Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

4 Samstag, 17. Juni 2000 
Landtag 
Liechtensteiner Volksblatt 
Fünf Jahre EWR: 
Kritische Würdigung fehlt» 
Positive Bilanz von Regierung und Landtag:Wunsch nach differenzierter Betrachtungsweise 
Die positive Gesamtbilanz fünf 
Jahre nach dem Beitritt zum 
EWR war im Landtag nicht be 
stritten. Der Wunsch nach einer 
differenzierteren Betrachtungs 
weise und vor allem die Anmer 
kung, dass im umfangreichen Be 
richt eine kritische Würdigung 
fehle, mussten von Regierungs 
chef Mario Frick entgegengenom 
men werden. 
Adi Lippuner 
Anfangs Mai konnte Liechtenstein auf 
fünf Jahre Mitgliedschaft im Europäi 
schen Wirtschaftsraum (EWR) zurück 
blicken. Die Regierung hat dies zum 
Anlass genommen, den Landtag und 
die Bevölkerung in einem umfassenden 
Bericht Uber die getätigten Erfahrun 
gen zu informieren. 
Die von der Regierung gezogene po 
sitive Gesamtbilanz war im Landtag 
grundsätzlich nicht bestritten. Wohl 
wollende Worte kamen von Otto 
Büchel (VU). Er wies auf die doppelten 
Vorteile, Zollvertrag mit der Schweiz 
und Mitgliedschaft im EWR hin. Die 
Befürworter seien in ihrem Optimis 
mus bestärkt worden. 
Auch negative Auswirkungen 
Nach Ansicht von Helmut Konrad 
(FBPL) sind die extremen Befürchtun 
gen, welche die Gegner Hatten, nicht 
eingetreten. Grundsätzlich könne auch 
er der positiven Bilanz zustimmen. «Al 
lerdings vermisse ich eine kritische 
Würdigung der EWR-Mitgliedschaft. 
Das extreme Wirtschaftswachstum hat 
auch negative Auswirkungen.» Konrad 
nannte den Pendlerverkehr, den Kon 
kurrenzdruck, stetig wachsende Dörfer, 
zusätzliche Bankenniederlassungen 
und damit verbunden ein ausgetrock 
neter Arbeitsmarkt in diesem Bereich 
und die Liberalisierungswelle bei Post 
und Telekommunikation. 
Kulturelle Integration 
Auch für Marco Ospelt (FBPL) hat 
der Beitritt eine positive Gesamtbilanz 
erbracht. «Im Vorfeld der Abstimmung 
hat für mich weniger die wirtschaftliche 
Entwicklung, dafür stärker die kulturel 
le Integration in Europa eine Rolle ge- 
Intensive Diskussion zwischen den beiden FBPL-Landtagsabgeordneten Klaus Wanger (links) und Helmut Konrad. 
spielt.» Gerade im kulturellen Bereich 
spi vieles offen geblieben. Als positiv 
bezeichnete Ospelt die beachtlichen 
Erfolge für die Programme «Leonar 
do» und «Sokrates». Auch beim Ver 
braucherschutz und beim Ausbau der 
Arbeitsschutzbedingungen habe die 
Bevölkerung profitiert. 
«Ich habe Wünsche für die Zukunft», 
sagte Ospelt. Er nannte: Intensivere 
Nutzung der kulturellen Belange, den 
Strukturwandel noch aktiver begleiten, 
die Beziehungen zur Schweiz intensi 
vieren und die Entwicklung in Europa 
aktiv begleiten. 
Positiv - trotz Beitritt 
Für Landtagsvizepräsident Otmar 
Hasler sind die Rahmenbedingungen 
nach fünf Jahren EWR nicht dank, son 
dern trotz dem Beitritt positiv. Er nann 
te Stichworte wie Steuerrechtsreform 
und Finanzdienstleistungsplatz und 
wies darauf hin, dass er sich in diesem 
Bereich eine differenziertere Betrach 
tungsweise gewünscht hätte. «Unser 
Land muss sich inskünftig früher ein 
bringen.» Er meldete auch Zweifel an 
der Kapazität und der nötigen Einflus- 
snahme bei der Erarbeitung von Geset 
zen auf EWR-Ebene an. 
Zweifel angemeldet 
Ob die seinerzeit gehegte Erwartung, 
dass Liechtenstein in die europäische 
Staatengemeinschaft eingebettet ist er 
füllt wurde, bezweifelte der FBPL-Frak- 
tionssprecher Gebhard Hoch. «Bei der 
derzeitigen Krise des Finanzdienstlei 
stungsplatzes muss ich dies bezweifeln. 
