Liechtensteiner Volksblatt
P
orm Verfassung
Samstag, 20. Mai 2000 7
sondern vereinend sein»
Diskussionsoffensive inTriesen: Skepsis gegen Fürstenvorschlag - VU-Fraktionssprecher Peter Sprenger zu Gast
Volles Haus gestern Abend im
Triesner Gasthaus «Linde». Die
Triesnerinnen und Triesner nutz
ten rege die Gelegenheit, sich
über die offene Verfassungsfrage
zu informieren. Kritische Stim
men gegen den Vorschlag des Für
stenhauses wurden laut, lediglich
ein Besucher der Veranstaltung
unterstützte den fürstlichen Vor
schlag. Detail am Rande: Der
FBPL-Diskussionsöffensive
wohnte auch VU-Fraktionsspre-
cher Peter Sprenger bei.
Peter Kindle
«Ich bin nicht in der Funktion als VU-
Fraktionssprecher bei Euch zu Gast»,
stellte Peter Sprenger fest, welcher der
FBPL-Diskussionsoffensive in Sachen
Verfassung beiwohnte. «Ich bin als in
teressierter Triesner Bürger hier. Den
noch möchte ich feststellen, dass ich das
Scheitern von überparteilichen Ge
sprächsrunden schade finde». FBPL-
Parteipräsident Ernst Walch hatte an
lässlich seiner Wahl am 20. März alle
Parteien zu gemeinsam organisierten
Gesprächen eingeladen, welche VU-
Präsident Oswald Kranz aus allseits be
kannten Gründen absagte. Als Mitglied
der Verfassungskommission konnte Pe
ter Sprenger aber wichtige Inhalte zur
Diskussion beitragen. So stellte er unter
anderem die neuesten Vorschlagsände
rungen des Landesfürsten vor, welche
bis anhin nur der Verfassungskommissi
on bekannt waren.
Viel Skepsis gegen
Verfassungsvorschlag des Fürsten
Der Verfassungsvorschlag des Für
sten wurde in der Triesner Diskussions
runde sehr skeptisch betrachtet. Ledig
lich ein Diskussionsteilnehmer stellte
fest, dass er den Vorschlag des Landes
fürsten uneingeschränkt unterstutze.
«Wir brauchen einen starken Mann im
Land, der die Macht in der Hand hält».
Der Diskussionsteilnehmer stellte fest,
dass er lieber eine «Fürstendiktatur»
habe,.als eine «Parteiendiktatur».
Die anderen Diskussionsteilnehmer
FBPL-Diskussionsoffensive in der Triesner «Linde». Auch Peter Sprenger nahm an der Diskussionsrunde teil. Er wollte ein
Zeichen für überparteiliche Gespräche setzen, welche bis anhin leider nicht zustande gekommen sind. (Bild: bak)
betonten, dass man keinesfalls an der
Monarchie rütteln wolle, dennoch aber
der Verfassungsvorschlag des Fürsten
nicht akzeptabel sei.
Das verlangte Richterbestellungs
recht des Fürsten bringe eher eine
«Verpolitisierung mit sich anstelle der
propagierten Entpolitisierung». Die
Ernennung der Richter müsse Sache
des Volkes bleiben. Als bestes Beispiel
für das Nichtfunktionieren der «fürstli
chen Richterbestellung» gelte der «Fall
Herbert Wille»: «Herbert Wille hat mit
seinen Aussagen nicht gesündigt. Was
er als Privatmann Uber die Verfassung
gesagt hat, ist hochbegründet. Dass er
Recht hatte, wurde auch vom Europäi
schen Gerichtshof bestätigt», so die
Aussage eines Diskussionsteilnehmers.
Klar ausgedrückt wurde, dass die
Verlegung der Macht in die Hände ei
nes Einzelnen nicht vernünftig sei. An
geregt wurde ein Richterbestellungs
recht, nach welchem im Parlament ein
qualifiziertes Mehr von zwei Dritteln
bei der Wahl eines Richters zustande
kommen müsste. Dieser Vorschlag fand
unter den Anwesenden breite Zustim
mung. ' 11 i
Selbstbestimmungsrecht: Nicht
trennen, sondern vereinen...
Bei der Diskussion um das geplante
SelbstbestimmunJjsrecht im Verfas
sungsvorschlag des Fürstenhauses wur
de festgestellt, dass der Ansatz einer
Demokratisierung der Verfassung an
sich löblich sei, jedoch aber das Aus
trittsrecht jeder Gemeinde aus dem
liechtensteinischen Landesverband nicht
wünschenswert sei. Dieser Vorschlag
ziele in eine falsche Richtung. Eine Ver
fassung dürfe keine staatstrennenden
Elemente beinhalten, sondern müsse
die Einigkeit Liechtenstein widerspie
geln, welche Uber Jahrhunderte hinweg
gewachsen sei.
Verfassung sollte auf
Konsensbasis entstehen
80 Prozent der Bevölkerung und der
Landesfürst sollten sich mindestens mit
der neuen Verfassung identifizieren
können, war die Meinung unter den Dis
kussionsteilnehmern. «Eine vernünftige
Verfassung für Liechtenstein kann nur
auf einer breiten Konsensbasis beru
hen», stellte ein Diskussionsteilnehmer
fest. Falls es zu einer Volksabstimmung
kommen sollte, wird eine massive Spal
tung der Bevölkerung befürchtet, wel
che tiefe Gräben aufreisst.
