Liechtensteiner Volksblatt
Kultur
Donnerstag, 18. Mai 2000 27
Nachrichten
Programm des Film
clubs Frohsinn im TaKino
SCHAAN: «Mean Streets» - Martin Scorseses
frühes Meisterwerk: «Du machst deine Sünden
nicht in der Kirche wieder gut. Du tust es in den
Strassen, zu Hause. Du weisst das; der Rest ist
Bullshit». Mit diesen Worten erklärt Charlie die
Regeln der Strassen von Little Italy, New York,
in denen sich diese episodenhafte Geschichte
abspielt. Charlie (Keitel) will sich als Geldein
treiber der lokalen Mafia empfehlen. Im Weg
steht ihm da freilich die Zuneigung zu Johnny
Boy, seinem wettbesessenen Jugendfreund, der
Uberall Schulden hat und den genau die Leute
jagen, bei denen Charlie Karriere machen will,
sowie seine Liebe zur Epilleptikerin Teresa.
«Mean Streets» ist am Donnerstag und Frei
tag um 20 Uhr und am Sonntag um 18 Uhr im
TaKino zu sehen.
«Cosi ridevano» - Fremd im eigenen Land:
Wenn ein politisch denkender Filmemacher wie
Gianni Amelio («Ladro di bambini») heute ei
ne Migrationsgeschichte aus den späten 50er-
Jahren erzählt, wenn er dies darüber hinaus
nach einem so bewegenden Film wie «Lameri
ca» tut, in dem er den Drang zur Flucht aus Al
banien eindringlich beschrieben hat, so wird er
mit seinem neuen Film wohl etwas über das
Heute sagen wollen. Amelio zeigt uns die inne
ritalienische Migration der späten 50er-Jahre
anhand der Geschichte von zwei Brüdern, und
er führt uns vor Augen, wie viele Hoffnungen in
einer «Auswanderung» stecken, auch wenn sie
wie hier im eigenen Land geschieht. «Cosl ride*
vano» ist in sechs Kapitel gegliedert, in denen
jeweils ein Tag für das ganze Jahr steht. Er be
schreibt die Schwierigkeiten des Daseins in ei
ner Stadt, die, wie Frisch es für die Schweiz ein
mal schrieb, Arbeitskräfte rief und Menschen
aufnehmen musste. «Meridionali nol» lesen sie
in den Wohnungsannoncen, keine aus dem Sü
den. Und das kommt einem irgendwie wieder
beängstigend vertraut vor. Amelio erzählt mit
den beiden Brüdern auch, wie eine Familie zer
rissen wird unter schwierigen Bedingungen. Er
erzählt, wie sich einer in der Fremde in ein Bild
von dem, was hätte sein sollen, was er hätte er
warten wollen, hineinsteigern kann, bis das, was
er geliebt, das, wofür er gelebt hat, zerstört ist.
«Ich werde mich um meinen Bruder kümmern»,
sagt Giovanni am Anfang, und am Ende gibt es
nichts mehr, was er für seinen Bruder tun könn
te. Überfordert waren sie beide von der Situati
on, in die sie hineingerieten. Wie bringt man vier
Elefanten in einen Seicento? Die Witz-Frage
wird am Anfang von Pietro gestellt, am Ende
vom Betreuer des vermeintlich zum Mörder ge
wordenen Jungen im Zug. Und die Antwort?
Sie bleibt offen. «Cosl ridevano» ist am Samstag
und Sonntag sowie kommenden Donnerstag,
25.5. um 20 Uhr im TaKino zu sehen.
