Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Inland 
Freitag, 21. Januar 2000 3 
LKW bald eine Aktiengesellschaft 
Liechtenstein vor der Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes - Regierung beantwortet FBPL-Interpellation 
Im Zuge der anstehenden Libera 
lisierung des Elektrizitätsmarktes 
müssen auch für die Liechtenstei 
nischen Kraftwerke (LKW) recht 
liche Vorkehrungen getroffen 
werden. In ihrer Stellungnahme 
zu einer FBPL-Interpellation ver 
tritt die Regierung nun die Auf 
fassung, dass die LKW zukünftig 
«in der Rechtsform einer Aktien 
gesellschaft zu führen sind». 
Manfred öhri 
Bis Ende Mai 2000 haben die EFTA/ 
EWR-Staaten die Elektrizitätsbinnen- 
markt-Richtlinie der Europäischen 
Union, die den vorläufig letzten Schritt 
zur Liberalisierung des Strommarktes 
darstellt, in nationales Recht umzuset 
zen. Liechtenstein hat sich allerdings 
vorsichtshalber eine zusätzliche Frist 
von zwei Jahren - also bis Ende Mai 
2002 - ausbedungen, wie aus dem so 
eben publizierten Bericht der Regie 
rung zu einer Interpellation der FBPL- 
Landtagsfraktion hervorgeht. Nicht 
ausgeschlossen ist zudem, dass noch ei 
ne weitere Ausnahmemöglichkeit bean 
sprucht wird. 
Gesetze in Ausarbeitung 
Die Interpellanten verlangten von 
der Regierung vor allem Auskunft dar 
über, welche Konzepte sie bei der Li 
beralisierung des Elektrizitätsmarktes 
verfolge und welche Rahmenbedin 
gungen und Begleitmassnahmen sie 
vorschlage. Nachdem offensichtlich 
noch vieles in Abklärung ist, fielen 
auch die Antworten entsprechend vage 
aus. Nach Auskunft der Regierung wird 
derzeit eine Studie über mögliche Stra 
tegien für die Stromversorgung Liech 
tensteins für die kommenden 20 Jahre 
ausgewertet, die von der Prognos Basel 
erstellt worden war. Die daraus gewon 
nenen Erkenntnisse sollen in die Erar 
beitung des Elektrizitätsmarktgesetzes 
einfliessen. Die Regierung rechnet 
gemäss eigenen Angaben damit, dass 
die Gesetzesvorlage - voraussichtlich 
gleichzeitig mit einer Vorlage über die 
Nach Auffassung der Regierung sind die Liechtensteinischen Kraftwerke (LKW) inskünftig in der Rechtsform einer Aktienge 
sellschaft zu führen - zumindest in den Bereichen Stromproduktion und Stromhandel/Import. (Bild: Brigitt Risch) 
Teilprivatisierung der LKW - im Ver 
laufe dieses Jahres dem Landtag vorge 
legt werden könne. Bei der Planung sei 
jedoch zu berücksichtigen, dass ein 
sachlicher und somit auch zeitlicher 
Zusammenhang mit der entsprechen 
den Entscheidung in der Schweiz be 
stehe. 
Etappenweise Öffnung 
Was die Vorbereitungen zur Öffnung 
des Strommarktes betrifft, so liegen 
noch keine inhaltlichen Beschlüsse der 
Regierung vor. Die Richtlinie verlangt 
eine Mindestöffnung in Schritten. Die 
Mindestöffnungsquote wird etappen 
weise über einen Zeitraum von sechs 
Jahren erhöht, so dass im siebten Jahr 
eine vollständige Liberalisierung ein 
tritt. Die Richtlinie überlässt es aller 
dings den Mitgliedstaaten, über diese 
Mindestvorgaben hinaus eine schnelle 
re Gangart der Liberalisierung einzu 
schlagen. 
Laut Regierung ist zwar davon auszu 
gehen, dass eine rasche vollständige 
Marktöffnung allen Verbrauchern Vor 
teile bringen würde. Unter dem Ge 
sichtspunkt eines reibungslosen und 
störungsfreien Übergangs von der Mo 
nopolversorgung zu einem liberalisier- 
ten Markt würden jedoch gewichtige 
Gründe für eine etappenweise, sich 
zunächst auf wenige Strom-Grossver- 
braucher erstreckende Öffnung des 
Elektrizitätsmarktes sprechen. Der 
wichtigste Grün«! betreffe die Notwen 
digkeit einer gewissen «Synchronisie 
rung» der Abläufe mit der Schweiz. Man 
werde dennoch bemüht sein,heisst es im 
Bericht, eine Etappierung so knapp wie 
möglich zu halten, um auch die Klein 
konsumenten in den Genussder «besse 
ren Markteffizienz» zu bringen. 
