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Liechtensteiner Volksblatt
Landtag
Donnerstag, 15. Juni 2000 s
Der tolerierte Schlendrian
Geschichte der zuviel bezogenen Krankenkassen-Subventionen jetzt vom Usch
Die leidige Geschichte von den
ungerechtfertigt bezogenen Sub
ventionen der Krankenkassen für
Grenzgänger ist jetzt zwar offiziell
vom Tisch. Geblieben ist aber ein
bitterer Nachgeschmack und die
Erkenntnis, «dass einmal mehr die
ungenügende Wahrnehmung der
Aufsichtspflicht und der tolerierte
Schlendrian dem Staat enormeit
Schaden zufügen», wie sich der
FBPL-Abgeordnete Johannes
Matt gestern im Landtag aus
drückte.
Manfred Öhri
Im Jahre 1996 wurde öffentlich be
kannt, dass einzelne Krankenkassen
vermutlich schon seit 1972, also seit Be
stehen des Krankenversicherungsge
setzes, in gesetzeswidriger Weise Sub
ventionen für Grenzgänger bezogen
haben. Vor zwei Jahren beschloss die
Regierung nun, dass alle dem Land auf
grund zu Unrecht bezogener Subven
tionen zustehenden Forderungen samt
Zinsen geltend gemacht werden sollen.
Sie folgte dabei vollumfänglich den
Empfehlungen der mit einer Untersu
chung beauftragten Ostschweizeri
schen Treuhandgesellschaft (OTG) in
St. Gallen.
Vergleich befürwortet
FBPL-Fraktionssprecher Gebhard
Hoch erinnerte sich gestern im Landtag
daran, dass der zuständige Regierungs
chef-Stellvertreter Michael Ritter vor
Der Vergleich
Im Zusammenhang mit den unge
rechtfertigt bezogenen Subventio
nen der Krankenkassen filr Grenz
gänger sieht der Vergleich mit den
vier betroffenen Krankenkassen,
der gestern im Landtag mit 15 Stim
men gutgeheissen wurde, wie folgt
aus:
• CSS: Rückzahlungsbetrag von 4,8
Mio. Franken;
• Concordia: Rückzahlungsbetrag
von 1 Mio. Franken;
• LKK: Rückzahlungsbetrag von
340000 Franken;
• Freiwillige Krankenkasse: Riick-
zahlungsbetrag von 115000 Fran
ken.
Der durch die Ostschweizerische
Treuhandgesellschaft (OTG) erho
bene Soll-Rückforderungsbetrag als
Ausgangspunkt der Vergleichsver
handlungen lag bei 8,048 Mio. Fran
ken.
«Alles in allem kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Regierung
ihre Aufsichtspflicht nicht wahrgenommen hat»: der FBPL-Abgeordnete Alois Beck
zur Problematik der ungerechtfertigt bezogenen Krankenkassen-Subventionen.
rund zwei Jahren sogar von'einer Rück
forderung der Subventionsgelder «auf
Heller und Pfennig» gesprochen habe.
Daraus ist allerdings nichts geworden.
