Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Kultur 
Freitag, 9. Juni 2000 13 
TaKino 
«Boiler Room»: Blick 
auf die Macht von Geld 
SCHAAN: USA in den 90-ern. Es ist die Zeit, in 
der super reich sein super cool ist. Im Prolog von 
«Boiler Room» heisst es denn auch: Wenn ein 
Schwarzer in Amerika reich werden will, dealt 
er Crack, ein Weisser dealt an der Wall Street als 
Broker. 
Im Keller einer knallharten Maklerfirma 
kann selbst ein cleveres Kind von der Strasse 
durch den telefonischen Verkauf dubioser Akti 
en Millionen verdienen. Davon träumt auch der 
19-jährige Seth Davis. Er hat zwei Ziele im Le 
ben: eine Million Dollar und den ständigen Re 
spekt seines Vaters. Egal ob ihre Kunden verlie 
ren, sie selbst gewinnen immer. Millionen. Das 
ist ihr Job. Sie arbeiten, um Gewinne zu machen, 
ihre Leidenschaft aber gilt der Jagd nach dem 
Geld; Was man damit machen kann, interessiert 
weit weniger als der rauschhafte Taumel, den 
die Kapitalvermehrung in ihnen hervorruft. Sie 
kaufen sich Penthäuser, Ferraris und andere 
Edelspielzeuge. Doch eigentlich haben sie keine 
Verwendung für den Reichtum und den Luxus. 
Der 19-jährige Seth stösst zum inneren Kreis 
der kleinen Finanzhaie vor und wird bald einer 
der Boiler Room-Boys, er lässt sich für den Boi 
ler Room von J. T. Marlin anwerben. Jetzt 
schwimmt Seth ganz oben auf der Welle des Er 
folgs. 
Doch was für einen Preis wird er für Reich 
tum und Ruhm zahlen? Wie lange hält er es 
durch? Und wie tief wird er fallen? Wer profi 
tiert wirklich? J.T. Marlin ist der grosse Ab- 
zocker im Hintergrund. Er ist einer dieser In 
vestmentbetrüger, die ihr ergaunertes Geld 
über Off-Shore-Finanzplätze in Sicherheit brin 
gen. Die Parallelen zu den Vorgängen in Liech 
tenstein sind frappant. Man könnte die Namen 
der Protagonisten und Orte in «Boiler Room» 
einfach austauschen und schon... 
«Boiler Room» ist eine zeitgenössische Ge 
schichte über Korruption und Betrug, Uber den 
l>aum vom schnellen Geld und den Preis, den 
man dafür zahlt. Ein hervorragender kleiner 
Film über die Normalität der Unmoral in der 
Welt des schnellen Dollars. - 
«Boiler Room» ist provokatives, Adrenalin 
pumpendes Wall-Street-Kino für das neue Jahr 
tausend. «Boiler Room», der Film zum derzeit 
heissesten Thema in Liechtenstein. Am Samstag 
um 22.30 Uhr, Sonntag und Montag um 18.30 
Uhr und Dienstag und Mittwoch um 20.30 Uhr 
im TaKino in Schaan! 
Being John Malkovich 
Im Zeitalter der modernen Medien haben es 
avantgardistische Puppenspieler schwer. Das 
erfährt auch Craig Schwartz, der das mittelal 
terliche «Drama» um Abälard und Hdloise als 
erotisch geladene Marionetten-Inszenierung 
auf den New Yorker Bürgersteigen vor be 
fremdeten Kindern und erbosten Eltern vor 
führt. Notgedrungen bewirbt sich der brotlose 
Künstler als Archivar bei einer Firma, die ku 
rioserweise im 71./72. Geschoss eines Büro 
hauses liegt. Hier findet Craig nicht nur eine 
verführerische Kollegin namens Maxine, son 
dern auch ein seltsames Türchen, hinter dem 
sich ein Hinnel verbirgt. Dieses Portal führt 
ihn zu seiner Verblüffung in den Kopf des 
Schauspielers John Malkovich, wo Craig 15 
Minuten lang mit allen Sinnen empfindet, was 
der Star gerade erlebt; dann purzelt er jäh hi 
naus, auf eine Autobahnböschung in New Jer 
sey. • - 
Dies ist die Ausgangslage von «Being John 
Malkovich», dem zweifellos skurrilsten und ei 
nem der originellsten und unterhaltsamsten Fil 
me des letzten Kinojahres. Nach einem Dreh 
buch von Charlie Kaufman hat der preisge 
krönte Videoclip-Regisseur mit dem musikali 
schen Pseudonym Spike Jonze einen äusserlich 
unspektakulären, aber um so hinterlistigeren 
Spielfilmerstling gedreht. Die «metaphysische 
Wurmbüchse» des Portals dient ihm als Aus 
gangspunkt für satirische Spässe mit Sexualität, 
Manipulation, Voyeurismus, Selbstverwirkli 
chung - und dem Kino. 