1. Schweizerisches
Märchenfestival
THUN: Am Wochenende vom 17718. Juni steht
ganz Thun im Zeichen des Märchens: 50 Erzäh
lerinnen und Erzähler bevölkern Schlosspärke
und Gassen - das 1. Erzählfestival der Schwei
zerischen Märchengesellschaft findet statt. Mo
derne Mythen wie Pokömon und Moorhuhn
tragen relativ wenig zur Persönlichkeitsbildung
bei. Ganz anders die traditionellen Märchen:
Psychologen wie Bruno Bettelheim haben
nachgewiesen, dass in ihnen uralte Problemlö
sungs-Strategien aufgehoben sind. Die Schwei
zerische Märchengesellschaft SMG wurde 1993
gegründet und hat über 300 Mitglieder, die sich
in dieser überzeitlichen Materie auskennen
oder sich dafür interessieren, darunter profes
sionelle Märchenforscher und Erzähler.
Warschauer Buchmesse
WARSCHAU: Zum Auftakt der internationa
len Warschauer Buchmesse hat Jan Karski, der
ehemalige Kurier der polnischen Exilregierung
im Zweiten Weltkrieg, den Jan Strzelecki-Preis
des polnischen PEN-Club erhalten. Die Preis
verleihung stand am Mittwochabend zum Mes
sebeginn auf dem Programm. Die Buchmesse
mit mehr als 800Ausstellern aus 27 Staaten dau
ert bis zum 22. Mai. Karski war in das War
schauer Getto eingeschleust worden und hatte
anschliessend der polnischen Exilregierung wie
auch den westlichen Alliierten über den natio
nalsozialistischen Mord an den Juden berichtet.
Polnisch-jüdische Kultur, aber auch zeitgenössi
sche Autoren aus Israel sind eines der Schwer
punktthemen der Buchmesse. Im Warschauer
Kulturpalast wird die Buchmesse begleitet
durch 420 Veranstaltungen des Rahmenpro
gramms, unter anderem Autorenlesungen und
Diskussionen.
im Interesse des Vereins»
24. Mitgliederversammlung der Liechtensteinischen Kunstgesellschaft
Ein letztes Mal konnte der schei
dende Präsident der Liechten
steinischen Kunstgesellschaft
(LKG), Gert Risch, die Mitglie
der zur Jahresversammlung tra-
ditionsgemäss im Rathaussaal
Vaduz begrüssen und seinen
Jahresbericht geben.
Gerolf Hauser
Im Rückblick auf seine zwei Amtspe
rioden von je vier Jahren, erinnerte
Gert Risch an realisierte Projekte:
Die Kunstschule, das Kunstmuseum
und die Zotow-Stiftung. Er gab be
kannt, dass die LKG aus ihrem Fonds
zur Unterstützung eines Kunsthauses
zur Eröffnung dem Kunstmuseum
das Werk «Automa di caucci» von
Fortunato Depero schenken wird;
und er erinnerte an die Veranstaltun
gen, die, vor allem durch die Mitar
beit des Konservators der Staatlichen
Kunstsammlung, Friedemann
Malsch, durchgeführt wurden.
Neues Zuhause
Bruno Kaufmann, Leiter der
Kunstschule, berichtete, dass an der
Kunstschule über 120 Personen
(Kinder, Jugendliche und Erwachse
ne) von fünf Lehrerinnen in den
Fächern Zeichnen, Malen, Drucken
und Arbeiten mit Ton unterrichtet
werden. Mit dem Bezug des neuen
Mehrzweckgebäudes in Eschen, ha
be die Schule nun drei Unterrichts
orte: Eschen, Thesen und ab dem
Sommer auch Planken. In Vorberei
tung sei der neue Rechtsmantel der
Kunstschule. Hans Brunhart, Präsi
dent der Zotow-Stiftung, erläuterte
die Arbeit der Stiftung, die im Sich
ten und Bewerten russischer Schrif
ten liege, um festzustellen, welche
Der Vorstand der LKG: Grazieila Marok, Cornelia Wieczorek, Walter Marxer, neuer Präsident, Gert Risch, schei
dender Präsident, Hanni Schierscher und Roswitha Feger. (v. I)
Bereiche sich für eine weitere wis
senschaftliche Arbeit eignen. Er
freue sich, dass die im Besitz der Stif
tung liegenden Arbeiten im Kunst
museum ein neues Zuhause finden
werden. Der Präsident der Stiftung
zur Errichtung eines Kunstmuseums,
Heinz Nipp, schilderte den Baufort
schritt, der so weit gediehen sei, dass
einer offiziellen Übergabe des
Kunstmuseums am 11. August nichts
im Wege stehe. Friedemann Malsch
beschrieb die Eröffnungsausstellung
im Herbst, die aus einer überarbeite
ten Form von «Götter wandelten
einst» bestehe und dem Zeigen von
Werken aus den Beständen der'
Staatlichen Kunstsammlung. Gert
Risch konnte die erfreuliche Mittei
lung machen: 1 ' «Ich kann Ihnen im
Namen des alten Vorstandes Wahl
vorschläge mit lauter Wunschkandi
daten unterbreiten.» Und so wurde
Walter Marxer (Schaan) zum neuen
Präsidenten gewählt und als Vor
standsmitglieder Roswitha Feger
(Vaduz), Martin Gstöhl (Vaduz),
Hanni Schierscher (Schaan) und
Cornelia Wieczorek (Vaduz); wie
dergewählt wurde Grazieila Marok-
Wächter (Schaan).
