Liechtensteiner Volksblatt
Alls LAN D
Samstag, 29. April 2000 39
Nachrichten
Sechs Terroristen im
Gefängnis
BELGRAD: Das Militärgericht im südserbi
schen Nis hat am Freitag sechs Mitglieder der so
genannten «Serbischen Befreiungsarmee»
(OSA) zu Gefängnisstrafen von 18 Monaten bis
fünf Jahre verurteilt. Das meldete der Belgrader
Sender B2-92. Die Verurteilten sollen Terrorta
ten sowie Attentate auf den jugoslawischen Prä
sidenten Slobodan Milosevic und den General
stabschef Nebojsa Pavkovic geplant haben,
heisst es im Urteil. Gegen einen der Beschul
digten war die Anklage am'Freitag zurückge
nommen worden. Alle Angeklagten haben wäh
rend des Prozesses die Vorwürfe bestritten und
angegeben, ihr Ziel sei lediglich der «patrioti
sche» Kampf gegen die albanischen «Terroris
ten» im Kosovo gewesen. Die Anwälte haben im
Schlusswort betont, dass es sich bei den Ange
klagten um eine Gruppe von «Scharlatanen,
Dilettanten und Unzufriedenen» handelt, die
«nicht wissen, was sie wollen», hiess es bei der
Belgrader Nachrichtenagentur Beta.
Erster Prozessteil
gegen Pinochet
SANTIAGO DE CHILE: In dem historischen
Prozess gegen den früheren chilenischen Dikta
tor Augusto Pinochet ist die erste Phase mit den
Anhörungen der Parteien gestern zu Ende ge
gangen. Die Vertreter der Opfer der Militärdik
tatur hatten in dem am Mittwoch eröffneten
Verfahren ihre Gründe für die Aufhebung der
Immunität Pinochets als Senator auf Lebenszeit
dargelegt. Der greise General sei direkt für Ver
brechen wie Mord, Folter und Entführung poli
tischer Gegner während der Diktatur (1973—
1990) verantwortlich, betonten die Anwälte.
Mindestens 3200 Menschen wurden umge
bracht. Etwa 1200 Menschen gelten bis heute als
verschwunden. Die Verteidiger des 84-Jährigen
machten geltend, ihr Mandant sei aus Alters
gründen nicht zu einer effektiven Verteidigung
fähig und ein rechtstaatlicher Prozess gegen ihn
deshalb nicht möglich. Damit trat die bisherige
Argumentation, Pinochet sei aus Altersgründen
nicht mehr verhandlungsfähig, in den Hinter
grund. Die Hürde für diesen Hinderungsgrund
liegt in Chile sehr hoch. Verhandlungsunfähig-
keit wird nur bei geistiger Umnachtung des An
geklagten angenommen. Ob die 22 Richter die
Immunität tatsächlich aufheben würden, war
weiter ungewiss. Drei bis vier Richter der
Plenums gelten als unentschieden. Ihnen käme
damit die Funktion des Züngleins an der Waage
zu. Politische Beobachter betonten, die An
hörung habe erstmals gezeigt, dass ein Prozess
gegen den früheren Gewaltherrscher
grundsätzlich möglich sei. Es wurde erwartet,
dass das Gericht seine Entscheidung, gegen die
Berufung beim Obersten Gericht möglich wäre,
erst in einigen Wochen bekannt gibt. Chileni
sche Kommentatoren betonten, dass das Ver
fahren ohne den fast eineinhalbjährigen Haus
arrest Pinochets in London kaum möglich ge
wesen wäre. Der General im Ruhestand war bei
seiner Rückkehr aus Grossbritannien Anfang
März von der Militärspitze triumphal empfan
gen worden.
Rumänien will bessere
Beziehungen
CHISINAU: Die Nachbarländer Rumänien
und Moldawien haben am Freitag einen wichti
gen Schritt zur Verbesserung ihrer Beziehungen
getan. Der rumänische Aussenminister Petre
Roman und sein Kollege Nicolae Tabacaru un
terzeichneten in der moldawischen Hauptstadt
Chisinau ein entsprechendes Grundlagendoku
ment. Es soll Moldawien auch ermöglichen,
dem Stabilitätspakt für Südosteuropa beizutre
ten, wie der internationale Koordinator des
Paktes, Bodo Hombach, sagte. Wenn die Regie
rungen beider Staaten dem Abkommen endgül
tig zustimmen, sollen auf staatlicher Ebene
neue Kontakte geknüpft werden. Ziel sei es vor
allem, die Grenzregion sicherer zu machen. We
gen unzureichender Kontrollen an der gemein
samen Grenze blüht dort der Schmuggel. Dage
gen wolle man nun vorgehen, sagte der molda-
wische Präsident Petru Lucinschi.
