Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner Volksblatt 
Landtag 
Freitag, 14. April 2000 5 
Landtag 
Mehr Eigenkapital und 
Reserven nötig 
Der Landtag hat die Richtlinien Uber den Zu 
gang zum Beruf der Güter- und Personenkraft- 
fahrtverkehrsunternehmer diskussionslos und 
einhellig angepasst. Geregelt werden der inner 
staatliche und der grenzüberschreitende Ver 
kehr sowie die gegenseitige Anerkennung von 
Diplomen, Prüfungszeugnissen und Befähi 
gungsnachweisen. Neu festgelegt wurde, dass 
Unternehmer über ein Eigenkapital und Reser 
ven verfügen müssen, die mindestens 9000 Eu 
ro (rund 14400 Franken) für das erste und 5000 
Euro (rund 8000 Franken) für jedes weitere 
Fahrzeug betragen. Bisher lag die Grenze bei 
3000 Euro pro Fahrzeug oder 150 Euro je Ton 
ne Gesamtgewicht bei Güterfahrzeugen und 
150 Euro je Sitzplatz bei Fahrzeugen für die Per 
sonenbeförderung. Zudem wurde festgelegt, 
dass Güterkraftverkehrsunternehmen, die 
ihren Beruf mit Fahrzeugen ausüben, deren 
zulässiges Gesamtgewicht 3,5 Tonnen nicht 
überschreitet, von der Prüfung über die fachli 
che Eignung befreit sind. 
Stromhandel: neues 
Zeitalter angebrochen 
Die Richtlinie 96/92 des europäischen Parla 
ments betreffend gemeinsame Vorschriften für 
den Elektrizitätsbinnenmarkt wurde einhellig 
genehmigt. Im Landtag wurde das Geschäft ge 
nutzt, um grundsätzliche Probleme rund um die 
Strommarktliberalisierung zur Sprache zu brin 
gen. So wies Egon Matt (FL) darauf hin, dass 
mit dieser Richtlinie ein neues Zeitalter im 
Stromhandel angebrochen sei. Die Öffnung der 
Netze bringe Vor-, aber auch Nachteile. Als Vor 
teil bezeichnete Matt die deutlich sinkenden 
Strompreise. Im Gegenzug werde der Konsum 
angeheizt, was aus Sicht des Umweltschutzes 
problematisch sei. Auch die geplante Aufteilung 
der Liechtensteinischen Kraftwerke (LKW) 
werfe noch einige Fragen aus. So sollen eine 
Stromhandelsfirma, ein Produktionswerk und 
ein Netzbetreiber entstehen. Nach Auskunft 
von Regierungschef-Stellvertreter Michael Rit 
ter «ist die Übernahme der Richtlinie unbestrit 
ten». Es werde verstärkt Wettbewerb geben, 
doch zum jetzigen Zeitpunkt seien noch einige 
Fragen offen. Das Dilemma bezüglich LKW sei 
erkennbar. «Einerseits ist das Unternehmen zu 
klein, um international bestehen zu können, an 
dererseits will das Land den Netzbetrieb nicht 
aus der Hand geben.» So bleibe nur die Auftei 
lung in mehrere Unternehmen, damit die Über 
lebensfähigkeit durch internationale Koopera 
tion sichergestellt werden könne. Auf die Frage 
von Rudolf Lampert (Bild), ob den LKW-An- 
gestellten der Kauf von Aktien ermöglicht wer 
de, sagte Ritter: «Die Betriebe werden privati 
siert und es muss diesen Unternehmen überlas 
sen werden, wer Aktien kaufen kann.» Eine 
Aussage, die von Lampert prompt mit dem Hin 
weis gekontert wurde, «das Land ist Aktionär 
und soll bestimmen, wer die Aktien erhält.» Rit 
ter räumte zudem ein, dass im LKW schon seit 
Jahren Rückstellungen getätigt werden, um all 
fällig nötig werdende Frühpensionen abfedern 
zu können. 
Tourismus: «Nicht nur Sub 
ventionen, sondern Qualität» 
1. Lesung des neuen Tourismusgesetzes - Regierung soll offene Fragen klären 
Mit 20 Stimmen entschied sich 
der Landtag, auf die erste Le 
sung des vorgeschlagenen Tou 
rismusgesetz einzutreten. Paul 
Vogt, Abgeordneter der Freien 
Liste sprach sich zwar zu Be 
ginn der Debatte für eine 
Zurückweisung des Gesetzes 
aus, um der Regierung und 
dem zuständigen Minister, 
Michael Ritter, die Chance zu 
geben, die «pragmatischen Lö 
sungsansätze» zu überdenken 
und zu überarbeiten. 
