Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Ausland 
Donnerstag, 18. Mai 2000 39 
Nachrichten 
Tschetschenen-Milizen 
werden entwaffnet 
MOSKAU:InTschetschenien hat am Mittwoch 
ungeachtet andauernder Kämpfe die Entwaff 
nung und Auflösung der etwa 2500 Mann star 
ken pro-russischen Milizen begonnen. Dies 
meldete die Nachrichtenagentur Itar-Tass. Die 
tschetschenischen Freiwilligen hatten seit Be 
ginn des Krieges voj über einem halben Jahr an 
vorderster Front die russischen IVuppen bei der 
Eroberung wichtiger Städte wie Grosny unter 
stützt. Sie sollten nunmehr in die reguläre Miliz 
eingegliedert werden, die von der russischen 
Verwaltung in der abtrünnigen Kaukasus-Re 
publik aufgebaut wird. Der Kommandant der 
Tschetschenen-Milizen, Bislan Gantamirow, 
hatte bereits vor wenigen Wochen aus Unzu 
friedenheit über die russische Verwaltung in der 
abtrünnigen Kaukasus-Republik das Komman 
do niedergelegt. 
Neues Massaker im 
Kongo 
FREIBURG: Bei einem Massaker in der De 
mokratischen Republik Kongo sind nach Anga 
ben der Hilfsorganisation Caritas international 
mindestens 70 Zivilisten vermutlich von Rebel 
len ermordet worden. Wie am Mittwoch in Frei 
burg i.Br. mitgeteilt wurde, ereignete sich das 
Massaker am vergangenen Wochenende im 
Dorf Katogota nahe der Grenze zu Ruanda und 
Burundi. 
Es war vermutlich eine Vergeltungsmass- 
nahme der Rebellen für den Tod eines ihrer 
Kämpfer. Caritas-Mitarbeiter vor Ort befürch 
ten, dass die Zahl der Opfer weit höher liegt. 
Ein Teil der als vermisst geltenden Dorfbe 
wohnerkönnte erschlagen und von den Rebel 
len in den nahen Fluss geworfen worden sein. 
Nach Angaben von Caritas international hat 
sich in den letzten zwei Jahren die Zahl der 
Flüchtlinge im Kongo auf rund 1,2 Millionen 
mehr als verfünffacht. 
Atomtest-Abkommen 
ratifiziert 
MOSKAU: Nach der Duma hat auch der russi 
sche Föderationsrat der Ratifizierung des 
internationalen Atomteststopp-Abkommens 
von 1996 zugestimmt. Das Abkommen muss 
nun noch von Präsident Wladimir Putin unter 
zeichnet werden. Die Senatoren der Regionen 
vertretung hätten in einer geschlossenen Sit 
zung fast einstimmig für die Ratifizierung vo 
tiert, meldete die Nachrichtenagentur Itar-Tass. 
Der allgemeine Teststopp-Vertrag, der jegliche 
Atomversuche verbietet, gilt als eines der wich 
tigsten Instrumente der nuklearen Rüstungs 
kontrolle. Vor dem Besuch des US-Präsidenten 
Bill Clinton in Moskau Anfang Juni habe die 
Ratifizierung des Atomteststopp-Abkommens 
eine besondere Bedeutung, sagte der Leiter des 
Sicherheitsausschusses des Föderationsrats, 
Iwan Schabanow. Der US-Senat hatte die Rati 
fizierung vergangenes Jahr verweigert. Russ 
land betrachtet die Ratifizierung des Atomtest 
stopp- Abkommens sowie des START-II-Ab- 
kommens zum Abbau strategischer Atomwaf 
fen als Trumpf. Dieser soll USA von Absichten 
zur Änderung des ABM-Vertrages über die Be 
grenzung von Raketenabwehrsystemen ab 
bringen. 
