Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Europa-Symposium 
Samstag, 6. Mai 2000 5 
Mit Unterstützung von Fachleuten über 
den Tellerrand hinaus blicken 
Liechtensteiner Europa-Symposium in Vaduz: Politik, Wirtschaft und Verwaltung für die Probleme der umliegenden Staaten sensibilisieren 
Bilanz und Perspektiven nach fünf 
Jahren Mitgliedschaft im EWR, 
dies war das Motto des Liechten 
steiner Europa-Symposiums, wel 
ches gestern in Vaduz durchge 
führt wurde. Referenten aus Poli 
tik, Justiz und Wirtschaft legten 
ihre Erfahrungen dar und gaben 
Einblick in ihre Tätigkeit. Kurz 
fristig war die Teilnahme von Pro 
fessor Erich Samson möglich, 
er sprach über internationale 
Tendenzen bei der Bekämpfung 
der Geldwäscherei. 
Adi Lippuner 
Das Institut für Europarecht an der 
Universität St.Gallen mit Professor 
Carl Baudenbacher an der Spitze, in 
Zusammenarbeit mit dem Fürstlichen 
Rat Hans Brunhart, veranstaltet all 
jährlich im Mai das Liechtensteiner Eu 
ropa-Symposium. Aufgegriffen werden 
jeweils Themen des europäischen Inte 
grationsgeschehens. 
In seiner kurzen Begrüssungsanspra- 
che wies Hans Brunhart darauf hin, 
dass die Vertreterinnen und Vertreter 
aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung 
an diesem ganz speziellen Tag für die 
Probleme und Anliegen, die in den um 
liegenden Staaten vor sich gehen, sensi 
bilisiert werden sollen. 
Auf offene Grenzen angewiesen 
Gemäss Regierungschef Mario Frick 
ist Liechtenstein als Kleinstaat darauf an 
gewiesen, offene Grenzen vorzufinden. 
Es sei daher nur logisch gewesen, dass un 
ser Land während Jahrzehnten mit Part 
nerschaften dafür gesorgt habe, dass der 
kleine Markt mit vertraglichen Beziehun 
gen vergrössert wurde. «Der Weg in den 
EWR war in verschiedenerlei Hinsicht 
nicht einfach.» Wer wirtschaftlich stark 
sei, glaube manchmal, sich nicht ändern 
zu dürfen oder zu müssen. «In dieser Si 
tuation befand sich Liechtenstein anfangs 
der Neunzigerjahre.» Europa sei dem 
kleinen Land als Moloch, als etwas weit 
Entferntes erschienen. 
Frick Hess die damaligen Diskussio 
nen und das Abstimmungsprozedere 
nochmals aufleben. Klar sei aber auch 
gewesen, dass ein Beitritt zum EWR die 
guten Beziehungen zur Schweiz nicht 
f 
Vr 


Dr. Sven Norberg, Direktor in der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission, Regierungschef Mario Frick, 
Professor Carl Baudenbacher, Richter am EFTA-Gerichtshof in Luxemburg, und Bernd Hammermann, Mitglied des Kollegi 
ums der EFTA-Überwachungsbehörde (von links). (Bilder: bak) 
trüben dürfen. Zudem habe festge 
standen, dass die Chancengleichheit der 
liechtensteinischen Wirtschaft im eu 
ropäischen Umfeld gewahrt bleiben 
müsse. «Die Regierung und mit ihr die 
anderen Befürworter haben nie be 
hauptet, dass unser Land dank dem 
EWR einen Boom erleben würde, son 
dern dass der Beitritt notwendig ist, um 
sich eine gute Position sichern zu kön 
nen.» Das Land habe sich eine sehr gute 
Ausgangslage für die weitere Entwick 
lung in Europa geschaffen. Gegenwär 
tig schaue man aber auch darauf was 
das Nachbarland Schweiz bezüglich 
Europa entscheide. 
Auswirkungen für unser Land 
Der Initiant des Liechtensteiner Eu- 
ropa-Symposiums, Universitäts-Profes- 
sor Carl Baudenbacher, er ist nebst sei 
nen Aufgaben an den Universitäten in 
St.Gallen und Luxemburg auch Richter 
am EFTA-Gerichtshof in Luxemburg, 
wartete mit einer ganzen Reihe von in- 
f • tJ.?s 
Regierungschef Mario Frick erinnerte an die Bedenken, welche vor fünf Jahren ge 
genüber einem EWR-Beitritt geäussert wurden. 
teressanten Beispielen aus seiner Tätig 
keit am EFTA-Gerichtshof auf. Ein ein 
ziger der angeführten Fälle betraf 
Liechtenstein ganz direkt. 
