Liechtensteiner Volksblatt
Ausland
Freitag,S.Mai2000 31
Nachrichten
Norwegen erwartet
Ausweitung der Streiks
OSLO: Norwegen richtet sich auf eine weitere
Ausdehnung der landesweiten Streiks in der
Privatwirtschaft ein. Nach Medienberichten
vom Donnerstag bereitet die Führung des Ge
werkschaftsdachverbandes (LO) eine Verdop
pelung der Zahl der Streikenden auf 170 000 ab
Dienstag nächster Woche vor. Dabei soll vor al
lem der Transportsektor lahm gelegt werden.
Entgegen ersten Meldungen nahm die LO-Spit-
ze aber die Zulieferung an die öl- und Gasför
derung in der Nordsee vom Arbeitskampf aus.
Mit schweren Behinderungen müsse kommen
de Woche aber im Flugverkehr gerechnet wer
den, hiess es weiter. Seit Mittwoch ist das öf
fentliche Leben in dem skandinavischen Land
durch den Ausstand von bisher 85 000 LO-Mit-
gliedem stark behindert. Bestreikt werden ne
ben zahlreichen Produktionsbetrieben auch die
für den Verkehr wichtigen Fährlinien, die Bau
wirtschaft, Hotels, Brauereien und Zeitungen.
Serben demonstrierten
vor Gefängnis
MITROVICA: Mehrere tausend Kosovo-Ser
ben haben am Donnerstag vor dem Gefängnis
in Mitrovica friedlich demonstriert. Sie wollten
mit dem Protest den Hungerstreik von 36 inhaf
tierten Serben unterstützen, meldete die Bel
grader Nachrichtenagentur Beta. Soldaten der
Friedenstruppe KFOR und starke Einheiten
der UNO- Polizei sicherten währenddessen das
Gefägnisgebäude ab. Die seit 25 Tagen hunger
streikenden Serben verlangen den Beginn der
anhängigen Strafverfahren und Prozesse und
die Freilassung von ihrer Ansicht nach Un
schuldigen.
Entführer teilen Geiseln
in Gruppen auf
JOLO: Mit der Aufteilung ihrer 21 Geiseln in
fünf Gruppen haben die Moslem-Extremisten
auf den Philippinen eine baldige Lösung des
Geiseldramas weiter erschwert. Für die Geiseln
wird die Lage immer verzweifelter. Die Ver
schleppten wurden nach Angaben des philippi
nischen Verteidigungsministers Orlando Mer-
cado vom Donnerstag auf der Insel Jolo an fünf
verschiedene Verstecke gebracht. Auf diese
Weise soll offenbar ein gewaltsamer Einsatz der
Regierungstruppen zur Geiselbefreiung verun-
möglicht werden. Der philippinische Präsident
Joseph Estrada schloss nach vielfältigen inter
nationalen Bitten eine solche Aktion aus. Trotz
dem wuchs elf Tage nach Beginn der Geiselnah
me die Sorge um das Leben der Entführten.
Sri Lanka weitet
Pressezensur aus
COLOMBO: Die Regierung von Sri Lanka hat
am Donnerstag die bereits für örtliche Medien
geltende Zensur auf ausländische Journalisten
ausgeweitet. Diese Massnahme hängt mit einer
neuen Offensive gegen tamilische Rebellen im
Norden des Landes zusammen. Der Informati
onsminister Mangala Samaraweera sagte, Be
richte über Kämpfe im Land sowie über Sicher
heitsfragen unterlägen nun der Zensur. Kritik
an der Präsidentin Chandrika Kumaratunga.die
zugleich Oberbefehlshaberin der Armee ist, sei
nicht erlaubt.
Friedensabkommen soll
Gewalt beenden
JAKARTA/GENF: Mit einem Friedensabkom
men wollen die indonesische Regierung und
die Rebellen in der Unruheprovinz Aceh der
Gewalt ein Ende setzen. Das Dokument soll in
der kommenden Woche in Genf unterzeichnet
werden, wurde am Donnerstag in Jakarta mit
geteilt.
Grenzkrieg eskaliert
JERUSALEM/BEIRUTi Der Grenzkrieg an
der libanesisch-israelischen Grenze hat am
Donnerstag Zivilisten auf beiden Seiten das
Leben gekostet. Die pro-iranische Hisbollah-
Miliz beschoss am Nachmittag mit Raketen die
nordisraelische Stadt Kiriat-Schmona. Beim
Beschuss wurde ein Mensch getötet und 15 wei
tere Einwohner verletzt. Am Morgen hatte die
israelische Artillerie ein Dorf am Rande der
besetzten Sicherheitszone in Südlibanon be
schossen und dabei zwei libanesische Zivilisten
getötet. Wie die libanesische Polizei mitteilte,
kamen in dem Dorf Katrani in der Region Jez-
zine ein 82 Jahre alter Mann und dessen 40-
jährige Tochter ums Leben.