Kindersoldaten 
GENF: Das UNO-Kinderhilfswerk (UNICEF) 
hat am Mittwoch die Befreiungstiger von Ta 
mil Eelam (LTTE) kritisiert, in ihren Reihen 
Kindersoldaten zu haben. Carol Belamy rief 
die Rebellen auf, beim Kampf um Jaffna die 
Kinder zu schonen. «Die Kinder werden so 
wieso in den Konflikt hineingezogen, ob als 
Opfer oder als Kämpfer», erklärte die UNI- 
CEF-Generaldirektorin am Mittwoch in Genf. 
Die Heranwachsenden sollten weder als 
Kämpfende noch als Geiseln in den Krieg ge 
zwungen werden. Nach Angaben Bellamys 
werden bereits 15- bis 17-Jährige als Gueril- 
leros rekrutiert. Bellamy zeigte sich zudem be 
unruhigt über Informationen, dass die Regie- 
rungstruppen die Lieferung von medizinischen 
Gütern in von der LTTE kontrollierte Gebiete 
verhinderten. UNICEF ist zusammen mit dem 
IKRK und den Ärzten ohne Grenze in Jaffna 
tätig. In den vergangenen Tagen gerieten die 
singhalesischen Regierungstruppen im Nor 
den der Insel unter verstärkten Druck, nach 
dem die Rebellen die Elefanten-Passage 
zurückerobert hatten. Diese kontrolliert den 
Zugang zur Halbinsel von Jaffna. Die LTTE 
kämpft für einen unabhängigen Staat der Ta 
milen im Norden und Osten der Insel. 
Sierra Leone: Britische Soldaten nehmen Foday Sankoh fest 
FREETOWN: In Sierra Leone 
haben britische Soldaten am 
Mittwoch den vor gut einer 
Woche untergetauchten Re 
bellenchef Foday Sankoh fest* 
genommen. Sankoh wurde der 
Polizei Sierra Leones überge 
ben. 
Über sein weiteres Schicksal sollen 
nach britischen Angaben die UNO 
und die Regierung Sierra Leones 
entscheiden. Der Chef der Vereinig 
ten Revolutionären Front (RUF) ha 
be gerade in der nigerianischen Bot 
schaft Zuflucht suchen wollen, sagte 
ein Sprecher der britischen Einhei 
ten in der Hauptstadt Freetown. 
Briten erstmals in Kämpfe 
vernickelt 
Britische Soldaten wurden am 
Mittwoch erstmals in Kampfhand 
lungen verwickelt: Bei einem Feuer 
gefecht mit RUF-Rebellen töteten 
sie drei Rebellen, wie ein Sprecher 
von Premierminister Tony Blair in 
London mitteilte. Die Fallschirmjä 
ger hätten «im Rahmen ihres Man 
dats» gehandelt. 
Nach Angaben des Sprechers 
eröffneten rund 40 Rebellen etwa 16 
Kilometer östlich des Flughafens 
Lungi in Freetown das Feuer auf die 
britischen Soldaten. Keiner der Bri 
ten wurde verletzt. Auf dem Flugha 
fen sind 700 britische Elite-Soldaten 
Foday Sankoh wurde von britischen Soldaten festgenommen. 
stationiert. Bei einem Angriff der 
Rebellen etwa 40 Kilometer nörd 
lich der Hauptstadt wurden zudem 
ein UNO-Soldat und sechs Soldaten 
der Regierungsarmee getötet, wie 
die UNO-Mission bekanntgab. 
Jubel bei Bevölkerung 
Die Nachricht von der Festnahme 
Sankohs löste bei der Bevölkerung 
grosse Freude aus. Die Menschen 
strömten auf die Strassen der Haupt 
stadt und feierten die Festnahme des 
Rebellenchefs. Sankoh wurde bei 
seiner Festnahme einem Augenzeu 
gen zufolge in den Fuss geschossen. 
Britische Soldaten brachten ihn 
anschliessend nach Lungi, einem 
Stadtteil Freetowns, wo auch der 
Flughafen liegt, ergänzte ein briti 
scher Regierungssprecher. 
