Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Inland 
Donnerstag, 27. April 2000 3 
Kein Handel von Milchkontingenten 
Regierung beantwortet FBPL-Interpellation zur Umsetzung dringlicher Massnahmen in der Agrarpolitik 
Die veränderten marktwirtschaft 
lichen Rahmenbedingungen fiir 
unsere Landwirtschaft verlangen 
auch nach einer neuen Regelung 
im Milchmarktbereich. Die Revi 
sion des Milchkontingentierungs 
gesetzes sieht dabei eine Aufhe 
bung der Limite der Höchst- 
milchmenge pro Betrieb vor. Ein 
Kontingentshandel nach schwei 
zerischem Vorbild wird nicht wei 
ter verfolgt. 
Dies geht aus der soeben veröffentlich 
ten Stellungnahme der Regierung zu 
einer Interpellation hervor, mit der Ab 
geordnete der FBPL-Landtagsfraktion 
endlich klare Auskünfte über die fälli-, 
ge Umsetzung dringlicher Massnah 
men in der liechtensteinischen Agrar 
politik verlangten. Nachstehend die 
wichtigsten Fragen der Interpellanten 
und die jeweiligen Antworten der Re 
gierung. 
Landwirtschaftliches 
Bauwesen 
Welchen exakten Terminplan hat die 
Regierung fiir die Einführung des Ge 
setzes über Investitionen in der Land 
wirtschaft? Soll das neue Gesetz nächs 
tes Jahr in Kraft treten? 
Am 21. Dezember 1999 verabschie 
dete die Regierung den Vernehmlas- 
sungsbericht zur Neufassung des Geset 
zes über die Förderung des landwirt 
schaftlichen Bauwesens. Die Vernehm- 
lassungsfrist dauerte bis zum 1. März 
2000. Derzeit wird der Bericht und An 
trag zu Händen des Landtags vorberei 
tet, so dass eine 1. Lesung im Landtag 
noch im Frühjahr 2000 möglich sein 
sollte. Das Inkrafttreten auf den 1. Ja 
nuar 2001 wird angestrebt. 
Welches sind die wichtigsten Änderun 
gen im Vergleich zum Gesetz über die 
Förderung des landwirtschaftlichen 
Bauwesens? 
Die Gesetzesvorlage weist folgende 
Schwerpunkte auf: 
• Die agrarpolitische Neuorientierung 
der Schweiz und die zunehmende Öff 
nung der Grenzen fordern die Wettbe 
werbsfähigkeit und die Belastbarkeit 
der Betriebe aufs Äusserste. Die Ver- 
nehmlassungsvorlage sieht von einer 
einseitigen Förderung der Milchwirt 
schaftsbetriebe ab. Das neue Gesetz 
soll flexibler und nicht nur auf die Rind; 
Viehhaltung beschränkt sein. 
• Die Begrenzung der Betriebsgrösse 
auf 65 Grossvieheinheiten (GVE) wird 
aufgehoben. Die Förderung wird in Ab 
hängigkeit der Betriebsgrösse (Stan- 
dardarbeitskraft) begrenzt. Gegenüber 
der bisherigen Regelung wird es den 
Betrieben ermöglicht, im Rahmen der 
Einhaltung der ökologischen Rahmen- 
Im Zuge der Revision des Gesetzes zur Kontingentierung der Milchproduktion soll die Limite der Höchstmilchmenge pro Be 
trieb aufgehoben werden. Von einem Kontingentshandel nach schweizerischen System soll hingegen abgesehen werden. 
bedingungen den Betrieb auch zu ei 
nem späteren Zeitpunkt über die bishe 
rige Limite von 65 GVE zu erweitern. 
• Die Förderung von Wohnhäusern 
soll in Zukunft nach den Bestimmun 
gen der Wohnbauförderung erfolgen. 
• Die Zersiedelung der Landschaft 
wird gestoppt. Der Aussiedlungsperi 
meter wird aufgehoben. Priorität wird 
auf den Ausbau der bestehenden Be 
triebe gelegt. Aussiedlungen werden 
riür noch in Ausnahmefällen erstellt 
und gefördert werden können. 