Nicht minder eigenwillig als die Geschichte 
ist auch die Besetzung: John Cusack ver 
körpert den verfilzten Möchtegern-Macht- 
menschen Craig; Cameron Diaz ist als selbst 
gestrickte Tierfreundin Lotte kaum zu er 
kennen; Catherine Keener gibt die kühle Kar 
rieristin Maxine. John Malkovich schliesslich 
erweist sich als begnadeter Selbstparodist und 
belegt nachdrücklich: Heisst die Frage .«Mal 
kovich?», so lautet die Antwort zwangsläufig 
«Malkovich!» 
«Being John Malkovich» ist die beste Alter 
native zum beginnenden Fussballrausch. Von 
Samstag bis Montag um 20.30 Uhr im IbKino. 
Filmclub Frohsinn 
Liechtenstein eine Geschichte 
«Vision» - eindrückliche Abende mit Mathias und Ingo Ospelt 
Drei Geschichten habe er ge 
schrieben, «eine sehr kurze, ei* 
ne kurze und eine längerem 
teilte Mathias Ospelt seinem 
Bruder Ingo mit. Vielleicht, so 
heisst es weiter in dem Brief, 
habe er, Ingo, eine Idee, wie 
man diese Geschichten einem 
Publikum präsentieren könne. 
Gerolf Hauser 
Es wäre nicht Ingo Ospelt, man den 
ke nur an die grandiosen Auf 
führungen von «Die Tigerin» von 
Dario Fo, hätte er keine Idee ge 
habt. Und so kamen - und kommen 
- diese drei Geschichten von dem 
Schriftsteller und diesmal Nicht 
Kabarettisten Mathias Ospelt unter 
der Überschrift «Vision» im Kel 
lertheater Vaduzer Saal zur «Le 
sung». 
Lebendige Bilder 
Lesung in Anführungszeichen, 
denn Ingo Ospelt liest zwar, er rezi 
tiert aber auch, und er spielt eine 
der Erzählungen - ein Genuss, den 
man sich nicht entgehen lassen soll 
te. Wie einfühlsam Mathias Ospelt 
z.B. die Geschichte des Karl N. schil- 
dert, sein Leben, die tief eingefahre 
nen Spuren einer 47-jährigen Ehe, 
sein ständig sich wiederholendes 
Pfeifen, «die labiodentalen Gemüts 
äusserungen», das jahrzehntelange 
Erdulden des ewig Gleichen von 
der Frau und das Magische, das zwei 
Menschen aneinanderkleben lässt - 
das ist mehr als gute Zeiten-schlech- 
te Zeiten, das ist das Psychogramm 
einer Ehe. Und dann die Erzählung 
von Peter, der auf dem Weg von Si- 
lum zur Jassrun-de im Bären in The 
senberg eine Vision, eine Erschei 
nung erlebt. Wie «die Gewohnheit, 
der sichere Boden allen T\ins», 
plötzlich wie unter den Füssen weg- 
Nach der hervorragenden Darstellung der «Tigerin» (Szenenbild) ist Ingo 
Ospelt Hatte Freitag und morgen Samstag jeweils um 20.30 Uhr mit «Vision» 
im Kellertheater des Vaduzer Saals zu sehen. (Archivbild) 
• i''ji 'Z/'Ü 
gezogen scheint, Gedanken sich ja 
gen, wie mit dem Erlebten umzuge 
hen ist. Kann man sie jemandem er 
zähle^? Den Jassfreunden, dem 
Pfarrer, den} Kaplan, der eigenen 
Frau] Wie werden sie reagieren? 
Und überhaupt: Warum hat man ei 
ne Vision?' Und warum ausgerech 
net er, der ^eter? «Huara-Vision», 
schreit Peter in seiner Unfähigkeit, 
das Ungewohnte in das Leben ein 
zureihen. Wieder zeigt sich Mathias 
Ospelt als einfühlsamer, Tiefen 
schichten des Lebens ausleuchten 
der Schriftsteller und Ingo Ospelt 
rezitiert so überzeugend, dass le 
bendige Bilder beim Zuhörer auf 
steigen. 