Bilaterale Verträge genehmigt
Europaparlament stimmt Verträgen mit der Schweiz oppositionslos zu
BRÜSSEL: Das Europaparla
ment hat den bilateralen Ver
trägen der Europäischen Uni
on (EU) mit der Schweiz zuge
stimmt. Der Entscheid fiel op
positionslos und ohne Ände
rungsanträge.
Anwesend waren während der Ab
stimmung am Donnerstagvormittag
im Plenarsaal in Brüssel gut 500 der
über 600 Abgeordneten. Über die
sieben Verträge wurde einzeln mit
tels Handaufheben abgestimmt.
Unbestrittenes Geschäft
Die Ratifizierungsdebatte war
vom EU-Parlament schon am spä
ten Mittwochabend geführt wor
den. Das Geschäft war unbestritten,
was sich auch in den gelichteten
Reihen ausdrückte: Nur etwa 15
Abgeordnete nahmen an der
halbstündigen Beratung teil.
Dabei begrüsssten alle acht Red
ner die Verträge und bezeichneten
sie als wichtig für die Beziehungen
zur Schweiz. Der Berichterstatter
des vorbereitenden Ausschusses,
der Italiener Massimo Carraro, wer
tete es zudem als gut, dass das EU-
Parlament seine Zustimmung noch
vor der Volksabstimmung in der
Schweiz gebe.
Oppositionslos stimmte das Europaparlament den bilateralen Verträgen der
Europäischen Union (EU) mit der Schweiz gestern zu. (Bild: Keystone)
Schweiz «Herz Europas»
Dies sei eine Geste des Vertrau
ens, sagte der zur sozialistischen
Fraktion gehörende Carraro, unter
stützt auch von andern Votanten. Es
zeige, dass bei der Integration «die
ses Europas, wo die Schweiz doch
das Herz darstellt», das gemeinsame
Interesse wichtiger sei als politische
Scharmützel.
Ein «interessantes Experiment»
nannte zudem der belgische Christ
demokrat Mathieu Grosch die im
Landverkehrsabkommen vorgese
hene Kombination von Strasse und
Schiene.Trotz Kritik an der Schwer
verkehrsabgabe sagte Grosch, die
Regelung entspreche gänzlich der
EU-Umweltpolitik und sei so «ein
Pilotprojekt».
Hoffnung auf Ja - Kritik an
AHV
Mehrere Votanten brachten ihre
Gespräche zu
Nordirland
LONDON/BELFAST: Der bri
tische Premierminister Tony
Blair und sein irischer Amtskol
lege Bertie Ahern haben ihre
Bemühungen zur Lösung der
Nordirland-Krise fortgesetzt.
Die beiden Regierungschefs tra
fen am Donnerstagabend in Bel
fast zusammen.
Die beiden wollten dort auch
Einzelgespräche mit den Vorsit
zenden der politischen Parteien
Nordirlands führen. Die Ver
mittlungsbemühungen sollen
am Freitag fortgesetzt werden.
Bisher gibt es nach der am
Dienstag eröffneten neuen Ge
sprächsrunde keine Anzeichen
einer Annäherung in der stritti
gen Frage der IRA-Entwaff-
nung.
Nach dem Abkommen müs
sen die katholische Untergrund
organisation und auch die
protestantischen Paramilitärs
ihre Waffen bis zum 22. Mai ab
geliefert haben.
Tiefer Graben
Militärische Krise zwischen USA und Europa
LONDON: Der Zusammenhalt in
nerhalb der NATO ist nach Ein
schätzung des Internationalen Insti
tuts für S.tyflt^gische Studien (IISS)
durch die zunehmende Zahl von
Streitthemen zwischen den USA
und Europa ernsthaft gefährdet.
Zu diesem Schluss kommt das Insti
tut in seinem am Donnerstag veröf
fentlichten Jahresbericht. Als
Hauptstreitpunkte nennt das IISS
die US-Pläne für ein nationales Ra
ketenabwehrsystem, unzureichende
Militärinvestitionen bei den eu
ropäischen Bündnispartnern sowie
Gentechnik.
Diese Punkte könnten als «An
zeichen einer abnehmenden trans
atlantischen Solidarität» gewertet
werden. Das Institut warnte vor
schwerwiegenden Folgen für die Al
lianz, die Zusammenarbeit der
Bündnispartner und die internatio
nalen Befehlsstrukturen der NATO.
Die heftig umstrittenen Pläne für
das neue Raketenabwehrsystem
der USA haben laut IISS einen neu
en Keil in die transatlantischen Be
ziehungen getrieben. Die meisten
europäischen Länder abgesehen
von Grossbritannien sähen in den
US-Plänen ein Zeichen des Isolatio
nismus.
