Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Inland 
Freitag, 26. Mai 2000 3 
Verkehr: Was erwartet uns bis 2010? 
Szenarien für den grenzüberschreitenden Verkehr - Unterschiedliche Einflüsse von A-13-Ausbau, Letzetunnel und S 18 
Der durchgehende vierspurige 
Ausbau der A13 im Rheintal so 
wie die ab 2001 vorgesehene stu 
fenweise Aufhebung der 28-Ton- 
nen-Limite in der Schweiz werden 
zu einer teilweisen Verlagerung 
jenes Verkehrs führen, der heute 
über Liechtenstein auf die A 13 
fährt. Andererseits hatte der Bau 
des Letzetunnels eine deutliche 
Mehrbelastung des Grenzüber 
gangs Schaanwald/Tisis zur Folge. 
Der Bau der Schnellstrasse S 18 
hätte hingegen nur eine geringe 
Entlastungswirkung für unser 
Land. 
Dies sind die wichtigsten Ergebnisse ei 
ner Studie über die Entwicklung des 
grenzüberschreitenden Verkehrs in der 
Region Liechtenstein-Schweiz-Vorarl 
berg, wie sie gestern an einer Presse 
konferenz von Regierungsrat Norbert 
Marxer und dem Leiter der Stabsstelle 
Verkehrskoordination, Henrik Caduff, 
mitgeteilt wurden. 
Ausgangspunkt der Studie bildete ei 
ne von der Regierung 1998 in Auftrag 
gegebene Untersuchung über Strassen- 
bauprojekte und Verkehrsmassnahmen 
in Osterreich, der Schweiz und im süd 
deutschen Raum sowie deren Auswir 
kungen auf das Verkehrsgeschehen in 
Liechtenstein. Der Auftrag der Regie 
rung für die neue, gestern veröffentlich 
te Studie lautete nun, die zu erwarten 
den Verkehrsveränderungen zu quanti 
fizieren. Nachstehend eine Zusammen 
fassung der Studienergebnisse. 
Was erwartet uns bis 2010? 
In der Studie «Grenzüberschreiten 
der Verkehr» wurden die zu erwarten 
den Verkehrssteigerungen und ihr Ein- 
fluss auf Liechtenstein bis ins Jahr 2010 
anhand von vier verschiedenen Szena 
rien durchgerechnet: 
• keine baulichen Massnahmen; 
• Bau der Bodensee-Schnellstrasse S 
18 zwischen Wolfurt und St. Mar 
grethen; 
• Bau des Letzetunnels als Südumfah- 
rung der Stadt Feldkirch; 
• Bau des Letzetunnels und der S18. 
Dabei wurden jeweils Maximal- und 
Baustein zum 
Gesamtmodell 
Zum neuen Verkehrsmodell hiess es 
gestern: «Zur Untersuchung der 
möglichen Auswirkungen von Let 
zetunnel und S 18 wurde ein Com 
puter-Verkehrsmodell eingesetzt. 
Als Basisdaten dienten Verkehrs 
zählungen aus dem Jahr 1995 sowie 
verschiedene regionale Verkehrs 
studien. Zusätzlich wurden nach 
dem Grundsatz des besten Weges 
bzw. des geringsten Widerstandes 
für einzelne Routen verschiedene 
Widerstandsfaktoren eingegeben, 
bei denen Streckenlänge, Fahrzeit 
und Ausbaustandard, aber auch das 
individuelle Fahrverhalten berück 
sichtigt wurden. Im Normalfall ge 
staltet sich das Fahrverhalten näm 
lich so, dass grössere Umwege auch 
dann nicht in Kauf genommen wer 
den, wenn sie einen zeitlichen Vor 
teil bringen. Andererseits wird bei 
gleicher Fahrzeit oder Streckenlän 
ge normalerweise die besser ausge 
baute Strasse benutzt. 
Das so entstandene Verkehrsmo 
dell «Grenzüberschreitender Ver 
kehr» wird derzeit mit dem bereits 
1998 erstellten Modell «Pendlerver 
kehr» sowie mit dem in Arbeit be 
findlichen Modell «Individualver- 
kehr» zum Gesamverkehrsmodell 
Liechtenstein zusammengeführt. 
Auf diesem Modell lassen sich die 
künftige Verkehrsentwicklung so 
wie die Auswirkungen von geplan 
ten Massnahmen jederzeit simulie 
ren. Es dient als wichtige Grundlage 
für die weiteren Schritte zur Erar 
beitung der Gesamtverkehrskon 
zeption.» 
Regierungsrat Norbert Marxer (links) und der Leiter der Stabsstelle Verkehrskoordination, Henrik Caduff, präsentierten gestern 
die Ergebnisse der Studie «Grenzüberschreitender Verkehr». (Bild: I.D.) 
Ortschaft 
Schaanwald 
Mauren 
Ruggell 
Total 
Szenario 2010 




ohne Massnahmen 
13-19 
62-84 
. 43-64 
22-32 
mit S18 
11-18 
, „37-70 
24-43 
16-27 
mit Letzetunnel 
32-40 
28-53 
28-46 
31-42 
mit S18 und Letzetunnel 
24-35 
24-35 
26-37 
24-36 