Kartoffeyahre 
Und dann die lange Geschichte, 
«Kartoffeljahre - als Vaduz noch 
einen Hafen hatte», von Ingo Os 
pelt gespielt und gesprochen, wun 
derbar sich verwandelnd, von einer 
Figur der Geschichte in die andere 
schlüpfend, eine «Erzählung von 
der Gier und der Blödheit.» Sie er 
zählt, was geschieht,. wenn ein 
Rheinschiffkapitän im Nebel bei 
Vaduz anlegt und glaubt, er sei be 
reits in Chur, wenn ein junger 
Mann, allseits beliebt, ins Abseits 
gerät, wenn ein Vater den erhofften 
Schwiegersohn nicht erhält und ei 
ne Tochter verzweifelt schweigt 
von den sexuellen Übergriffen des 
eigenen Bruders. Liechtenstein, so 
Mathias Ospelt, fehle es an «Ge 
schichten, Fiktionen und Figuren, 
literarischen Figuren. Es gibt kei 
nen echten Huckleberry Finn, kei 
ne Balzner Fanny Hill, keine 
Schaaner Effie Briest und keinen 
Vaduzer Kommissar Bärlach. Nicht 
einmal einen Berger Winnetou ha 
ben wir, ganz zu schweigen von ei 
nem Oberländer Tristan oder einer 
Unterländer Isolde. 
Kartoffeljahre ist also ein Ver 
such, Liechtenstein eine Geschich 
te mit Figuren zu geben» - was ihm 
eindrücklich gelungen ist, von sei 
nem Bruder intensiv dargestellt, 
«nicht einfach, nur da sitzend mit 
einem Glas Mineralwasser auf dem 
Tisch und etwas ablesen», wie er 
selbst sagt. 
Es lohnt sich also, die beiden letz 
ten Vorstellungen heute, Freitag, 
den 9. Juni und morgen Samstag, 
den 10. Juni jeweils um 20.30 Uhr 
im Kellertheater des Vaduzer Saals 
zu besuchen. Vorverkauf: Bücher 
wurm, Vaduz; Leanders Weinladen, 
Schaan und Buchhandlung Omni in 
Eschen. Tel. Vorbestellung unter 
Telefon 0041 1 942 00 61. Abend 
kasse. 
Vewanstaltuwqen 
«Jazz-Zirkus» in 
der Tangente 
ESCHEN: Am Freitag, den 16. Juni 
2000, um 20.15 Uhr gastiert in der 
Tangente in Eschen die Formation 
Jazz-Zirkus mit Dora Born tiri Bom 
Bom Garta (Herbert Walser, tp, flh, 
zink; Bernhard Klas as, clt; Markus 
Gsell, ts, belt; Christel Eberle, Wald 
horn; Chris Diggelmann, dr; Step 
han Reinthaler, b; Stefan From 
melt, p, synth; Gastsolist: Wolfgang 
Nipp, voc). 
Stefan Frommelt: «Zuerst hatte 
ich die Idee, Volksmusik zu bearbei 
ten und mit neuen Texten aufzu 
führen. Allmählich ist daraus der 
Jazz-Zirkus entstanden. Zirkus 
heisst, sich überraschen lassen, was 
gebo-ten wird. Jazz-Zirkus heisst, 
dass unter der Überschrift Zirkus in 
der Arena die verschiedensten Din 
ge geschehen können, dass ver 
schiedenste Stilrichtungen ihren 
Platz haben .und dass jeder aus der 
Band sich in der Arena frei bewe 
gen kann». Dora Bom tiri Bom 
Bom, Garta ist der Name für einen 
Musikcocktail oder Musikbongert, 
bestehend { pus Jazz, aktuellem 
Drum'n Bass, Popsongs mit Mund 
arttexten v<)m liechtensteinischen 
Schriftsteller und Kabarettisten 
Mathias Ospelt sowie folkloristi 
schen und {klassischen Musikein 
flüssen. 
Dieses Konzert ist die letzte Ver 
anstaltung vor der Sommerpause. 
Das Tangente-Team meldet sich im 
August mit weiteren Konzerten 
und Ausstellungen. Tangente 
fabriggli: Tieri 
sches Programm 
BUCHS: Am Samstag, den 17. Juni 
steigt im Wferdenberger Kleinthea 
ter -fabriggli in Buchs das dies 
jährige fabriggli-fescht. Für Fest- 
Stimmung sorgt ein tierisches 
Programm. mit dem Königsadler 
örjan und Fridas Tanzbär. Und die 
fabriggli-Küche trägt das ihre dazu 
bei. , , 
Uiri 18 Uhr startet Thomy Thitt- 
mann einen Höhenflug für Men 
schen ab fünf Jahren: «Oijan». Ein 
Grübler und Zauderer ist er, der 
Königsadler öijan. Auch er würde 
gerne über den Wipfeln schweben. 
