Liechtensteiner Volksblatt
P
orm Verfassuno
Samstag, 13. Mai 2000 3
Verfassungsvorschlag Fürst:
Skepsis, aber auch Zustimmung
FBPL-Verfassungsoffensive in Balzers:Argumente für beide Seiten - Vielseitige Diskussion
Vielfältige und interessante Dis
kussion rund um die Verfassungs-
frage gestern Abend im Balzner
Restaurant «Falknis». Zahlreiche
Besucher nutzten die Plattform
der Bürgerpartei, sich eine Mei
nung in der Verfassungsfrage zu
bilden und Argumente auszutau
schen. Gegenüber dem Verfas
sungsvorschlag des Fürsten war
mehrheitlich Skepsis zu verneh
men, jedoch befanden sich unter
den Diskussionsteilnehmem auch
zahlreiche Befürworter des fürst
lichen Vorschlages.
Peter Kindle
Wer soll in Liechtenstein künftig für die
Bestellung von Richtern verantwortlich
sein? Einige Diskussionsteilnehmer der
FBPL-Verfassungsoffensive in Balzers
konnten dem Verfassungsvorschlag des
Landesfürsten positive Elemente ent
nehmen. «Es ist vielleicht besser, wenn
ausländische Richter in unserem Land
Entscheidungen fällen. Ich persönlich
möchte mich nicht vor jedem liechten
steinischen Richter verantworten müs
sen», stellte ein Diskussionsteilnehmer
fest.
Andere Besucher der Veranstaltung
hingegen betonten ausdrücklich, dass
die Parteien bei der Bestellung von
Richtern nicht ausgeschlossen werden
können und dürfen. Zudem sei es ge-
Landesfiirsten meldeten sich zu Wort.
fährlich, die Richterbestellung nur auf
eine einzelne Person, den Landesfür
sten, zu reduzieren. Dieses Recht müs
se bei Volk und Landtag bleiben - gera
de auch, weil es eine grosse Errungen
schaft der weltweiten Geschichte gewe
sen sei, die Richterbestellung klar von
der Monarchie zu trennen. «Es darf
Uriu nm,.,,' ,<
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Plattform
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nicht sein, dass der Monarch die unein
geschränkte Kontrolle über die Judika
tive besitzt».
Sachfrage mit Drohungen
vermischt
«Wir sind nicht gegen die Monarchie,
jedoch wollen wir etwas am Image des
Fürsten kratzen», stellte eine Diskussi-
onsteilnehmeritt' , Wst,,<<denn der Fürst'
behandelt das Volk als unmündige Bür-
. ,,,
i toi ^ ^ I V/ ,
aus dem Umstand, : dass das Fürsten
haus eine Sachfrage mit Drohungen
vermische.
Wichtig erschien es den Diskussions
teilnehmern auch, dass es ein grosser
Ich habe keine Befürworter gehört»
«
Rund 35 Personen informierten sich
gestern Abend in Mauren über den
Stand der Dinge in Sachen Verfassungs
diskussion und deren kritische Punkte.
Ein dichtes Programm erwartete die
Gäste nach der Begriissung durch Mau
rens Parteiobmann Gebhard Malin.
Iris Frick-Ott
Moderator Michael Biedermann zeich
nete zu Beginn das Bild der Verfas
sungsweges auf und formulierte die
Zielsetzungen des Abends. Dabei ging
es vor allem darum, die Unterschiede
der beiden Verfassungsentwürfe aufzu
zeigen und zu diskutieren. Im Vorder
grund stand der Verfassungsvorschlag
des Fürsten mit den Artikeln zur Frei
willigkeit der Mitgliedschaft der Ge
meinden im Staatsverbund, zur Notver
ordnung, der Richterbestellung und be
treffend Auflösung von Landtag und
Regierung.
Toter Artikel?