Sankoh wurde seit dem 8. Mai ver 
misst, nachdem eine aufgebrachte 
Menge sein Haus in Freetown ange 
griffen hatte. Seine Rebellen hatten 
insgesamt 500 Blauhelm-Soldaten in 
ihre Gewalt gebracht. Rund ein Drit 
tel von ihnen befinden sich inzwi 
schen wieder auf freiem Fuss 
Hoffen auf Freilassung 
Der Kommandant der UNO-Mis 
sion für Sierra Leone (UNOMSIL), 
General Vijay Jetley, hofft auf die bal 
dige Freilassung der restlichen fest 
gehalten UNO-Soldaten. Jetley sagte 
am Mittwoch,der liberianische Staat 
schef und VerhandlungsfUhrer Char 
les Taylor arbeite hart einer Lösung. 
Erfreuliche Nachrichten: Gestern 
wurden noch weitere 80 UNO-Sol 
daten freigelassen. Die Blauhelm- 
Soldaten seien bereits in der liberia 
nischen Grenzstadt Foya eingetrof 
fen, sagte der Sprecher der UNO- 
Mission UNOMSIL, David Wim 
hurst, in Freetown. 
44 bereits am Sonntag freigelas 
sene UNO-Soldaten seien in der li 
berianischen Hauptstadt Monrovia 
angekommen und sollten noch am 
Abend nach Freetown gebracht 
werden. Zuvor hatte UNOMSIL- 
Kommandant Vijay Jetley gesagt, 
der liberianische Staatschef und 
Verhandlungsführer Charles Taylor 
arbeite hart an der Freilassung der 
restlichen Geiseln. 
Nach den neuen Freilassungen 
sinkt die Zahl der restlichen von 
den Rebellen festgehaltenen UNO- 
Soldaten auf rund 270. 
Österreich bezahlt 670 Millionen 
Nach Versöhnungskonferenz in Wien: Entschädigung für Nazi-Opfer 
WIEN: Österreich hat sich mit 
sechs osteuropäischen Län 
dern und den USA auf die Ent 
schädigung von Nazi- Zwangs 
arbeitern geeinigt. 150 000 Op 
fer sollen mit insgesamt sechs 
Milliarden Schilling (über 670 
Millionen Franken) entschä 
digt werden. 
.Das teilten die österreichische Re 
gierungsbeauftragte Maria Schau 
mayer sowie der US-Vizefinanzmi- 
nister Stuart Eizenstat am Mittwoch 
nach einer «Versöhnungskonfe 
renz» in Wien mit. «Wir haben ge 
meinsam einen historischen Schritt 
getan», sagte Eizenstat. Schaumay 
er sagte, das Ziel sei, noch in diesem 
Jahr mit den Auszahlungen zu be 
ginnen. 
150000 Betroffene 
Die Entschädigungszahlungen 
von insgesamt sechs Mrd. Schilling 
sollen in einen «Versöhnungsfonds» 
fliessen, aus dem rund 150 000 Per 
sonen entschädigt werden, die wäh 
rend des Anschlusses Österreichs 
an das Dritte Reich von 1938 bis 
1945 Zwangsarbeit .für die Nazis 
leisten mussten. 
Entschädigung für «Sklaven» 
So genannte Sklavenarbeiter aus 
Konzentrationslagern sollen bis zu 
105000 Schilling bekommen, 
Zwangsarbeiter in der Industrie 
bis zu 35 000 Schilling, in der Land 
wirtschaft bis zu 20 000 Schilling (ca. 
12 000 bzw. 3900 bzw. 2200 Fran 
ken). 
Nächste Schritte 
Ende Mai ist in Washington ein 
weiteres Treffen von Schaumayer 
mjt den US-Behörden verabredet, 
um für ein entsprechendes Abkom 
men Rechtssicherheit zu schaffen. 
Das entsprechende Gesetz zur Ein 
richtung des «Versöhnungsfonds» 
soll noch vor dem Sommer im öster 
reichischen Nationalrat verabschie 
det werden. Dann sollen bilaterale 
Verträge mit Ungarn, Tschechien, 
Polen, der Ukraine, Russland, 
Die österreichische Regierungsbeauftragte Maria Schaumayer: „ Wir haben 
gemeinsam einen wichtigen Schritt getan!" (Bild: Keystone) 
Weissrussland und den USA ge 
schlossen werden. 