Doch die Furcht vor der Höhe ist 
stärker als der TVaum vom Fliegen. 
Bis eines Tages Zaunkönig Edi auf 
kreuzt ... 
Anschliessend folgt der Ballon 
flugwettbewerb, und um 19 Uhr 
wird die fescht-Wirtschaft eröffnet. 
Ab 21 Uhr treibts Fridas Tanzbär 
bunt: von Klezmer, Grecco, Swing 
bis Blues, via Alpen-Polka zum 
Sixties-Groove - bärenstark und 
sehr tanzbär! Es spielen Juno Hal 
ler (Geige, Gesang, Akkordeon), 
Felix Haller (Akkordeon, Gitarre, 
Bouzouki, Laute, Gesang), David 
Aebli (Gitarre, Bouzouki, Mando- 
line, Kontrabass) und Geri Züger 
(Klarinette, C-Sax, Flöten, Kontra 
bass). (Eing.) 
Luaga & Losna 
x 12 
NENZING: Zum 12. Mal Luaga & 
Losna Theaterfestival für junges 
Publikum, das siebte Mal eine Bör 
se für Dramatiker in Zusammenar 
beit mit der IG Autoren. Vom 23. 
bis 27. Juni 2000 bietet dieses Festi 
val in Nenzing Spannendes für je 
des Alter, für Zuschauer, Besucher 
und Teilnehmer. 
Ob das, die mit mehreren Preisen 
ausgezeichnete Eröffnungsvorstel 
lung «Ahoi Europe» des ungari 
schen Ensembles Artus oder eine 
ausserordentliche «Romeo & Ju 
lia» Vorstellung des belgischen 
Theaters Agora ist, die mit einer 
Party für alle ab 13 Jahren aus 
klingt, Spatz Fritz von Rudolf Her- 
furtner für die Jüngsten oder Bruno 
von Wolfgang Hermann für die 
Junggebliebenen. 
Ein "freffen auch für alle, die sich 
ernsthaft mit den Bereichen des li 
terarischen und künstlerischen 
Kinder- und Jugendtheaters ausein 
andersetzen wollen. 
Ibge, an denen das Publikum die 
Vielfalt der Formen dieser Theater 
sparte erahnen kann und in denen 
Leute vom Fach ihre Kontroversen 
austragen können, ohne Gräben 
aufzureissen. Eine regionale, natio 
nale und europäische Auseinander 
setzung. (Eing.) 
Wer Ewald Ricks aufsehenerregen 
de, zur Zelt noch im Gang befindli 
che Aktivitäten in den Schaufen 
stern des Vereins Schichtwechsel an 
der Landstrasse 73 in Vaduz ver- 
passt hat, bekommt vom 9. bis 12. 
Juni daselbst noch einmal Gelegen 
heit, einen BUck auf das dann schon 
Vergangene zu werfen. 
Na^h aussen gebeamt 
" Ewald Fricks Rückblende im Schichtwechsel 
! l ; 
Anlässlich der Schaufenstereröff- damals ohne Bilder leer verbliebene 
nung im Mai sind Fragmente des Er- Wand, die Abbilder der Gäste erset- 
eignisses auf Videoband festgehal- zen nun deren reale Präsenz im 
ten worden. Was vor einem Monat Raum, ins Blickfeld gerückte Ge 
hn Schichtwechsel geschehen und genstände repräsentieren hinter den 
vom Kameraauge erfasst worden ist, Fenstern Befindliches. Mehr Klar 
nämlich die Vernissagegäste, beamt heit über das, «was der Schichtwech- 
der Künstler aus Vaduz Ubers kom- sei ist» (oder sein könrtte), bekommt 
m$gde P§ngstwochenende an die nur, wer sich, neugierig geworden, 
auf das vielseitige Programm des 
kleinen Kunstvereins einlässt, zum 
Beispiel bei der nächsten Veranstal 
tung am Freitagbend, den 16.Juni,wo 
man sich auch einen Eindruck der 
Innerlichkeiten beschaffen kann. 
Doch zuvor läuft noch der Film, 
weithin sichtbar, open air und kos 
tenlos zu gemessen. Schichtwechsel 
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.