20 Montag, 29. Mai 2000
Kultur
Liechtensteiner Volksblatt
Nachrichten
Erste Trienale der
Skulptur eröffnet
BAD RAGAZ: Mit einem grossen Fest ist am
Sonntagnachmittag im st. gallischen Kurort Bad
Ragaz die erste schweizerische TVienale der
Skulptur eröffnet worden. 48 Künstler aus sie
ben Ländern stellen 180 Werke aus. Eröffnet
wurde die Skulpturenausstellung vor einem
rund 2000-köpfigen Publikum vom einheimi
schen Initianten und Kunstmäzen Rolf Hoh-
meister und der Zürcher Kunsthistorikerin
Valeria Jakob Tschui. Die Werke mit einem Ver
sicherungswert von 55 Mio. Franken sind im
ganzen Dorf aufgestellt. Der Rundgang misst
vier Kilometer. Die Ausstellung steht unter dem
Motto «Plätze - Menschen - Begegnungen».
Wie Hohmeister sagte, soll die Kulturarbeit auf
den Plätzen dem Kampf gegen Schnelllebigkeit,
Oberflächlichkeit und Gleichgültigkeit Aus
druck verleihen. Die Kunstwerke sollen die
Menschen zum Verweilen, Schauen und Disku
tieren einladen.
Schweizer Autorin
ausgezeichnet
MEERSBURG: Die Schweizer Autorin Helen
Meier ist am Sonntag mit dem Meersburger
Droste-Preis ausgezeichnet worden. Die 71-
jährige Schriftstellerin nahm den mit 10 000
Mark dotierten Preis zum Abschluss der Dro
ste-Tage der Bodensee-Stadt im Alten Schloss
entgegen. Mit den Droste-Tagen gedenkt
Meersburg jedes Jahr der Dichterin Annette
von Droste-Hiilshoff (1797-1848), die in ihren
letzten zwei Lebensjahren im Meersburger
Schloss gearbeitet hat und dort auch gestorben
ist. Der von einem privaten Stifter-Kreis getra
gene Droste-Preis wird alle drei Jahre an eine
deutschsprachige Schriftstellerin verliehen. Die
aus St. Gallen stammende diesjährige Preisträ
gerin Helen Meier lebt in Trogen. Sie verfasste
bisher fünf Erzählbände, zwei Romane und ein
Theaterstück. Die ehemalige Dorfschullehrerin
gilt als eine der wichtigsten Schweizer Gegen
wartsautorinnen.
17. Int. Comix-Festival
Siders
S1DERS: Die 17. Auflage des Internationalen
Comix- Festivals von Siders hat am Sonntag ih
re Türen geschlossen. Während vier Tagen ha
ben insgesamt 44 000 Besucherinnen und Besu
cher das Festival besucht. Die Veranstalter be-
zeichen den Publikumsaufmarsch als «besser als
vorgesehen». Laut Festival-Direktor Philippe
Neyroud sei der Andrang vor allem am Sonntag
sehr stark gewesen. Ebenfalls positiv ausgefal
len ist die wirtschaftliche Bilanz des Festivals.
«Die Künstler konnten am Samstag ihre Werke
mit Erfolg verkaufen», sagte Neyroud. Das
Festival hatte am Donnerstag seine Türen
geöffnet. Der Anlass für Comix-Freaks aus dem
In- und Ausland stand dieses Jahr im Zeichen
des Sports. Nach fünfjährigem Unterbruch wa
ren - zur Freude des Publikums - wieder Zei
chentrickfilme zu sehen sein. Das nächste Co
mix-Festival in Siders wird vom 14. bis 17. Juni
2001 stattfinden und im Zeichen der Wissen
schaft stehen. Das Festival in Siders gilt nach
dem französischen Festival in Angouleme als
zweitgrösstes Comix-Festival Europas.
Verborgene Schätze der
Benediktinerinnen
SÄCHSELN: Das Museum Bruder Klaus in
Sachsein zeigt bis am 15. Juli Schätze aus der
Benediktinerinnen-Abtei St. Andreas. Es ist das
erste Mal, dass ein Teil der weit verstreuten Kul
turgüter öffentlich zugänglich gemacht werden
kann. Das Frauenkloster war 1325 im Beisein
von Königin Agnes von Ungarn in Engelberg
gegründet worden. 1615 wurde es aus Macht
kalkül aufgelöst. Der Kanton Obwalden, zu
dem Engelberg damals noch nicht gehörte,
nahm die Nonnen auf. Die Benediktinerinnen
liessen sich in Samen nieder. Im 19. und 20. Jahr
hundert waren sie vor allem als Lehrerinnen
tätig. Trotz seiner kulturgeschichtlichen Bedeu
tung ist das Kloster in der Zentralschweiz nur
wenig bekannt. Die am Sonntag eröffnete Aus
stellung im Museum Bruder Klaus will dazu ein
Gegengewicht setzen. Gezeigt werden etwa Bil
der, Votivtafeln, Glasgemälde,Textilien und Ge
schirr aus dem Kloster. Viele dieser Schätze, die
von einem von Beten und Arbeit geprägten Le
ben zeugten, seien bisher noch nie in Obwalden
zu sehen gewesen, schreiben die Ausstellungs
macher. Die Gegenstände waren bislang hinter
den Klostermauern verborgen oder gelangten
aus den unterschiedlichsten Gründen in andere
Landesteile.