Kunst als Kunst
Gert Risch bedankte sich beim bis
herigen Vorstand (Adolf Real, Han
nes von Toggenburg, Hans Jaquemar
und Roswitha Meier) für die hervor
ragende Zusammenarbeit; Walter
Marxer gab der Hoffnung Ausdruck,
im Sinne der LKG mit dem neuen
Vorstand zusammenarbeiten zu kön
nen. Adolf Real verabschiedete Gert
Risch mit den Worten, er hoffe, dass
dieser seinen Elan in Sachen Kunst
nicht verlieren werde, was Gert Risch
erwiderte mit: «Ich befürchte, ich
werde ihn nicht verlieren.» Den Ab-
schluss bildete ein Vortrag von Uwe
Wieczorek, Direktor der Fürstlichen
Sammlungen, zum Thema «Kunst als
Kunst». Immer sei Kunst in Gefahr,
der Mittelbarkeit unterworfen, ver
einnahmt zu werden für andere
Zwecke. Das Schöpferische um sei
ner selbst willen zu erkennen, dränge
sich ihm auf bei dem Begriff Kunst als
Kunst. Von untergeordneter Bedeu
tung sei dabei, ob man selbst schöp
ferisch tätig sei, oder diese Tätigkeit
bei anderen betrachte. Anhand von
Dias und Goethes Italienischer Reise
zeigte er das Wechselspiel zwischen
Kunstwerk und Betrachter auf, das
die Möglichkeit biete, beim Betrach
ten von Kunst als Kunst sich selbst zu
erfahren.
Kinotipp
Aus liebe zum Spiel
Billy Chapel (Kevin Costner), altern
der Baseball-Pitcher der Detroit Ti
gers, für die er mehr als 20 Jahre lang
spielte, erfährt am Morgen des letz
ten Spieltages des absteigenden
Teams, dass der Besitzer der Tigers
die Mannschaft an eine Corporation
verkauft hat.
Kurz darauf ereilt ihn eine weitere
schlechte Nachricht, als ihm seine
langjährige Freundin Jane (Kelly
Preston) eröffnet, dass sie ihn verlas
sen werde, da er nur für seinen Sport
lebe und er sie nicht wirklich brau
chen würde. Während Billy auf seiner
Abwurfstelle steht, erinnert er sich in
Flashbacks an seine Beziehung zu Ja
ne, die er auf dem Highway kennen
lernte, als ihr kleines Auto streikte.
Billy war gerade mit seinen Tigers zu
Gast im Yankee-Stadion in New
York. Er überredet Jane, eine Mode
journalistin, die mit Baseball über
haupt nichts am Hut hat, zu dem
Spiel gegen die Yankees zu kommen.
Nach anfänglichem Zögern sagt sie
zu und nimmt ihren Platz auf der
TVibüne bei den Spielerfrauen ein.
