditionelle Werkstoffe wie Beton,
Holz und Faserzement stehen im Vor
dergrund. Die Farbgebung und Farbge
staltung ist im Sinne der Zweckbestim
mung eher zurückhaltend. Die Fenster
in den Obergeschossen sind fassaden
bündig als Kastenfenster ausgeführt. Be
merkenswert ist die spezielle Konstruk
tionsart der Fenster für die Musikschul-
Unterrichtszimmer. Es besteht keine di
rekte Verbindung zwischen Fenster und
Fassade, den die Kastenfenster sind in
nen schwingungsfrei an den Raumboxen
befestigt. Die Wasserabführung ist durch
die umlaufenden, speziell entwickelten
Aluminiumprofile gewährleistet.
Gedanken über die Farbgebung
Hauptüberlegung bei der Farbgebung
war: Bei der Nutzung der Musikschule
steht das Gehör im Mittelpunkt Klang
farben sollen hier bestimmen und die
Sinne anregen. Bei den Nutzungen Feu
erwehr und Werkbetriebe steht jedoch
die Funktionalität im Vordergrund.
Grau- und Blautöne geben dem Gebäu
de nach aussen eine sachliche und klare
Ausstrahlung. Mehr ist nicht gewollt.
Die Innenbereiche sind in weiss oder in
einem hellen Gelbton gehalten. Sämtli
che Metallteile und Raumabschlüsse,
ausser die der Musikschule, sind in der
Farbe Lichtgrau lackiert. Holzteile wur
den in ihrer Naturholztönung belassen.
Von weitem ist das grosse F wie Feuerwehr zu erkennen. Dahinter verbirgt sich die
Feuertreppe.
Ein Blick in die Liechtensteinische Kunstschule LKS.
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