Angriffe kommen hauptsächlich von 
grossen Mitgliedstaaten.» Er vermisse 
das Augenmass,iman wolle am kleinen 
Land Liechtenstein ein «Exempel statu 
ieren». «Ziel der Angriffe ist die Steuer 
harmonisierung! in Europa, die seiner 
zeit erwartete Solidarität unter den 
EWR-Partnern ist nicht gegeben.» 
Für Regierungschef Mario Frick ist 
das Ziel, dass der EWR im Alltagsleben 
ein Stück Realität ist, erreicht worden. 
Das Bestreben, die kulturellen Aspekte 
besser zu nutzen, sei vorhanden. Bezüg 
lich dem stärker gewordenen Pendler 
verkehr wurde darauf hingewiesen, 
dass das Land darauf mit den Möglich 
keiten des öffentlichen Verkehrs rea 
giere. «Liechtenstein ist mit der Rolle 
eines Platzes, der seinen provinziellen 
Charakter beibehalten kann und trotz 
dem attraktive Arbeitsplätze bietet, gut 
bedient.» Der Regierungschef ist über 
zeugt, dass der vermehrte Zuzug von 
Grenzgängern für das Land keine 
Nachteile gebracht hat. 
Personalverkehr gelöst 
Im Bericht ist nachzulesen, dass sich 
das EWR-Abkommen auch für sehr 
sensible, Liechtenstein-spezifische The 
men nicht nur als verkraftbare, sondern 
auch als anpassungsfähige Lösung er 
wiesen habe. Die Bestimmungen im Be 
reich des freien Personenverkehrs 
berücksichtigten die spezielle Situation. 
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Die VGR - ein zentrales Thema 
Abg. Alois Beck (FBPL): «Liechtenstein braucht Transparenz für den EWR!» 
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Interessantes hatte der FBPL-Abge- 
ordnete Alois Beck im Zusammenhang 
mit der geplanten Abänderung des Sta 
tistikgesetzes zu berichten, die gestern 
zur ersten Lesung übergeben wurde. 
Zentrales Thema der Ausführungen 
war die Volkswirtschaftliche Gesamt 
rechnung (VGR). Seine Ausführungen 
ernteten breite Zustimmung. 
Erich Walter de Meijer 
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnun 
gen seien Messinstrumente zur Beob 
achtung des Wirtschaftsablaufs. Sie stel 
len die Produktionsleistung und die 
Einkommenssituation eines Landes in 
Form volkswirtschaftlicher Aggregate 
dar. «Zu den bekanntesten Aggregaten 
zählen hier das Bruttoinlandsprodukt 
als Mass der Produktionsleistung und 
das Bruttonationaleinkommen für die 
Messung des Einkommens. Volkswirt 
schaftliche Gesamtrechnungen zeigen 
auch die Struktur einer Volkswirtschaft 
auf: Welche Sektoren leisten welchen 
Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt? 
Wieviele Vorleistungen müssen zuge 
kauft werden, um das Produktionser 
gebnis zu erzielen? Welcher Anteil der 
Wertschöpfung wird für die Bezahlung 
der Löhne verwendet?» Alois Beck er 
scheint es sehr wichtig, dass die VGR ein 
präzises Bild über die Wirtschaftsent 
wicklung im Zeitablauf gibt und inter 
national vergleichbare Daten liefert. Bis 
dato hätte man lediglich die jährlich 
publizierten Beschäftigtenzahlen, um 
die Wirtschaftsentwicklung zu beobach 
ten. «Dies ist aber für eine diversifizier- 
te Volkswirtschaft wie die liechtensteini 
sche mit zum Teil ausgeprägten Wachs- 
tumsschüben unbefriedigend.» Beck 
fordert daher verlässliche Analysen, 
wenn man sich Gedanken um die wirt 
schaftliche Zukunft des Landes macht. 