Mehr Hilfe für
Tschetschenien
BERN: Die Schweiz verstärkt ihre Hilfe an die
zivilen Opfer in Tschetschenien. Als Teil der
Hilfe wurden gestern 3,5 Tonnen Medikamente
nach Grosny geliefert. Zudem wurden seit März
das IKRK und das UNHCR mit je 500 000 Fran
ken unterstützt. «Die Medikamente werden in
der tschetschenischen Hauptstadt verteilt».
Österreich: SPÖ wählt neue Führung - Parteischulden von 44 Millionen Franken
WIEN: Nach ihrer Wahlnie
derlage im Oktober sind die
österreichischen Sozialdemo
kraten (SPÖ) am Freitag in
Wien zur Wahl einer neuen
Führung zusammengekom
men. An der Wahl von Alfred
Gusenbaner bestand kein
Zweifel.
Der 40-Jährige soll Viktor Klima
ablösen, der nach dem schlechtesten
Wahlergebnis seit dem Krieg als
Bundeskanzler und Parteivorsit
zender zurückgetreten war.
Durch eine Verlagerung der Per
sonalkosten von der Bundespartei
an die Länderparteien will die SPÖ
zudem die Parteischulden sanieren.
Diese betragen 351 Millionen Schil
ling (rund 44 Millionen Franken).
Die Regierungsparteien hatten die
SPÖ als «orientierungslos und plei
te» bezeichnet.
Der frühere Bundeskanzler Franz
Vranitzky, der Klima als seinen
Nachfolger in die Politik geholt hat
te, verlangte von seiner Partei, «die
Tirauerarbeit zu beenden und die
Chance zu nutzen, die jede Krise
bietet».
Der Parteitag unter dem Motto
«Neustart für Österreich» soll nach
30 Jahren an der Regierung auch
den Wechsel auf die harten Opposi
tionsbänke einleiten. Die neue
rechtskonservative Regierung «ge
fährdet die Zukunft unseres Lan
des», heisst es in dem Leitantrag.
Gusenbauer: «Imageschaden»
Die politische Isolierung des Lan
des durch seine 14 EU-Partner so
wie die Attacken des scheidenden
FPÖ-Vorsitzenden und Rechtspo-
Der neu gewählte SPÖ-Parteivorsitzende Alfred Gusenbauer während seiner Ansprache in Wien. (Bild: Keystone)
pulisten Jörg Haider «kosten Milli
arden an Wirtschaftskraft in diesem
Land», behauptete der designierte
Parteichef Gusenbauer. Es werde
wenigstens zehn Jahre dauern, den
«Imageschaden» durch die Regie
rung aus FPÖ und ÖVP wettzuma
chen.
«Besorgt» über die Situation in
Österreich zeigte sich beim SPÖ-
Parteitag auch der erste Sekretär
der französischen Sozialisten, Fran-
cois Hollande. Der Vormarsch und
die Regierungsbeteiligung der FPÖ
sei ein «schwerer Angriff auf die ge
meinsamen Prinzipien der EU». Die
FPÖ zählt laut Hollande zur «extre
men Rechten».
Die europäischen Sozialisten
sprachen ihren österreichischen
Genossinen und Genossen Unter
stützung zu. Die Massnahmen ge
genüber der Regierung mit FPÖ-
Beteiligung müssten beibehalten
werden, der Kontakt mit der öster
reichischen Bevölkerung aber ver
stärkt werden, hielten die europäi
schen Sozialisten in einer Mittei
lung fest.
Rassismus-Diskussion
Rund ein Dutzend sozialistische
Politikerinnen und Politiker aus
verschiedenen Ländern Europas
Auf Kompromiss geeinigt
Farmer und Landbesetzer in Simbabwe erzielen Verhandlungserfolg
HARARE: Landbesetzer und weis
se Farmer in Simbabwe haben bei
ihren Verhandlungen um die besetz
ten Ländereien gestern einen
Durchbruch erzielt. Sie kündigten
einen Kompromiss im Kampf um
Land und politische Macht an. Die
Farmer sollen ihre Arbeit fortsetzen
können. Die Geflüchteten sollen
wieder auf ihre Farmen zurückkeh
ren können.
Bei dem Treffen in Harare wurde
vereinbart, dass die Besetzer
zunächst auf den Farmen bleiben
können, sich jedoch friedlich ver
halten müssen; Verbrechen sollen
streng geahndet werden.
