Liechtensteiner Volksblatt
orm Verfassung
Samstag, 15. April 2000 8
«Wir alle wollen die Monarchie»
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Auftakt der FBPL-Verfassungsoffensive - Rege Diskussionen in Vaduz
«Wir alle wollen die Beibehaltung
der Monarchie, denn die überwie
gende Mehrheit der Bevölkerung
steht dazu». Ttotz dieser Aussage
diskutierten die interessierten
Teilnehmer beim Auftakt der
FBPL-Verfassungsoffensive in
der Gemeinde Vaduz sehr kontro
vers. Meinungen zu den zentralen
Ragen wurden offen diskutiert
und mit sachlichen Fakten und
Argumenten untermauert.
Peter Kindle
Dass die von der FBPL lancierte Ver
fassungsoffensive nötig ist, zeigte nicht
nur die rege Besucherzahl-an der Auf
taktveranstaltung im Vaduzer Restau
rant «Falknis», sondern auch die Datsa
che, dass sich gemäss einer Umfrage vor
Beginn der Diskussionsrunde rund ein
Drittel der anwesenden Teilnehmer in
der Verfassungsfrage eher schlecht in
formiert fühlte. Die gleiche Umfrage
nach der knapp zweistündigen Ge
sprächsrunde brachte ans Licht, dass
fast ausnahmslos alle Veranstaltungsbe
sucher gut informiert nach Hause
zurückkehren durften.
Zentrale Themen diskutiert
Zur Diskussion standen die sechs
zentralen Themen, an welchen auch die
Verhandlungen zwischen Fürstenhaus
Kontroverse Diskussionen bei der FBPL-Verfassungsoffensive in Vaduz.
und Verfassungskommission des Land
tages scheiterten.
Der Verfassungsvorschlag des Lan-
desfürsten, ein Selbstbestimmungsrecht
für Gemeinden zu institutionalisieren,
wurde eher skeptisch, aber auch offen
diskutiert. «Diese Art von Selbstbe
stimmungsrecht ist für Liechtenstein ei
ne Nummer zu gross», war aus den Rei-
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hen der Diskussionsteilnehmer zu ver
nehmen. «Das Recht auf Selbstbestim
mung ist totes Recht, welches sowieso
nie zur Anwendung kommen wird»,
lautete eine andere Aussage im Diskus
sionskreis. Es sei grundsätzlich kein
Problem, die beiden Artikel 1 und 4 des
Verfassungsvorschlages des Fürsten
hauses anzunehmen.
Kontroverse Diskussionen gab es
auch zum Thema «Vorschlagsrecht
und Unabhängigkeit der Gerichte».
Während man das Ansinnen des Fürs
tenhauses anerkannte, die parteipoliti
sche Färbung aus den Gerichten her
auszubringen, fiel unter den Diskussi
onsteilnehmern auch das Argument,
dass die Verfassung in Zukunft ver
mehrt nach «Gutdünken» des Landes
fürsten ausgelegt werden könnte, falls
dieser die Richter auswähle. Der Tenor
in der Gesprächsrunde zeigte die Ten
denz auf, dass man eher am jetzt gülti
gen Verfassungsrecht festhalten möch
te.
Bei der Diskussionsfrage, ob es ver
nünftig sei, in der Verfassung die Mög
lichkeit einzuräumen, die Monarchie
durch eine Volksabstimmung abzu
schaffen, wurde äusserst kritisch disku
tiert. «Wir alle wollen die Monarchie,
denn der überwiegende Teil der Bevöl
kerung steht dazu».
Geht der Fürst nach Wien?
In diesem Zusammenhang sei es oh
nehin kaum möglich, an der Abstim
mung durch die Erwägung rein sachli
cher Argumente eine Entscheidung zu
treffen. Es spiele bei der Abstimmung
immer wieder die Komponente mit,
dass der Landesfürst seinen Wohnsitz
nach Wien verlegen werde, falls sein
Vorschlag nicht angenommen werde.
«Die Abstimmung wird auf emotiona
ler Ebene ablaufen, der Wunsch des
Landesfürsten, nach Wien zu gehen, ist
tief verankert. Füv mich bedeutet das
Angst vor der ungewissen Zukunft»,
merkte ein Diskussionsteilnehmer an.
Notverordnungsrecht als
zentraler Negativpunkt
Die geplanten Änderungen im Be
reich des Notverordnungsrechtes im
Verfassungsvorschlag des Landesfürs
ten wurde von einer Vielzahl der Besu
cher als grosser Negativpunkt bewertet.
«Ich denke, es ist eine klare Stärkung
der Monarchie, wenn der Landesfürst
einzelne Regierungsmitglieder abset
zen darf. Dabei wurde von den Teilneh
mern der Gesprächsrunde angeregt,
dass eventuell eine direkte Wahl der
Regierung durch das Volk eine geeigne
te Lösung wäre, dieser Schwächung der
Demokratie Gegengewicht zu geben.
