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Liechtensteiner Volksblatt
Kultur
Freitag, 12. Mai 2000 31
Nachrichten
Geistvoll Geistloses
im TaKino
SCHAAN: Die Nase für Ironie, das Händchen
fürs Absurde: Sie gehörten wohl schon immer
eher zum Westschweizer Film als zu demjenigen
der Compatriotes mit der schwereren deut
schen Zunge. Und trotzdem fliegt uns da aus
Genf ein Däbut entgegen, das beides in uner
wartetem Mass besitzt. «Attention aux chiens»
behauptet: Wir können auch anders, nämlich
luftig-leichten Nonsense produzieren, geistvoll
geistlos sein. Das alles schafft Fran;ois-Christo-
phe Marzal, 1966 in Nizza geboren, Absolvent
der Genfer Ecole supärieure d'art visuel und
Mitglied des Kinokollektivs «Spoutnik» in
Genf. Hat man auf der Leinwand schon einmal
einen erfolglosen Privatdetektiv gesehen? Man
hat. Einen erfolglosen Kommissar einen noch
erfolgloseren Detektiv in die Mangel nehmen?
Aber sicher. Nicht das Was macht Marzais D6-
but bemerkenswert, sondern das Wie. «Attenti
on aux chiens» ist im Grunde ein Vexierspiel,
das vorgibt, eine Detektivgeschichte, die vor
gibt, ein Film noirzu sein. Wäre da nicht des Au
tors Lust am Irrationalen, Zufälligen, Schein
haften und das Laster namens Pulp. Unter Ver
wendung dieser Bestandteile ist sein Film (Ky-
nologen sind enttäuscht: Vierbeiner sind kein
relevanter Bestandteil der Handlung) eine ab
surde Menschen-Jagd, bei der ein Hase Hunde
hetzt.
Einen Hund, wie ihn der Privatdetektiv Alex
(Jacques Roman) nicht besitzt, auch wenn da
vor an einer Wohnungstür gewarnt wird. Dafür
hält er sich eine Sekretärin, Liz (Anne Marti-
net), ein einäugiges Wesen von zyklopenhaftem
Wuchs. Doch auch sie nützt Alex wenig; wegen
Drogenbesitzes soll er ins Gefängnis wandern
oder die Karriere des Kommissars (Jacques Mi
chel) befördern, indem er den flüchtigen Bank
räuber Franck (Christian Gregori) dingfest
macht. Alex ist ein Polizeihund, ein Spürhund,
ein Schnüffler - doch innerhalb dieser Katego
rien ein Hase. Ein gut getarnter Hase allerdings.
Im Gegensatz zu Dario (Sacha Bourdo), der al
lein wegen seiner atemlosen Sprints durch die
Stadt, gejagt von Kindern, Hunden, Billettkon
trolleuren und dem Pech, sich als Fluchttier zu
erkennen, gibt. Stoisch wie Buster Keaton
steckt er jeden Tiefschlag weg, der geborene
Verlierer. Doch einiges ist anders, als es scheint;
und auch die aparte Soziologiestudentin Loret-
te (Delphine Lanza) nicht wirklich naiv, wenn
gleich sie mit Franck des Nachts bald Kriminal-
und Bettgeschichte(n) macht. Ihr Lebensmotto
entspricht der Stringenz der gesamten Hand
lung: «Ich will sehen, wie weit man gehen kann,
ohne zu wissen, wohin.»
Francis-Christophe Marzal hat sich für das
Casting viel Zeit genommen und frische Ge
sichter gefunden, die den Film zur prächtigen
Typenkomödie machen. Eine Entdeckung ist
der Franzose Sacha Bourdo, ein Strichmänn
chen, entlaufen aus einem Comicstrip, das trotz
beredter Körpergrammatik ein Rätsel in stum
mer Person bleibt. Genauso exakt wie die Be
setzung sind auch Kameraeinstellungen (Sever
ine Barde) und Locations konzipiert: Miniatu
ren einer absurden Klub- und Scheinwelt, in der
sich Zocker und Transvestiten ihr Schicksal ge
genseitig aus der Hand lesen. Und Astrologin
nen Bankräuber an der Wursttheke finden. Die
ses Döbut steht entschieden im Sternzeichen
der Zwillinge: Es darf nicht lange allein bleiben.
«Attention aux chiens» ist von Freitag bis Sonn
tag im TaKino in Schaan zu sehen.
Farbsymphonien im
Haus Gutenberg
BALZERS: Aquarelle
zieren die Wände des
Entröe und des Speise
saals im Bildungshaus
Gutenberg. Für die Gäs
te sind sie eine einladen
de Ouvertüre, sich in das
interessante Bildungsge
schehen einzulassen.