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Schaanwald 
Mauren 
Ruggell 
Total 
Basisjahr 1995 
11271 
I 1449 
2322 
15 042 
Szenario 2010 




ohne Massnahmen 
12 708-13 418 
2353-2672 
3309-3806 
18 370-19896 
mit S18 
12542-13258 
1986 - 2464 
2873 -3325 
17 401-19047 
mit Letzetunnel 
14 906-15 799 
1858'-2211 
2966-3382 
19 730-21 392 
mit S 18 und Letzetunnel 
13 934-15 265 
1791-1955 
. ! 
2926-3173 
18 651-20 393 
• 
LKW/Tag 
in % 
Basisjahr 1995 
1139 
S 100 
Szenario 2010 


ohne Massnahmen 
718 - 894 { 
63-78 
mit S18 
ON 
OO 
1 
OO 
r-H 
63-78 
mit Letzetunnel 
805 - 993 
71-87 
mit S18 und Letzetunnel 
789 - 976 
69-86 
tunnel zu einer Entlastung der Grenz 
übergänge Mauren/Ibsters und Rug- 
gell/Nofels. In Summe ergäbe sich für 
Liechtenstein durch den Bau des Letze 
tunnels in der heute geplanten Form 
aber eine Mehrbelastung von 30 bis 40 
Prozent, das gesamte Verkehrsaufkom 
men würde auf 19 700 bis 21400 Fahr 
zeuge pro Tag steigen. 
Mit S18 nur wenig Milderung 
Werden S18 und Letzetunnel gebaut, 
ergeben sich - vor allem im Güterver 
kehr - grössere Verlagerungen im ge 
samten Rheintal. Die Gesamtverkehrs 
menge nimmt im Vergleich zur Varian 
te, bei der nur der Letzetunnel gebaut 
wird, weniger stark zu. Die Zunahme 
der Gesamtverkehrsmenge beim Bau 
von Letzetunnel und S 18 gegenüber 
der Variante ohne bauliche Massnah 
men bleibt laut Studie mit rund 2 Pro 
zent moderat. Die Unterscheidung 
nach Grenzübergängen zeigt jedoch, 
dass die Steigerung beim Grenzüber 
gang Schaanwald bei rund 10 bis 15 Pro 
zent liegen würde. 
Der LKW-Verkehr 
Der LKW-Verkehr orientiert sich 
zum Teil nicht an den optimalen Rou 
ten, sondern auch nach den Zollöff 
nungszeiten und der Zollabfertigung. 
Durch die stufenweise Aufhebung der 
28-Tonnen-Limite in der Schweiz und 
dem vierspurigen Ausbau der Rheintal 
autobahn A 13 ergibt sich eine Entlas 
tung Liechtensteins vom LKW-Ver- 
kehr. Die Verlagerungseffekte durch 
den Bau der S18 und/oder Letzetunnel 
sind deutlich geringer als beim durch 
schnittlichen täglichen Gesamtver 
kehr. Auch sind die neu induzierten 
Verkehrsmengen beim LKW-Verkehr 
vergleichsweise gering. Für den Grenz 
übergang Schaanwald/Tisis wird mit 
einem Rückgang des LKW-Verkehrs 
gerechnet. 
Unabhängige Stellungnahme 
Die Regierung hat die Ergebnisse der 
von einer österreichischen Arbeitsge 
meinschaft erstellten Studie «Grenz 
überschreitender Verkehr» von einem 
unabhängigen schweizerischen Ingeni 
eurbüro überprüfen lassen. Diese Prü 
fung kam zum Schluss, dass die Ergeb 
nisse der Studie im Gesamten 
grundsätzlich plausibel sind, wenn auch 
die ermittelten Verkehrszunahmen (im 
Vergleich zu schweizerischen Progno 
sen) beim Personenverkehr etwas zu 
hoch, beim Güterverkehr etwas zu tief 
angesetzt scheinen. Auch die schweize 
rischen Experten erwarten, dass eine 
Realisierung der Südumfahrung Feld 
kirch (Letzetunnel) den Verkehrsdruck 
auf den Grenzübergang Schaanwald/ 
Tisis verstärken, ein gleichzeitiger Bau 
der S18 hingegen nur wenig Entlastung 
bringen würde, weil diese Verbindung 
nur für den Nord-Süd-Verkehr Vorteile 
bringt, den Ost-West-Verkehr aber 
praktisch nicht tangiert. Sollte auf die S 
18 verzichtet, der Letzetunnel aber ge 
baut werden, sagen auch die schweizeri 
schen Experten die im Vergleich zu den 
anderen Varianten höchste LKW-Belas 
