Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Völksblatt 
Ausland 
Mittwoch, 7. Juni 2000 23 
Nachrichten 
MSF fordert Zugang zu 
Zivilbevölkerung 
GENF: Die erneuten Kämpfe in Sierra Leone 
behindern die humanitäre Hilfe. Die Verteilung 
von Hilfsgütern an die Zivilbevölkerung könne 
nicht mehr gewährleistet werden, erklärte die 
Hilfsorganisation «Ärzte ohne Grenzen» am 
Dienstag in Genf Immer mehr Kinder unter 
fünf Jahren litten in Städten ausserhalb Free- 
towns an Mangelernährung, teilte MSF mit. In 
Kabala etwa seien in den letzten Wochen mehr 
als 2000 Vertriebene eingetroffen. 102 Kinder 

seien in speziellen Ernährungszentren von MSF 
aufgenommen worden. In Kambia seien 60 un 
terernährte Kinder unter fünf Jahren zurückge 
lassen worden, weil das Pflegepersonal vor den 
Kämpfen flüchten musste. MSF forderte die 
Konfliktparteien auf, den humanitären Organi 
sationen den Zugang zu den Zivilisten zu ge 
währen. Im Norden Sierra Leones könne sich 
die bereits jetzt desolate Lage im sanitären Be 
reich weiter verschlechtern, warnte MSF. Die 
Organisation musste wegen der unsicheren La 
ge in der Region ihre Tätigkeit bis auf weiteres 
einstellen. Auch eine Impfkampagne gegen Ma 
sern wurde eingestellt. 
Ex-Kommunisten in 
Bukarest siegreich 
BUKAREST: Bei den landesweiten Kommu 
nalwahlen in Rumänien haben nach vorläufigen 
Ergebnissen die Ex-Kommunisten einen klaren 
Sieg errungen. Dieser TVend zeichnete sich am 
Dienstag nach Auszählung von mehr als zwei 
Dritteln der Stimmen ab. Die ex-kommunisti 
sche Partei der Sozialen Demokratie (PDSR) 
des Ex-Präsidenten Ion Iliescu (1990 bis 1996) 
kam den Angaben des zentralen Wahlbüros in 
Bukarest zufolge am vergangenen Sonntag auf 
25,82 Prozent. Bis Dienstag waren 78,18 Pro 
zent der Stimmen ausgezählt. Zweitstärkste 
Kraft war die linksgerichtete Demokratische 
Partei (PD) mit 12,61 Prozent und an dritter 
Stelle stand die «Allianz für Rumänien» (ApR) 
mit 9,24 Prozent. PD und ApR hatten sich von 
Iliescus PDSR abgespalten. 
Die PD ist seit 1996 an der bürgerlich-libera 
len Regierung in Bukarest beteiligt. Das in der 
Regierung federführende christdemokratische 
Bündnis CDR kam auf nur 7,71 Prozent. 
Ähnliche Trends ergaben die vorläufigen 
Wahlergebnisse bei den Gemeinde- und Kreis 
ratswahlen. Sogar in der Hauptstadt Bukarest, 
bisher eine Hochburg der Bürgerlich-Libera 
len, führt die PDSR. Insgesamt hatten 100 Par 
teien Kandidaten ins Rennen geschickt. In zahl 
reichen Gemeinden dürften Stichwahlen erfor 
derlich werden. 
Schröder in Lettland 
RIGA: Der deutsche Bundeskanzler Gerhard 
Schröder ist auf seiner dreitägigen Baltikumrei 
se am Dienstagmittag aus Estland kommend in 
Lettland eingetroffen. Schröder wird im Lauf 
des Tages-mit der lettischen Präsidentin Vaira 
Vike-Freiberga und Ministerpräsident Andris 
Berzins zusammenkommen. Im Mittelpunkt 
der Gespräche dürfte, wie zuvor in Tallinn, der 
Wunsch Lettlands nach einem Beitritt in die 
Europäische Union und die NATO stehen. Am 
Vormittag hatte sich Schröder in einer Rede vor 
dem estnischen Parlament zur Erweiterung der 
EU um Staaten aus Mittel- und Osteuropa be 
kannt. Zugleich hatte er allerdings die Erwar 
tungen für einen baldigen NATO-Beitritt Est 
lands, Lettlands und Litauens gedämpft; 
Koalition jetzt am Ende? 