Aufgrund der Ermittlungsergebnisse
der OTG und wegen des bestehenden
«erheblichen Prozessrisikos» (Michael
Ritter) wurden schliesslich Vergleichs
verhandlungen angestrebt, die nun im
Mai dieses Jahres abgeschlossen werden
konnten. Danach haben die vier betrof
fenen Kassen (CSS, Concordia, LKK
und Freiwillige Krankenkasse) Rück
zahlungsbeträge in Gesamthöhe von
6,255 Mio. Franken zu leisten (siehe
auch Kasten). Das sind noch 77,7 Pro
zent des ursprünglichen Ausgangswertes
von 8,048 Mio. Franken. Die Vergleichs
verträge wurden gestern im Landtag von
15 Abgeordneten genehmigt.
Die Ragen bleiben
Damit ist diese Affäre eigentlich
vom Usch. «Die Fragen aber werden in
jedem Fall bleiben», meintfe der FBPL-
Abgeordnete Alois Beck, der von der
ergänzenden Interpellationsbeantwor
tung durch die Regierung keineswegs
befriedigt war und daher auch den Ver
gleichsverträgen nicht zustimmte. Für
. ihn sei es nach yyie vor unverständlich,
bemerkte Alois Beck, weshalb die Re
gierung beim Vergleich ein so krasses
Nachgeben akzeptiert habe, obwohl
sie die Unverjährbarkeit des An
spruchs und eine Verzugszinspflicht
unabhängig derVersctiuldensfrage pos
tulierte. «Alles jin allem kann ich mich
des Eindrucks nicht erwehren», stellte
der Abgeordnete schliesslich fest,
«dass die Regierung ihre Aufsichts
pflicht nicht währgenommen hat». Sie
habe auch nie ^ernsthaft den Versuch
unternommen,,die Dinge ans Licht zu
zerren. «Das ist wohl der eigentliche
Skandal», meinte Alois Beck, dessen
zahlreiche Fragen inj Übrigen vom zu
ständigen Regierungsmitglied gestern
nicht oder nur flüchtig beantwortet
wurden.
Fair wäre es, wenn...
Laut Regierung haben die von ihr de
legierten Verhandlungsvertreter das
Ergebnis als «fair im Einzelfall sowie im
Quervergleich» beurteilt. Zwischen den
Zeilen könne dem Bericht aber auch
entnommen werden, hielt der FBPL-
Abgeordnete Johannes Matt dazu fest,
dass die Krankenkassen es als unfair
empfinden wUrden, wenn die zuständi
ge Behörde eine über Jahre praktizier
te Politik des Gewährenlassens plötz
lich wende und dann rückwirkend For
derungen erhebe, obschon sie beim bö
sen Spiel mitgemacht habe.
Fair wäre es jedenfalls gewesen, mein
te Johannes Matt gestern, wenn die Re
gierung in ihrer Stellungnahme auch
festgehalten hätte, dass die Aufdeckung
des Bezugs unberechtigter Subventio
nen nicht etwa den Bemühungen einer
Amtsstelle, sondern allein der Aufmerk
samkeit eines Landtagsabgeordneten zu
verdanken sei: «Der Abgeordnete Ru
dolf Lampert hatte den Mut, diesen Miss
stand anzuprangern und wurde dafür
von verschiedenen Seiten enorm unter
Druck gesetzt.» Das jahrelange Laisser-
faire-Verhalten der Regierung und der
verantwortlichen Amtsstelle habe, so
Johannes Matt, den unkorrekten Bezug
der Subventionen begünstigt. Es sei an
zunehmen, dass sich diese Unkorrekt-
heiten ohne ditJ Intervention des FBPL-
Abgeordneten Lampert ausgeweitet
hätten.
Fehler auch eingestehen
Mit dem Hinweis auf das Prozessrisi
ko gestehe die Regierung indirekt ein,
hielt Johannes Matt weiter fest, dass sie
und das Amt für Volkswirtschaft sich
durch ihr Versäumnisse schuldig ge
macht hätten. Fair wäre es daher, wenn
die Regierung auch offen und ehrlich
dazu stehen würde. «Der Verletzung
der Aufsichtspflicht, dem Schlendrian
und der stillschweigenden Akzeptanz»
von Unzulänglichkeiten und Unkor-
rektheiten sind wir schon in einem an
deren Zusammenhang begegnet», be
tonte der FBPL-Abgeordnete. Er erin
nerte dabei an das finanzielle Debakel
der Liechtensteiner Krankenkasse,
«das wohl hätte vermieden werden
können, wenn die Behörden ihrer Auf
sichtspflicht nachgekommen wären».
Regierungschef-Stellvertreter Micha
el Ritter wies gestern die Kritik als
«überrissene Rundumschläge» zurück,
die er gleichzeitig schon dem Wahl
kampf zuordnete. Den ausgehandelten
Vergleich verteidigte er als vernünftige
und sachgerechte Erledigung des Pro
blems, die man sich nicht leicht gemacht
habe.
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