Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Fussball-Europameisterschaft 200 0 
Dienstag, 13. Juni 2000 15 
Deutschland stolpert zum ersten Punkt 
Deutschland gegen Rumänien 1:1 - Spektakulär waten nur die Tore 
Titelverteidiger Deutschland ist 
der Start zur EM-Endrunde in 
der Gruppe A nur halbwegs ge 
glückt. Das spielstärkere Rumä 
nien rang dem enttäuschenden 
Favoriten vor 30 000 Zuschauern 
im Sclessin-Stadion von Lüttich 
ein verdientes l:l-Remis ab, das 
schon zur Pause feststand. 
Viorel Moldovan hatte die verunsicher 
ten Deutschen in der 5. Minute mit dem 
0:1 aus dem Tiefschlag aufgeschreckt 
und hätte zum Matchwinner der Fuss- 
baller vom Balkan werden können. 
Moldovan vergab aber im spannenden, 
jedoch kaum hochstehenden Spiel 
weitere gute Einschussmöglichkeiten. 
Dafür nutzte. Scholl, der effektivste 
Deutsche, seine Chance: Mit einem 
Kunstschuss aus 18 m ins Lattenkreuz 
nach einer Passfolge über acht Statio 
nen markierte er in der 28. Minute den 
Ausgleich. 
Grosser Fehler von Linke 
Die erste Halbzeit war weit besser als 
die zweite, in der die Kräfte einiger Ak 
teure schwanden und sich bald beide 
Mannschaften mit dem Remis zufrie 
den gaben. Der Match in der Industrie 
stadt Lüttich hatte nach einem groben 
Fehler von Linke mit einem Knalleffekt 
begonnen. Moldovan vollstreckte nach 
einer Vorlage von Ilie kunstvoll. Rumä 
nien, das an einer EM-Endrunde noch 
kein Spiel gewinnen konnte, lag nach 
280 Sekunden in Führung. Und hätten 
die Osteuropäer mehr Mut bewiesen 
und den teils aufreizend lässigen Hagi 
nicht erst in der 73. Minute ausgewech 
selt, ein Fehlstart des Titelverteidigers 
wäre Tatsache geworden. 
Doch es kam anders. Nach 20 Minu 
ten wurden die Deutschen, angetrieben 
von Scholl und Hässler, stärker und si 
cherer und gewannen nun mehr Zwei 
kämpfe. Bierhoff kam zu seinen gefähr 
lichen Kopfbällen, nun wurde auch ein 
mal aus Distanz abgedrückt. Doch die 
besseren Chancen hatte die in die Jahre 
gekommene Mannschaft vom Balkan, 
auch wenn Captain Bierhoff mit einem 
Kopfball nur den Aussenpfosten traf. 
Matthäus ja, Kirsten nein 
Die muskulären Probleme des 39- 
jährigen Rekord-Internationalen Lo 
thar Matthäus konnten dank Spe- 
zialtherapien behoben werden, der Le 
verkusener Ulf Kirsten musste aber we 
gen eines im Training eingeklemmten 
Rücken-Nervs passen. Der Deutsch- 
Brasilianer Rink vertrat seinen Klubka 
meraden, brachte aber kaum Euss ins 
deutsche Offensivspiel. Dieses kurbelte 
dafür der lauffreudige Scholl an, der für 
seinen Kraftverschleiss aber büsste und 
mit Fortdauer des Spiels immer mehr 
von der Bildfläche verschwand. Scholl 
übernahm aber Verantwortung und 
trieb seine Mannschaft mit Jubilar 
Hässler (100. Länderspiel) nach vorne. 
Die Abwehr \yar die Achillesferse des 
Titelverteidigers. Besonders augen 
scheinlich wurde dies, wenn die Rumä 
nen in die Tiefe spielten und die langsa 
men Matthäus und besonders Linke 
überliefen. Der Berliner Rehmer, der 
den Bayer Linke nach der Pause ersetz 
te, war wesentlich schneller und zwei 
kampfstärker. Die Startphase der Deut 
schet! war ersckretjjte^. Während 20 
Minuten passte niciits zusammen. Fehl 
zuspiele, Missverständnisse und Ratlo 
sigkeit bei der Ballführung zeugten von 
einer grossen Verunsicherung. 
Die Rumänen machten sich dies zu 
Nutzen. Munteanu und vereinzelt Hagi 
kurbelten das Spiel an. Der «Maradona 
der Karpaten» ist aber träge geworden. 
Wenn er den Ball verliert, bleibt er ste 
hen, und mit 35 scheint er in die Jahre 
gekommen zu sein. Besonders gefiel je 
doch Viorel Moldovan. Der Fenerbah- 
ce-Stürmer wirkte enorm spritzig, such 
te ständig den Abschluss und bildete 
mit Sturmpartner Ilie eine stete Gefahr. 
Wäre Moldovan kaltblütiger im Ab 
schluss gewesen, er wäre in der zweiten 
Halbzeit bei zwei weiteren Gelegenhei 
ten zum Matchwinner geworden. 
Glanzstück der deutschen Mannschaft beim Auftakt der EURO 2000 war die Of 
fensivabteilung, in der sich Mehmet Scholl (rechts), der den Ausgleichstreffer erziel 
te, zum Regisseur aufschwang. 
Deutschland - Rumänien 1:1 (1:1). Sclessin-Stadion, Lüttich. - 30 000 Zuschauer. - SR Nielsen 
(Dä). - Tore: 5. Moldovan 0:1.28. Scholl 1:1. Bemerkungen: Deutschland ohne Kirsten (Nerv im 
Rücken eingeklemmt); 100. Länderspiel von Hässler, 50. von Babbel und Bierhoff. 51. Kopfball von 
Bierhoff an den Aussenpfosten. 83. Abseitstor von Bierhoff annulliert. Verwarnungen: 42. Hagi und 
Hie (beide Reklamieren). 
