Liechtensteiner Volksblatt
Ausland
Dienstag, 6. Juni 2000 23
Wieder Nazi-Sprüche?
WIEN: Der neugewählte niederösterreichische
FPÖ-Chef Ernest Windholz ist wegen der Ver
wendung eines nationalsozialistischen Spruches
in die Kritik geraten. Windholz hatte am Sonn
tag bei einer Mitarbeiterehrung im Anschluss
an seine Wahl zum Landesparteichef das SS-
Motto «Unsere Ehre heisst TVeue» zitiert. Der
40-jährige Politiker der rechtspopulistischen
Freiheitlichen (FPÖ) rechtfertigte sich hinter
her angesichts der Kritik, dass er den SS-Spruch
nicht .gekannt habe. «Ich bin 40 Jahre alt. Mir
war der Spruch in diesem Zusammenhang un
bekannt», sagte Windholz am Montag der öster
reichischen Nachrichtenagentur APA. Es tue
ihm «persönlich leid», sollte sich jemand durch
seinen Ausspruch betroffen fühlen. Die opposi
tionellen Sozialdemokraten (SPÖ) haben
Windholz zum Rücktritt aufgefordert. Die FPÖ
bildet gemeinsam mit der Volkspärtei (ÖVP)
von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel die
rechtskonservative österreichische Bundesre
gierung.
Lockerbie und der Iran
WASHINGTON: Der US-Nachrichtensender
CBS hat nach eigenen Angaben stichhaltige
Beweise, wonach Iran hinter dem Lockerbie-
Attentat steckt. In seinem Programm «60 Minu
tes» berichtete der Sender am Sonntag, einer
seiner Mitarbeiter habe kürzlich in der Türkei
einen Iraner interviewt,der sich selbst als frühe
ren Chef für terroristische Aktivitäten im irani
schen Geheimdienst bezeichnet habe. Der
Mann, Ahmed Behbahani, habe in dem Ge
spräch gesagt, dass er selbst das Bombenatten
tat auf die Maschine der US-Fluggesellschaft
Pan Am dem Anführer einer von Syrien unter
stützten bewaffneten Gruppe vorgeschlagen
habe. Anschliessend habe er eine Gruppe Liby
er nach Iran gebracht, um sie in 90Tagen für den
Anschlag auszubilden. Laut CBS floh Behbaha
ni vor vier Monaten in die Türkei, weil er Ärger
mit Kollegen hatte und um sein Leben fürchten
musste. Die türkischen Behörden hätten es dem
CBS-Mitarbeiter nicht erlaubt, ein Aufnahme
gerät zu dem Interview mit Behbahani mitzu
nehmen, berichtete der Sender. Der Exil-Iraner
sitze inzwischen in der Türkei in Untersu
chungshaft.
Hitzige Proteste gegen
die OAS
WINDSOR: Mit einer Warnung vor dem Schei
tern der Demokratie auf dem amerikanischen
Kontinent hat am Sonntag die 30. Vollversamm
lung der Organisation Amerikanischer Staaten
(OAS) im kanadischen Windsor begonnen.
Viele Menschen seien skeptisch und enttäuscht,
weil die Demokratie bisher nicht fähig gewesen
sei, die sozialen Probleme zu lösen, sagte OAS-
Generalsekretär Cdsar Gaviria. Die Fortschrit
te im Kampf gegen Armut und die ungerechte
Einkommensverteilung seien gering. Ausser
dem fehle es an Mitbestimmungsrechten. Ähn
lich äusserte sich der kanadische Premiermini
ster Jean Chrötien. Die Armut sei immer «ein
mächtiger Feind der Freiheit» gewesen, sagte er
vor den Vertretern der 34 aktiven OAS-Mit-
gliedstaaten.
Die OAS-Generalversammlung dauert bis
Dienstag. Eines der wichtigsten Themen wird
die umstrittene Wiederwahl der peruanischen
Präsidenten Alberto Fujimori sein. Die Intera
merikanische Menschenrechtskommission - ein
Gremium der OAS - hatte kritisiert, die Um
stände der Wahl stellten eine «klare Unterbre
chung des demokratischen Prozesses in Peru»
dar. Beobachter halten es für möglich, dass die
Versammlung auch aufgrund dieser Stellung
nahme Neuwahlen in Peru fordern könnte.
Salomonen-Inseln: Premierminister wurde aus der Geiselhaft entlassen
SYDNEY: Knapp drei Wochen
nach dem Putschversuch auf
den Fidschi-Inseln haben Auf
ständische auch auf der be
nachbarten Inselgruppe der
Salomonen wichtige Behörden
besetzt.