Die DeutscheLösung 
Die Industrie in Österreich hat 
bisher allerdings nur generell ihre 
Be^reitschaft^zur Mitwirkung signa 
lisiert. Daneben isoll sich auch der 
Staat beteiligen. Schaumayer be 
zeichnete deutsche Lösung, 
nach der Industrie und Staat jeweils 
die Hälfte der Mittel aufbringen, als 
«kein gutes* Modejl»; weil die Un 
ternehmen njir sehr schleppend ein 
zahlten. 
Boykottd|ohungen 
Einen Boykott österreichischer 
Unternehmen halte er zu einer Zeit, 
in der so viele Fortschritte zu ver 
zeichnen seien; für nicht gerechtfer 
tigt, erklärtieEizenstat. Boykottdro 
hungen wären seitens des Jüdischen 
Weltkongress (WJC) laut gewor 
den. Der amerikanische Anwalt Ed 
Fagan hatte Mitte April eine Sam 
melklage gegen die Republik Öster 
reich und österreichische Unter 
nehmen eingebracht, in der er 18 
Milliarden US-Dollar für die Ent 
schädigung von Zwangsarbeitern 
und enteigneten NS-Opfern for 
derte. 
Und Deutschland? 
Im März hatten sich Deutschland 
und die USA auf die Entschädigung 
von; Nazi-Zwangsarbeiten geeinigt: 
Zehn Milliarden Mark werden dazu 
vom deutschen Staat sowie von 
deutschen Unternehmen zur Verfü 
gung gestellt. 
Die Höchstbeträge für die Ent 
schädigungen sind auf bis zu 15 000 
Mark (etwa 12000 Franken) pro 
Opfer begrenzt. 
Prozess in 
Teheran 
Im Spionageprozess gegen 13 
iranische Juden hat am Mitt 
woch angeblich der neunte An 
geklagte ein Geständnis abge 
legt. 
Damit hat nach offizieller 
Darstellung erst einer der Ange 
klagten die Vorwürfe bestritten. 
Vor dem Revolutionsgericht in 
der südiranischen Stadt Schiras 
habe der 45 Jahre alte Kauf 
mann Javid Bent-Yaqub zugege 
ben, für den israelischen Ge 
heimdienst Mossad spioniert zu 
haben, berichtete das staatliche 
Fernsehen. 
Damit hat nach offizieller 
Darstellung erst einer der Ange 
klagten die Vorwürfe bestritten. 
Drei seien noch gegen Kaution 
auf freiem Fuss und bislang von 
dem Gericht nicht gehört wor 
den. Wie zuvor war auch bei 
der siebten Anhörung der 
Angeklagten am Mittwoch 
die Öffentlichkeit nicht zugelas- 
sen. Bei einer Verurteilung droht 
den Beschuldigten die Todes 
strafe. 
Wenn Ärzte 
Fehler machen 
GENF: Die Gesundheitsminis 
terin der USA, Donna Shalala, 
hat am Mittwoch in Genf eine 
Kampagne zur Verminderung 
ärztlicher Fehler in den USA 
angekündigt. Jährlich sterben 
laut Shalala in den Vereinigten 
Staaten 98 000 Menschen auf 
Grund solcher Fehler. Die US- 
Gesundheitsministerin erklärte 
anlässlich der Genfer Weltge 
sundheitskonferenz, dass ärztli 
che Fehler in den USA an ach 
ter Stelle derTodesursachen ste 
hen. 
Damit sterben mehr Men 
schen auf Grund ärztlicher Feh 
ler als zum Beispiel wegen 
Brustkrebs oder Aids. Ärztliche 
Fehler können an diversen Or 
ten auftreten, so z.B. auch beim 
Verschreiben eines falschen 
Medikaments.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.