Sensationelles Portugal drehte 0:2 noch um 
Erneuter Fehlstart für England - 2:3-Niederlage gegen die Portugiesen 
Der englischen Nationalmannschaft ge 
lang es auch im sechsten Versuch nicht, 
ein EM-Auftaktspiel zu gewinnen. Ge 
gen das spielstarke Portugal verloren 
die Engländer mit 2:3, obwohl sie schon 
nach 18 Minuten und Toren von Scholes 
(3.) und McManaman mit 2:0 in 
Führung gelegen hatten. Der herausra 
gende Figo (22.), Joao Pinto (37.) und 
Nuno Gomes (59.) verwandelten den 
Rückstand aber noch zum unerwarte 
ten 3^-Erfolg für die Portugiesen. 
1968 und 1988 startete England bereits 
mit Niederlagen in ein EM-T\irnier: Vor 
32 Jahren in Italien war Jugoslawien mit 
2:1 der Spielverderber, 20 Jahre später 
folgte in Deutschland die Schmach ge 
gen Irland (0:1). In drei weiteren Versu 
chen schaute wenigstens noch ein Un 
entschieden heraus: 1980 in Italien ge 
gen Belgien (1:1), 1992 in Schweden ge 
gen Dänemark (0:0) und vor vier Jahren 
gegen die Schweiz im eigenen Land mit 
1:1. 
Doch mit diesem Startflop im 18. Ver 
gleich (9 Siege, 3 Niederlagen) mit Por 
tugal hätte im Team von Kevin Keegan 
nach etwas mehr als einer Viertelstunde 
keiner mehr gerechnet. Bis sich die Por 
tugiesen auf den einfach angelegten 
Angriffsfussball der Engländer einge 
stellt hatten, lagen sie bereits mit zwei 
Toren zurück. Zweimal hatte bei den 
Toren von Scholes und McManaman 
Flankengott David Beckham seine Füs- 
se im Spiel. 
Portugal zeigte sich aber nur kurz ge 
schockt, traf durch den herausragenden 
Spielmacher Figo schnell zum 1:2 und 
noch vor der Pause durch Joao Pinto 
zürn wichtigen Ausgleich. 
Matchwinner war nach einer Stunde 
schliesslich der junge Benfica-Stürmer 
Nuno Gomes mit einem gekonnten Ab 
schluss über den, im gesamten Spiel 
schwach agierenden Goalie David Sea 
man hinweg. 
Viel Aufruhr um Shearers 
Einsatz 
England-Teamchef Kevin Keegan 
setzte gestern auf Captain und Stür- 
merstar Alan Shearer, obwohl der eng 
lische Topskorer von Newcastle United 
in den letzten Tagen kaum einmal voll 
mittrainieren konnte. Shearer war mit 
einer Cortison-Spritze in das entzünde 
te linke Knie fit gemacht worden, was 
von der englisch-britischen Presse nicht 
goutiert wurde. Dies vor allem deshalb, 
weil Keegan selber es vor wenigen 
Wochen strikt abgelehnt hatte, einen 
freistehend aus acht Metern wuchtig 
mit dem Innenrist unter das Netzdach. 
Der Schock für Portugal dauerte aber 
nicht lange. Der omnipräsente Figo zog 
aus 28 Metern ab: Der Flatterball zischte 
durch die Beine von Tony Adams und 
unhaltbar für Goalie David Seaman in 
die rechte hohe Torecke. Nach einer et 
was flaueren Phase gelang dann Joao 
Pinto nach Flanke von Rui Costa mit ei 
nem wunderschönen Hechtkopfball in 
die hintere Torecke noch vor der Pause 
das schönste Tor des EM-Spiels. 2:2-Tor- 
schütze Joao Pinto hätte in der zweiten 
Halbzeit zum Matchwinner werden kön 
nen: Unmittelbar nach der Pause gelang 
te er nach einem Corner Figos an den 
Ball, schoss aber über das Tor. An seine 
Stelle trat aber nur wenig später Nuno 
Gomes, der für den 3:2-Endstand sorgte. 
Im bisher besten und torreichsten Spiel der EM-Endrunde ichlug Portugal am Mon 
tagabend in Eindhoven England trotz eines 0:2-Rttckstands 3t2 (2:2) und setzte sich 
damit an die Tabellenspitze der Gruppe A. 
Spieler für die EM «gesund» zu sprit 
zen. I I 
, l 
Vierltaumtore 
Es waren vier TVaumtore innerhalb 
von 37 Minute^ die im ausverkauften 
Philips-Stadion von Eindhoven von Be 
ginn weg für eine ausgezeichnete Stim 
mung sorgten. Inder 3. und 18. Minute 
setzte Beckham'vpn rechts zu seinen 
gefttrchteten B[ogenflanken an, die bei 
de Male ihr Zi$l fanden. Erst war Scho 
les mit dem Kopf aus sechs Metern zur 
Stelle und skohfe via Lattenunterkante 
zum 0:1. Dann'tfaf MöManaman völlig 
Portugal - England 3:2 (2:2). Philips-Stadlon, Eindhoven. -33000 Zuschauer (ausverkauft).- SR 
FrlskfSd). - Tort: 3. Scholes 0:1.18. McManaman 0:2.22. Figo 1:2.37. Joao 1 Pinto 2:2.59. Nuno Go 
mes 33. Bemerkungen: Portugal ohne Sa Pinto und Sousa (beide verlettt); England komplett. 
74.Min. Tor von Nuno Gomes wegen Abseits aberkannt, Verwarnungen:'44, Ince (Foul), 85. Vitor 
Baia (Unsportlichkeit, Zeil).
	        

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