8 Mittwoch, 19. Januar 2000
K U LT U R
Liechtensteiner Volksblatt
Nachrichten
Ungelernte Meister und
eingemachtes Gemüse
WARTH: Neben den derzeit schon laufenden
Ausstellungen plant dasThurgauer Kunstmuse
um in der Kartause Ittingen noch drei weitere:
eine mit Werken von Aussenseiter-Künstlern,
eine Malerei des 20. Jahrhunderts und eine mit
Eingemachtem.
Zur Zeit sind im Kunstmuseum des Kantons
Thurgau in der Kartause Ittingen drei Ausstel
lungen zu sehen: Joseph Kosuths «verstummte
Bibliothek» (bis 11. März 2001), Ute Kleins
«Übergange» (bis 12. Juni 2000) und die Martha
Haffter-Werkschau «... hab nie das geringste ge
tan, um bekannt zu werden» (bis 20. Februar
2000). Vom 26. März bis zum 24. September sol
len dann Bilder und Plastiken von Aussenseiter-
Künstlern die Werke der Frauenfelder Malerin
Martha Haffter ablösen. Unter dem Titel «Mei
ne Freunde, die ungelernten Meister» wird ein
repräsentativer Ausschnitt aus der Sammlung
von Mina und Joseph John zu sehen sein.
«Schauplatz Malerei» heisst dann die vom 8.
Oktober 2000 bis zum 18. März 2001 gezeigte
Ausstellung mit Bildern von regionalen Male
rinnen und Malern des 20. Jahrhunderts. Degus
tieren können dann die Besucherinnen und Be
sucher des Kunstmuseums vom 5. November
2000 bis zum 25. Februar 2001 in der Ausstellung
«Max Bottini - Eingemachtes».
Kunstsammler Paul
Bachmann gestorben
TEUFEN: Der Teufner Kunstsammler und
Tierarzt Paul Bachmann ist am 8. Januar in Teu
fen gestorben, wie die Angehörigen gestern mit
teilten. Bachmann hatte in den sechziger und
siebziger Jahren 141 Werke zeitgenössischer
Künstler gekauft, darunter vor allem Werke aus
den fünfziger und sechziger Jahren von Baselitz,
Dubuffet, Fautrier, Graubner, Härtung, Manzo-
ni. Miliares, Mirö, Picasso, Poliakoff, Riopelle,
Schumacher, Tapifes und Tobey. Bachmanns
Sammlung abstrakter internationaler Kunst
wurde 1977 und 1988 im Kunstmuseum St. Gal
len gezeigt.
Ursprünglich sollte die.Sammlung auch in St.
Gallen beherbergt werden. Da die Stadt aber
nicht bereit war, eine entsprechende Erweite
rung des Kunstmuseums ins Auge zu fassen, ent
schied sich Bachmann zu Gunsten der Gemein
de Teufen. Dazu sollte das frühere Zeughaus in
ein Kunsthaus umgewandelt werden. Doch die
Stimmberechtigten entschieden 1998 klar gegen
einen Kredit von nahezu vier Millionen für ei
nen Kunsthaus-Neubau. Daraufhin wurde die
Sammlung mit rund 140 Bildern der klassischen
Moderne im Kunstmuseum St. Gallen magazi
niert. Zuerst wollte Bachmann die Sammlung in
Form einer Zwischenlösung dem Kunstmuseum
St. Gallen übergeben. Im Mai 1999 entschied er,
dies doch nicht zu tun.
Auf 4000 Jahre alten
Palast gestossen
TÜBINGEN: Archäologen von der Universität
Tübingen haben in Syrien einen 4000 Jahre al
ten Palast entdeckt, Auf das Königshaus aus der
mittleren Bronzezeit stiessen die Forscher bei
Ausgrabungen in dem Ruinenhügel Teil Mi-
scherfe, der die Überreste der altsyrischen Stadt
Qatna birgt, teilte die Universität Tübingen am
Dienstag mit. Der Hügel sei bereits einmal En
de der 20er Jahre Grabungsort von französi
schen Wissenschaftlern gewesen. Das neue Un
ternehmen unter Leitung von Prof. Peter Pfälz-
ner und Michael Novak ist Auftakt eines Pro
jekts der Universität Tübingen, der Hochschule
in Udine in Italien und der Antikendirektion in
Damaskus. Ziel ist die vollständige Erforschung
der alten Stadtanlage von Qatna, die ihre Blü
tezeit zwischen 1900 und 1600 vor Christus er
lebt hatte.
«Salzburger Stier 2000»
BASEL: Das Duo «Geholten Stühle» ist der
Schweizer Preisträger des «Salzburger Stier
2000», wie Radio DRS am Dienstag in Basel be
kannt gab. Der mit 10 000 Mark dotierte re
nommierte Kabarett-Preis wird am deutsch
sprachigen Kabarett-Forum in Köln überreicht.
