Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Ausland 
Samstag, 15. Januar 2000 31 
Nachrichten 
SPD und Grüne setzen 
Eckpfeiler 
BONN/WÖRL1TZ: In getrennten Klausurta 
gungen haben die deutschen Regierungspar 
teien SPD und Grüne am Freitag die Grund 
züge für die Parlamentsarbeit in den nächsten 
Wochen festgelegt. Im Mittelpunkt standen da 
bei die Renten-, Steuer- und Atompolitik. Die 
Spitzen beider Fraktionen wollen am Samstag 
in Bonn erstmals gemeinsam über ihre Positio 
nen beraten. Klar ist, dass die Regierung ihre 
Marschroute in der Atompolitik, die ein Ende 
der Produktion von Elektrizität in Kernkraft 
werken vorsieht, am kommenden Mittwoch ab 
stimmen wird. SPD und Grüne wollen nach den 
Worten von Bundeskanzler Gerhard Schröder 
(SPD) mit einem «gemeinsamen Verhandlungs 
konzept» in die Rentengespräche in der nächs 
ten Woche gehen. Dafür wollten SPD-Frakti- 
onschef Peter Struck und die Grünen-Fraktion 
bei ihrem TYeffen am Samstag in Bonn sorgen, 
sagte Schröder nach seiner Teilnahme an einer 
SPD-Fraktionsvorstandssitzung am Freitag in 
Bonn. Struck betonte nach Abschluss der Klau 
sur des Fraktionsvorstandes, ab 2002 werde sich 
die Rentenanpassung wieder an den Löhnen 
und Gehältern orientieren. Noch keine näheren 
Festlegungen traf die SPD-Fraktionsspitze in 
der Atompolitik. Weitgehende Übereinstim 
mung herrsche aber darüber, den geplanten 
Ausstieg aus der Atomkraft «möglichst im Kon 
sens» mit den Energieversorgern zu bewerk 
stelligen, hiess es aus Fraktionskreisen. Dazu sei 
es sinnvoll, die nächste Gesprächsrunde zwi 
schen Regierung und den Konzernchefs abzu 
warten, die für Ende Januar vorgesehen sei. Es 
bleibe aber dabei, noch im ersten Halbjahr in je- 
, dem Fall ein Gesetz zum Ausstieg vorzulegen, 
das auch verfassungsrechtlich bestehen könne, 
sagte Struck. Die von der Koalition geplante 
Steuerreform wird nach den Worten von Fi 
nanzminister Hans Eichel noch vor der Som 
merpause unter Dach und Fach sein. Anders als 
bei der Rente werde es bei der Steuer jedoch 
keine Sondergespräche mit der Opposition ge 
ben. Bei der Ökosteuer will die Koalition trotz 
aller Kritik von Seiten der Opposition an ihrer 
Linie festhalten. Dies habe auch Schröder mit 
Nachdruck bekräftigt, hiess es aus der SPD- 
Fraktion. 
Schleppende Koali 
tionsverhandlungen 
WIEN: Die Verhandlungen zwischen den öster 
reichischen Sozialdemokraten (SPÖ) und der 
Volkspartei (ÖVP) um eine Regierungsbildung 
gestalten sich weiterhin schwierig. Mit zweistün 
diger Verspätung begann am Freitag in Wien die 
siebte Gesprächsrunde. Zuvor hatten sich die 
Verhandlungsführer, Bundeskanzler Viktor Kli 
ma (SPÖ) und Vizekanzler Wolfgang Schüssel 
(ÖVP), gemeinsam mit Finanzexperten zu neu 
en Budgetgesprächen getroffen. Über die Ge 
sprächsergebnisse wurde nichts bekannt, Klima 
sagte lediglich, in der Budgetgruppe sei «wie im 
mer konstruktiv» gearbeitet worden. Der sozial 
demokratische Finanzminister Rudolf Edlinger 
sagte, eine Lösung der Budgetfrage gebe es nur 
im Gesamtpaket. Über eine mögliche Einigung 
zeigte er sich optimistisch. Gleichzeitig warnte er 
vor Neuwahlen, falls keine Koalition zwischen 
SPÖ und ÖVP zustande komme. 
Treffen von Barak und 
Arafat nächste Woche 
RABAT: Israels Ministerpräsident Ehud Barak 
und Palästinenser-Präsident Jassir Arafat wer 
den sich nach offiziellen Angaben am Donners 
tag in Washington zu einem Gespräch treffen. 
Damit wolle Israel sein Interesse an einem Frie 
densabkommen mit den Palästinensern bekräf 
tigen, sagte der israelische Aussenminister Da 
vid Levy sagte am Freitag nach einem Marok 
ko* Besuch in Rabat. Der Fortschritt bei den is 
raelisch-syrischen Gesprächen gehe nicht zu 
Lasten der Palästinenser, sagte Levy. Er plant 
ebenfalls, an dem Treffen teilzunehmen. Einen 
Tag zuvor sollen die israelisch- syrischen Ver 
handlungen in dritter Runde in den USA fort 
gesetzt werden. 