Peter Kindle 
«Der Tourismus in Liechtenstein 
steckt in einer Krise», monierte der 
FL-Abgeordnete Paul Vogt in sei 
nem Votum, «mit Werbung allein ist 
es nicht getan, wenn keine Qualität 
im Bereich des Tourismus vorhan 
den ist.» Auch die Unternehmer, 
welche in der Tourismusbranche 
Liechtensteins tätig seien, müssten 
sich «an der eigenen Nase nehmen», 
betonte Paul Vogt. 
Nicht nur Subventionierung, 
sondern Qualität 
«Das neue Tourismusgesetz pro 
pagiert lediglich die Subventionie 
rung eines nicht funktionierenden 
Bereiches», stellte Paul Vogt fest. 
«Es gibt attraktivere Orte als Liech 
tenstein, die es besser verstehen, zu 
werben». Dabei dachte der FL-Par- 
lamentarier unter anderem an be 
kannte und mondäne Skiorte, wie 
St. Anton und Ischgl in Österreich. 
Zu Beginn seines Votums hielt 
Paul Vogt fest, das neue Tourismus 
gesetz biete lediglich pragmatische 
Lösungsansätze. Er stellte auch den 
Antrag, den Gesetzesvorschlag zur 
Überarbeitung zurückzuweisen. 
Das Tourismusgesetz enthalte 
mehrere Kritikpunkte, die vor einer 
ersten Lesung des Gesetzesvor 
schlages überarbeitet werden müss 
ten. So kritisierte der FL-Parlamen- 
tarier die vielen unbestimmten 
allgemeinen Bestimmungen, welche 
im Gesetzesentwurf enthalten 
seien. «Das Gesetz bietet zwar teil 
weise gute Ansätze, jedoch in vielen 
Punkten ist es unpräzise. Das Ge 
setz bietet auch keine Steuerungs 
modelle», untermauerte Paul Vogt 
seine Kritikpunkte. Des Weiteren 
schlug er vor, «Liechtenstein-Tou- 
rismus» entweder als Verein oder 
Stiftung zu organisieren und einer 
Kommission den Auftrag zu ertei 
len, ein Leitbild zu formulieren. «Es 
ist bedenklich, wenn sich die Regie 
rung mit dem vorliegenden Marke- 
ting-Konzept identifizieren könne.» 
Ökonomie und Ökologie 
zusammenfliessen lassen 
Helmut Konrad (FBPL) schloss 
sich den Ausführungen von Paul 
Vogt an, allerdings mit dem Unter 
schied, dass sich der FBPL-Parla- 
mentarier dem Wunsch des Vertre 
ters der Freien Liste nicht anschlies- 
sen wollte, den Gesetzesvorschlag 
zurückzuweisen. Helmut Konrad 
betonte, dass sich das neue Touris 
musgesetz als «Rahmengesetz» eig 
ne, dass aber von der Regierung kei 
nesfalls unterlassen werden dürfe, 
die noch offenen Fragen in der Fol 
ge zu beantworten. «Im Sinne der 
Nachhaltigkeit müssen Ökonomie 
und Ökologie zusammengeführt 
werden», so Helmut Konrad. 
«Neues Gesetz ist nötig» 
Hubert Sele (VU) machte sich in 
seinem Votum stark für ein neues 
Tourismusgesetz. «Der Tourismus 
hat für unser Land rein wirtschaft 
lich nicht jene Bedeutung wie etwa 
die Industrie oder der Finanzdienst-' 
Regierungsrat Michael Ritter war offensichtlich geschockt ob der massiven Kritik seitens der Freien Liste. 
leistungsbereich. Er ist im Interesse 
einer vielfältigen Wirtschaft und der 
Vielfalt an Arbeitsplätzen im Lande 
wichtig», stellte Hubert Sele fest. 