Die LKW bald als AG 
Unabhängig vom Tempo der Mark 
töffnung erachtet die Regierung eine 
Umstrukturierung aller von den LKW 
gegenwärtig wahrgenommenen Akti 
vitäten und Verantwortlichkeiten für 
notwendig. Sie vertritt diesbezüglich 
die Meinung, dass die Liechtensteini 
schen Kraftwerke als zukünftig am frei 
en Markt tätiger Stromlieferant in der 
Rechtsform einer Aktiengesellschaft 
geführt werden sollen - zumindest für 
die Bereiche Stromproduktion und 
Stromhandel/Import. Beim Verteilnetz 
handle es sich auch in Zukunft um ein 
Monopol mit der-Funktion der Grund 
versorgung (service public), der nicht 
ohne weiteres die Organisationsform 
einer privaten AG entspreche. «Es stellt 
sich die Frage», schreibt die Regierung 
hierzu, «ob eine weitere Struktur neben 
den privatisierten LKW für den Netz 
bereich ungeachtet der Kleinheit des 
Marktes geboten ist.» Diese Frage sei 
noch in Abklärung. 
Ein Fiasko vermeiden 
Den FBPL-Abgeordneten ist es ein 
grosses Anliegen, bereits im Vorfeld si 
cher zu stellen, dass die Umsetzung der 
EU-Richtlinie «besser durchdacht, we 
niger übereilt und professioneller ange 
gangen wird». Ein Fiasko, wie man dies 
bei der Liberalisierung des Telekom- 
munikationsmarktes erlebt habe und 
noch immer erlebe, müsse unter allen 
Umständen vermieden werden, hielten 
sie in der Begründung ihrer Interpella 
tion fest. Energie sei schliesslich eine 
• Schlüsselgrösse in Wirtschaft und Ge 
sellschaft. 
Während bei derTelefonie die Eigen 
ständigkeit Liechtensteins im Vorder 
grund stehe, so die Regierung hierzu, 
«wird es durch die Liberalisierung des 
Elektrizitätsmarktes möglich, dass 
liechtensteinische Endverbraucher 
ihren Bedarf nicht mehr ausschliesslich 
bei den an die Nordostschweizerischen 
Kraftwerke gebundenen LKW decken 
müssen, sondern im Prinzip ihren 
Stromlieferanten frei wählen können». 
Damit profitiere der einzelne Kunde 
vom bestehenden reichlichen Angebot 
an billigem Strom von verschiedenen 
Lieferanten, die ihre Lieferungen ins 
liechtensteinische Netz leiten würden, 
ist die Regierung überzeugt. 
Neueinrichtungen nötig 
. Der Übergang von bisher einem auf 
eine Mehrzahl von Lieferanten ändere 
dabei nichts an der Struktur, Funktion 
und Auslastung des Netzes. Es seien le 
diglich zusätzliche Einrichtungen - auf 
Schweizer und Liechtensteiner Seite - 
erforderlich, die es ermöglichten, die 
den Netzbetreibern NOK und LKW zu 
kommenden Durchleitungsentgelte 
den jeweiligen Lieferungen zuzurech 
nen, um eine zuverlässige Lieferen ten- 
bzw. Kundenfakturierung sicherzustel-. 
len. Die Bereitstellung dieser zusätzli 
chen Einrichtungen sei die Bedingung 
für einen reibungslosen Ablauf der Li 
beralisierung, bemerkt die Regierung. 
Liberalisierung des 
Elektrizitätsmarktes 
«Die Strommarktliberalisierung», so 
hält die Regierung in ihren allgemei 
nen Erläuterungen zu einer entspre 
chenden FBPL-Interpellation unter 
anderem fest, «stellt für die Unter 
nehmungen der Elektrizitätsbranche 
eine grosse Herausforderung dar und 
wird begleitet von tiefgreifenden Re- 
strukturierungen. Strom wird zuneh 
mend zu einer Handelsware, was sich 
im Wesentlichen in der Öffnung der 
Elektrizitätsnetze für Dritte begrün 
det. Die monopolistische Gebietsver 
sorgung wird abgelöst durch ein völlig 
voneinander getrenntes System mit 
Netzdienstleistungen einerseits und 
dem Stromhandelsgeschäft anderer 
seits. Es wird also künftig unter be 
stimmten Voraussetzungen möglich 
sein, von einem frei wählbaren Anbie 
ter den Strom zu beziehen, der dann 
unter Entrichtung einer angemesse 
nen Entschädigung für Netzdienst 
leistungen und Durchleitungsrechte 
von den Netzbetreibern zum Kunden 
gebracht wird. 