tung im Raum Liechtenstein voraus. 
Minimalwerte für die Steigerung des 
Gesamtverkehrs sowie für den LKW- 
Verkehr an Werktagen ermittelt. 
Zunahme in jedem Fall 
Die Modellrechnungen für die vier 
Szenarien haben ergeben, dass der Ge 
samtverkehr in jedem Fall, je nach Vari 
ante und Grenzübergang aber unter 
schiedlich, zunehmen wird. Werden 
Letzetunnel und S18 nicht gebaut, ver 
lagert sich zunehmend mehr Verkehr 
auf die Grenzübergänge Mauren und 
Ruggell, da die Kapazität des Grenz 
übergangs Schaanwalcf schon heute an 
ihre Grenzen stösst. Ohne bauliche 
Massnahmen in Vorarlberg dürfte der 
Verkehr am Grenzübergang Mauren/ 
Tosters bis zum Jahr 2010 zwischen 60 
und 80 Prozent zunehmen, beim Grenz 
übergang Ruggell/Nofels zwischen 40 
und 60 Prozent. In Schaanwald rechnet 
man mit einer Steigerung von rund 10 
bis 20 Prozent. ' 
Die Studie zeigt auch, dass der allei 
nige Bau der Schnellstrasse S 18 dem 
Grenzübergang Schaanwald praktisch 
keine Entlastung bringen würde. Zwar 
führt die S18 zunächst zu einer Reduk 
tion, die aber durch eine Rückverlage- 
rung des Ausweichverkehrs von Mau 
ren und Ruggell praktisch kompensiert 
wird. 
Letzetunnel verursacht massiven 
Mehrverkehr 
Weit gravierender für den Grenz 
übergang SchaanWald/Tisis wäre der 
Bau des Letzetunnels. Die Verkehrs 
steigerung würde rund 30 bis 40 Prozent 
betragen. Diese Steigerung liegt rund 
20 Prozent (Iber dem Mehrverkehr, der 
ohne bauliche Massnahmen erwartet 
wird. Als Nebeneffekt führt der Letze 
«Schlechtestes Szenario» 
Schlussfolgerungen der Regierung zur Studie 
Aus der neuen Studie «Grenzüber 
schreitender Verkehr» zieht die Re 
gierung gemäss gestriger Mitteilung 
folgenden Schlussfolgerungen: «Aus 
dieser Untersuchung werden die 
Komplexität sowie die Abhängigkei 
ten der Verkehrsverlagerungen von 
baulichen Massnahmen in der Region 
erneut deutlich ersichtlich. Bei der 
Betrachtung der Gesamtverkehrs 
menge des grenzüberschreitenden 
Verkehrs zeichnet sich ein anderes 
Bild, als es sich bei der Betrachtung 
der Verkehrsverlagerungen an den 
Zollübergängen im einzelnen zeigt. 
Die Attraktivität eines Zollübergan 
ges hängt somit auch von den zu er 
wartenden baulichen Massnahmen 
ab. Bei der Betrachtung der Minimal 
werte der zu erwartenden Verlagerun 
gen würde für den Zollubergang 
Schaanwald die Variante Bau nur der 
S18 die geringste Verkehrssteigerung 
bringen. Für das Zollamt in Mauren 
würde die Variante Bau S18 und Let 
zetunnel die grösste Verkehrsredukti 
on bewirken. Das Zollamt in Ruggell 
würde mit der Variante Bau nur der S 
18 die grösstmögliche Reduktion er 
reichen. Bei der Überprüfung dieser 
Varianten wird jedoch einmal mehr 
deutlich, dass der alleinige Bau des 
Letzetunnels das für den Gesamtver 
kehr Liechtensteins schlechteste 
Szenario mit den grössten negativen 
Folgen für das liechtensteinische Ver 
kehrssystem darstellt. Die Regierung 
hat gegenüber dem Land Vorarlberg 
und dem Staat Österreich bereits 
mehrfach klar gemacht, dass Liech 
tenstein alle geeigneten Massnahmen 
und Möglichkeiten gegen ein Umfah- 
rungsprojekt, das Auswirkungen zu 
Lasten Liechtensteins hat, ergreifen 
wird. Die Regierung wird entschlos 
sen alle verfügbaren Massnahmen er 
greifen, um eine Liechtenstein belas 
tende Entwicklung zu verhindern.» 
	        

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