Die Farmer könnten ihre Arbeit
fortsetzen, sagte der Vize- Vorsit
zende der Farmervereinigung, Nick
Swanepoel. Siedler, die vor den Ter
rorkommandos geflüchtet seien,
könnten wieder auf ihr Land
zurückkehren. In der Frage der
Landverteilung wurde laut Swa
nepoel ebenfalls ein weiter Weg
zurückgelegt.
Hartes Vorgehen gegen
Gewalt
Auch der Vertreter der Landbe
setzer, Chenjerai Hunzvi, sprach
nach dem Treffen in der Hauptstadt
von «fruchtbaren» Verhandlungen.
Er versprach, hart gegen die Gewalt
der Landbesetzer durchzugreifen,
dife in den vergangenen Wochen es
kaliert war.
Veteranen des Unabhängigkeits
krieges und Anhänger der Regie
rungspartei ZANU-PF von Präsi
dent Robert Mugabe halten seit Fe
bruar rund 1000 Farmen Weisser be
setzt.
Die Annäherung erfolgte einen
Tag nach, einem, erfolglosen Ge
spräch in London zwischen Vertre
treffen sich am 26. Juni auf dem
Gurten in Bern zu einem Runden
Tisch. Dabei sollen die Themen
«neue populistische Strömungen»
und «antieuropäische Kräfte» zur
Sprache kommen. Organisiert wird
der Anlass von der SF-Schweiz.
Der Aufstieg der extremen Rech
ten betreffe die Schweiz genauso,
begründet SP-Sprecherin Ursula
Dubois die Federführung ihrer Par
tei bei diesem Anlass. «Wir laufen in
der Schweiz Gefahr, das Gleiche wie
Österreich zu erleben». Im Herbst
planen die europäischen Sozialisten
die Durchführung eines zweiten
Runden Uschs in Osterreich.
In Nehada, 140 Kilometer nördlich
von Harare, trauern Menschen um
einen igten Angehörigen.
(Bild: Keystone)
tern des südafrikanischen Landes
und Grossbritannien. Die ehemali
ge Kolonialmacht hatte es abge
lehnt, Finanzhilfe für eine Landre-
form in Simbabwe freizugeben, so
lange die Landbesetzungen anhal
ten. Mit der Reform soll eine ge
rechte Landverteilung an die
schwarze Bevölkerung sicherge
stellt werden.
Vertreter beider Seiten besuchten
nach dem Ende ihrer Verhandlun
gen zusammen eine Farm, um die
Landbesetzer dort zu einem Ende
der Gewalt zu mahnen. Swanepoel
und Hunzvi wollten nach eigenen
Angaben erneut zusammentreffen.
Krisensitzung der
Oppositionspartei
Die führende Oppositionspartei
Bewegung für demokratischen
Wandel (MDC) beriet über die Kon
sequenzen der am Donnerstag erlas
senen Sondervollmacht der Polizei,
im Vorfeld der Parlamentswahlen
im Mai die Versammlungsfreiheit
und das Recht auf parteipolitische
Demonstrationen einzuschränken.
«Wir werden wahrscheinlich vor
dem Obersten Gericht die Aufhe
bung dieses Gesetzes beantragen»,
sagte Parteisprecher Learnmore
Jongwe der Nachrichtenagentur
AFP. Die MDC ist die einzig ernst zu
nehmende Konkurrentin der seit 20
Jahren regierenden ZANU- PF.
Eskalation der Gewalt
stoppen
Simbabwes Polizeichef Augustine
Chihuri hatte am Donnerstag er
klärt, mit Hilfe der Vollmacht solle
eine weitere Eskalation der Gewalt
gestoppt werden. Nach Angaben
der MDC wurden im Wahlkampf
seit Februar mindestens zwölf ihrer
Anhänger getötet.
Vertrauen
ausgesprochen
ROM: Der neue italienische Mi
nisterpräsident Giuliano Amato
hat die Vertrauensabstimmung
im römischen Abgeordneten
haus gewonnen. Er erhielt 319
Stimmen. 298 Abgeordnete vo
tierten am Freitagabend gegen
.sein Mitte-Links-Kabinett. Die
Mehrheit fiel damit klarer aus
als erwartet. Der Abstimmung
war heftiger Streit im Regie
rungslager vorausgegangen.
Zeitweise war der neuen Regie
rung die Mehrheit nicht mehr si
cher. Mit dem Vertrauensvotum
will Amato verdeutlichen, dass
seine neue Mannschaft über ei
ne Mehrheit im Parlament ver
fügt. Die Krise war durch schar
fe Kritik aus den Reihen der Ko
alitionsparteien der Grünen und
der «Demokraten» ausgelöst
worden. Dabei wurden auch di
rekte Vorbehalte gegen Amato
geäussert.