• Die Stellung der Kommission wird 
aufgewertet. 
Milchmarktordnung 
Wann tritt das revidierte Milchkontin 
gentierungsgesetz in Kraft? Welches 
sind die wichtigsten Änderungen im 
Vergleich zum heutigen Milchkontin 
gentierungsgesetz? 
Aufgrund der Information- und Dis 
kussionveranstaltung vom Dezember 
1999 sowie der Stellungnahme der 
VßO vom 16.2.2000 an den Ressortin 
haber wird der im Entwurf vorliegende 
Vernehmlassungsbericht erneut über 
arbeitet. Von einem Kontingentshandel 
nach schweizerischem Vorbild wird ab 
gesehen. Ein massgeschneidertes, ins 
besondere aber auch praxistaugliches 
System der Vermietung von Kontingen 
ten wird nicht ausgeschlossen. Aus der 
zeitiger Sicht können folgende zentrale 
Elemente erwähnt werden: 
• Die Limite der Höchstmilchmenge 
pro Betrieb ist aufzuheben. 
• Ein Kontingentshandel nach schwei 
zerischem System wird nicht weiter ver 
folgt. 
• Die Kontingente sind, im Gegensatz 
zu dem in den vergangenen Jahren 
praktizierten System der linearen An 
passung, fix zuzuteilen. 
• Die Wettbewerbsfähigkeit der liech 
tensteinischen Milchwirtschaft soll ver 
bessert weriäe|f' . ^ 
Die Regierung beabsichtigt, noch im 
Frühjahr 2000 einen Gesetzesentwurf 
zur Milchkontingentierung in die Ver 
nehmlassung zu verabschieden. Das In- 
Kraft-Treten des neuen Gesetzes sollte 
mit Beginn ddg nächsten-Milchjahres, 
d.h. am 1.1.2001, erfolgen;. 
Hat die Regierung'weitere Massnah 
men im Bereich der Milchmarktord 
nung geplant? Wenn fa, welche Mass 
nahmen und wann werden diese umge 
setzt? > 
Im Rahmender Schweizerischen Re 
form der Agrarpol 
tik 2002 (AP 2002) 
wurde auch der Milchmarkt von Grund 
auf umgekrempelt. Dies'ist eine der 
Veränderungen, welche die Landwirte 
sehr stark und direkt betrifft. 
Die Verantwortung in der Milchwirt 
schaft wird vom Staat auf die beteilig 
ten Marktpartner - Produktion, Ver 
wertung und Handel - übertragen. Der 
Wettbewerb und die Marktkräfte müs 
sen sich auf allen Stufen entfalten. Da 
durch besteht die beste Gewähr dafür, 
dass die Milch kostengünstig gesam 
melt, verarbeitet und mit einer mög 
lichst grossen Wertschöpfung verkauft 
wird. Für die Milchproduzenten fallen 
Preis- und Absatzgarantie sowie die 
Ablieferungspflicht in die angestammte 
Sammelstelle weg. Die Milchverarbei- 
ter sind nicht mehr gezwungen, die 
Milch im angestammten Gebiet zu 
übernehmen. Sie entscheiden selber, zu 
welchem Produkt sie die Milch verar 
beiten und wem sie die hergestellten 
Produkte Verkaufen wollen. Anderer 
seits müssen Produzenten und Verar- 
beiter auf Absatz- und Preisgarantien 
verzichten. 
Im Rahmen des gemeinsamen Wirt 
schaftsraumes Schweiz-Liechtenstein 
haben diese Änderungen auch Auswir 
kungen auf Liechtenstein. Die weiteren 
Massnahmen im Bereich der 
Milchmarktordnung, die von der Regie 
rung geplant werden, stehen in engem 
Zusammenhang mit den Verhandlun 
gen zur sogenannten Binnenmarktlö 
sung (siehe Beitrag unten). 
Agrarpolitik 2002 
Welche Elemente der AP 2002 werden 
von Liechtenstein unabhängig vom 
Zollvertrag übernommen? In welchen 
Bereichen nützt Liechtenstein die vor 
handenen Freiräume? In welcher Art 
und Weise geschieht dies? 