«Tourismus bietet Arbeit und Ver 
dienstmöglichkeiten, also Arbeits 
plätze». Wichtig erschien Hubert 
Sele auch, nicht nur die direkten 
Dienstleistungsbringer im Frem 
denverkehrbereich zu sehen, son 
dern auch die Vernetzung, die sich 
mit anderen Branchen biete. Er be 
tonte auch: «Im Fremdenverkehrs 
bereich dürfen wir nicht konkurren 
zieren oder uns messen mit den 
grossen, bekannten Fremdenver 
kehrsorten, die voll und ganz auf 
Tourismus ausgerichtet sind. Das 
brauchen wir auch nicht». 
Als Zielsetzung formulierte Hu 
bert Sele , dass es einen nachhalti 
gen, qualitativ hochstehenden und 
verträglichen Tourismus geben 
müsse. «Liechtenstein muss auf ei 
nen vielfältigen Tourismus setzen: 
Ferientourismus, Tagestourismus 
und Geschäftstourismus», betonte 
Hubert Sele. 
Liechtenstein ist 
sympathieabhängig 
Der FL-Abgeordnete Egpn Matt 
äusserte sich kritisch gegenüber 
dem geplanten Tourismusgesetz: 
«Liechtenstein isf, und das gilt 
generell, von Sympathie abhängig. 
Sympathie, beziehungsweise einen 
guten Ruf kann man auf verschie 
denste Arten schaffen und gewin 
nen - aber auch zerstören oder ver 
lieren», so Egon Matt. «Gerade der 
Tourismus steht in einer direkten 
Wechselwirkung mit dem guten be 
ziehungsweise schlechten Ruf des 
PaulVogt (FL) kritisierte das geplante Tourismusgesetz dezidiert. 
Landes. Und es wird schnell klar, 
dass der Tourismus nicht allein in 
der Verantwortung steht, wenn es 
um den guten Ruf des Landes 
geht». Des Weiteren machte Egon 
Matt einen funktionierenden Tou 
rismus auch von den künftigen Ent 
wicklungsgehalten Liechtensteins 
abhängig. «Wie weit gelingt es uns, 
Lebens-, Kultur- und Wirtschafts 
raum als Einheit zu betrachten und 
zu gestalten?», lautete die abschlies 
sende Frage von Egon Matt. 
Regierung offensichtlich 
geschockt 
Lauschte man den Ausführungen 
und den erklärenden Antworten 
von Regierungsrat Michael Ritter, 
welcher von Seiten der Regierung 
Verantwortung in Sachen Touris 
mus übernehmen muss, so konnte 
man feststellen, dass er ob der mas 
sierten Kritik der Freien Liste 
empört und entsetzt schien. Mit per 
sönlichen, subjektiv gefärbten und 
unsachlichen Seitenhieben gegen 
den FL-Abgeordneten Paul Vogt 
versuchte der konsternierte Regie 
rungsrat, sich Luft zu verschaffen. 
«Ich weiss nicht, ob Sie den Bericht 
gelesen haben» und «als Realo sind 
Sie nicht sehr überzeugend» - sind 
Auszüge aus den Antworten, welche 
Regierungsrat Michael Ritter auf 
die Anregungen und Kritikpunkte 
von Seiten der Freien Liste zum 
Besten gab. 
«Schon besser verkauft» 
Paul Vogt, welcher von den ver 
balen Entgleisungen des Regie 
rungschef-Stellvertreters sehr ent 
täuscht war, stellte fest: «Ich verste 
he, dass Sie Ihre Politik verkaufen 
müssen. Aber Sie waren dabei 
schon besser...». 
Vaduz als Beispiel 
Dass nachhaltiger Tourismus in 
Liechtenstein funktioniere, stellte 
der VU-Abgeordnete und Vaduzer 
Bürgermeister Karlheinz Ospelt 
fest. «Es geht nur darum, Angebote 
bekannt zu machen und entspre 
chend zu verkaufen», so Karlheinz 
Ospelt. «Wir alle müssen ein positi 
ves Bild nach aussen tragen». Zu 
gleich nutzte Karlheinz Ospelt die 
sich bietende Chance, die Revitali 
sierungsmassnahmen, welche die 
Gemeinde Vaduz realisiert hat, auf 
zuzeigen. Somit versuchte er, die Be 
denken einzelner Abgeordneten zu 
zerstreuen, welche monierten, dass 
der Tagestourismus in Vaduz auch 
schlechte Seiten mit sich bringe.
	        

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