Das lässt sich hören!
Jugendsinfonietta und Flötenchor mit einem Konzert im Eschner Gemeindesaal
Ein Orchester mit über 50 Ju-
gendlichen, die «Jugendsinfo
nietta Liechtenstein» der Mu
sikschule unter der Leitung
von Helga Frommelt-Torkos
und der «Flötenchor der Mu
sikschule» (Leitung Hossein
Samiejan) gaben am Samstag
abend im Gemeindesaal
Eschen ein Konzert mit einem
anspruchsvollen wie auch un
terhaltsamen Programm.
Gerolf Hauser
Im Mittelpunkt des Konzerts stand
die Aufführung eines Werkes des
Triesenberger Komponisten Marco
Schädler mit dem Titel ««Sinfoniet-
ta in vier Sätzen», das er im Auftrag
von Josef Frommelt geschrieben hat
und das nach der einleitenden
«Ouverture classique» von Mozart
uraufgeführt wurde.
Grossartig gemeistert
Dieses Konzert sei, sagte Musik
schuldirektor Josef Frommelt, die
letzte Vorbereitung für die Konzer
treise der Jugendsinfonietta und des
Querflötenensembles nach Trond-
heim in Norwegen, wo vom 31. Mai
bis zum 4. Juni das 6. Internationale
Musikfestival der Jugend stattfin
det, an dem aus ganz Europa ange
reiste junge Musikerinnen sich zum
gemeinsamen Musizieren und Kon
takte Knüpfen treffen. Es ist schon
bewundernswert, diese Jugendsin
fonietta zu hören. Vor allem, wenn
man weiss, wie viel Üben für jede/n
Einzelne/n und wie viele gemeinsa
me Proben als Voraussetzung für ei
ne solche Darbietung dahinter
stecken. Die raffinierten Klangzu
sammenstellungen von Marco
Schädler, die er mit im Triesenber
ger Dialekt gehaltenen Titeln über
schrieb und die wahrlich nicht nur
Unter der Leitung von Helga Frommelt-Torkos gab die Jugendsinfonietta am Samstag in Eschen ein Konzert.
einfach zu spielen sind, wurden von
der Jugendsinfonietta grossartig ge
meistert. Sei es das «Verddummadi»
(was man mit Einnicken oder Ein
dösen übersetzen könnte), bei dem
sich in einen sanft wellenden Strei
cherteppich kurze Melodiephrasen
verschiedener Bläser einweben; sei
es das «Nappatätschi» (Abschlagen
beim Fangenspielen), das mit aufge
regten Rhythmen, die gewaltige
Bläsereinwürfe zu glätten sich
bemühen, aufwartet; das «Bildarar-
beiglati» (vielleicht «Zahnfleisch
kneten», aber eigentlich unüber
setzbar), das mit Glockenklang wie
eine idyllische Morgenstimmung
über einer, nebeligen Landschaft
aufscheint oder das «Angatäller»
(Kinderschreck), ein Hüpfen und
Springen voller Fröhlichkeit und
auch Schrecken mit jazzartigen Ein
würfen - es macht einfach Spass,
dieser grossartig gespielten Musik
zuzuhören.
Solistische Qualitäten
Der Querflötenchor unter der Lei
tung von Hossein Samiejan bot fünf
«Ohrwurmstücke». Zu Beginn drei
Stücke aus der Suite «Aus Holbergs
Zeit» des norwegischen Komponis
ten Edvard Grieg, als Hommage an
das Gastland Norwegen, wo auch
der Querflötenchor beim Jugendfes
tival auftreten wird. Bei dem folgen
den Air von J.S. Bach, die von diesem
Ensemble schon oft zu hören war,
hätte der Leiter zum Neueinstim
mern abbrechen sollen. So spielte
der Flötenchor, wie gewohnt, sehr
souverän, aber... Grossartig spielten
die jungen Flötistinnen den «Unga
rischen Tanz Nr. 5» von Brahms, die
«Zigeunerweisen» von Sarasate und
Rimskij-Korsakovs «Hummelflug»
(alles schon öfter vorgetragene
Stücke). Dieses Ensemble zeigt je
de/n Einzelne/n mit solistischen
Qualitäten und «grossen Ohren»für
das gemeinsame Spielen. Den Ab
schluss gestaltete die Jugendsinfo
nietta mit der Musik zum Film «Der
Prinz von Ägypten» von Stephen
Schwarz, einem schwachen Konglo
merat aus Orient, Klassik und Wild
westfilmmusik, dem «Bacchanale»
aus der Oper «Samson und Dalilah»
von Camille Saint-Saens und dem
Musical-Medley aus «Miss Saigon».