Das Forum findet vom 14. bis zum 16. Juni statt.
Der 33-jährige Emmentaler Gerhard Meister
und der 32-jährige St. Galler Andres Lutz wer
den für ihr jüngstes Programm «The Stools be-
come strong Men» über «Sport, Spiel und Phi
losophie» ausgezeichnet. Damit wird dieses
Jahr eine der skurrilsten Blüten der schweizeri
schen Kleinbühnen prämiert. «Geholten Stüh
le» sind als halsbrecherische Amok-Fabulierer
und Nonsense-Virtuosen bekannt.
Kritische Worte zu
«gefälligen» Filmen
35. Solothurner Filmtage eröffnet
Mit dem Kurzspielßlm «Güm
mer» von Zita Bernet sind am
Dienstagnachmittag die 35. So
lothurner Filmtage eröffnet
worden. Filmtageleiter Ivo
Kummer rief die Filmschaffen
den zu mehr Mut und subversi
veren Filmen auf.
Vorbei sind die Zeiten, als an den
Solothurner Filmtagen politische
Manifeste und gesellschaftsverän-
dernde Traktate die filmische Agen
da bestimmten. Politiker und Wirt
schaftsleute können sich heute in
Solothurn bewegen, ohne Gefahr zu
laufen, ausgebuht zu werden.
Beklagt wird heute, ganz offiziell
zur Filmtage-Eröffnung, vielmehr,
dass die Filme «gefällig» seien, dass
sie «falsche oder unnötige Bilder»
beinhalteten und «Gratisbilder»
seien, die bloss «viel kosten», wie
sich Kummer in seiner Eröffnungs
ansprache im Landhaus ausdrückte.
Fernsehen zwingt zur Anpassung
Kummer machte aber auch klar,
wieso sich der Schweizer Film seiner
Meinung nach in dieser Situation
befinde. Einerseits seien es die be
schränkten finanziellen Mittel, wel
che viele Filmemacher zur Anpas
sung zwängen, und andererseits sei
es das Fernsehen, das vor allem die
Dokumentarfilmer dazu bringe,
sich nach der gängigen Fern
sehästhetik auszurichten.
Diese Tendenz habe sich in den
letzten Jahren verstärkt, sagte Kum
mer. «Der grosse Kino-Dokumen
tarfilm aus der Schweiz, der sich
auch international durchsetzen
Die Organisatoren der Solothurner Filmtage haben wiederum ein breites Filmangebot zusammengestellt.
konnte, ist mit dieser Nivellierung
ernsthaft gefährdet», warnte der
Filmtage-Geschäftsführer.
«ID Swiss»
Kummer begrüsste zwar den
«Pacte audiovisuel» zwischen der
Filmbranche und dem Fernsehen, in
dem sich die SRG verpflichtet,
deutlich mehr Gelder in den
Schweizer Film zu stecken, gibt sich
aber überzeugt, dass «das Buhlen
um Einschaltquoten und die damit
verbundene Simplifizierung eines
Publikums (...) Innovationen und
Experimente» verhindere. Für das
Abendprogramm des Eröffnungs
tages indes brauchte sich Kummer
keine Sorgen zu machen. Mit dem
Episodenfilm «ID Swiss» von sie
ben jungen Filmschaffenden lief ei
ner der interessantesten Dokumen
tarfilme des Jahres, der bereits im
Sommer in Locarno viel Erfolg hat
te. «ID Swiss» wurde vollständig
von der SRG finanziert und wird in
den Schweizer Kinos zu sehen sein.'
Parallel dazu lief im Konzertsaal
der Spielfilm-Erstling «Zornige
Küsse» der Zürcherin Judith Ken-
nel, ebenfalls einer der zur Zeit be
merkenswerteren Produktionen.
Die Internatsgeschichte läuft be
reits seit einer Woche in den
Schweizer Kinos.
Insgesamt zeigen die diesjährigen
Filmtage über 190 Filme und Videos
mit einer Dauer von rund 150 Stun
den. Quantitativ zumindest braucht
sich der Schweizer Film also keine
Sorgen zu machen. Zudem zweifelt
niemand daran, dass auch qualitativ
die gezeigten Arbeiten wieder die
eine oder andere Perle hervorbrin
gen werden.
Musik ohne Grenzen
Dodo Hug & Band am Samstag, 22. Januar, live im Alten Kino in Mels ,
Sie ist Sängerin, Musikerin, Lieder-
schreiberin, Schauspielerin, Komö
diantin. «In Concert» heisst das
neue Programm von Dodo Hug und
umfasst musikalisch fast die ganze
Welt. Live zu erleben ist Dodo mit
ihrer Band am Samstag, 22. Januar,
um 20.15 Uhr im Alten Kino in
Mels.