Sie befürchteten einen neuen Rüs
tungswettlauf, da Moskau eine Än
derung des ABM-Vertrags über Ra
ketenabwehrsysteme ablehne. Der
ABM-Vertrag von 1972 verbietet
die Entwicklung nationaler Rake
tenabwehrsysteme. Im Gegenzug
sorgte das Vorpreschen der Eu
ropäer mit einer gemeinsamen Si-
cherheits- und Verteidigungspolitik
für Irritationen in Washington - vor
allem die Ankündigung, bis zum
Jahr 2003 eine Krisenreaktionstrup
pe mit mehr als 50 000 Mann aufzu
stellen. Die USA seien über diese
Entwicklung «zutiefst beunruhigt».
Noch 16 500 müssen zurück
Schweiz: Konzept zur Rückkehr der Kosovo-Flüchtlinge
BERN: Noch 16 500 Kriegsflücht
linge aus dem Kosovo müssen
zurück. An einer nationalen Asyl
konferenz haben die Kantone dem
konsequenten Vollzug der Heim
schaffungen ab dem 1. Juni zuge
stimmt. Für Jugendliche und Risi
kogruppen gelten Sonderregelun
gen.
Bund und Kantone wollen bei der
zwangsweisen Rückschaffung der
aus dem Kosovo Vertriebenen eng
zusammenarbeiten. Das hiess es am
Donnerstag nach der nationalen
Asylkonferenz, zu der Bundesrätin
Ruth Metzler alle Kantonsregierun-
gen nach Bern eingeladen hatte.
Es ging darum, die so genannte
dritte Phase der Rückkehr der Ko
sovo-Flüchtlinge zu organisieren. In
einer ersten Phase (1. Juli bis 30. No
vember 1999) wurden 18 500 Rück
kehrwillige mit 2G00 Franken pro
erwachsene Person (Minderjährige
1000 Franken) und mit Materialhil
fe unterstützt. In der zweiten Phase
(31. Dezember 1999 bis 30. April
2000) wurden die Beiträge und die
Hilfe für den Wiederaufbau an rund
12 000 Personen halbiert. Ab An
fang Juni bis Ende Jahr läuft die
dritte Phase mit dem zwangsweisen
Vollzug der Wegweisungen. Dabei
wird der Bund die Transportkapa
zitäten sicherstellen. Die Asylkon
ferenz einigte sich, dass die Kantone
in der dritten Phase nach einem Sys
tem globaler Rückvergütung der
Fürsorgekosten entschädigt wer
den.
Hoffnung auf ein Ja des Schweizer
Volks zum Aufdruck, machten aber
auch kritische Anmerkungen zu
noch hängigen Problemen. So mo
nierte etwa der österreichische So
zialdemokrat Herbert Bösch, dass
Grenzgänger bei der Altersversor
gung massiv von Verschlechterun
gen betroffen seien.
Bei der 10. AHV-Revision seien
Ehegattenrenten durch an den
Wohnsitz gebundene Erziehungs
gutschriften ersetzt worden, und bei
der 11. Revision solle Ähnliches mit
der Witwenrente geschehen. Somit
hätten Grenzgänger weiterhin glei
che Beiträge zu zahlen, erhielten
aber weniger Leistungen, was der
Gleichbehandlung widerspreche.
Mehrfach angemahnt wurde auch
mehr Kooperation der Schweiz bei
der Betrugsbekämpfung oder im
Zigarettenschmuggel. Laut dem für
Aussenbeziehungen zuständigen
EU-Kommissar Chris Patten gehen
der EU dabei jährlich Milliardenbe
träge verloren. Eine Lösung dieser
Probleme sei jedoch eine Vorausset
zung weiterer Abkommen, sagte
Patten.
Er werde darüber mit dem
Schweizer Aussenminister Joseph
Deiss in Brüssel sprechen, erklärte
Patten.
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Bundesrätin Ruth Metzler eröffnete gestern in Bern, eingerahmt vom Direk
tor des Bundesamts für Flüchtlinge, Jean-Daniel Gerber, rechts, und dem Lei
ter des Schweizer Verbindungsbüros in Pristina im Kosovo, Peter Sutter, die
Nationale Asylkonferenz.
START-n-Vertrag
in Kraft
MOSKAU: Das vor sieben Jah
ren zwischen Russland und den
USA vereinbarte Abrüstungs
abkommen START-II ist seit
Donnerstag für beide Seiten ver
bindlich in Kraft. In Moskau un
terzeichnete Präsident Wladimir
Putin das Gesetz über die Ratifi
zierung des START-II-Vertrags,
mit dem die Atomwaffenarsena
le beider Länder halbiert wer
den, teilte der Pressedienst des
Kremls mit. Washington hatte
das Abkommen bereits 1996 ra
tifiziert. Im April hatte die
Staatsduma das Abkommen
nach siebenjähriger Blockade
durch die Kommunisten gebil
ligt, ehe auch der Föderationsrat
zustimmte. START-II sieht eine
Abrüstung auf 3000 Atom
sprengköpfe für Russland und
3500 für die USA bis 2007 vor.
Moskau will den Vertrag aber
nicht erfüllen, wenn Washington
die Pläne zum Bau eines natio
nalen Schutzschildes gegen Ra
ketenangriffe verwirklicht.