Schwarze Konten zugegeben 
CDU enthüllt: Noch 17 Millionen Marie liegen auf Auslandskonten 
HOFHEIM: Der Landesver 
band Hessen der Christdemo 
kraten (CDU) hat die Existenz 
eines schwarzen Auslandskon 
tos in der Schweiz oder Liech 
tenstein zugegeben, von dem 
sie jahrelang Millionenbeträge 
entnommen hat. 
Mit diesen Enthüllungen korrigier 
te die Partei eigene Behauptungen, 
der hessischen CDU seien aus 
Liechtenstein aus anonymen Ver 
mächtnissen 13 Millionen Mark zu 
geflossen. Noch immer lägen dort 
17 Millionen Mark, räumten der 
frühere Landesvorsitzende Man 
fred Kanther und der jetzige Lan 
deschef und Ministerpräsident Ro 
land Koch am Freitagabend bei ei 
ner Pressekonferenz in Hofheim 
ein. Koch habe von den Vorgängen 
aber nichts gewusst, sagte Kanther. 
Koch sprach von einem «schweren 
Tag für die CDU». 
Wahlkampfrücklage 
Kanther sagte, die hessische CDU 
habe zu Anfang der 80-er Jahre eine 
so genannte Wahlkampfrücklage 
von etwa sieben bis acht Millionen 
Mark aus Spenden und Mitglieder 
beiträgen im Ausland gebildet, um 
sich für die Zeit nach der Verschär 
fung des Parteiengesetzes 1984 fi 
nanziell zu wappnen. Diese Rückla 
ge sei nie in den Rechenschaftsbe 
richten erwähnt worden. Dies nann 
te Kanther - seinerzeit Generalse 
kretär und ab 1991 Parteichef - ei 
nen «Anfangsfehler», den er später 
nicht mehr habe gut machen kön 
nen. Dies habe er zu vertreten und 
bedauere es zutiefst. 
In der Schweiz oder 
Liechtenstein angelegt 
Das Geld sei in der Schweiz oder 
Liechtenstein angelegt worden und 
habe sich stark vermehrt. Nach und 
nach entnahm die Partei davon 14,5 
Hessens CD U-Chef Roland Koch, links, beobachtet seinen Amtsvorgänger Manfred Kanther während einer Presse 
konferenz zur Parteispendenaffaire in der hessischen CDU. (Bild: Key) 
Millionen Mark, von denen sie rund 
13 Millionen als Vermächtnisse de 
klarierte und wahrscheinlich weite 
re anderthalb Millionen als Darle 
hen ihres früheren Schatzmeisters 
Casimir Prinz Wittgenstein. 
Der Kontostand betrage heute 17 
Millionen Mark. Ob die Gelder ver 
steuert Worden seien, könne er nicht 
sagen; Parteien seien aber auch 
nicht steuerpflichtig. Als die Partei 
seit Ende der 80-er Jahre Geld ge 
braucht habe, habe der damalige 
Schatzmeister Casimir Prinz Witt 
genstein die «Hilfskonstruktion» 
der Vermächtnisse gewählt, um das 
Geld an die Partei zurück zu trans 
ferieren. Diese «Kunstgriffe» seien 
Teil einer fehlerhaften Entwick 
lung. Weder den früheren Landes 
vorsitzenden Alfred Dregger und 
Walter Wallmann noch dem seit 
1998 amtierenden Koch seien die 
Vorgänge mitgeteilt worden, sagte 
Kanther, der auch einmal deutscher 
Innenminister war. 
Keine Vermächtnisse 
Es handle sich nicht um Ver 
mächtnisse, sondern um Rück 
führungen von Geld der CDU aus 
dem Ausland ins Inland. «Es gibt 
keinen Zweifel, dass die Legende 
zur Rückführung des Geldes via 
Vermächtnisse zur Täuschung der 
Öffentlichkeit geführt hat», sagte 
Koch. Die CDU-Politiker konnten 
nicht erklären, warum sie in den 
vergangenen Wochen die Version 
von Vermächtnissen mit Presseer 
klärungen und angeblichen Nach 
forschungen bestärkt haben. 
Mit dem Eingeständnis droht der 
Partei nach dem Gesetz eine Rück- 
zahlungsforderung von bis zu 39 
Millionen Mark - dem Dreifachen 
der falsch deklarierten Beträge. Die 
Partei werde nun Juristen und 
Rechnungsprüfer einschalten, um 
den genauen Fluss der Gelder zu re 
konstruieren, kündigte Koch an. 
Sie werde zudem nach Wegen su 
chen, die verbleibenden 17 Millio 
nen «ordnungsgemäss in den Kreis 
lauf der hessischen CDU» zu über 
führen: «Das ist unser Geld», sagte 
Kanther. Juristisch seien die Vor 
gänge nur als die Abgabe unvoll 
ständiger Rechenschaftsberichte zu 
werten - mehr nicht. 
