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Liechtensteiner Volksblatt
Ausland
Dienstag, 4. Januar 2000 17
N A C HR I C H T E N
Untergrundorganlsatlon
stoppt Selbstauflösung
BERLIN: Die fundamentalistische algerische
Untergrundorganisation Islamische Armee des
Heils (AIS) hat mit der Wiederaufnahme des
bewaffneten Kampfes gedroht und ihre bereits
eingeleitete Selbstauflösung vorerst gestoppt.
Dies verkündete die Auslandvertretung der ver
botenen Islamischen Heilsfront (FIS) in einer
Erklärung, die am Montag im Berliner Büro der
Nachrichtenagentur AFP einging. Die AIS ist
der bewaffnete Arm der FIS. Zur Begründung
heisst es in der Erklärung, die algerische Regie
rung halte sich nicht an die getroffenen Verein
barungen. Beispielsweise habe sie entgegen al
len Absprachen den 200 Kämpfern, die Mitte
Dezember ihre Waffen niederlegten und den
Untergrund verliessen,die bürgerlichen Rechte
nicht wieder zuerkannt. Die FIS rief den algeri
schen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika auf, al
les in seiner Macht Stehende zu unternehmen,
um den eingeleiteten Friedensprozess «zu ei
nem glücklichen Ende zu führen». Wenn die
Vereinbarungen nicht eingehalten würden,
«kann dies uns an den Ausgangspunkt zurück
führen, was Gott verhüten möge», heisst es wei
ter in der Erklärung. Bereits in der vergangenen
Woche hatte ein AIS-Anführer damit gedroht,
die Selbstauflösung der Untergrundgruppe zu
stoppen, falls die algerische Armee und die
Behörden nicht ihre Zusagen einhielten. Die
AIS hält im Prinzip seit dem 1. Oktober 1997 ei
nen Waffenstillstand ein und verkündete im ver
gangenen Juni, ihre Kämpfer endgültig der
staatlichen Kontrolle zu unterstellen. Nach un
terschiedlichen Angaben handelt es sich um 800
bis 3000 bewaffnete Männer.
Putin entlässt Jelzin-
Tochter als Beraterin
MOSKAU: Russlands Übergangspräsident
Wladimir Putin hat am Montag Tatjana Djat-
schenko, die Tochter von Boris Jelzin, als Bera
terin im Kreml entlassen. Putin habe einen ent
sprechenden Erlass unterzeichnet, wie die
Nachrichtenagentur Interfax meldete. Djat-
schenko war seit Jelzins Wiederwahl zum Präsi
denten Russlands 1996 die Beraterin ihres Va
ters und galt als eine graue Eminenz im Kreml.
Russische Medien hatten Djatschenko und dem
mit ihr befreundeten Geschäftsmann Boris Be-
resowski grossen Einfluss auf die Entscheidun
gen Jelzins nachgesagt. Zugleich entliess Putin
den bisherigen Sprecher Jelzins, Dmitri
Jakuschkin, sowie die stellvertretenden Verwal-.
tungsleiter, Wladimir Schewtschenko, Waleri
Sementschenko und Wladimir Makarow.
Schewtschenko und Sementschenko seien zu
Beratern Putins ernannt worden, meldete Itar-
Tass unter Berufung auf den Kreml- Presse
dienst. Kreml-Stabschef Alexander Woloschin,
der sein Amt behielt, habe Jakuschkin zum Be
rater der Präsidentenverwaltung ernannt. Jelzin
war am Silvestertag 1999 überraschend zurück
getreten. Bis zur Präsidentschaftswahl im März
wird Putin die Ämter des Regierungs- und
Staatschefs parallel ausüben. Putin werden die
grössten Chancen bei der vorgezogenen Neu
wahl des russischen Präsidenten eingeräumt.
ETA-Mitglieder
festgenommen
BILBAO: Die Polizei hat in Nordspanien drei
mutmassliche Mitglieder der baskischfen Sepa
ratistenorganisation ETA festgenommen. Die
Männer waren gerade dabei, mit einer Auto-
bombe einen Anschlag auf einen Mannschafts
wagen der Guardia Civil vorzubereiten. Dies
teilten die Sicherheitskräfte am Montag mit.