Liechtenstein hat heute in verschie 
denen Bereichen eigenständige gesetz 
liche Bestimmungen: 
• einkommensverbessernde Direkt 
zahlungen 
• Abgeltung ökologischer und tierge 
rechter Leistungen 
• Erschwernisbeiträge für die Bewirt 
schaftung des Berggebietes und der 
Hanglagen 
• Förderung des landwirtschaftlichen 
Bauwesens 
• Kontingentierung der Milchproduk 
tion 
• Förderung der Alpwirtschaft 
• Bodenverbesserungen / Melioratio 
nen. 
Dies soll auch in Zukunft so bleiben. 
In den meisten übrigen Bereichen, das 
sind vor allem die Marktordnungen, 
macht es jedoch Sinn, um ein Wettbe 
werbsgefälle zu vermeiden und um den 
administrativen Aufwand klein zu hal 
ten, die schweizerischen gesetzlichen 
Bestimmungen zu übernehmen. Wie er 
wähnt, ist es allerdings noch zu früh, um 
hier verbindliche Aussagen machen zu 
können. Insbesondere sind die offenen 
Fragen im Bereich der Milchstützung 
noch nicht geklärt. Hier ist das Bundes 
amt für Landwirtschaft der Ansicht, 
dass Liechtenstein wettbewerbsverzer 
rende Stützungen vornimmt und möch 
te daher, dass Liechtenstein im Bereich 
der Milch Schweizer Recht übernimmt. 
Welche Rahmenbedingungen sollen ge 
setzt werden, damit die Wettbewerbs 
fähigkeit unserer Landwirtschaft ver 
bessert wird? 
Die Regierung ist weiterhin bestrebt, 
der liechtensteinischen Landwirtschaft 
günstige Rahmenbedingungen ' zu 
schaffen, die es unseren Landwirten er 
laubt, die Herausforderungen der sich 
öffnenden Märkte zu bewältigen. In 
dieser Hinsicht werden z.B. in den er 
wähnten Gesetzen Limiten (65 Gross- 
vieheinheiten beim landw. Bauwesen, 
225 000 kg bei den einzelbetrieblichen 
Milchkontingenten) aufgehoben, um 
den Liechtensteiner Landwirten gleich 
lange Spiesse zu ermöglichen. Es hat 
sich aber auch gezeigt, dass die liech 
tensteinischen Landwirte in bestimm 
ten Bereichen, z.B. beim Kontingents 
handel, eine von der Schweiz abwei 
chende Lösung bevorzugen. 
Andererseits unterstützt die Regie 
rung bereits heute die Beratung von Bio 
betrieben (Förderung in Richtung einer 
ökologischeren Landwirtschaft) und sie 
unterstützt auch Projekte, welche die re 
gionale Vermarktung von Landwirt 
schaftsprodukten fördern (LandWirt, 
Rheintaler Frischedienst). Im Weiteren 
unterstützt die Regierung das Projekt 
«SchuLa - Schule auf dem Bauernhof» 
und beabsichtigt, auch die berufliche 
Weiterbildung in der Landwirtschaft 
(BUS Kurse) zu fördern. Die Regierung 
ist überzeugt, dass mit der Umsetzung 
des Agrarpakets 2000 die liechtensteini 
schen Landwirte optimale Rahmenbe 
dingungen im Vergleich zur schweizeri 
schen Konkurrenz haben werden. 
Binnenmarktlösung Schweiz-Liechtenstein 
Neue Vereinbarung soll einheitlichen Agrarbinnenmarkt gewährleisten - Verhandlungen laufen 
Im Zusammenhang mit der Neuaus 
richtung der Agrarpolitik ist es ein Be 
streben von schweizerischer Seite, ei 
nen Binnenmarkt Schweiz-Liechten 
stein zu schaffen, in dem möglichst alle 
Wettbewerbsverzerrungen ausgeschal 
tet werden. 