Schwieriges Thema in schwierigen Zeiten
FBPL-Veranstaltung zur Verfassungsdiskussion in Eschen
i . . .
Leider wird die momentane Lage um
den Finanzplatz Liechtenstein immer
mehr mit den Gesprächen um die neue
Verfassung in Zusammenhang ge
bracht. Gestern Abend ging ging es in
Eschen aber vor allenMim die Unter
schiede der Verfassungsvorschläge, fra
gen und Antworten.
Iris Frick-Ott
Momentan scheint in Liechtenstein
(fast) gar nichts mehr zu funktionieren.
Sowohl im In- als auch im Ausland steht
unser Land seit mehreren Monaten un
ter Beschuss - teilweise leider nicht oh
ne Grund. In einer solchen Situation ist
es äusserst schwierig, einen neutralen
Boden für die Verfassungsfrage zu fin
den. Die meisten Liechtensteinerinnnen
und Liechtensteiner sind sich Uber eines
aber im Klaren: So wies jetzt läuft, wol
len sie es nicht. Um Uber die Vorschläge
von Fürst und Verfassungskommission
zu informieren und zu diskutieren, ver
anstaltete die FBPL gestern Abend er
neut einen Abend zum Thema. Rund 25
Personen nahmen an der Veranstaltung
im Eschner Cate Hoop teil.
Nach einem kurzen Rückblick des bis
herigen Verfassungsweges strich der
Moderator Michael Biedermann fünf
Punkte heraus, die in der Vergangenheit
schon mehrmals von sich reden mach-
Verfassungsdiskussion im Eschner «CafiHoop»: Eine gemeinsame Lösung für beide Souveräne sollte angestrebt werden.
ten: 1. Selbstbestimmungsrecht der Ge
meinden, 2. Notverordnung, 3. Richter
bestellung, 4. Auflösung von Regierung
und Landtag,5. Abschaffung der Monar
chie. Während der Diskussion nahmen
der Landtagsabgeordnete und Mitglied
derVerfassungskommission Otmar Has
ler und FBPL-Präsident Ernst Walch
Stellung zu den einzelnen Artikeln. Der
Vorschlag des Fürsten zur Notverord
nung wurde als ein Artikel mit grossen
Interpretationswegen gesehen, in wel
chem die Spielräume allzu gross seien.
Richterbestellung und die Möglichkei
ten der unbegründeten Auflösung des
Landtags lösten viele Unklarheiten und
Unverständnis aus. Grösstenteils einig
waren sich die Gäste bei Artikel 1, in
welchem es um die Selbstbestimmung
der Gemeinden ging:'Wohl kaum eine
Gemeinde werde diese Möglichkeit
wahrnehmen, aus dem Staatsverband
auszutreten. Dieser vom Landesfürsten
vorgeschlagene Artikel sei überflüssig
respektive lasse das Vereinende vermis
sen. Bei den Vorschlägen betreffend
Richterernennung gäbe es durchaus
auch positive Aspekte zu erkennen, wie
der Rotationsgfedanke, wodurch die
Amtszeiten der VBI-Richter beispiels
weise nicht mehr mit der Legislaturperi
ode des Landtags einhergingen. Im neu
en Vorschlag aber will der Fürst die ge
samten rund 60 Richter unseres Landes
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DieAblehifing^ des>Fmrstenvor-
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bestellen, der Landtag hat diese zu be
stätigen, und bei Uneinigkeiten hat das
Volk das letzte Worte respektive die
Möglichkeit zur Initiative. Bisher be
stellte der Fürst den VBI-Präsidenten,
deren Stellvertreter sowie den Präsiden
ten und Vizepräsidenten des Obersten
Gerichtshofes. Einmal mehr wurde am
gestrigen Abend klar, dass die Liechten
steinerinnen und Liechtensteiner vor al
lem eines möchten: gemeinsam eine Ver
fassung ausarbeiten, die sowohl für die
Souveräne als auch für den LandesfUr-
sten tragbar ist. Und das, ohne dass die
immer wieder kehrenden Berichte über
unsaubere Geldtransaktionen den Blick
fürs Wesentliche trüben.
Gutachten wird
veröffentlicht
Peter Sprenger, Mitglied der Verfas
sungskommission des Landtages,
teilte an der FBPL-Verfassungsof
fensive im Triesner Gasthaus «Linde»
mit, dass spätestens Mitte nächster
Woche das erste (von insgesamt
vier) Gutachten in Sachen Verfas
sung, welches von der Verfassungs
kommission eingeholt wurde, veröf
fentlicht werde. Das Gutachten des
Basler Professors Renä Rhinowsoll
ab Mitte Woche im Regierungsge
bäude zu beziehen sein. Professor
Rhinow untersuchte unter anderem
die Frage, ob die Verfassungsvor
schläge mehr Monarchie oder
Demokratie bringen. (pk)
V