Zwei der Verhafteten wurden am Montag in Ba-
sauri von einer Zivilstreife der Polizei gestoppt.
Sie hatten ein Auto mit Waffengewalt geraubt
und den Fahrer an einen Baum gefesselt. Beide
waren bewaffnet, leisteten aber keinen Wider
stand. In der nahe gelegenen Industriestadt Bil
bao entdeckten Polizeibeamte in einer Woh
nung ein Waffen- und Sprengstoffversteck der
ETA. Sie stellten Granaten, Haftbomben und
Materialen zur Produktion von Sprengsätzen
sicher. Dort wurde ein dritter Verdächtiger fest
genommen.
Offizielle Ermittlungen gegen
Ex-Bundeskanzler Kohl
CDU weist Vorwürfe wegen Fraktionszahlungen zurück
BERLIN: In der Parteispen-
denafföre ermittelt die Staats
anwaltschaft Bonn seit Montag
offiziell gegen den früheren
Bundeskanzler und CDU-Vor-
sitzenden Helmut Kohl. Dies
teilte der Sprecher der Behör
de, Bernd König, mit.
Dem alt Kanzler wird Untreue ge
genüber seiner Partei vorgeworfen.
Wie lange die Ermittlungen gegen
Kohl dauern werden, ist nach Anga
ben der Staatsanwaltschaft offen.
Der Anfangsverdacht der Un
treue stützt sich vor allem auf Kohls
Aussagen, er habe zwischen 1993
und 1998 von anonymen Spendern
1,5 bis zwei Millionen Mark in bar
erhalten und auf Geheimkonten de
poniert.
Der CDU drohen wegen des Ver
haltens Kohls erhebliche Rückzah-
lungs-Forderungen. Dies begründet
auch den Verdacht der Untreue. Die
Partei hat bereits Rückstellungen
von 7,3 Millionen Mark vorgenom
men.
Schäuble in Bedrängnis
Im Zuge der Affäre geriet jetzt
auch Kohls Nachfolger im Amt
des CDU-Parteichefs, Wolfgang
Schäuble, in Bedrängnis. Politiker
der regierenden Sozialdemokraten
(SPD) und Grüne verlangten von
Schäuble, der auch die Parlaments
fraktion der CDU leitet, klare An
gaben über eine Zahlung von 1,15
Millionen Mark der Fraktion an die
Partei 1997.
Das Geld war damals bar der Par
tei übergeben worden und zunächst
in Geheimkassen geflossen. Spen
den von Parlaments-Fraktionen an
eine Partei sind nach dem deut-
Ex-Bundeskanzler Helmuth Kohl (links) und CDU-Parteichef Wolfgang
Schäuble, aufgenommen in Hannover am 22. Oktober. In der Parteispen
denaffäre kommt nach Helmut Kohl nun auch Wolfgang Schäuble zuneh
mend unter Druck. (Bild: Keystone)
sehen Parteien-Gesetz nicht er- Millionen Mark aus der Unions-
laubt.
CDU weist Vorwürfe zurück
Die CDU wies unterdessen Vor
würfe zurück, Zahlungen von 1,15
Bundestagsfraktion an die Partei
seien illegal gewesen. Der Grünen-
Politiker Hans-Christian Ströbele
sprach dagegen von Gesetzesver-
stössen.
Zwei Tote bei Granatanschlag
Russische Botschaft in Libanon angegriffen: Hintergrund zunächst unklar
BEIRUT: Libanesische Sicherheits
kräfte haben am Montag einen An
griff auf die russische Botschaft in
Beirut gewaltsam beendet. Dabei
wurden der Täter und ein Polizist
getötet. Mehrere Personen wurden
verletzt. Eine als Geisel genomme
ne Ftau wurde unversehrt befreit.
Im Botschaftsgebäude selbst gab es
keine Opfer. Der Hintergrund des
Anschlags war unklar. Der russische
Konsul in Beirut bezeichnete den
Zwischenfall als «gezielten Angriff
auf die Botschaft». «Das Bot
schaftsgebäude wurde gezielt unter
Beschuss genommen», sagte Konsul
Igor Milowidow.