«Mission zur Rettung der Koalition» ist endgültig abgeschlossen - dies wird bedauert 
WARSCHAU: Die polnische 
Koalitionsregierang ist nach 
Aussagen der Liberalen am 
Ende. Nach einer Sitzung des 
Parteivorstands der Freiheits 
union (UW) wurden die Ge 
spräche über den Fortbestand 
der Mitte-Rechts-Koalition für 
gescheitert erklärt. 
Der Parteivorsitzende der Freiheits 
union, Leszek Balcerowicz, erklärte 
am Dienstag vor Journalisten, die 
«Mission zur Rettung der Koalition 
wird als beendet betrachtet». Die 
Kabinettssitzung am Dienstag sei 
die letzte, an der die fünf liberalen 
Minister teilnähmen. Der bisherige 
Koalitionspartner, die konservative 
Wahlaktion Solidarität (AWS), sei in 
einem Telefongespräch vom Be- 
schluss des Rückzugs der UW aus 
der Koalition informiert worden, 
sagte der stellvertretende AWS- 
Fraktionsvorsitzende Jacek Rybicki. 
Noch nicht beendet? 
«Wir nehmen die Entscheidung 
mit Bedauern entgegen und hoffen, 
dass die Angelegenheit noch nicht 
beendet ist», sagte er der polnischen 
Nachrichtenagentur PAP. UW- 
Sprecher Andrzej Potocki hatte den 
Leszek Balczerowicz der Pemieminister, wird nach der UW-Sitzung von Journalisten belagert. 
endgültigen Bruch der Koalition am 
Dienstagmorgen im Radio an 
gekündigt. 
Buzek:«... bin beunruhigt!» 
Der AWS-Parteiführer Marian 
Krzakliewski, den auch die Fraktion 
in der Nacht zürn Dienstag als ihren 
Kandidaten für das Amt des neuen 
Ministerpräsidenten bestätigte, 
werde nicht als Regierungschef ak 
zeptiert. Die fünf liberalen Minister 
würden nur so lange im Amt blei 
ben, bis Staatspräsident Aleksander 
Kwasniewski ihre Entlassung unter 
schreibe. sagte Potocki dem polni 
schen Sender «Radio Plus». Mini 
sterpräsident Jerzy Buzek sagte yor 
Mission impossible? 
Organisation Amerikanischer Staaten will Demokratie stärken 
LIMA: Nach der umstrittenen Wie 
derwahl des peruanischen Präsi 
denten Alberto Fujimori entsendet 
die Organisation Amerikanischer 
Staaten (OAS) eine ranghohe Mis 
sion nach Peru. Sie soll Möglichkei 
ten zur Stärkung der Demokratie 
ausloten. 
Die OAS-Generalversammlung im 
kanadischen Windsor verabschiede 
te am Montagabend (Ortszeit) ein 
stimmig eine entsprechende Er 
klärung, wie der' Vorsitzende der 
Generalversammlung, der kanadi 
sche Aussenminister Lloyd Axwor- 
thy, mitteilte. 
Wahlsystem reformieren 
Gemäss einem von Kanada vor 
gelegten Entwurf soll die Mission 
Massnahmen zur Reform des Wahl 
systems und der Justiz sowie zur 
Stärkung der Pressefreiheit unter 
suchen. Sie soll von Axworthy und 
OAS-Generalsekretär C6sar Gavi- 
ria angeführt werden. 
Der Entwurf der Resolution war 
so überarbeitet worden, dass auch 
Peru zustimmen konnte. Die OAS- 
Menschenrechtskommission hatte 
zuvor kritisiert, die Umstände der 
Wahl Fujimoris am 28. Mai stellten 
eine «klare Unterbrechung des de 
mokratischen Prozesses in Peru» 
dar. 
Gegen Einmischung 
Die Aussenminister der 34 OAS- 
Mitgliedstaaten wurden aufgefor 
dert, sich für eine Wiederholung der 
Wahl auszusprechen. Auch die USA 
hatten eine «energische» Reaktion 
auf die von Vorwürfen des Wahlbe 
trugs begleitete Abstimmung gefor 
dert. 
Vertreter mehrerer lateinameri 
kanischer Staaten wie Chile, Mexi 
ko, Venezuela, Brasilien, Ecuador 
und Argentinien wiesen jedoch jeg 
liche Einmischung der OAS in die 
«inneren Angelegenheiten» eines 
Mitgliedstaats zurück. 
Demokrat Fujimori 
Der peruanische Aussenminister 
Fernando de IVäzegnies begrttsste 
in Windsor die Mission. Es sei «aus- 
Während der Zusammenkunft der OAS kam es immer wieder zu Unruhen. 
