Liechtensteiner Volksblatt
R E Q I O N
Dienstag, 6. Juni 2000 21
Nachrichten
Musikalische Intimität
BUCHS: Den Seveler Posaunisten Stefan Schle
gel können Sie am Donnerstag, den 8. Juni um 20
Uhr mit dem «Gabriela Tfcnner Jazz Quintet» li
ve im Werdenberger Kleintheater fabriggli erle
ben. Eine «Black swinging Mama» ist Gabriela
Tanner nicht. Doch wenn sie singt erzählt sie Ge
schichten. Humorvolle, tragische, freche. Die
schönsten Songs von Cole Porter über Gershwin
bis Antonio Carlos Jobim hat sie zu einem be
schwingendem Mix zusammengestellt. Mit ihr
vier Musiker vom Feinsten; ein Pianist, Bassist,
Schlagzeuger und der mittlerweile bekannte
Seveler Posaunist Stefan Schlegel (Konservato
rium Winterthur, Berklee College of Music
Boston, Jazz Orchestra Zürich). Das ist kein Ja
zz Jam, das ist musikalische Intimität. Überzeu
gen Sie sich und verpassen Sie etwas anderes.
Billetreservation: Dienstag bis Samstag, 18 bis 20
Uhr,Telefon 081/756 66 04. (Eing.)
«Schlaraffen-Ländle»
als Schwerpunkt
DORNBIRN: Die Vorbereitungen für die 52.
Herbstmesse vom 2. bis 10. September in Dorn-
birn laufen auf Hochtouren - einerseits werden
zurzeit die 550 Aussteller platziert, andererseits
die Sonderkonstruktionen für die. Sonderschau
«Schlaraffen-Ländle» gefertigt. Erstmals kann
eine Sonderschau auch aus der Vogelperspekti
ve betrachtet werden.
Dies wird mit einem eigens konstruierten
Fluggerät ermöglicht. «Eingepackt» in ein
Hühnchen-Kostüm, kann das bunte Treiben in
der Sonderschau von oben betrachtet werden.
Das «Schlaraffen-Ländle» widmet sich übrigens
der Zusammenarbeit der heimischen Landwirt
schaft sowie des Vorarlberger Lebensmittelhan
dels. So werden die Vorteile für die Konsumen
ten - regionale Spezialitäten, Frische und Le
bensqualität - eindrücklich dargestellt. Dies ge
schieht in Pavillons sowie auf der Aktionsbüh
ne, die ein Kabarett, Gewinnspiel oder auch ei
nen Kuhmelk-Wettbewerb bietet. Schliesslich
weist der Lebensmittelhandel auf seine Kompe
tenz bei «Weltgenüssen» hin.
Weitere Schwerpunkte sind die Gesundheits
messe «LIFE» mit den «Gesundheits-Inseln»
der Krankenversicherer sowie die Modeschau.
Die Herbstmesse wird übrigens erstmals von
Herbert Rella projektiert.
Konzertverein St.
Gallen trifft Geschmack
ST. GALLEN: Der Konzertverein St. Gallen
trifft mit seiner Programmgestaltung den Ge
schmack des Publikums. Dies hat eine Umfrage
ergeben. Dem Wunsch nach mehr kommentier
ten Konzerten und Werkeinführungen wollen
die Programmverantwortlichen entsprechen.
Der Mix aus beliebten Werken verschiedener
Epochen und neuen, unbekannten Kompositio
nen, aus Sinfoniekonzerten und Kammermusik
werde mit grossem Mehr gutgeheissen, hiess es
am Montag an einer Pressekonferenz des Kon
zertvereins. Knapp die Hälfte der Mitglieder,
Abonnentinnen und Abonnenten antworteten
auf die Umfrage. Barockmusik, Klassik und Ro
mantik führen in der Publikumsgunst: 73, 85
und 82 Prozent der Antwortenden beurteilten
den Anteil dieser Sparten an den Programmen
des Sinfonieorchesters St. Gallen als «richtig».