Die entsprechenden Verhandlungen 
mit der Schweiz seien derzeit im 
Gange, schreibt die Regierung in ihrer 
Stellungnahme zur FBPL-Interpella 
tion. Zur sog. Binnenmarktlösung hält 
sie Folgendes fest: 
«Die Schaffung einer Binnenmarkt 
lösung im Bereich der Landwirtschaft 
ist ein Anliegen des Bundesamtes fUr 
Landwirtschaft (BLW), das mehrere 
Jahre zurückgestellt werden musste 
und welches erst mit der Agrarpolitik 
2002 (AP 2002) und der besseren 
Transparenz, die seither im Bereich der 
agrarpolitischen Massnahmen besteht, 
möglich wurde. Dies betrifft z.B. den 
Milchbereich oder die Produktestan 
dards. Hier wird erwartet, dass Liech 
tenstein keine eigenen Standards 
(Milchqualität, Anforderungen an Bio 
produkte) festsetzt oder durch liech 
tensteinisches Recht Produkte im ge 
meinsamen Wirtschaftsraum in Ver 
kehr gebracht werden können, die dem 
schweizerischen Standard nicht ent 
sprechen. 
Gegenleistung erwartet 
Von Seiten des BLW wird mit dem 
Fürstentum Liechtenstein eine Binnen 
marktlösung angestrebt, in welcher 
Liechtenstein stärker an das schweizeri 
sche System gekoppelt wäre. Aus der 
Sicht des BLW profitieren heute die 
liechtensteinischen Konsumenten und 
die liechtensteinischen Landwirte von 
schweizerischen Massnahmen, ohne 
dass von liechtensteinischer Seite eine 
entsprechende Gegenleistung bestehe. 
Das BLW erwartet, dass sich Liechten 
stein künftig anteilmässig an seinen Auf 
wendungen beteiligt, welche die liech 
tensteinische 'Landwirtschaft nicht nur 
direkt, sondern auch indirekt betreffen. 
Dieser Aspekt der indirekten Auswir 
kungen, der jbisher voij: Liechtenstein 
nicht oder kium wahrgenommen und 
auch nicht entgolten wurde, dürfte sich 
bei mehreren Millionen Franken pro 
Jahr beweget], Das BLW möchte daher: 
• eine weitere Vereinbarung neben 
dem Zollverfrag mit Liechtenstein, die 
auch einen einheitlichen Agrarbinnen 
markt Schweiz-Liechtenstein gewähr 
leistet; *' 
• eine anteilmässige Abgeltung an den 
Aufwendungen, an denen Liechten 
stein direkt und indirekt beteiligt ist; 
• keine staatlich induzierten Wettbe 
werbsverzerrungen im gleichen Wirt 
schaftsraum. In den Bereichen Direkt 
zahlungen und Investitionsbeiträge 
bliebe Liechtenstein weiterhin eigen 
ständig; 
• ein rückwirkendes Inkrafttreten auf 
1.1.2000. 
Die Regierung hat am 9.11.1999 ei 
ne liechtensteinische Delegation unter 
der Leitung des Leiters des Rechts 
dienstes mit einem Verhandlungsman 
dat ausgestattet. Diese Delegation hat 
bereits Gespräche mit dem BLW ge 
führt. 
Der Milchbereich 
Im Milchbereich lautet das Angebot 
aus Bern, das schweizerische System 
der Zulagen und Beihilfen zu überneh 
men. In diesem Zusammenhang bilden 
die Zulagen im Milchbereich einen 
Diskussionskern, weil der Liechten 
steinische Milchverband und die VBO 
eine eigenständige, liechtensteinische 
Lösung anstreben. Eine Übernahme 
der CH-Bestimmungen hätte zur Fol 
ge, dass die liechtensteinische Milch 
künftig zu Käse verarbeitet werden 
müsste, um mit Hilfe der schweizeri 
schen Zulagen wettbewerbsfähig blei 
ben zu können. Dies hätte für den 
liechtensteinischen Milchsektor gra 
vierende Konsequenzen, weshalb hier 
angemessene Ubergangsregelungen 
anzustreben sind. Aus Sicht der Nah 
rungsmittelindustrie wird hingegen 
eine Übernahme der schweizerischen 
Vorschläge gewünscht.»
	        

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