Der zunächst in Geiselhaft genom
mene Premierminister Bartholo-
mew Ulufa'alu wurde nach Anga
ben des australischen Aussenmi-
nisters Alexander Downer wieder
freigelassen. Zuvor wurde der von
den Putschisten geforderte Rück
tritt des Premiers angekündigt. Die
Regierung von Neuseeland verur
teilte den Putschversuch.
Hintergrund des Umsturzversu
ches sind seit eineinhalb Jahren
schwelende ethnische Konflikte
zwischen der einheimischen Bevöl
kerung der Hauptinsel Guadalcanal
und Zuwanderern von der Nach
barinsel Malaita über Landrechte.
Vermittlungsbemühungen mehre
rer ausländischer Politiker waren in
der vergangenen Woche geschei
tert.
Politischer Rivale
Der Anführer der Putschisten,
der Anwalt Andrew Nori, sagte
nach der Erstürmung des Büros des
Regierungschefs im Radio, die Re
gierung sei «nicht in der Lage, die
gegenwärtige nationale Krise zu lö
sen». Nori gilt als langjähriger poli
tischer Rivale des Regierungschefs.
Die australische Nachrichten
agentur AAP berichtete unter Be
rufung auf diplomatische Kreise,
Ulufa'alu werde am Dienstag
zurücktreten. Die Telefonverbin
dungen zu dem Land etwa 1000 Ki-
Strassenkontrollen und Patrouillen prägen das Krisengebiet Fidschi-Inseln. Seit rund eineinhalb Jahren gibt es Aus
einandersetzungen zwischen den MEF und der Miliz der ursprünglichen Einwohner. (Bild: Keystone)
lometer nordöstlich von Australien
waren abgeschnitten, der Flughafen
gesperrt. Die Rebellen, die erwiese-
nermassen auch von von Teilen der
Polizei unterstützt werden, gehören
zu den «Malaita-Adlern» (MEF).
Ihre Vorfahren waren im Zweiten
Weltkrieg von der US-Armee von
ihrer Heimatinsel Malaita als Hilfs
kräfte auf die Hauptinsel Guadalca
nal geholt worden.
Miliz kämpft gegen die Bürger
Seit rund anderthalb Jahren gibt
es Auseinandersetzungen zwischen
den MEF und der Miliz der ur
sprünglichen Einwohner Guadal-
canals, der Isatabu-Friedensbewe
gung (IFM). Diese fordert, die Ein
wanderer und ihre Nachkommen
nach Malaita zurückzuschicken. Bei
den Gewaltakten sind etwa 60 Men
schen getötet worden, Tausende ge
flüchtet.
Verhandlungen auf Fidschi
festgefahren
Auf den Fidschi-Inseln sind die
Gespräche zwischen Militärregie
rung und Geiselnehmern im Parla
ment am Montag in eine Sackgasse
geraten. Militärchef Frank Baini-
marama sagte in der Hauptstadt Su
va, die Verhandlungen mit Putschis-
Gespräche und Tod in Russland
Der Gipfel ist beendet - inTschietschenien geht das Morden weiter
MOSKAU: Die Präsidenten Russ
lands und der USA, Wladimir Putin
und Bill Clinton, haben ihr Gipfel
treffen am.Montag mit einem letz
ten Gespräch im Kreml in Moskau
beendet. Zuvor hatte Clinton in
einer Rede vor dem Parlament
Russland eine enge Zusammen
arbeit in allen Bereichen angebo
ten.
Putin brach sofort nach dem dreitä
gigen Gipfeltreffen zu Gesprächen
mit der italienischen Regierung
nach Rom auf. Clinton wollte nach
einem Zwischenstopp in der ukrai
nischen Hauptstadt Kiew am Mon
tagnachmittag in die USA zurück
kehren. Die beiden Staatschefs hat
ten am Sonntag weitere Konsulta
tionen zur Fragen der strategischen
Stabilität vereinbart. Moskau blieb
jedoch bei seinem Nein zu den von
Washington gewünschten Ände
rungen am ABM-Vertrag, der den
US-Plänen zum Bau eines nationa
len Raketenschutzschilds im Wege
steht.
«USA wollen starkes
Russland»
«Ein Erfolg Russlands bei der
Modernisierung, Stärkung und De
mokratisierung wird wesentlichen
Einfluss auf das Schicksal der Men
schen im 21. Jahrhundert haben»,
sagte Clinton vor den Abgeordne
ten der Duma und des Föderations
rates. Es war der erste Auftritt eines
US-Präsidenten im russischen Par
lament. Clinton sagte, die Amerika
ner hätten lernen müssen, dass ihre
Meinung nicht unbedingt richtig sei.
Die Russen sollten sich von der Vor
stellung lösen, dass Amerika ihnen
Übel wolle. «Die USA wollen ein
starkes Russland.»