Die Künstlerin Sylvia
Ruosch zeigt ihre Aqua
relle, wobei in diesem Zeigen sich ebensoviel
Zurückhaltung wie Achtung vor der Phantasie
der Betrachter offenbart. Die Vernissagerede
wird Othmar Vogt, Gemeindevorsteher von
Balzers halten. Die Feierstunde wird umrahmt
vom Zitherspiel von Hermann Oberson, Salet-
tinerpater und Gymnasiallehrer in der Unteren
Waid, der mit eigenen Kompositionen aufwar
tet. Die Feierstunde beginnt am Samstag, den
13. Mai, um 19.30 Uhr und schliesst mit einem
Ap£ro. Das Haus Gutenberg, die Gemeinde
Balzers und die Künstlerin freuen sich auf
Gäste. (Eing.)
1|
«Dora Bom tiri Bom Bom
Garta»
Stefan Frommelts Jazz-Zirkus in der «Alten Weberei» inTriesen
«Dora Bom liri Bom Bom
Garta» ist nicht nur ein span
nender Name, sondern auch
ein musikalisch spannendes
Programm, das Stefan From
melt erarbeitet und zusam
mengestellt hat. «Dora Bom ti
ri Bom Bom Garta» ist der Na
me für einen Musikcocktail
oder Musikbongert, bestehend
aus Jazz, aktuellem Drum'n
Bass, Popsongs mit Mundart
texten vom Kabarettisten Ma
thias Ospelt sowie folkloristi
schen und klassischen Musi
keinflüssen.
Gerolf Hauser
All das ist am kommenden Sonntag
(Muttertag) um 20 Uhr in der «Al
ten Weberei» (Spoerry in TViesen)
zu hören. Und zwar von Herbert
Walzer (Trompete, Flügelhorn,
Zink), Bernhard Klas (Altsaxo
phon, Klarinette), Markus Gsell
(Tenorsaxophon, Bassklarinette),
Christel Eberle (Waldhorn), Chris
Diggemann (Schlagzeug), Stephan
Reintaler (Bass), Stefan Frommelt
(Piano, Synthesizer) und, als Gast
solist, Wolfgang Nipp (Gesang).
Die Traumbesetzung
In einem Gespräch schilderte uns
Stefan Frommelt das Projekt «Jazz-
Zirkus» näher: «Zuerst hatte ich die
Idee, Volksmusik zu bearbeiten und
mit neuen Texten aufzuführen. All
mählich ist daraus der Jazz-Zirkus
Stefan Frommelt (Mitte) bei einer Probe, zusammen mit Christel Eberle (Waldhorn) und Wolfgang Nipp (Gesang).
entstanden. Zirkus heisst, sich Uber
raschen lassen, was geboten wird.
Jazz-Zirkus heisst, dass unter der
Überschrift Zirkus in der Arena die
verschiedensten Dinge geschehen
können, d.h. bei uns, dass verschie
dene Stilrichtungen ihren Platz ha
ben. Jazz-Zirkus heisst aber auch,
dass jeder aus der Band sich in der
Arena frei bewegen kann, auch
wenn alle Stücke, die wir spielen,
von mir stammen.
Ich wollte nie «nur» ein Klavier
trio machen, sondern Bläser dabei
haben. Mit den vier Bläsern konnte
ich meine Traumbesetzung zusam
menstellen, die auch ein Teil meiner
Diplomabschlussarbeit an der Jazz
schule in Luzern ist. Wichtig für
mich ist es auch, Songs zu schreiben.
Aber warum immer in Englisch?
Ich bin sehr glücklich, dass Mathias
Ospelt für zwei Songs die Texte ge
schrieben hat, z.B. das Nonsense-
Gedicht «Dora Bom tiri Bom Bom
Garta».
Da spielt der Text mit liechten
steinischen Dialektfragmenten und
ich habe das in Musik umgesetzt.
Auch dieser Untertitel passt zu Jazz-
Zirkus, weil in einem Baumgarten
die verschiedensten Baumarten
ihren Platz finden. Zur Vielfalt der
Zirkusarena gehört auch, dass wir
die sogenannten Jazz-Standards,
wie z.B. «Summertime», bearbeitet
haben, sie also anders klingen, als
man es gewöhnt ist.
Beim Erarbeiten war ich sehr an
gewiesen auf die Zusammenarbeit
aller, die wunderbar funktionierte
und, neben der Arbeit, die das mit
sich bringt, auch viel Spass macht.
Aber warum viel erzählen: Wir ma
chen einfach zusammen Musik, fer
tig! Und zwar die Musik, die uns ge
fällt - und hoffentlich auch ande
ren.»