Klassische Moderne und zeitgenössische Musik
erhielten ebenfalls 64 und 55 Prozent der Stim
men.
«Homunculus» zu Ende
gegangen
HOHENEMS: Das Kleinkunstfestival «Ho
munculus» ist am Samstag mit den Aufführun
gen «Die Schneekönigin» und einer musikali
schen Hommage an Marlene Dietrich in Ho-
henems zu Ende gegangen. Das Festival dau
erte eine Woche. Knapp 3000 Personen be
suchten die Veranstaltungsreihe. Das bedeutet
einen Rekord in der neunjährigen Geschichte,
des Figurentheater-Festivals. Der künstleri
sche Leiter, Pavel Möller-Lück - selbst in zwei
Stücken zu sehen - zeigte sich denn auch
höchst zufrieden mit den insgesamt 21 Auf
führungen: «Ich fand es wunderbar, dass wir
ein so breites Programm wie nie zuvor gebo
ten haben, und uns das Publikum trotzdem
oder erst recht treu geblieben ist.» Bei man
chem Stück habe man auslaten können, «wie
weit wir gehen können: Mein Wunsch wäre,
dieses Festival für Puppen und Poesie nächstes
Jahr zum Jubiläum um ein drittes P zu erwei
tern: und zwar Paradoxie.» Nächstes'Jähr, fin
det das Festival voraussichtlich vom 19. bis 26.
Mai statt.
Heute werden in Hohenems zwei Jungstörche beringt
HOHENEMS: Heute Diens
tag, den 6. Juni 2000 findet in
Hohenems ab 14 Uhr eine
Storchenberingung statt. Das
Storchenpaar hat zwei Jung
störche in ihrem Horst, der sich
auf einem Hochspannungs
mast (Mast 121, Delmensingen
Ost) befindet.
Die Beringung der Jungstörche ist
mit grossem Aufwand verbunden.
Zuerst muss der Strom abgestellt
werden. Dann besteigen zwei Ange
stellte der Iiiwerke den Mast und
bergen die jungen Störche. Markus
Böschung, ein Fachmann von der
Vogelwarte Sempach (CH), nimmt
nach eingehender Untersuchung
der Vögel die Beringung vor. Klaus
Zimmermann, ein Mitarbeiter der
Vorarlberger Naturschau, protokol
liert den Vorgang.
Der Weissstorchbestand in Mittel
europa wird auf etwa 4000 bis 5000
Paare geschätzt. Am meisten Stör
che findet man in Norddeutschland
und Pannonien.
Störche sind Zugvögel. Sie kom
men im März nach Mitteleuropa
und fliegen ab Mitte August zur
Überwinterung nach Afrika.
Vor 100 Jahren war der Storch im
Rheintat häufig zu sehen. Vor allem
durch intensivierte Landwirtschaft
Heute Dienstag werden in Hohenems zwei Jungstörche beringt. Das Unter
fangen ist mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden.
und Zersiedelung ist der Storch im
Rheintal ausgestorben. Der Storch
braucht feuchte, wasserreiche Wie
sengründe mit Baumgruppen zum
Überleben. Er ernährt sich von Kä
fern, Insekten, Wühlmäusen, Frö
schen, Maulwürfen und Regenwür
mern.
Seit 1984 brüten wieder Störche
im Rheintal. Zu dieser Zeit hat Max
Bioesch in Altreu (CH) begonnen,
Störche zu züchten. Allerdings hat
er afrikanische Störche ohne Zug
trieb zur Zucht verwendet. Diese
Vögel mussten im Winter betreut
und durchgefüttert werden.
Seit 1995 unterstützt die interna
tionale Stiftung Ciconia, mit Sitz in
Liechtenstein und Mitgliedern von
Polen bis Afrika, die Wiederansie
delung von Störchen. Sie hat Horste
aufgestellt, unter anderem in Lus-
tenau. Die Störche in den von der
Ciconia betreuten Horsten werden
nicht beringt.