Ziel der OAS ist es unte randerem, die Prssefreiheit zu stärken. 
sergewöhnlich», dass ein Konsens 
erzielt worden sei, «der die Wahlen 
nicht anrührt», sagte er einem pe 
ruanischen Radiosender. Die Mis 
sion trage zur Festigung der Demo 
kratie^, «um die sich auch Fuji 
mori bemüht». 
Appell an Armee 
Nationale und internationale 
Wahlbeobachter hatten sich gewei 
gert, die Präsidentschaftswahl zu 
kontrollieren'; da die Standards für 
demokratische Wahlen nicht einge 
halten; worden seien und Fujimoris 
Gegenkandidat Alejandro Toledo 
seine Bewerbung aus Protest gegen 
die Unregelmässigkeiten zurückge 
zogen) hatte., Wahlbeobachter der 
OAS hatten erklärt, die Wahlen sei 
en «alles andere als frei» verlaufen. 
Fujimori war schliesslich als einzi 
ger Kandidat angetreten und mit 51 
Prozent der Stimmen im Amt be 
stätigt worden. 
Toledo appellierte am Montag 
abend erneut an die peruanische 
Armee, nicht Fujimori sondern die 
Demokratie zu verteidigen. Er wol 
lte sein Land jedoch nicht in einen 
Bürgerkrieg treiben, sagte der Op 
positionsführer nach einem Reffen 
mit dem spanischen Regierungschef 
Josö Maria Aznar in Madrid. 
Spanischen Regierungsangaben 
zufolge forderte Aznar Toledo auf, 
einen gesellschaftlichen «Bruch» in 
Peru zu vermeiden. Am Dienstag 
wollte Toledo zu einem Reffen mit 
dem aussen- und sicherheitspoliti 
schen EU-Beauftragten Javier Sola 
na nach Brüssel reisen. 
Journalisten, er sei «sehr beun 
ruhigt», da nun alles auf eine Min 
derheitsregierung der AWS hindeu 
te. Einen Rücktritt seiner Minister 
wolle er erst entgegennehmen, 
wenn die bisherigen Koalitionspart 
ner entschieden hätten, dass es kei 
ne Chance für eine Verständigung 
mehr gebe. 
Neuer Frieden 
in Palästina? 
RAMALLAH: Die israelisch 
palästinensischen Friedensge 
spräche werden kommende Wo 
che in der Nähe von Washington 
wieder aufgenommen. Das teilte 
US-Aussenministerin Madelei 
ne Albright am Dienstag in Ra 
mallah im Westjordanland mit. 
Im Bemühen um eine endgül 
tige Friedensregelung zwischen 
Israel und Palästinensern werde 
US-Präsident Bill Clinton zu-, 
dem am Mittwoch kommender 
Woche in Washington den paläs 
tinensischen Präsidenten Jassir 
Arafat empfangen, fügte 
Albright hinzu. 
Sie hatte am Dienstag mit 
Arafat in Ramallah ein rund 
zweistündiges Gespräch ge 
führt. Albright war am Montag 
zu einer neuen Vermittlungsmis 
sion in den Nahen Osten gereist 
und hatte in Jerusalem mit dem 
israelischen Ministerpräsiden 
ten Ehud Barak gesprochen. 
Fünf Bedingungen 
Dieser nannte im Anschluss 
an das Treffen fünf Bedingungen 
für einen Friedensvertrag mit 
den Palästinensern. Israel werde 
auf keinen Fall zu den Grenzen 
vor dem Sechs-Tage-Krieg 
zurückkehren, sagte Barak am 
Montag. 
Ausserdem müsse ganz Jeru 
salem Hauptstadt von Israel 
bleiben, bekräftigte er mit Blick 
auf die Forderung der Palästi 
nenser, den arabischen Ostteil 
Jerusalems zur Hauptstadt eines 
künftigen Staates Palästina zu 
machen. Barak forderte weiter, 
keine ausländische Armee dürfe 
westlich des Jqrdantals statio 
niert werden. Das Jordantal war 
ebenfalls 1967 besetzt worden 
und bildet derzeit -die Grenze zu 
Jordanien. Zum Streit über jüdi 
sche Siedlungen im Westjordan- 
land sagte Barak, die meisten 
Siedler lebten in Wohnungen 
unter israelischer Souveränität. 
Der israelische Regierungs 
chef schloss zudem die Rückkehr 
Von rund 3,5 Millionen palästi 
nensischen Flüchtlingen aus..
	        

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