Man muss sie mögen die Musicalmu
sik - wie auch immer, die Jugendsin
fonietta, ausgezeichnet einstudiert
und geleitet von Helga Frommelt-
Torkos, spielte sehr gut und kann sich
in Trondheim sehen und hören las
sen. Gute Reise und viel Erfolg für
beide Gruppierungen beim Musik
festival der Jugend in Trondheim!
Copacabana in der Tangente
Gitarren-Genuss mit dem Brasilianer Alegre Correa und Michael Langer
Nachdem die Handverletzung des
Gitarristen Michael Langer verheilt
ist, konnte die Tangente am Freitag
abend das ursprünglich für März
vorgesehene Konzert mit dem
«Michael Langer-Alegre Correa
Duo» durchführen - «eine zweite
Chance», wie Michael Langer sagte.
Gerolf Hauser
Groove-Guitar-Night war das Mot
to des Abends, überschrieben mit
«Michael Langer-Alegre Correa
Duo». Tatsächlich aber war es ein
Alegre Correa-Abend, eine span
nende Mischung aus Klassisch bis
Brasilianisch und Fingerstyle bis
Jazz mit Michael Langer als Beglei
tung.
Verkappter E-Gitarrist
Der österreichische Gitarrist
Michael Langer bestritt den ersten
Set des Abends, vor allem mit Ei
genkompositionen, mit dem elek
trisch verstärkten, aber mit der klas
sischen Gitarren-Technik gespiel
ten Instrument. Es war softige U-
Musik, nicht sehr spannend, eher
langatmig. Vielleicht liegt es daran,
dass er, wie er selbst sagt, ein ver
kappter E-Gitarrist sei, der mit 14
und 15 Jahren in schwarzer Leder
jacke rockige Musik gemacht habe,
dann aber ganz der klassischen Mu
sik verfallen sei. Erst später sei die
se jetzt vorgetragene poppige Mi
schung entstanden. Und die war
nicht gerade umwerfend, eben nicht
Fisch noch Fleisch.
Diese Rhythmen!
Ganz anders dagegen der aus
Brasilien stammende Alegre Cor
rea, der den zweiten Set bestritt.
Da wurden Lebenslust und Le
bensfreude, da wurden Brasilien,
die Copacana lebendig. Alegre
Correa ist ein echter Multiinstru-
mentalist, spielt Gitarre, Cavaquin-
ho, Perkussion, Berimbau - und er
singt.
Und wie! Grossartig diese wun
derbar weiche Stimme, mit der er
Bossa Nova auf die Bühne zaubert,
die herrlichen Gitarrenakkorde, mit
denen er sich selbst begleitet, diese
«unreinen» Akkorde, die durch Er
weiterung, Verminderung oder Er
höhung den Klanggenuss steigern
und die so typisch für Lateinameri
ka sind, das Scat-Singen, also das
Singen auf Silben, parallel, d.h. uni
sono mit der auf der Gitarre ge
spielten Melodie - und dann diese
Rhythmen, die bei Alegre Correa
ganz natürlich, ungezwungen und
frei, wie von selbst einfach «laufen».
Da ist nichts Erzwungenes, nichts
Verkrampftes; das ist einfach Mu
sik, die nicht aufgesetzt ist, sondern
mit der Correa lebt. Und dann
plötzlich eine völlig veränderte
Stimme, die das Amazonasgebiet
herbeizaubert, als er ein «Indiolied»
vorträgt und sich auf dem einsaiti
gen Berimbau begleitet.
Improvisationskunst
Den dritten und letzten Teil des
Abends spielten Alegre Correa und
Michael Langer zusammen. Da gab
es Stücke für Gitarre und Perkussi
on und für zwei Gitarren, Eigen
kompositionen und Cover-Versio
nen, z.B. das «Fragile» von Sting
oder «Man in the Mirror» von Mich
ael Jackson - gut ausgearbeitete
und durcharrangierte Versionen,
fast kontrapunktisch, aber groovig
mit grossen Improvisationsphasen
dazwischen. Eines muss man Mich
ael Langer zugestehen: Er weiss um
das Können von Alegre Correa.
Und so überliess er zu 90 Prozent
ihm das Solieren, das Improvisie
ren. Zu Recht, denn Correa, den
Langer sehr gut begleitete, ist ein
hervorragender Improvisateur. Da
spürt man seine Mitarbeit im
berühmten Vienna Art Orchestra.
Der österreichische Gitarrist Michael Langer bestritt den erstell Set des Abends.
(ßild: Ingrity