In den letzten Jahren haben sich
die afrikanischen Störche aus der
Zucht von Max Bioesch mit durch
ziehenden Störchen verpaart. Nun
hofft man, dass diese Mischlings
störche einen Zugtrieb entwickeln.
Die Beringung der Störche in Ho
henems wird seit ca. fünf Jahren
durchgeführt und ist u.a. nützlich
für die Beobachtung des Zugverhal
tens.
Um drei Jahre des Lebens betrogen
Zwei Opfer der NS-Zwangsarbeit erzählen über ihr bitteres Schicksal
BLUDENZ: Maria Hummer und
Nikolaus Telitschko gehören zu je
nen Menschen, die eine bittere Ju
gend als NS-Zwangsarbeiter in Vor
arlberg verbrachten. In Viehwag
gons wurden sie von der Ukraine
hierhergeschleppt. Isolation und
härteste Arbeit haben sie durchlit
ten. Dass sie nun mit lächerlichen
20 000 Schilling für diese Schmach
abgespeist werden sollen, ist für sie
mehr als nur enttäuschend.
Marianne Weiermeier
In Viehwaggons wurden sie 1942
von der Ukraine nach Vorarlberg
verschleppt. 16 waren sie damals,
die heute 76-jährige Maria Hummer
und der 75-jährige Nikolaus Te
litschko. «Wir wussten nicht, wo es
hingeht.» Er kam in ein stachel-
drahtumzäuntes Lager nach Silber
tal bei Schruns. Sie in ein umzäuntes
Gelände bei Schlins. «Frauen ka
men und haben uns ausgesucht, wie
am Viehmarkt», erinnert sich Maria
Hummer. Sie wurde einem bäuerli
chen Betrieb in Schlins zugewiesen.
Arbeiten habe sie müssen wie ein
Mann. Kein freier Tag war ihr
gegönnt. Aber als schlimmste Erin
nerung an ihre NS-Zwangsarbeiter-
jahre in Vorarlberg tauchen vor der
76-jährigen Maria Hummer immer
wieder die Bilder auf, wie sie auch
Haustiere schlachten musste. «Das
Schwein musste ich selbst erschies-
sen.» Der Arbeitstag begann mor
gens um vier Uhr und endete spät
am Abend, oft erst um 23 Uhr. Aber
im Gegensatz zu Nikolaus Telitsch
ko bekam sie wenigstens genug zu
Essen. Er musste sich im Lager im
Silbertal mit dünner Krautsuppe
und Brot begnügen. Und auch da
von gabs nicht genug für den jungen
Burschen, der beim GUterwegebau
härteste Arbeit leisten musste, Der
Monatslohn von sieben Reichsmark
reichte gerade aus, um ein Kilo
gramm Brot im Schwarzhandel zu
erwerben. Nie, nicht ein einziges
Mal kam er in diesen drei Jahren un
ter die Bevölkehing. Nach Schruns
Wäre er gerne einmal. ; gegangen.