Nach einigen weiteren Rendez
vous gesteht Jane, dass sie alleinerzie
hende Mutter einer Tochter sei. Billy
lernt Heather (Jena Malone) alsbald
kennen und die beiden finden sich
auf Anhieb sympathisch.
Billy versucht Jane zu überzeugen,
mit ihm nach Detroit zu gehen. Jane
lehnt ab und so werden die vielen
Reisen Billys zu seinen Baseball-
Spielen langsam zum Problem der
beiden. Jane zieht sich immer mehr
zurück, da sie das Gefühl hat, nicht
wirklich wichtig für Billy zu sein.
Heather, die auch unter den Span
nungen leidet, haut eines Tages von
zu Hause ab. In ihrer Not ruft Jane
Billy an, der sich auf die Suche macht
und sie wieder zurückbringt. Billy bit
tet Jane, ihn nicht zu verlassen und so
willigt sie ein, es noch einmal zu ver
suchen. Als Billy sich bei einer
Schreinerarbeit an seiner Hand
schwerwiegend verletzt, handelt Jane
wohlüberlegt und bringt ihn sofort
ins Krankenhaus. Hier versucht man
mittels einer Operation, die Hand zu
retten. Während Billy in seinem
Krankenbett liegt, hat er viel Zeit,
über seine Situation nachzudenken.
Er weiss, dass er sich entscheiden
muss, denn Jane hat ihm eröffnet,
dass sie ihn endgültig verlassen wird,
da er ihr sagte, seine Karriere nach
Heilung seiner Hand fortzusetzen. Ist
er bereit, für Jane zu kämpfen oder
siegt seine Liebe zum Baseballspiel.
Buchtipp
Liechtenstein in der
Literatur
Liechtenstein ist seit eh und je auch
Gegenstand literarischer Betrach
tung - nicht nur durch Liechtenstei
ner Autoren. Am bekanntesten ist
wohl Goethes «Novelle». Aber auch
Jean Pbul und Gustav Schwab ha
ben - jeder auf seine Weise -
«Liechtenstein erlesen».
Im 20. Jahrhundert verdienen Her
mann Hesse, Friedrich Dürrehmatt,
Paul Gallico und Grete Gulbrans-
son Erwähnung. Und schliesslich
wäre noch eine ganze Reihe von
Gegenwartsautoren aus Liechten
stein, der Schweiz, Österreich und
Deutschland zu nennen. Jens Ditt-
mar hat über fünfzig Textbeispiele
von Peter Kaiser über Thomas
Bernhard bis zu Mathias Ospelt zu
einem Liechtensteiner Lesebuch
zusammengefügt, das erstmals ei
nen kompletten Überblick über die
Literatur aus und über Liechten
stein bietet. Dabei werden auch
zeitgeschichtliche Aspekte wie die
«Rotter-Affäre» berücksichtigt.
Aufgebaut ist das Buch wie eine
Reise durch das ganze Land, vom
Norden in den Süden, und von der
Vergangenheit in die Gegenwart.
Der Leser überschreitet die Grenze
einmal bei Feldkirch (Hans Weigel)
und einmal bei Sevelen (Johann Ja
kob Weilenmann) und folgt dem
Strassenverlauf nach Schaan bzw.
Vaduz, macht von dort einen Abste
cher in die Berge zu den Drei
Schwestern, um seinen Weg dann
über Triesen fortzusetzen und in
Balzers zu beenden.
Jens Dittmar ist in Balzers aufge
wachsen, hat in Vaduz das Gymnasi-
V
um besucht, studierte in Zürich
Germanistik und arbeitet als Ver
lagslektor in Stuttgart. Er hat zahl
reiche Bücher herausgegeben, da
runter mehrere über Thomas Bern
hard.
Jens Dittmar (Hg.) Europa erle
sen: Liechtenstein 250 Seiten. Kla
genfurt: Wieser-Verlag 2000. ÖS
178.-/SFr. 21.70/DM 24.40 ISBN 3-
85129-316-9
REKLAME
Tilim
K«1