Der russische Kommunistenfüh
rer Gennadi Sjuganow und der
Rechtsextremist Wladimir Schiri-
Während in Moskau verhandelt wird, gehen die Kämpfe in Tschetschenien
mit unverminderter Härte weiter. (Bild: Keystone)
nowski kritisierten die Ansprache
des US-Präsidenten.
Und Tschetschenien?
Zu Beginn .des neunten Monats
des Tschetschenienkriegs hat Russ
land nach eigenen Angaben seine
Luftangriffe auf die Rebellen in der
Kaukasus-Republik verstärkt.
Wie zur JZeit der schwersten
Kämpfe i^Dezember und Januar
würden bis zuJ lOO Einsätze am 7kg
geflogen, nteläete die Nachrichten-
agentur Iriteifax am Montag unter
Berufung aitf|)as Militär.
Kämpfe eskalieren
Ein russischer Sprecher aus dem
Militärstützp|nlct Mosdok an der
Grenze zu Tschetschenien sagte der
Nachrichtenagentur Reuters, die
Militärop^ratibn gehe weiter. Die
Rebel|eh,l^®für die Unabhängig
keit d|r^fflpsus^Republik kämp
fen, lml| in die südlichen Ber
ge zurückgezogen und führen von
dort aus einen Partisanenkrieg ge
gen die russische Armee. Die tschet
schenischen Separatisten berichte
ten von russischen Luftangriffe auf
Wedeno und Noschai-Jurt. Dabei
seien auch Zivilisten getötet wor
den. Eine unabhängige Bestätigung
dafür lag nicht vor. Russische Mi
litärberichterstatter sprachen je
doch von einer Eskalation der
Kämpfe.
Es seien auch Kampfhelikopter
im Einsatz gewesen. Den Separatis
ten gelingt es immer wieder, russi
sche Einheiten aus dem Hinterhalt
zu beschiessen. Allein in der ver
gangenen Woche gab es nach russi
schen Angaben 27 Tote unter den
Soldaten - eine entsetzliche Bilanz.
Russland führt seit acht Monaten
Krieg gegen die Separatisten in
Tschetschenien. Die Kaukasus-Re-
publik ist Teil der Russischen Föde
ration, hat sich aber 1991 für unab
hängig erklärt. Dies wurde von
Moskau nie anerkannt.
ten-Chef George Speight seien fest
gefahren. Die Militärregierung wer
de sich auf keine weiteren Forde
rungen Speights mehr einlassen.
Dieser wies Bainimaramas Forde
rung zurück, die Waffen niederzule
gen und seine 31 Geiseln endlich
wieder freizulassen. Darunter ist
auch der gewählte Ministerpräsi
denten Mahendra Chaudhry.
Die Armee erklärte, sie stehe wei
ter zu ihrem seinerzeitigem Ange
bot, Speight und seinen engsten Ge- .
folgsleuten im Gegenzug Amnestie
zu gewähren. Speight hält sich seit
dem 19. Mai mit seinen Geiseln im
Parlament verschanzt.
Pinocet nicht
mehr immun
SANTIAGO: Ein chilenisches
Gericht hat am Montag die Im
munität des früheren Diktators
Augusto Pinochet aufgehoben
und damit eine wichtige Voraus
setzung für eine Anklage gegen
den 84-Jährigen geschaffen.
Die 22 Richter des Berufungs
gerichts in der Hauptstadt San
tiago de Chile bestätigten seit
Wochen zirkulierende Gerüchte
zum dem Entscheid. Allerdings
ist der Weg bis zu einer mögli
chen Anklage des früheren Ge
waltherrschers noch lang.
Zunächst steht Pinochet das
Recht zu, gegen die Entschei
dung des Berufungsgerichts den
Obersten Gerichtshof anzuru
fen. Dies haben Pinochets Ver
teidiger bereits angekündigt.
Das Gericht hatte die Ent
scheidung gegen Pinochet zwar
schon vor zwei Wochen gefällt,
den Inhalt aber zunächst geheim
halten wollen. Aus Justizkreisen
war jedoch sofort durchge
sickert, dass die Immunität auf
gehoben werden solle. Deshalb
sorgte die offizielle Mitteilung
kaum noch für grösseres Aufse
hen. Die Entscheidung fiel mit
13 gegen neun Richterstimmen.
Die Frage eines Prozesses ge
gen Pinochet spaltet Chile auch
mehr als ein Vierteljahrhundert
nach dem Militärputsch von
1973. Bis zum Ende der Diktatur
1990 wurden mehr als 3000 poli
tische Gegner und Unbeteiligte
von Militärs, Polizei und den Ge
heimdiensten zum Teil gefoltert
und umgebracht.
Etwa 1200 Opfer gelten bis
heute als vermisst. Zehntausen
den Chilenen blieb nur die
Flucht ins Exil. Die Angehöri
gen der Opfer fordern seit Jah
ren vergeblich Gerechtigkeit
und Offenlegung.