Nach Informationen des staatli
chen libanesischen Fernsehens han
delte es sich beim getöteten At
tentäter um einen Palästinenser, der
«als Märtyrer für Grosny» sterben
wollte. Darauf weise ein Schreiben
hin, das er in seiner Tasche gehabt
habe. Für eine solche Verbindung
zum Krieg im Kaukasus gab es bis
Montagnachmittag keine offizielle
Bestätigung.
.Weiträumig abgesperrt
Die Granaten wurden gegen
12.45 Uhr Ortszeit (11.45 Uhr
MEZ) von einer Baustelle abgefeu
ert, die 20 Meter entfernt von der
Botschaft auf der anderen Strassen-
seite liegt. Demnach wurde nicht
nur die diplomatische Vertretung
beschossen, sondern auch eine Ka
serne der libanesischen Polizei in
der Nachbarschaft.
Anschliessend drangen mehrere
Soldaten und eine Elite-Einheit der
Polizei in das Gebäude gegenüber
der Botschaft ein und töteten den
mutmasslichen Schützen. Libanesi
sche-Sicherheitskreise erklärten, sie
gingen von einem Einzeltäter aus.
Dennoch wurde das Viertel
weiträumig abgesperrt und nach
möglichen Komplizen durchsucht.
Kein Bekennerbrief
Aus libanesischen Sicherheits
kreisen verlautete, dass es sich beim
getöteten Attentäter um einen 30-
jährigeri Palästinenser handle. Aus
ser dem Schreiben, das nach TV-In-
förmationen bei dem mutmassli
chen Schüben gefunden wurde, gab
Der CDU-Obmann im Spenden-
Untersuchungsausschuss, Andreas
Schmidt, äusserte die Erwartung,
bei dem Ermittlungsverfahren ge
gen Kohl würden keine strafbaren
Handlungen des Ex-Kanzlers her
auskommen. «Es wird keine Ankla
ge erhoben werden», sagte Schmidt
voraus.
Der Untersuchungsausschuss soll
klären, ob Spenden das Regierungs
handeln in der Amtszeit des CDU-
Ehrenvorsitzenden Kohl als Kanz
ler beeinflusst haben.
Aus der inzwischen von der CDU
vorgelegten Neufassung ihres Re
chenschaftsberichts für 1998 geht
hervor, dass zwischen 1993 und 1998
sogar rund 2,43 Millionen Mark von
«ungeklärter Herkunft» an die Par
tei flössen. Sollte die Staatsanwalt
schaft Anklage gegen Kohl erheben
wollen, müsste der Bundestag dazu
dessen Abgeordneten-Immunität
aufheben.
Keine öffentliche Gelder
Zum Transfer der Fraktionsgel
der an die CDU sagte Schmidt in
der ARD, es handle sich dabei nicht
um öffentliche Mittel. Vielmehr hät
ten CDU-Abgeordnete Beiträge
aus ihrem versteuerten Einkommen
in die Fraktionskasse eingezahlt.
Der Parlamentarische Geschäfts
führer der CSU-Landesgruppe im
Bundestag, Peter Ramsauer, sagte
der «Bild»-Zeitung vom Montag,
die CSU-Abgeordneten hätten mit
den Transaktionen «nichts zu tun».
Es handee sich nur um einen Fonds
der CDU-Abgeordneten». SPD-
Generalsekretär Franz Müntefering
und Grünen- Bundesgeschäftsfüh
rer Reinhard Bütikofer betonten,
dass bei ihnen keine Fraktionsgel
der an die Partei gegangen seien.
Nach dem Anschlag auf die russische Botschaft in Beirut gibt es stren
ge Strassenkontrollen. (Bild: Keystone)
es keinen Bekennerbrief oder ähnli
che Hinweise auf die Täter. Militan
te Moslems haben in der Vergan
genheit in Beirut gegen den Feldzug
Moskaus demonstriert und für die
tschetschenischen Rebellen Geld
gesammelt. Möglicherweise steht
die Tat aber auch in Zusammenhang
mit dem Vorgehen der libanesischen
Armee gegen moslemische Funda
mentalisten im Norden des Landes.
Dabei waren nach amtlichen An
gaben vier Fundamentalisten und
neun Soldaten getötet worden. Min
destens 45 mutmassliche Aufständi- ■
sehe waren verhaftet worden.