Der Stoff, aus dem die Träume sind»
«
Ausstellung mit Werken von Uschi Stoff in der Galerie DoMus in Schaan
«Uschi Stoff - der Stoff, aus dem die
Tlräume sind», begann Gregor Ott,
Gemeindevorsteher von Eschen,
seine Rede bei der Vemissage in
der Galerle DoMus am Donners
tagabend. Denn Uschi Stoff
zeige uns mit ihren Bildem und lex-
tilen Arbeiten ihre realisierten
Tlräume.
Gerolf Hauser
Uschi Stoff, aufgewachsen in
Oberösterreich - sie kam erst 1981
ins Rheintal, lebte zuerst in Sevelen,
ab 1983 in Vaduz und 10 Jahre spä
ter schliesslich in Nendeln - wurde
durch ihre Eltern schon früh ge
prägt durch künstlerische Aktivitä
ten. Mutter und Grossmutter arbei
teten in der Modebranche, der Vater
war Hobbymaler.
Uschi Stoff studierte zwar Sozio
logie und Wirtschaftswissenschaf
ten, lernte daneben aber autodidak
tisch das Zeichnen, Malen und We
ben.
Normal und grotesk
In Liechtenstein, der 1977 gebo
rene Sohn Christian wird im Eben
holz eingeschult, erlebt die Familie,
nicht zuletzt durch die Schule, Tra
dition und liechtensteinisches
Brauchtum intensiv mit. Die Berge
mit den verschiedenen Stimmungen
bilden immer neue Motive (eine
Auswahl der Liechtenstein-Bilder
war 1997/98 in der Galerie Haas in
Vaduz zu sehen).
Uschi Stoffs Reisen und das Stu
dium anderer Kulturen (wie z.B. die
japanische Kunst und Sprache und
die chinesisch-taoistische Götter
welt) führen zu einem persönlichen
Stil, bei dem häufig das Normale
und Groteske, in leuchtenden und
harmonischen Farben, unvermittelt
nebeneinander stehen. «Uschi
Stoffs TVaumstoffe sind oft von Hu-'
Ida Meier, DoMus, Uschi Stoff und Gregor Ott vor einem Werk im Domus in Schaan.
(Bild: bak)
mor geprägt», sagte Gregor Ott.
Dies zeigte er in humoriger Weise
anhand der Golfbilder auf. «Die
maximale Gesamtlänge eines Golf
platzes liegt ungefähr bei 7000 Me
tern.
Bei Uschi Stoff spannt sich der
Bogen viel weiter, er geht von dem
bedeutenden Vertreter der deut
schen Romantik Caspar David Frie
drich über den Wegbereiter des Ex
pressionismus in Europa, den Nor
weger Edvard Münch bis hinauf auf
den Mars...
Mit einem hintergründig lächeln
den Blick verwandelt Uschi Stoff
die Idealgestalt der Friedrichschen
Natur, die schockierende Darstel
lung ekistenzieller Grenzerfahrun
gen bei Münch und die lebensfeind
liche Marslandschaft, nimmt ihnen
die Schrecknisse. Gemeinsam ist al
len Bildern, dass sie, den Begriffen
des Golfspiels folgend, ein Hole-in-
one sind, ein Volltreffer... Aber nicht
Uschi Stoff ist die Siegerin, sondern
wir, die den Genuss dieser herrli
chen Werke von ihr geschenkt be
kommen.»'
Föhn.X - Phönix
«Föhn.X» zeigt Bilder und textile
Objekte, Liechtensteinmotive und
Blumenbilder. Zu sehen ist auch ei
ne Serie von satirischen Golfbildern
und ein Mix von 30 Original-Blät
tern in Farbe und schwarz/weiss, die
man in einem «Galerie-Wagen»
selbst entdecken kann.
Hauptwerk der Ausstellung ist ei
ne textile Installation, die «Lawena-
Kaskade», Bestandteil des raum
greifenden, textilen Wasserfalls ist
eine speziell dafür aufgenommene
Musik. Zum Titel «Föhn.X» meint
Uschi Stoff: «X-mal haben wir
Föhnstimmungen im Rheintal
und mitten im Januar plötzlich
Frühlingstemperaturen.
Die aussergewöhnlich klare Fern
sicht über die Berge und die Bril
lanz des Lichts lässt die Fantasie
schweifen. Phönix ist auch der
glückbringende, mythologische Vo
gel, der verbrennt und aus seiner
Asche wiederaufersteht.» Musika
lisch umrahmt wurde die Vernissage
von der Gruppe «Nachtschwär
mer», bei der Sohn Christian die Gi
tarre spielte.
«Föhn.X», Ausstellung mit
Bildem von Uschi Stoff in der Gale
rie DoMus bis ?um 12. Juni 2000.
Öffnungszeiten: Freitag 14 bis 20
Uhr, Samstag und Sonntag 14 bis 18
Uhr.
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