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Bedürfnis nach Revision aus Konflikt entstanden
Diskussion der strittigenVerfassungspunkte: Grundlagen zur Meinungsbildung liefern
Gut 40 Personen haben das Angebot
der FBPL, sich anlässlich einer Verfas
sungsdiskussion eine eigene Meinung
bilden zu können, angenommen. Im
«Deutschen Rhein» in Bendem wurde
gestern Abend angeregt diskutiert. Die
Voten machten deutlich, dass einige der
Anwesenden die Argumentation des
Landesfürsten nicht verstehen.
Adi Lippuner
Hansruedi Sele erläuterte zu Beginn
der Diskussionsrunde die strittigen
Punkte der Verfassung. «Aus einem
Konflikt ist das Bedürfnis zur Überar
beitung entstanden.» Unterstützung er
hielt der Gesprächsleiter vom FBPL-
Landtagsabgeordneten Gabriel Mar
xer. Dieser erläuterte dem engagiert
mitdiskutierenden Publikum die Vorge
hensweise des Landtages.
Die freiwillige Mitgliedschaft der Ge
meinden beim Staat (Artikel 1 und 4)
wurde von den Diskussionsteilnehmern
als «nur schwer nachvollziehbar», be
zeichnet. Auch die Erklärung, der Fürst
wolle eine Vision umsetzen, damit das
Land Liechtenstein als Beispiel für an
dere, grössere Staaten herangezogen
werden könne, löste weitgehend Kopf
schütteln aus.
Parteipolitisch gefärbt
Noch härter waren die Voten bei der
Richterernennung. Einige waren sich
die Anwesenden, dass die Bestellung
der Richter von der Parteipolitik gelöst
werden sollte. Die «Problemfälle» der
letzten Jahre wurden klar beim Namen
genannt. Dabei kam aus dem Publikum
das Votum, dass es durchaus nicht
gleichgültig sein, vor welchem Richter
man stehe. «Ich habe selbst die Erfah
rung machen müssen, dass ein Richter
durchaus nicht so entscheidet, wie es
Die Information über die geplante Verfassungsänderung aus dem Fürstenhaus lieferte Diskussionsstoff
(Bild:bak)
von einem Mann der der Wahrheitsfin
dung verpflichtet ist, zu erwarten wä
re», berichtete einer der Anwesenden.
Zu stark parteipolitische Richterernen
nungen oder eine bessere lYennung von
Politik und Richter könnte aber bereits
mit der Einführung einer Zweidrittel
mehrheit im Landtag erreicht werden,
lautete der Vorschlag.
Gegenvorschlag nötig
Die Kritik der Diskussionsrunde, der
Landtag oder die Verfassungskommis
sion hätten einen Gegenvorschlag zu
den Verfassungsvorschlägen aus dem
Fürstenhaus erarbeiten sollen, wurde
von Gabriel Marxer entschärft. «Die
Verfassungskommission hatte nicht den
Auftrag, einen Gegenvorschlag zu den
Ideen des Fürsten zu erarbeiten.
Die Drohung de* Landesfürsten, sei
nen Wohnsitz ins Ausland zu verlegen,
verunsichert viele Menschen in diesem
Land. Dies wurde auch gestern Abend
im Verlaufe der Diskussion deutlich.
Gemäss dem FBPL-Parteiprflsidenten
Ernst Walch habe er bei einer der Dis
kussionsrunden iau'f dem Schloss genau
dieses Thema zur Sprache gebracht. Es
sei denkbar, dass der Fürst eine tem
poräre Wohnsitznahme im Ausland in
Erwägung ziehe. {Allerdings würde er
trotzdem Staatsoberhaupt bleiben.
«Dieses Vorgehen würde keine beson
deren Auswirkungen auf das Land ha
ben.»
Angesprochen wurde auch das Ab-
stimmungsprozedere. Mehrfach wurde
der Wunsch geäussert, dass nicht Uber
alle Änderungsvorschläge gesamthaft,
sondern Uber die strittigen Punkte ein
zeln abgestimmt werden sollte. Denk
bar wäre auch, dass die Regierung den
Verfassungsvorschlag des Fürsten in
den Landtag einbringt, dann wäre dort
eine Diskussion möglich. Werden die
Änderungsvorschläge mittels einer Ini
tiative aus dem Volks zur Abstimmung
gebracht, könne der Landtag nur «Ja»
oder «Nein» sagen, erklärte Gabriel
Marxer.
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Nächste
Diskussions
runden:
Am Freitag, den 28. April 2000,
werden die Verfassungsdiskussi-
onsrunden in den Gemeinden Rug-
gell und Triesenberg fortgesetzt.
Die Diskussionsrunden finden wie
folgt statt:
•Triesenberg: Restaurant Edel weiss
• Ruggell: Caft Oehri
Veranstaltungsbeginn ist jeweils
um 18.00 Uhr.
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