Im Fall Rainford Towning urteilte der 
EFTA-Gerichtshof, dass eine Vorschrift 
des nationalen Rechts, welche die Zu 
lassung zur Tätigkeital» gewerberecht 
licher Geschäftsführer von einem' 
Wohnsitz im Inland abhängig mache, 
mit der Niederlassungsfreiheit unver 
einbar sei. «Der EFTA-Gerichtshof er 
kannte auch eine indirekte Diskrimi 
nierung, die auch nicht unter Berufung 
auf die öffentliche Ordnung zu recht 
fertigen war.» Er habe festgehalten: 
«auf der einen Seite gewährleiste die 
physische Anwesenheit des Geschäfts 
führers nicht, dass die nationalen 
Behörden die nach nationalem Recht 
zu liefernden Informationen erhalten, 
und auf der anderen könnten diese In 
formationen auch gegeben werden, 
wenn der Geschäftsführer nicht phy 
sisch anwesend ist. Die Berufung auf 
die öffentliche Ordnung als Rechtferti 
gungsgrund setze zusätzlich zur 
Störung der gesellschaftlichen Ord 
nung, die jede Rechtsverletzung mit 
sich ziehe, das Vorhandensein einer 
echten und schwerwiegenden Bedro 
hung eines grundlegenden Interesses 
der Gesellschaft voraus. Dies sei vorlie 
gend nicht getan. 
Immerhin habe der Gerichtshof auf 
die Erklärung des EWR-Rates Uber die 
Freizügigkeit verwiesen. Diese erkenne 
ausdrücklich an, dass «Liechtenstein 
ein sehr kleines bewohnbares Gebiet 
ländlichen Charakters mit einem unge 
wöhnlich hohen Prozentsatz an auslän 
dischen Gebietsansässigen und Be 
schäftigten hat.» Darüber hinaus er 
kennt er das vitale Interesse Liechten 
steins an der Wahrung seiner nationa 
len Identität an. 
Unzulässige Staatshilfe? 
Eine Frage, welche demnächst auch 
in Liechtenstein und Luxemburg disku 
tiert werden könnte, ist gemäss Bau 
denbacher der Entscheid des EFTA- 
Gerichtshofes zu den «Husbanken». 
Die norwegische Bankenvereinigung 
hatte eine Beschwerde an die ESA ge 
richtet und geltend gemacht, die Staats 
garantie stelle eine unzulässige staatli 
che Beihilfe dar. Der EFTA-Gerichts 
hof urteilte, die fragliche Staatsgarantie 
stelle in der Tat eine Beihilfe dar, die 
grundsätzlich gestutzt auf Artikel 59 II 
EWRA gerechtfertigt werden könne. 
Die Überwachungsbehörde habe indes 
nicht ausreichend geprüft, inwieweit die 
Entwicklung des Handelsverkehrs be 
einträchtigt werde, sie habe auch keine 
Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt 
und habe ganz allgemein die Verhält 
nismässigkeit der fraglichen Massnah 
men nicht geprüft. 
Reform erarbeiten 
Bernd Hammermann, Mitglied des 
Kollegiums der EFTA-Überwachungs- 
behörde in Brüssel gab Einblick in sei 
ne Arbeit. So haben sich die EFTA- 
Staaten im EWR-Abkommen ver 
pflichtet, ein unabhängiges Überwa 
chungsorgan einzuführen, um die Erfül 
lung der Verpflichtungen aus dem Ab 
kommen zu gewährleisten. Damit sei 
dieses «Zwei-Pfeiler-Modell», welches 
sicherstelle, dass jede Seite durch ihre 
eigenen Organe für die Erfüllung des 
EWR-Rechtes sorge, geschaffen wor 
den. 
Der Referent wies darauf hin, dass 
aufgrund der äusserst langen Verfah 
rensdauer von Vertragsverletzungsver 
fahren an einer Reform gearbeitet wer 
de. «Im Rahmen des neuen Verfahrens 
wird der betroffene EFTA-Staat viel 
weniger Zeit haben, um die notwendi 
gen Anpassungen vorzunehmen.» 
Markantes Wachstum 
Der Leiter des Amtes für Volkswirt 
schaft, Hubert Büchel, sprach zur wirt 
schaftlichen Entwicklung Liechten 
steins. Mit Zahlen wurde gezeigt, dass 
sich unser Land seit dem Beitritt am 1. 
Mai 1995 in mehreren Bereichen stark 
entwickelt hat. Eine Zunahme ist bei 
der erwerbstätigen'Wohnbevölkerung, 
bei den Zupendlern und im Bereich der 
Gesamtbeschäftigung auszumachen. 
Wesentlich angestiegen ist auch das 
Bauvolumen und die Anzahl der neu 
immatrikulierten Lastwagen. 
Organisator Hans Brunhart (links) diskutiert angeregt mit Heinz Batliner, Ehren 
präsident der Verwaltungs- und Privat-BankAG.
	        

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