Dodo Hug und Kleinkunst - das
mag sich zunächst wie Tiefstapelei
anhören. Zuviel hat das stimm- und
sprachgewandte Multitalent in
Film, Fernsehen, Rundfunk,Theater
und auf unzähligen Bühnen im In-
und Ausland schon bewirkt. Zu sehr
sind uns ihr ausdrucksstarker Ge
sang, ihr verspielter Sprachwitz und
ihre Komik unterdessen ans Herz
gewachsen. Zu deutlich auch der
Preissegen: Salzburger Stier 1985,
Deutscher Kleinkunstpreis 1993,
Prix Walo 1994.
Während wir Dodo Hug in ihrer
quirligen Stilvielfalt weder sprach
lich noch musikalisch zu fassen krie
gen, umfasst sie derweil mit ihrem
aktuellen Programm «Dodo Hug in
Concert» spielend die ganze Welt:
Da klingt etwa neapolitanische, sar-
dische oder brasilianische Volksmu
sik an, französische Poesie wechselt
mit rätoromanischer Lyrik, Eigenes,
Fremdes, Traditionelles, Modernes,
Wälderkautsch und Kauder-
Dodo Hug ist am Samstag im Alten
Kino Mels zu erleben
welsch... Kein Stil, dem sie nicht ge
wachsen wäre, keine Sprache, die
ihr Einhalt zu gebieten vermöchte.
Die Begleitband steht ihrer Sän
gerin in nichts nach. Ob sphärische
Klangwelten, bluesige Balladen,
mitreissende Volkslieder oder
sprühende Improvisationen: Mit
Leichtigkeit und Freude spielen sich
Dodo Hug, Efisio Contini, Paul
Buchmeier und, ganz neu, Arlette
Keiser durch den multikulturellen
Kräutergarten. Mag sein, dass ande
re Stars unsere kleine Schweiz in die
Welt hinaus tragen. Madame Dodo
hat mit ihrem Kleinkunst-Pop ge
nau das Gegenteil im Sinn: Sie trägt
die Welt in die Schweiz hinein.
Umbruch oder Untergang?
Filmfestival Locarno: «Heroische» Pionierphase beendet
LOCARNO: Der neue Präsident
des Filmfestival Locarno schlägt
Alarm: Trotz ständig gewachsenem
Publikumsinteresse steht das kultu
relle Grossereignis mit internatio
naler Ausstrahlung jedes Jahr vor
dem finanziellen Abgrund. Nun
müssen neue Strukturen her.
Nach 19 Jahren an der Spitze hat
Raimondo Rezzonico 1999 das Prä
sidium dem Tessiner Regierungsrat
Giuseppe Buffi übergeben. Als
«heroische Phase» bezeichnet Buffi
die Amtszeit seines Vorgängers, in
der ein 4,5 Millionen Franken ko
stender Anlass bei jeder Ausgabe
von einem Milizsystem praktisch
aus dem Boden gestampft wurde.
Löcher bei den Finanzen liessen
sich derweil dank immer grösseren
Zuschauerströmen halbwegs stop
fen. Doch für noch mehr Publikum
fehlt nun der Platz. «Nur als profes-
Neuer Präsident des Filmfestivals
Locarno: Guiseppe Buffi
sionell geführtes Unternehmen
kann das Filmfestival überleben»,
kündigte Buffi am Montagabend
gegenüber den Medien deshalb eine
Weichenstellung an.
Eigenkapital fehlt
Um die Veranstaltung auf eine so
lidere Basis zu steilen, müssen ein
bis zwei Millionen Franken an Ei
genkapital her: Da ist sich die neue
Spitze um Präsident Buffi und Fest
ivaldirektor Marco Müller einig.
«Denn heute», erinnert der Präsi
dent, «besitzt das Festival nichts
ausser den Stühlen auf der Piazza
und den Projektoren.»
Das Geld möchte er in den Kauf
einer Liegenschaft wie die Mehr
zweckhalle «Fevi» investieren, wo
das Festival jeweils einen Teil der
Filme zeigt. Denn dass für Mieten
und provisorische Infrastruktur bei
jeder Ausgabe ein Millionenbetrag
ausgegeben werden muss, hält er für
einen Irrsinn.
Ganzjährig präsent
«Das Festival soll ein Zentrum
der Kulturproduktion werden», er
gänzt Direktor Müller. Mit Veran
staltungen, einem öffentlich zu
gänglichen Filmarchiv, Publikatio
nen und einer Zusammenarbeit mit
dem Studiengang Kommunikati
onswissenschaften der Universität
Lugano soll es künftig ganzjährig
präsent sein.
Auch für die 160 000 Festivalbe
sucher soll sich einiges ändern. Von
automatischen Billettschalter wie
bei Skiliften und einem leistungs
fähigeren Informationssyistem ist
etwa die Rede. Das sind zwar erst
Ideen. Direktor und Präsident ha
ben aber eines deutlich gemacht:
Grundlegende Veränderungen er
achten sie für unumgänglich.
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