Man sollte dem Ausland zeigen, dass 
Liechtenstein ein hochwertiger Finanz 
platz ist, der professionelle Dienstleis 
tungen anbietet. Dieser gute Ruf sei in 
Gefahr, wenn man nicht einmal über 
die grundlegendsten Wirtschaftsdaten 
verfüge. «Es muss im'Ausland befrem 
dend wirken, wenn wir zwar ausgeklü 
gelte Fondsprodükte (anbieten, aber 
nicht einmal die Frage nach dem Brut 
toinlandsprodukt der / liechtensteini 
schen Volkswirtschaft beantworten 
können.» Und manch einer, befürchtet 
Beck, könnte auch meinen, dass gewis 
se Daten bewusst und mit Absicht nicht 
veröffentlicht würden, n 
Dass die VGR aber kein Messinstru 
ment für die Wohlfahrt oder Lebens 
qualität sei - mit dieser Aussage sei man 
oft konfrontiert gewesen. Aber: Bereits 
Anfangs der siebziger Jahre sei gefor 
dert worden, dass neben der monetären 
Bewertung von Güterströmen ein Sys 
tem von sogenannten sozialen Indikato 
ren eingeführt werden sollte. «Solche 
Indikatoren beziehen sich auf Bereiche 
wie Ausbildung, Gesundheit, Vertei 
lungsgerechtigkeit, physische Umwelt 
oder auch etwa persönliche Freiheits 
rechte und soziale Beteilungungschan- 
cen. Diese Hinweise sollen genügen, um 
aufzuzeigen, dass nach der Einführung 
Betriebsräte-Gesetz: 
Angleichung 
an Europa 
Die zweite Lesung im Zusammen 
hang mit der Schaffung eines Geset 
zes über Europäische Betriebsräte 
brachte keine Überraschungen. Le 
diglich im Zusammenhang mit der 
Informationspflicht Uber die Mitar 
beiteranzahl der Betriebe und Nie 
derlassungen meinte Egon Matt von 
der Freien Liste, dass diese eine bes 
sere Qualität aufweisen sollte: Die 
Betriebsräte sollten sich ein Bild da 
von machen können, wieviele Be 
schäftigte ein Unternehmen hat: 
«Meiner Meinung nach hat die zen 
trale Leitung eines Unternehmens 
die Pflicht, der Arbeitnehmervertre 
tung auf deren Ansuchen Auskunft 
zu geben. Auch über die Struktur ei 
nes Unternehmens sollte besser in 
formiert werden - falls dies vom Be 
triebsrat gewünscht wird.» Die 
deutsche Vorlage würde diese Mög 
lichkeit ebenfalls bieten. Regierung 
schef-Stellvertreter Michael Ritter 
erklärte, dass gegen einen Auskunfts 
anspruch nichts einzuwenden sei - 
und er verspricht: «Wir ändern die 
Dinge um, wenn es das EWR-Recht 
verlangt. Aber wir möchten bei einer 
Minimal-Umsetzung der deutschen 
Vorlage bleiben.» Zur Information: 
Die vorgeschlagene Gesetzesvorlage 
ist unter Mitwirkung der Liechten 
steinischen Industrie- und Handels 
kammer und des Liechtensteini 
schen Arbeitnehmerverbandes zu 
stande gekommen. Das Gesetz gilt 
für im EWR tätige Unternehmen mit 
Sitz in Liechtenstein und für im EWR 
tätige Unternehmensgruppen mit 
Sitz des herrschenden Unternehmens 
in Liechtenstein. Ein Antrag von 
Egon Matt wurde abgelehnt, das Ge 
setz hingegen verabschiedet, (wdm) 
LKW: Grundlage 
für Telekommu 
nikation 
Diskussionslos wurde im Landtag 
die Abänderung des Gesetzes betref 
fend die «Liechtensteinischen Kraft 
werke» verabschiedet. 20 Abgeord 
nete stimmten anlässlich der zweiten 
Lesung des Gesetzes für dessen 
Abänderung. Im Zuge des vermehr 
ten Ausbaus Liechtensteins zu einem 
Multimedia-Standort strebten auch 
die Liechtensteinischen Kraftwerke 
den Einstieg in das Netz- und Dienst 
geschäft im Bereich von Radio und 
Fernsehen an. Bereits im Jahre 1998 
hatten die LKW durch Anpassung 
des LKW-Gesetzes das Recht 
erhalten, im Telekommunikationsbe 
reich tätig zu werden. Der Bericht 
und Antrag, welcher gestern vom 
Parlament verabschiedet wurde, er 
möglicht nun auch ein Tätigwerden 
der LKW im Bereich von Radio und 
Fernsehen. (pk) 
der VGR in Liechtenstein Diskussionen 
Uber deren Grenzen geführt werden, die 
andernorts bereits vor mehr als 30 Jah 
ren geführt wurden.» 
Die beiden FBPL-Abgeordneten Alois Beck (links) und Johannes Matt, 
l-
	        

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