Aber für die jungen Burschen gab
es keinen Ausgang. •
Als diese dreijährige Schmach
1945 ihr Ende fand, hat Nikolaus Te
litschko nicht gewusst, wo er nun
hin soll;!«Ich hatte kein Geld, um
nach Hause zu fahren. Auch bin ich
während des Kriegszusammen-
bruchs noch schwer erkrankt, war
frisch operiert. Ich bin ganz allein
dagestanden.» Bei einem Bauern im
Silbertal fand er Arbeit und Unter
kunft. Maria Hummer ist ebenfalls
in Schlins geblieben, hat dort gehei
ratet. Dass das Erlittene, die verlo
renen Jugendjahre niemals mit
Geld wieder gutzumachen sind, des
sen sind sich Maria Hummer und
Nikolaus Telitschko bewusst. Aber
die Nachricht, dass die Nazi-Opfer
Entschädigung erhalten sollen, war
für sie dennoch Genugtuung. Umso
grösser war dann die Enttäuschung,
als sie hörten, dass sie davon ausge
nommen werden sollen. Ihr Mandat
erfasse österreichische Staatsbür
ger, die in das hiesige Sozialnetz ein
gebunden seien, voraussichtlich
nicht, liess die zuständige Regie
rungsbeauftragte Dr. Maria Schau
mayer den Bludenzer Rechtsanwalt
Dr. Anton Tschann Anfang März
dieses Jahres wissen. Er nämlich will
dafür kämpfen, dass nicht nur Maria
Hummer und Anton Telitschko,
sondern auch andere Betroffene im
Rahmen derfreiwilligen Entschädi-
gungszahlurigen durch die öster
reichische Regierung eine angemes
sene Abgeltung erhalten. Das Bun
deskanzleramt in Wien hat nun auf
Anfrage vergangenen freitag mit
geteilt, dass im Gesetzesentwurf für
den Versöhnungsfonds nun doch
auch jene Zwangsarbeiter erfasst
sind, die inzwischen die österreichi
sche Staatsbürgerschaft erworben
haben. «Vorbehaltlich des Parla
mentsbeschlusses», schränkt der zu
ständige Sachbearbeiter ein. Aber
selbst damit will sich Dr. Tschann
nicht zufrieden geben. Es sei nicht
einzusehen, dass seine Mandanten
um 15 000 Schilling weniger bekom
men sollen als Industriezwangsar
beiter. Es gehe ihm in dieser Sache
nicht ums Geld, betont der Anwalt.
Seine Mandanten - inzwischen sind
es an die zehn - haben nur bei Er
folg ein vereinbartes Honorar zu
bezahlen. Noch sei der Zeitpunkt
vorhanden, um gegen die geplante
Regelung anzukämpfen, betont
Tschann. Das derzeit im Entwurf
vorhandene Gesetz zur Einrichtung
des «Versöhnungsfonds» soll im
Sommer im österreichischen Natio
nalrat verabschiedet werden. Rund
sechs Milliarden Schilling werden in
den Versöhnungsfonds fliessen, aus
dem rund 150 000 Personen ent
schädigt werden sollen.
Gleichbehandlung für
Zwangsarbeiter
Der Bludenzer Rechtsanwalt Dr.
Anton Tschann will nicht gelten las
sen, dass bei der Opfer-Entschädi
gung zwischen Industrie- und Land-
wirtschaftsarbeitera unterschieden
werde. Für erstere ist ein Betrag von
35 000 Schilling, für letztere ein Be
trag von 20000 Schilling vorgese
hen. Die höhere Entschädigungs
summe für Industriezwangsarbeiter
wurde im Bundeskanzleramt damit
begründet, dass diese Menschen ei
ner ständigen Gefahr von Bombar
dements ausgesetzt gewesen seien,
ihnen es aber verboten wurde, den
Luftschutzkeller aufzusuchen. Ne
ben der Gleichbehandlung fordert
Anwalt Tschann aber für seine Man
danten pro Person eine Entschädi
gungssumme von 360 000 Schilling,
das entspräche einem Stundenlohn
von 36 Schilling für zehntausend
Stunden (drei Jahre) Zwangsarbeit.
«20 000 Schilling für gestohlene drei
Jahre ist schlichtweg erbärmlich»,
meint Tschann und verweist auf
Deutschland, wo für 55 Wochen
105000 Schilling bezahlt wtlrden.
Sein Appell: «Historiker und Opfer
anwälte sollten sich zusammen-
schüessen. Es macht keinen Sinn, wenn
einzelne Historiker Anwälte öffent
lich diffamieren. Sie übersehen, dass
nicht sie, sondern die Anwälte es wa
ren, die die Öffentlichkeit mobili
sierten und die Regierungen zwan
gen, sich mit der Zwangsarbeiter
frage auseinanderzusetzen», vertei
digt Tschann seinen Berufisstand.
rbeiter-Opfer Maria Hummer und Nikolaus Telitschko berichteten über ihr Schicksal (Foto:Weiermeier)