Diese Entwicklung bringt Bewe 
gung in die Strompreise, weil di? di 
rekte Konkurrenzsituation zwischen 
den verschiedenen Kraftwerksbetrei 
bern in Kombination mit den derzeit 
noch vorhandenen Überkapazitäten 
zu einem tendenziell sinkenden 
Strompreis führt. Diese Entwicklung 
wird , von den Unternehmungen der 
Elektrizitätswirtschaft mit Effizienz 
gewinnen zu kompensieren versucht, 
was unter anderem mit einem fest 
stellbaren Trend zu Unternehmens 
konzentrationen augenfällig ist.» 
Unterschiedliche Auswirkungen 
Die LKW und die Liberalisierung des Strommarktes 
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Wie wirkt sich die Liberalisierung des 
Strommarktes im Europäischen Wirt 
schaftsraum und in der Schweiz auf 
die Liechtensteinischen Kraftwerke 
(LKW) aus? Wie schätzt die Regierung 
in diesem Zusammenhang die Konkur 
renzfähigkeit der LKW ein? 
Die Liberalisierung des Strommarktes 
wirkt sich, so die Regierung zu diesen 
Fragen einer FBPL-Interpellation, ent 
sprechend den verschiedenen Tätig 
keitsfeldern der LKW als Produzent, 
Händler/Importeur und Netzbetreiber 
unterschiedlich aus: 
• Als Produzent: im Unterschied zu an 
deren Produzenten im EWR und in der 
Schweiz besteht in Liechtenstein das 
Problem der sogenannten nicht amorti 
sierbaren Investitionen nicht. Von da 
her gibt es somit für die LKW, die rund 
ein Viertel des gegenwärtigen Strom 
verbrauches des Landes selbst erzeu 
gen, keine Probleme. Im Unterschied zu 
anderen Ländern gibt es in Liechten 
stein keine sogenannten «stranded In 
vestments». 
Den Wettbewerb anderer Lieferanten 
im zukünftig freien Markt brauchen die 
LKW als Erzeuger von hydraulischem 
Strom nicht zu fürchten, da sie konsum 
nah produzieren und keine Durchlei 
tung durch das Netz der NOK benöti 
gen. Würden sich die Marktverhältnisse 
entgegen aller Erwartungen derart ent 
wickeln, dass die Wettbewerbsfähigkeit 
des heimisch erzeugten Stromes in Fra 
ge gestellt wäre, dann könnten entspre 
chende finanzielle Mittel aus dem Er 
trag der im gemeinsamen Zollgebiet 
Schweiz-Liechtenstein zu erwartenden 
Lenkungsabgabe.Abhilfe schaffen. 
Die Regierung prüft angesichts der 
Umstrukturierung und der damit zu 
sammenhängenden wettbewerbsrecht 
lichen Fragen die Notwendigkeit der 
Erhebung einer Konzessionsgebühr für 
die Nutzung der einheimischen Wasser 
kraft. 
• Als Händler/Importeur: Die gegen 
wärtigen Stromlieferungen des «Mono 
polisten» LKW stammen zu drei Viertel 
aus Importen, die die LKW im Rahmen 
eines Exklusivvertrages von den NOK 
beziehen. Nach Massgabe des Grades 
der Liberalisierung (etappiert oder 
vollständig) werden die LKW im 
zukünftigen liechtensteinischen Elek 
trizitätsmarktgesetz von der exklusiven 
Abnahmepflicht auf der Basis des Ver 
trages mit den NOK freizustellen sein. 
Damit werden sie in die Lage versetzt, 
die aus der Monopolklausel freigewor 
denen Mengen zum jeweiligen Wettbe 
werbspreis am freien Markt - ein 
schliesslich der NOK - einzukaufen. 
• Als Netzbetreiber: Als Netzbetreiber 
sind die LKW unter den Bedingungen 
des liberalisierten Marktes verpflichtet, 
ihr Netz für andere Stromimporteure 
zu öffnen (Durchleitungspflicht). Das 
für die Durchleitung erhobene Entgelt 
muss transparent und diskriminie 
rungsfrei sein. 
Mit der Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes wird Strom auch in Liechtenstein 
zunehmend zu einer Handelsware. (Archivbild)
	        

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