«Kurdenproblem lösen» 
Öcalan: Hinrichtungsverzicht ermöglicht Neuanfang 
ISTANBUL: Der Kuidenfiihrer 
Abdullah öcalan hat die Entschei 
dung der türkischen Regierung zum 
vorläufigen Verzicht auf seine Hin* 
richtung als Wendepunkt und Neu 
beginn im Verhältnis zwischen Tür 
ken und Kurden begrüsst. 
Wie die pro-kurdische Zeitung 
«özgür Bakis» am Freitag berichte 
te, brachten die Anwälte öcalans 
von einem Besuch bei ihrem Man 
danten auf der Gefängnisinsel Im- 
rali eine Erklärung zur Entschei 
dung der Regierungskoalition mit. 
Darin betont Öcalan, nun müsse 
das Kurdenproblem gelöst werden. 
Die Angelegenheit sei «aus dem 
Minusbereich zum Nullpunkt ge 
langt». Darauf müsse aufgebaut 
werden. Der Chef der Arbeiterpar 
tei Kurdistans (PKK) erklärte sich 
in seiner Stellungnahme ausdrück 
lich mit der Warnung Ankaras an 
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Immer wieder kommt es in der Türkei zu Kundgebungen. 
die PKK einverstanden. Die türki 
sche Regierung hatte betont, wenn 
die PKK sich anschicke, den Auf 
schub für Öcalan für ihre Zwecke 
auszunutzen, werde der Rebellen 
chef sofort hingerichtet. Diese Posi 
tion sei richtig, betonte öcalan: 
«Die (beiden) Seiten dürfen dies 
nicht ausnutzen.» In seiner Er 
klärung verglich sich der PKK-Chef 
mit Jesus Christus: «Jesus wurde 
ans Kreuz genagelt», erklärte er. 
«Ich glaube, unsere Lage wird sich 
anders entwickeln.» Die türkische 
Regierungskoalition hatte am Mitt 
woch beschlossen, mit der Ent 
scheidung über die Vollstreckung 
von Öcalans Todesurteil bis zum 
Beschluss des Europäischen Men 
schenrechtsgerichtshofes in Stras- 
sburg über den Fall des PKK-Chefs 
zu .warten. Der Strassburger Ur 
teilsspruch wird in frühestens ei 
nem Jahr erwartet. 
Haftstrafen bis 25 Jahren 
Über 100 unbewaffnete Muslime ermordet 
DEN HAAG: Wegen der Ermor 
dung von mehr als 100 unbewaffne 
ten Muslimen in Bosnien sind am 
Fteitag fünf bosnische Kroaten vom 
UNO-Kriegsverbrechertribunal in 
Den Haag zu Haftstrafen bis zu 25 
Jahren verurteilt worden. Die An 
wälte der Verurteilten kündigten 
Einspruch an. 
Die Verurteilten waren nach Über 
zeugung des Gerichts am 16. April 
1993 an einem Massaker im Dorf 
Ahmici beteiligt, bei dem 116 Mus 
lime, unter ihnen viele Frauen und 
Kinder, aus ihren Häusern vertrie 
ben und ermordet wurden. 
Nicht die Hauptschuldigen 
«Die Tragödie in dem kleinen Dorf 
spiegelte im Kleinen die Spannun 
gen, Konflikte und den Hass wider, 
der seit 1991 das ganze frühere Ju 
goslawien ergriffen und so viel Leid 
und Blutvergiessen verursacht hat», 
fasste der Gerichtsvorsitzende am 
Freita| die Bedeutung des 15 Mona 
te langen Verfahrens zusammen. 
Dabei hätten - «mit vielleicht ei 
ner Ausnahme» - nicht die Haupt 
schuldigen an dem Massaker vor 
Gericht gestanden. Der Richter 
verwies dabei auf «jene, die es an 
ordneten und planten und die 
schlimmsten Gewalttaten ausführ 
ten, die gegen unschuldige Zivi 
listen». Die längste Haftstrafe von 
25 Jahren verhängte das Gericht ge 
gen Vladimir Santic, damals Kom 
paniechef der Militärpolizei und 
Leiter einer Sondereinheit. Das Ge 
richt fand den 41-Jährigen schuldig, 
gemordet und misshandelt zu ha 
ben. Es verurteilte ihn in drei Fällen 
zu Strafen von zehn, 15 und 25 Jah 
ren. Die Strafen wurden zu einer zu 
sammengezogen. Bei der Strafzu 
messung habe es eine Rolle ge 
spielt, dass er Befehle seiner Vorge 
setzten an die ihm Untergebenen 
weitergeleitet habe. Seine Anwe 
senheit vor Ort in kommandieren 
der Position sollte sicherstellen, 
dass die Untergebenen die Befehle 
auch ausführten, erklärte der Rich 
ter.
	        

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