Als toten Artikel, der nie zum lYagen
komme, weil keine Gemeinde je aus
dem Verbund austreten werde, bezeich
nete ein Diskussionteilnehmer Artikel
1, in dem es um die freiwillige Mitglied
schaft geht. Otmar Hasler, Landtagsab
geordneter und Mitglied der Verfas
sungskommission trat zu diesem Punkt
auf die Frage, wie der Fürst überhaupt
auf diesen Artikel gekommen sei, ein:
«Das Selbstbestimmungsrecht ist ein
vom Fürsten seit längerem propagiertes
Ziel, für welches bereits einige univer
sitäre Untersuchungen gemacht wur
den. Doch die Verfassungskommission
hat Bedenken, dieses Recht in Liech-
FBPL-Veranstaltung zur Verfassungsdiskussion in Mauren
Ablehnende Haltung betreffend Verfassungsvorschlag des Fürslenhauses herrschte
ander FB PL-Verfassungsdiskussion in Mauren. ' (Bild:bak)
tenstein umzusetzen, weil wir ohnehin
an der unteren Grenze der Einwohner
zahl rangieren. Und was noch wichtiger
ist, mit diesem Artikel könnte eine Ge
meinde eine Entscheidung treffen, die
sich zwar auf den ganzen Staat aus
wirkt, diesem aber kein Mitbestim
mungsrecht einräumt». Gar als
«ZUckerchen» für alles, was der Fürst
uns an Rechten sonst wegnehme, be
zeichnete einer der Gäste besagten Ar
tikel. Und ein Weiterer zeichnete die
I
Hintergründe, wie es zu Liechtenstein
als unveräusserliches Ganzes gekom
men sei und wies ausserdem auf die psy
chologische Wichtigkeit des seit 1921
bestehenden Afrikas hin.
Beim Artikel über die Notverord
nung stand jvoiall^m die Interpretati
onsfrage in! Vordergrund: Wann wird
dieses wie angewandt? Gilt es nur bei
Naturkatastrophen und Kriegen oder
kann es garibe^ politischen Unstimmig
keiten zwischen Fürst und Landtag zum
FBPL-Verfassungsoffensive in Balzers: Nicht nur kritische Stimmen, sondern auch Befürworter des Verfassungsvorschlages des
(Bild: bak)
Unterschied sei, ob das Volk über die
Abschaffung der Monarchie abzustim
men habe, oder ob es sich lediglich um
die Frage drehe, wo der Fürst künftig
seinen Wohnsitz haben wolle.
Mehr Demokratie -
mehr Monarchie?
«Was im Jahre 1992 passiert ist, darf
nicht mehr geschehen. Darum will der
Landesfürst die 'Regierung und den
Wir stimmen nicht darüber ab, ob
Wch,W(en'geht oder nldit^j
r ^ f^eiiichoi^ dasi'^er FÖratdiei
NlcfitefaW
g'er». Ein aiiiderör Teilnehmefstellte Landtag jederzeit iri dife Wüste schicken
fest", dass der Fürst sälb</t an seinem My- ' dürfen», lautete eine "Feststellung, als
thos kratze. Dies geschehe allein schon über das Notverordnungsrecht disku
tiert wurde.
Es sei wichtig, dass jeder für sich
selbst abkläre, ob nun der Verfassungs
vorschlag des Fürstenhauses mehr De
mokratie oder Monarchie bringe.
* \ .1 , «Jv ^.y^l
, Der JFüret kann" doch nJchtcunbe-'j
gründe tdltfVoIksVertn
^Mr'gr&se Stadien v^kälede-ij
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Der Fürst kratzt selbst an seinem {
I f
Zuge kommen? Auf diese Frage wird
vermutlich, falls der Vorschlag des Für
sten angenommen wird, die Erfahrung
die Antwort geben.
Von heikel bis Misere
Auch die Artikel 11,97 und 105, in wel
chen es um die Richterernennung geht,
gaben einiges zu reden. Als heikel be
zeichnete ein Diskussionteilnehmer die
Tatsache, dass auch die Zusammenstel
lung des beratenden Gremiums in den
Händen des Fürsten liege. Ein anderer
meinte zum Vorschlag: «Das ist schon ei
ne Misere mit unseren Richtern. Viel
leicht wäre es jetzt wirklich Zeit, dass der
Fürst die Richter selbst ernennt, wenn
man an die verschleppten und schubla-
disierten Verfahren denkt». Auf das Ar
gument des Fürsten, er sei parteiunab
hängig und deshalb neutraler, steht der
Vorschlag der Verfassungskommission,
dass der Landtag künftig nur noch mit
einer J /j-Mehrheit einen Entscheid her
beiführen kann. Momentan stehen noch
drei der vier Gutachten aus, die die Ver
fassungskommission in Auftrag gegeben
hat. Die Verfassungsrechtler beschäfti
gen sich mit der Aufgabe, die beiden
Entwürfe auf demokratische und völ
kerrechtliche Grundlagen hin zu über
prüfen. In zwei bis drei Wochen sollten
die noch ausstehenden Gutachten ein
treffen und hoffentlich eine Basis für
neue Gespräche zwischen dem Fürsten
und der Kommission bieten. Denn der
vorliegende Entwurf des Fürsten ver
mag anscheinend diese Grundlage nicht
zu bieten und ein Zuhörer formulierte es
abschliessend so: «Ich habe während
drei besuchten Veranstaltungen noch
keinen Befürworter gehört!»
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